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Nr. SSO. Mittwsch, de» LS November LWS. 4. Iayrgang Sächsische Kolksmtimg tiißlich »ach«, mit «lu-nahme der Sonn. u. Festtage. !>I ^ «MLLLMW»'" »«abdSngiger kagedlan». WsdrDeil. becdt u. freibeit. Fas.ra»« werden die Sgespalt. Vetttzetle oder deren Raum mit 18 «f. berechnet, de» Stederholunq bedeutender Rabatt. 8»chdru«er»i, »tedattta» »nd «eschäftSfteS», DreSde». VtN«tt»e» Straf». AK. - Fee kdrech.'v Nr. t^no. Für den Monat Dezember abonniert man auf die „Sächsische Volkszeitung" mit der täglichen Roman- beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise von S« sshllk Krstklltzkldj durch den Boten ins Haus ttv Vf. Eine Massenkundgebung gegen die „Los von Nom"-Bewegung in Wien. In der Volkshalle des Rathauses fand Sonntag abend eine Männerversammlung des St. Bonifatiusvereins statt, die sich zu einer mächtigen Kundgebung gegen die „Los von Rom-Bewegung" gestaltete. Es waren weit über 4000 Per sonen anwesend: über 2000 Personen konnten keinen Ein laß mehr finden. Unter den Anwesenden bemerkte »tan außer Kardinal Fürsterzbischof Dr. Katschthaler (Salzburg) und mehreren Bischöfen das Zentrumsmitglied Abgeord neten Rack6 (Mainz), den Präsidenten des Bonifatinsvcr- eins in Deutsch.Gra'rn Hermann Stoiber.,-Slolber.i (Westfalen). Ter Leiter des Wiener DiözesankomiteeS des Bonifatiusvereins, Prälat Dr. Müller-, wies darauf bni. daß der Bonifatiusverein in mehr als 20 000 Tiasporaorten bei Errichtung ei'i. r geordw'ten Seelsorge tatkräftig mithalf mit einem Aufwunde von 3 1000 000 Mark uno in Oester reich sieben Filmten besitzt, welche nach Kräften das edle Zül des Vereins, die Unterstützung der unter den Protestan ten lebenden K^.hcliken T.utßklands und benachbarter Län der, fördern Dics wurde anaestrebt, ohne 'edwede Verun glimpfung des protestantischen Glaubens, ohne je ein Wort sU 'agen oder ?u schreiben, worüber sich -,u beklagen unsere vrotlstantischen Mitbürger Anlaß gehabt hatte». (Beifall.) Der Geneullberstand des deutschen Voiiifatiusverems Graf Hermann S t o l b c r g - S t o l >» e r g (Westfalen) überbrachte di ' Grüße des deutschen Bonifatiusvereins. Die Los von Rom Bewegung sc. nicht ohne Gei'aln. Obwohl Oesterreich das Glück harte, sich als ganz gelck/ossei-.es katbo- lisches Staatswesen unter einer streng katholischen Dynastie zu betrachten, habe der Feind doch seinen Samen gesät. Der Gefahr muß begegnet werden, auch dadurch, daß überall wieder der Glaube und die ckristliche Lehre neu erfrischt und verbreitet werden. Hierauf sprach unter lebhaften Sympathiebezeugungen der deutsche Zontrumsabgeordnete Rack 6 (Mainz). Er überbrachte die Grüße des Bischofs Dr. Kirstein von Mainz und führte dann zu seinem.Thema „Die Los von Rom-Be wegung in Oesterreich" au:: Es ist eine auf den ersten Blick frappierende Erschei nung, daß, jo mehr der Protestantismus als Bekonntnis- lehre in sich zerfällt, seine Kriegsstimmung gegen den Ka tholizismus in quadratischer Progression zunimmt. Aus der ganzen Linie sehen wir den knrar pralantantien» im Bunde mit der Loge, dem Unglauben und dem Atheismus das Sturmsignal geben zum Vernichtungskampfe gegen den Felsen Petri. Man kann es nicht vertragen, daß inmitten des religiösen Zersetzungs- und Auflösungsprozesses unserer Zeit die katholische Kirche allein mit ihrem festgefügten Lehrsystem und ihrer unwandelbaren Autorität unberührt bleibt. Darum soll sie gestürzt werden. Daß die Gegner es vor allem ans Oesterreich abgesehen haben, kann uns nicht wundern. Nachdem in Frankreich die brutale Frei- manrerpolitik eines Combes vorläufig zu triumphieren scheint, ist Oesterreich zur Zeit die erste katholische Macht Europas und zudem berufen, als Schntzwall zu dienen gegen das von Osten herandrängende Schisma. Schon ein mal hat das katholische Oesterreich Europa und insbesondere Deutschland vor der Barbarei des Islam gerettet trotz der schmachvollen Schacher- und Kuhhandelpolitik der damaligen protestantisck)en Fürsten. Auch heute handelt es sich um Existenz oder Vernichtung der ganzen christlichen Kultur und Zivilisation Europas. Eine Frage drängt sich uns ans: Wie war es möglich, daß es dem Evangelischen Bunde gelungen ist, weite Kreise des in bezug auf Religion vielfach so gleichgiltigen prote stantischen Volkes förmlich zu fanatisieren? Vier Worte er klären das Rätsel: „Die Macht der Vorurteile." Die Haupt- und Grimdtbese des ganzen Protestantismus ist eigentlich das Dogma von der Mindertvertigkeit der Katholiken im weitesten Sinne des Wortes. Daß Fortschritt, Bildung, Wissenschaft ohne Reformation gar nicht denkbar ist, diese Ueberzengimg bringen bekanntlich schon die protestantischen Babies mit ans die Welt. (Heiterkeit.) „Alle großen Denker und Dichter", ruft mit rührender Bescheidenheit Pastor Blanckmeister von Dresden in Nr. ö Jahrgang l der „Wartburg" aus, „alle großen Erfinder und Entdecker sind mit wenig Ausnahmen Protestanten genresen; die Geistes wissenschaften sind öffentlich im Besitz des Protestantis mus . . . Gewissensfreiheit. Bildung, freie Forschung, mo derne Volksvertretung, Einrichtungen der Humanität und Gesittung, es sind alles Dinge, welche die Welt dem Pro testantismus verdankt." Mehr kann man wohl nicht verlangen! Herunter nun von eurem Piedestal, ihr großen Rhetoren, Philosophen und Theologen aller Jahrhunderte und Nationen, Chrysostomus. Augustinus, Tertullian. Ambrosius, Athanasius, Albertus Magnus, Thomas von Aauin, Bellarmin, Bossnet. F^iwlon, Boirrdalonr, Lacordaire. Wiseman, Badmes. Verhüllt euer Angesicht, Dante, Calderon, Shakespeare, Lago de Vcga, Cervantes, Corneille, Mantalembert, Wilh. von Schlegel, Brentano, Wolfram von Eschenbach, Friedrich von Speel Und ihr gefeierten Architekten und Erbauer unserer herr lichen Donie von Rom, Mailand, Köln, Barcelona, Straß burg, Freiburg, Wien, tretet zurück in das Dunkel der Ver gangenheit, wohin ihr gehört, da kein Lichtstrahl des reinen „Evangeliums" je euer Herz getroffen. Fort aus unseren Galerien mit euren Werken. Rafael, Leonardo de Vinci, Michelangelo, Fiesole, Dürer, Mnrillo, Tizian! Und was habt ihr noch unter der Kulturwelt zu suchen, ihr zurückge bliebenen Katholiken Kolumbus, Gutenborg, ihr Astrono men Eusa. Kepler, Kopernikus, Sccchi, ihr Physiker, Natur forscher und Aerzte Volta, Ampdre, Hyrtl, Pasteur, Dumas, Elie de Beanmont! Laßt ein-e Leier verstummen Mozart, Haydn, Beethoven, Palästrina, Orlando Lasso, Liszt, Gon- nod, Chopin, Verdi. Steige hinab in die Finsternis geisti gen Todes Josef Görres, du. den Napoleon I. einst die fünfte Großmacht Europas genannt. Ja, senkt eure Szep- tcr ihr alle, ihr Männer des Genies vor dem großen Refor mator von Wittenberg und seinem Knappen Blanckmeister ! aus Dresden, mag auch Luther der erklärteste Feind der ! Wissenschaft gewesen sein und die Vernunft als eine „schöne Metze" bezeichnet l-aben und als des „Teufels Braut". Darf ich euer noch gedenken, ohne zu erröten, ihr Engel der Barmherzigkeit, ihr anfopferungsbcgeisterte Wohltäter der Menschheit, ihr Pioniere aller edlen sozialen Bestrebungen, heiliger Vinzenz von Paul, Pater Damian, du Vater der armen verlassenen Aussätzigen, heiliger Benediktns, dessen Söhne das Dickicht der Wälder gelichtet, Grund und Boden urbar gemacht haben, Don Bosko. du Netter der Jugend, Philippus Neri, Franziskus von Assisi, der du deine Töch ter in die Hütten der Armut, in die Spitäler, zu den Pest- kranken und ans die Schlachtfelder schickst, Kolping, du Ge- scllenvater, Wilhelm Emanncl von Ketteler, Kardinal Man- ning, Papst Leo Xlll., ihr großen Arbeiterapostel und du. du liebe, gute Elisabeth. Ach wie seid ihr so klein geworden, ihr gefeierter Forscher de Rosst, Hurten, Gsörer, Janssen, Denifle, Garncni, Onno Klopp gegenüber der titanenhaften Größe protestantischer Geschichtsbaumeister ä In Viktor Hegemann, Du Moulin, Boethlink, Hoensbroech, Graß mann! Entblättert ist euer Lorbeer, ihr Helden ans Oester reichs großer Vergangenheit: Prinz Engen, du edler Ritter, Maximilian, Ferdinand ll., Leopold V., Tilly. Andreas Hofer, Starheinberg, Erzherzog Albrecht, Radetzky, Kollo- nitsch und wie ihr alle heißet. (Lebhafter Beifall.) Soll ich diese traurige Liste gefallener Größen noch iveiter ansdeh nen? An Männer erinnern, wie Bonifatiiis, Karl der Große, Heinrich der Vogler, Heinrich III., Otto der Große, Gregor VII., Leo X., Julius ll., Daniel O'Conell, Mallinkrodt? Nein! Nein! (Lebhafter Beifall.) Ach mein Gott, muß das eine Welt der Erniedrigung, der Verkommenheit, des Entsetzens gewesen sein, als die Jahrtausende hindurch und bis zu Christi Geburt und von da ab fünfzehn lange Jahrhunderte bis zu jenem glücklichen Augenblicke, wo endlich, endlich die Schatten der Nacht sich senkten, besiegt von der strahlenden Sonne Wittenbergs! Warum, Allmächtiger, hast du bei Erschaffung und Erlösung der Welt nicht die Hexenmeister der Reformation, warum nicht Pastor Blanckmeister oder den noch größeren Meyer- Zwickau um Rat gefragt? (Heiterkeit.) Wie viel Elend, Finsternis und Barbarei wäre uns erspart geblieben! (Hei terkeit.) O, du dreimal gesegnete Zauberformel, so einfach und doch so groß und wunderbar, die uns einführt in die tiefsten Geheimnisse des Universums, uns alle Vorgänge und Ereignisse der Weltgeschichte wie durch einen Zauber- spiegel vorahnen und erkennen und in ihrer wahren Be- deiiiimg verstehen läßt! (Heiterkeit.) Sie glauben es nicht? Nu» dann ein Beispiel. Ein Kapitel aus der neueren Geschichte in drei Ab schnitten. Erster Abschnitt: Im Balkankricge 1877—1878 siegten die Russen über die Türken. Warum? Gar nicht anders möglich, antworten »ns die Schriftgelehrten des Evangelischen Bundes, denn die russische Armee ist eine Schöpfung protestantischen Geistes. (Heiterkeit.) Zweiter Abschnitt: Im ostasiatischen Kriege bekam dieselbe russische Armee von den Japanern ihre Hiebe, und zwar gründlich. Ganz natürlich: denn nach denselben Schriftgelehrten waren diesmal die Russen katholisch und die Japaner Protestantisch. (Lebhafte Heiterkeit.) Also steht's geschrieben in der evan gelischen ^nntn enm, heiligen Registern. Dritter Abschnitt: Beim Friedensschlüsse wurden trotz allem die Japaner von den Russen über den Löffel barbiert, denn augenscheinlich sind inzwischen die Russen wieder protestantisch geworden und demgemäß die Japaner katholisch. (Große Heiterkeit.) Das Tanfwasser tilgt zwar die Erbsünde, aber ein Radikalmittel gegen die Dummheit ist es nicht! Ich möchte Herders Ksnversations-Lexikon. (Schluß.) Die nunmehr vorliegenden fünf Bände gestatten im Zusammenhänge einen guten Ueberblick über die Reichhal- tigkeit des Herderschen Lexikons. Das vorzügliche geogra phische und geschichtliche Kartenmaterial ist zu einem form- lichen Atlas angewachsen, zu dem die entsprechenden Artikel des Textes im Verein mit den vielseitigen statistischen Ta- bellen (Fläches Bevölkerung, Religion, Handel, Finanzen. Verkehr, Heer und Flotte usw.) eine erschöpfende Beschrei bung bieten. Was diese georgraphisck>en Artikel noch be sonders wertvoll macht, ist die eingehende Berücksichtigung der Entdeckungs- und Forschungsgeschichte und der kolonia len Entwickelung einzelner Länder: auch fehlt nickst ein sach kundiger Abriß der allgemeinen Kolonialgeschichte. Dem Be- nutzer geographischer Karten gibt der Artikel Landkarten mit seiner Kartenbeilage willkommenen Aufschluß über die Geschichte, die Entstehung und allmähliche technische Vervoll- kommnung der Karthographie. Daß bei den Länder- und Ortsartikeln die katholisch-kirchlichen Verhältnisse einläßlich berücksichtigt sind, ist wiederholt als ein besonderer Vorzug des Herderschen Lexikons von katholischer wie «katholischer Seite anerkannt worden. Eine weitere Art Atlas für sich bilden die Kunstartikel mit den durchweg passend gewählten und sauber . auSgesührten Tafeln. Zu diesen gesellen sich gleich sachverständige Ausführungen über Sprache und Lite- ratur der einzelnen Völker. In großen Zügen skizziert eine achtseitige synchronistische Uebersicht die Geschichte der Welt literatur, die typischen Vertreter der verschiedenen Richtun- gen kurz und bündig charakterisierend. Eine in der An tage ähnliche, nicht minder lehrreiche Uebersicht bietet die Beilage Kirchengeschichte. Ungemein vielseitig ist die Heraldik bedacht. Von klcl- neren meist illustrierten Artikeln abgesehen, finden wir zum Teil in farbiger Ausführung auf eigenen Tafeln Wappen und Kronen in geschichtlich wie heraldisch treuer Wieder gabe. Dazu kommt eine farbcntrene Wiedergabe Flaggen mit Kriegs- und Handelsflaggen, Flaggen- und Fernsigna- len. Tie Beilage Kirche und Kurie machen mit der Organi- sation der katholischen Kirche ans der ganzen Erde, sowie mit ihrem großen Behördenapparat in Nom bekannt, mit der Organisation der katholischen Kirche in Deutschland spe ziell eine übersichtliche Diözosankarte mit erläuterndem Text. Das weitverzweigte Feld der Technik und Naturwissen schaften hat eine fachgemäße und sorgfältige Behandlung ge funden. Nicht nur die reich illustrierten, znm Teil farbigen Beilagen, auch die kleineren technischen Zeichnungen (Durch- schnitte, Aufrisse usw.) sind deutlich und exakt. Auch in den großen wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen der Gegen- wart erweist sich das Lexikon als sicherer Führer und bietet in den einschlägigen Artikeln mit zahlreichen Beilagen ein erschöpfendes sozialpolitisches Kompendium. Heer und Ma rine sind ihrer Bedeutung für unsere Zeit entsprechend ge- würdigt und ztvar nach der geschichtlichen, staats- und Völker- rechtlichen Seite ebenso wie in technischer und strategischer Hinsicht. Die Artikel Friede, Friedensbewegung, Heer, Krieg, Militär und ihre Zusammensetzungen, sowie dis illustrierten Beilagen Handfeuerwaffen,' Kriegsschiff, Heer- wesen, Marine sind hierfür Musterbeispiele. Fachmännische Sicherheit verraten auch im kleinsten die literatur- und kulturgeschichtlichen, liturgischen, kritisch. biographischen, historischen, philosophischen, juristischen und theologische» Artikel. Nicht Nxmige von diesen sind durch gute Textabbildungen — bis jetzt über 2000 — erläutert. Objektivität und Unbefangenheit des Urteils haben die Lebensbilder berühmter Personell gezeichnet. Eine willkommene Zugabe, deren Wert ans den ersten ! Blick niibedeilteild erscheinen mag, ist die überall, wo es i nötig ist, bcigefügte Aussprache und Betonung. Auch hier- ! in zeigt sich peinliche Genauigkeit: in zweifelhaften Fällen l ist offensichtlich an Ort und Stelle oder von gewiegten Fach leuten Auskunft eingebolt worden. Es gilt das unter ande rem besonders von Orts- und Eigennamen, nicht zuletzt von deutschen und von orientalischen. Und nun noch ein Wort über die Weltanschauung, den katholischen Clrarakter des ganzen Werkes. Daß diese katho lische „Grundfärbung" nirgends stört, wird immer mehr gerade auch von der ernsten akatholischen Presse anerkannt. Die ganze Vehandlungswcise, zumal umstrittener Gebiete, ist rnbig und sachlich, ja man kann sagen, von einer gewissen vornebmeii Weitherzigkeit. Es wird keine Polemik getrie ben. sondern ernst und gerecht gewertet. Der gleiche Vorzug macht das Herdersche Lexikon nicht zuletzt auch für Nicht- katholikcn brauchbar, die sich weitverbreiteten Vorurteilen und schiefen Darstellungen gegenüber hier auf das genaueste über katholische Dinge unterrichten können, in manchen wich- tigen Zeitfragen geradezu ans dieses Werk angewiesen sind. Daß aber für die Katholiken selbst eine derartige Enzyklo- tlädie ein wirkliches Bedürfnis gewesen, wird auch der Geg ner, der die literarische Entwickelung der letzten Jahrzehnte verfolgt hat, wohl zugcben müssen. Wegen des Bußtages erscheint die nächste Nummer erst Donnerstag, den 23. November, nachmittags.