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MsdmfferTageblatt Da* Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Freitag, den 24 Dezember 1S26 Rr.30V. — 85 Jahrgang ernttr ärutlehr dorltrllungrn in Paris vers angesichts der vevorstehellden Weihnachtsfeiertage den Deutschen gönnen wird, so sehr muß doch darauf hin gewiesen werden, daß es nicht bei dieser Begnadigung bleiben darf, sondern, daß das Recht wieder hergestellt werden mutz, da es sich bei dem Urteil in Landau nicht um einen Rechtsspruch, sondern um einen politischen Spruch handelt. Gütern der europäischen Völkergemeinschaft, von der ja auch in Paris seit Locarno und Thoiry so viel geredet wird, hier verübt worden ist. Die zuständigen Reichs minister sind diesem Beispiel, obwohl das Kabinett, dem sie angehören, zurzeit keine volle politische Handlungs fähigkeit besitzt, unverzüglich auch mit außerordentlich scharfen Einspruchserklärungen gefolgt. Der Minister für die besetzten Gebiete, der deutsche Botschafter in Paris haben sich in Bewegung gesetzt, um der französischen Ne gierung klaren Wein darüber einzuschenken, was für ein Spiel von ihren beauftragten Organen hier getrieben wird, und durch a l l.e deutschen Parteien, von ganz links bis ganz rechts, geht ein Schrei der Entrüstung über diese unerhörte Rechtsbeugung, die, bis sie zur Wahrheit ge worden war, kein Mensch für möglich gehalten Hütte. Das bißchen Weihnachtsfreude, das wir in Aus sicht hatten, ist so mutwillig zerstört worden. Das Reichs schiff wird sich, wenn erst die innenpolitische Krisis über munden ist, abermals auf stürmische Fahrten gefaßt zu machen haben. Dr. Sy. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Naumzeile 20 Goldpfcnnig, die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Rcchweisungegedühr 20 Goldpsennig. Dor- r-eschriedeneLrscheinungs- _ _ * tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit Kern spreche?: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtig!. Anzeigen annahme dis norm. 10 Uhr > — - — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Nabatianspruch erlischt, wenu der Benag durch Klage eingezogen werden muß oderder Auftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Gegen das KriWgerWMeil. Ernste deutsche Vorstellungen. Der deutsche Botschafter in Paris, Herr v. Hoesch, hatte eine eingehende Aussprache im französischen Außen ministerium über das Urteil des Kriegsgerichts in Lan dau. Er brachte in der Unterredung, die er in Abwesen heit des französischen Auszenministers wegen der Eil bedürftigkeit mit dem Generalsekretär Herrn Berthelot hatte, die Auffassung der deutschen Ncichsregierung sowie die Stimmung der dentscheu öffentlichen Meinung über das beklagenswerte Urteil zum Ausdruck. General sekretär Berthelot sagte zu. den Inhalt der Unterredung unverzüglich zur Kenntnis seines Chefs und des fran zösischen Ministerpräsidenten zu bringen. Eine Note wurde nicht überreicht. Ergänzend zu dieser offiziösen Mitteilung wird noch bekannt, daß auch Dr. Stresemann mit dem französischen Botschafter in Berlin eine eingehende Unterredung hatte. Sowohl Dr. Stresemann wie auch Herr von Hoesch machten die französische Seite sehr ernst darauf aufmerk sam, welche tiefe Erregung der Freispruch Rouziers in ganz Deutschland ohne jeden Unterschied der Partei hervorgerufen hat. Er brachte zum Ausdruck, daß bei Aufrechterhaltung des Urteils der Geist der Verständi gungspolitik Gefahr leiden müsse. Die maßgebenden Stellen der Ncichsregierung erwägen gegenwärtig die Schritte, durch die die Reichsregierung der Entrüstung des gesamten deutschen Volkes über den Freispruch Rou ziers Ausdruck geben und darauf hinwirken kann, daß eine Sühne und Genugtuung für die Tat erfolgt. Außer dem wird vor allem aber erwogen, was den Interessen der deutschen Verurteilten dient. Wie gros; die Entrüstung in Deutschland ist, zeigt sich aus der Fülle der Protest telegramme, die von allen Seiten bei der Reichsregierung eingehen, in denen die Erwartung ausgesprochen wird, daß die Reichsregierung alle Mittel zur Wiedergut machung des Unrechtes von Landau erschöpfen wird. * Rouziers Freispruch rechiskräfiig. Die deutsche Revision an gemeldet. Der Freispruch des Leutnants Rouzier ist rechts kräftig geworden, da eine Berufung des Staatsanwalts nach französischem Recht nicht erfolgen kann und Rouzier natürlich keine Revision verlangt hat. Dagegen haben die Verteidiger der deutschen Angeklagten Revision für ihre Angeklagten in der vorgeschriebenen Frist von 24 Stunden «»gemeldet. Zunächst ist die Anmeldung ohne Angabe von Gründen erfolgt. Der Hauptgrund für das Verlangen nach Revision wird wahrscheinlich die Nicht zulassung der deutschen Zeugen als Nebenkläger sein. Die München-Augsburger Abendzeitung meldet aus Germersheim: Die französische Kommandantur hat, um Ausschreitungen der erregten Bevölkerung zu verhindern, angeordnet, daß die Wohnung des freigesprochenen Rou- zier bis zu dessen Abreise aus Germersheim durch Gendarmerieposten bewacht wird. Gendarmerie durchstreift auch die Straßen der Stadt und die Lokale. Die Bevölkerung zeigt tiefste Erregung über das Urteil. Viel besprochen wird, daß nach der Freisprechung des Rouzier das gesamte Richterkollegium noch im Gc- richtssaal auf den Unterleutnant Rouzier zutrat und ihn ostentativ und lärmend in Gegenwart der Verurteilten beglückwünschte (!). Begnadigung der Deutschen? Wie verlautet, hat die Reichsregierung aus Paris die Mitteilung erhalten, daß die vom Landauer franzö sischen Kriegsgericht verhängten Gefängnisstrafen über die veutschen Angeklagten durch eine Begnadigung aufgehoben werden sollen. So gern man diese Begnadigung beson- Wachsende Nermsititt in Paris. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 23. Dezember. An französischer zuständiger Stelle entwickelt man im Zufammenhng mit dem gestrigen Besuch des deutschen Botschafters bei Briand die Ansicht, daß ein Gnadenakt im Landauer Urteil bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge keineswegs der deutschen Auftastung genügen würde und daher zwecklos wäre. Das Journal de Debats erklärt, die Haltung der französischen Regierung gegenüber der deutschen Demarche laste keinen Zweifel zu. Die französifche Regierung fei nicht in der Loge, mit Berlin die Diskussion über eine Frage aufzunehmen, die unter gar keinen Umständen den Gegenstand diplomatischer Ver handlungen bilden könne und sie werde es auch ablehnen, einen Zusammenhang zwischen lokalen Zwischenfällen von nichtssagender Bedeutung (!) und dem Problem der Besatzung hcrzustellen. Beim geringsten Anzeichen einer Schwäche der französischen Re gierung in dieser Beziehung wäre Stresemann sicher bereit, zahl reiche seiner Landsleute zu opfem, um feine politischen Ziele zu erreichen. Nach übereinstimmender Ansicht der Rechtspresse würde aber auch eine Begnadigung der Deutschen an sich abzu lehnen sein, da dieser Ast keineswegs die durch das Landauer Ur teil entstandene Spannung zwischen Deutschland und Frankreich beheben könne. Jie RHMWMMWn Wert die Mlitsmng de; Matthes. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Mainz, 23. Dezember. Wie hier bekannt wird, ist auf Grund des Rbeinlandabkommens von der Rheinlandkommission ein offizieller Antrag an die Reichsregierung gestellt worden, den nunmehr durch das Landauer Kriegsgerichtsurteil zu zwei Jahren Gefängnis verurteilten deutschen Staatsangehörigen Joseph Matthes auszuliefern. Matthes, der bekanntlich seit den Septem- dersorfällen in Germersheim in einer Heidelberger Klinik dar niederliegt, ist als nicht transportfähig befunden worden, fo datz an eine Auslieferung vorläufig nicht zu denken ist. Nach dem Rheinlandabkommün, das ja von Deuftchland auf Grund des Ver sailler Vertrages angenommen werden mutzte, ist die deutsche Negierung verpflichtet, einem derartigen Auslieferungsersuchen stattzugebcn. Freigabe deutschen Eigentums in Frankreich. Ein deutsch-französisches Kaliabkommen. Durch Notenaustausch zwischen dem Auswärtigen Amt und der Französischen Botschaft in Berlin ist eine deutsch-sranzösische Vereinbarung über die beschleunigte Abwicklung des Ausgleichsverfahrens in Kraft gesetzt worden. Es handelt sich um ein umfang reiches, zahlreiche technische Einzelpunkte behandelndes Abkommen, über das im Oktober d. I. in Berlin zwischen einer deutschen Delegation unter Führung des Präsiden ten des Reichsausgleichsamtes, Dr. Brill, und einer fran zösischen Delegation unter Führung des Herrn Alphand verhandelt und eine Einigung erzielt worden ist. Bei dieser Gelegenheit hat die französische Regierung die Erklärung abgegeben, daß sie das aus Grund des Versailler Vertrages unter Sequester gestellte deutsch« Eigentum, soweit dessen Liquidation am 30. Oktober 1 926 noch nicht eingeleitet worden war, frcigib 1 unt bei demeniaen deutschen BermöacnS Kücken ZwitWI im slalOMen Kabinett. Eigener Fernfprcchdienft des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 23. DeMwcr. Die Stellungnahme der Reichs re- gicrung und der deuftchen Oeftentlichkeit zum Landauer Urteil hat in Paris tiefen Eindruck gemacht und in politischen Kreisen starke Nervosität hervvrgernfen. Es hat den Anschein, als wäre man an offizieller Stelle eher geneigt, durch einen Begnadigungs akt den Eindruck des Landauer Urteils zu verwischen, als noch mals den ganzen Prozeß durch eine höhere Instanz aufrollen zu lasten. Unkontrollierbare Gerüchte wollen von einem neuen tiefen Zwiespalt innerhalb des Kabinetts wissen. Man geht sogar so weit: Poincare als den Inspirator des Landauer Urteils zu be zeichnen, der auf diesem Wege versucht htte, die Briandsche Außenpolitik zu dcsavouiren. Telegr.-Adr.: .Amtsblatt« Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 stürmische Weihnachtsfahrft Nirgends auf der Erde wird wohl das Weih- « achtsfest mit solcher Innigkeit, mit solcher Hingebung in seinen religiösen, an seinen unvergänglichen Gedan- !en- und Empfindungsgehalt gefeiert wie in Deutschland, sind gerade Deutschland ist es nun schon seit Jahren be- chieden, sich nicht ungestört, mit voller seelischer Samm- »ng in das Ewigkeitserlebnis eines fröhlichen, seligen Friedenszustandes versenken zu können. Von innen vie von außen her werden wir immer wieder, wenn die Weihnachtsglocken sich anschicken, der nach Erlösung sich sehnenden Menschheit ihre himmlische Botschaft zu ver künden, m die Welt des Unfriedens und der Zerrissen- Zuruckgeworfen — als stünde es in den Sternen ge- schrreben, daß das deutsche Volk nach den langen Jahren des Krieges und des Nachkrieges erst eine noch längere, Reihe von Jahren der Friedlosigkeit zu durchlaufen habe, ehe es wieder einer wahren Weihnachtsstimmung sollt teilhaftig werden dürfen. * Mit der echt preußischen Pünktlichkeit, die man an lhm in seinen reichbewegten Amtsjahren genügsam ken- nengelernt hat, ist der frühere Reichskanzler Dr. Luther zum Weihnachtsfest wieder in die Heimat zurüügekehrt. In den fünf Monaten seiner Abwesenheit hat er viel ge sehen, viel erlebt und wohl auch viel Zeit zum Nach denken über deutsche und andere Schicksalsfragen gehabt. Man hat ihn, in den südamerikanischen Staaten beson ders, geehrt und gefeiert, wie allenfalls vor dem Welt kriege Deutsche in der Fremde zuweilen gefeiert wurden. Ungezählte Tausende von Kilometern hat Herr Dr. Luther drüben im Flugzeug zurückgelegt und den heimatlichen Boden auch erst nach zum großen Teil sehr stürmischer überfahrt wieder betreten können. Aber der erste Ein druck, den er hier empfing, besteht in der Erkenntnis, daß auch für Deutschland die Zeit ruhiger Fahrten noch immer nicht gekommen ist. In dem Augenblick, da der Nach folger Dr. Luthers im Reichskanzleramt sich anschicken wollte, durch Einbeziehung der Sozialdemokratie wieder einmal einen Versuch mit der „Großen Koalition in der Reichsregterung zu machen, geriet das Relchsschlff aber mals in stürmische Gewässer. Emstwellen ist es ge strandet komm« nicht vom Fleck, niemand weiß zu sagen, wie es wieder flottzumachcn sein wird. Dr. Luther ist ge wiß nicht der Mann, unerbetene Ratschläge zu erteilen, und wenn jemand etwa an ihn mit der Frage heran- treteil wollte, ob er vielleicht, trotz trüber Erfahrungen aus hochsommerlicher Zeit, Lust verspüren möchte, das Steuerruder des Reiches wieder in die Hand zu nehmen, er würde schwerlich sich von der Aussicht locken lassen, über kurz oder lang mit seinen Ansichten von dieser oder jener Neichstagsmehrheit im Stich gelassen zu werden. In der Leitung der deutschen Reichsbahn erwartet ihn jetzt ein und sehr einflußreicher Posten, von dein er zwar vorübergehend durch die Laune der vorqeschrie- benen Auslosung getrennt wordeu ist, der ihm aber sichor- llch erhalten bletben wird, da alle beteiligten Stellen ge rade auf seine umfassende Sachkenntnis, auf seinen schöpferischen Arbeitswillen den größten Wert legen. über Nacht hat sich zu der inneren Krisis, unter deren Zeichen der Reichstag nach vollendetem Kabinettssturz in die Weihnachtsferien gegangen ist, auch wieder ein recht bedrohliches außenpolitisches Sturmwetter im Osten «vie im Westen des Reiches gegen uns zusam mengezogen. Der Militärputsch in Litauen ist zwar in aller Eile von der dortigen Volksvertretung nachträglich gutgeheißen und in seinen nächsten Folgen anerkannt worden, aber die daraus entstandene Unruhe in Rußland wie in Polen bleibt natürlich von diesen parlamentari schen Beschlüssen unberührt, und wenn erst der Schnee wieder vor wärmeren Winden dahinschmelzeu wird, kann niemand wissen, was der Frühling diesen östlichen Randstaaten — und ihren Nachbarvölkern an Über raschungen, an Verlegenheiten, an Verwicklungen brin gen mag. Aber das sind noch verhältnismäßig entfernte Sor gen. Im Augenblick sind alle unsere Empfindungen wieder vom Westen her aufgestört worden. Das französische Kriegsgerichten Landau hat es für zulässig und anscheinend auch für nützlich befunden, durch Frei sprechung eines geständigen Totschlägers in Offiziers uniform unserem Volk eme Herausforderung ins Gesicht »n schleudern, die kein Deutscher ruhig hinzuuehmen ge sonnen sein wird. Wir alle fühlen es: hier handelt eS sich um mehr als um eine zufällige, aus menschlicher Un- ?,Englichkeit entsprungene Verirrung. Hier handelt cs sich um den mit vollem Bewußtsein geführten Schlag einer gepanzerten Faust, einer Faust, die vom. französischem Generalstab und seinen — uniformierten, und nichtiinisormierten — Handlangern gelenkt worden! ist. Nicht der kleine 5>crr Rouzier, nicht die armen deut schen Angeklagte«, die das französische,Militärgericht ins Gefängnis schleudern will, sind die eigentlichen Ob,ekts ^7 Justiz. Die deuftch-sranzösische Ausgleichs- und Verjohnungspolitik ist es, Lie hier in Landau zur strecke gebracht werden sollte; und die deutschen Pressevertreter wußten wohl, was sie taten, als sie unmittelbar nach gc- ichehener Tat an Herrn Briand ein entrüstetes Protest- ii/^mm absandten, nm ihn keinen Augenblick darüber - Zweifel zu lassen, welcher Frevel an den höchsten Rationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Dos »Ml.dmnrr Taarblatt» -rsch-int I-olich nachm. 5 Uhr lür den Ta,. Brzugdprri»: St> Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 Md. im Monat, der Zustellung durch die Boten 2,30 Mk., bei Postdeftellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend träger und Geichästsstellen ' ' ——— nehmen zu jeder Zeit Be- itelnnoen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de» Bezugspreise». — Nücksendung eingejandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt.