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Sächsischer Landes-Anzeiger : 12.03.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188603124
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860312
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860312
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-03
- Tag 1886-03-12
-
Monat
1886-03
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 12.03.1886
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in Ck mnltz und den Vororten, sowie bei der Post. (Eingetragen unter Nr.'4K33.), Im 4. Quartal erscheint für Abonnenten Lahreslmch (WeihnachtSbeigabe) d, «»teiger«. Verlag: Alexander Wiede, Buchvruckeret, Lhemuitz. mit „Ghemnitzev Stadt-Anzeigev". Freitag, 12. MSrz 188k. JnsertionsPreiS: Raum einer schmalen KorpuSzeile 1k Pfg^ — ReName (lspaliige Petitzeile) 80 Pfa. — BeiWiedcrholung großer Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle«« JusertionSbctrag (in Briefmarken) beifüge» 6e8 Silben Korpusschrist bilden ca. I Zelle). Annoncenannahme: nur bis Vormittag. kzpeditioü und Redattion: Chemnitz, Theaterstraße Nr. L. Telearamm-Adr.: Wiede « Anzeiger, Chemnitz. Fernsprech stelle Nr. lllk- MMer: „Tägliches UntexhattungsdlaN' Md hMtiriW MW« Smut-z-blii» „Lustiges Bilderbuchs Amtliche Bekanntmachungen sächsischer Behörden. Das ConeurSverfahren über da» Ber«ögen de» Bäcker» Christian Anton Nötzold in Erfenschlag wirb nach erfolgter Abhaltung de» Schlußtermin» hierdurch aufgehoben. Chemnitz, den' S. Mär» 1888. Königlicher Amtsgericht Telegravtisebe dtachriebten. Vom 10. MSrz. Berlin. Die Stockholmer Steinkohlenimport-Firma tzschwiebev, Schvieler u. To. sallirt«. Frankfurt a. M. Di« Strafkammer de» Landgerichtes sprach die wegen anarchistischer Umtriebe Angeklagten, Adolf und Friedrich Santermeister und Franz Vollmer, frei. Frankfurt a. M. Die Stadtverordneten nahmen den Antrag de» Magistrates auf Aushebung des Schulgelde» in der Volksschule von Ostern ab an. Wien. Ans Belgrad verlautet, daß nach der Ratification des Friedensschlusses Garaschanin demisfionirte »ad Mijatovic» dl« LabinetSbildung übernommen habe. London. Dar Unterhaus verwarf mit 241 gegen 22-) Stimmen Dilllvhu'S Antrag zu Gunsten der Entstaatlichung der Kirche in Wales Im Lause der Debatte bekämpfte der Schatzkanzler Harconrt den Antrag, indem er erklärte, die Kircheufrage in Wale» sei nicht zu trennen von der Kirchenfragr in England, von welcher Gladstonr während der Wahlen gesagt habe, daß dieselbe in diesem Parlamente nicht ansgcworse» werden soll. Konstantinopel Eine Circularnote der Pfor'e vom 6. d. M «klärt, di. Türket bleibe dabei Griechenland keinerlei Toncesfione» zu machen, also «öunten über solche Eoneesfione» gemäß den früheren Erklärungen der Pforte keine Verhandlungen stattfiudeu. Ei« stampf um daS D-ntseEthum Chemnitz, den 11. März. Unseren Landsleuten in den russischen Ostserprovinzeu wird jetzt mit aller Macht der Garaus gemacht; da» Leben muß mau ihnen aller divg» lasten, aber deutsche Sprache, deutsche Sitte, Religion, denen geht'» zu Leibe, und wenn noch zehn Jahre vergangen find, so ist auch der Name „Deutsche Oftserprooruzen in Rußla-d" «in üb«c wunden« Standpunkt. Er ist d« russischen Regierung unlieb, wen« von der Rusfifijieruug ihrer deutschen Unterthaueu viele Worte yemachl «erden; sie möchte die» ganz, UntrrdrückongSwerk am liebsten mit dem Mantel de» tiefsten Schweigens bedecken, adele wall geschieht, spricht zu laut, die Klagen kommen za kräftig, ol» daß sie nicht ge hört werben müßten. In Petersburg machen die Herren auch noch zu weilen ein freundliche» Gesicht, fie nehmen die Klagen gegen die russischen Beamten in den Ostserproviuzen geneigtest entgegen, aber nur um fie in Actenschränke zu versenken, wo fie gelb und schwarz »erden könne». Die ongeklagtrn Beamten aber wirthschaften ruhig weiter, nnd haben fie ihre Sache recht gut gemacht, so fehlt'» auch nicht au Auszeichnungen dafür. Mau mag sich in Petersburg drehen und winden wie man will. Thalsache ist, da» Drutlchtdu« soll fort anS de» Ostseeprovivzen, die deutsche Selbständigkeit radikal vernichte» werden. Der Rüste will den Deutschen nicht bei sich haben, also fort damit! Rußland spielt sich gar zu gern auf als Schützer de» Rechte», der Humanität und der Civittsation gegenüber den Türken. Hätte der Sultan Über die russischen Osts«Provinzen zu herrschen, unsere Landsleute würden sich sicher bester stehen. Hätte dir russische Re gieruug rin Recht oder einen Grund, da» Teutschthuw auSzurotten. mau müßte pillschweigen; wo liegt aber hi« ein Recht oder Grund? Die deutschen Ostseeprovinzen haben sich freiwillig zur Zeit Peters de» Großen von der schwedischen uutcr die russische Herrschast gestellt, fie haben bis auf diesen Tag treu zu Rußland gehalten. Während da» Russenthum vom Nihilismus zerfressen uud zerwühlt worden ist, haben sich die Deutschen rein gehalten, uud, wo sich die Nihilisten in den OstsreProvjpzeu gezeigt, da waren es Rüsten aber keine Deutsch«. Die Treue, welche die Deutsche» dem Zar in Petersburg stets ent- gegevgebracht haben, ist belohnt durch Privilegien, welche bisher jeder Kaiser, selbst der eingefleischte Natiovalruffe NicolauS, bestätigt hat. Jetzt werden diese Privilegien gebrochen. Weshalb? Die Deutschen stehen treuer zu dem Zarrnthum, als die Rüste», anS ihren Reihen ist noch kein Attentäter hervorgrgangeu, aber sie find Deutsche, die Nationalität ist ihr Verbrechen. Hätten die Deutschen die leiseste Spur eine» Gedanken» verrathrn, fie wollten sich von Rußland los- «ihr», so wüßte man sagen, rS geschieht ihnen rech». Jetzt liegt sür diese Maßnahmen kein Grnud «ud kein Recht vor. Wollte man »pch zugeftehev, daß in den Ostseepioviuze» die russische Sprache al» Amtssprache im Interesse der Sprachrneinheit de- Reiches nothwendig ist. so gehen doch die ouderweireu Maßnahme» weit über da hinaus, was wir, Humanität nennen. Die Schale Wied vergewaltigt, Kirche «ud Religion nicht minder. E» liegen iv den in den Peters bürg« Actenschränke» vergrabtnen Beschwerden Beweise vor, daß mit Zwang vorgegangen wird, um die Deutschen zu Rüsten zu mache». Die Kinder aps gewischten Ehen werden möglichst zur griechischen Kirche übergeführi. der Ban von nichtgriechischen Kirchen wird ver hindert und so geht «» fort. Ist da» eine Handlungsweise welche dem »usstscheu Programm entspricht, der Schützer all« Christen im Orient z> sein? Gewiß nicht! Deutschland uud Rußland leben io Frieden und Freundschaft mit einander, nnd wir wünschen nichts Andere». Kein Land hat dm Mord de» Vater» de» jetzigen Zaren so betrauert, ai» gerade Deutschland, kein Land hat dem jetzigen Zaren so viel Ehe pachte entgegen ged« acht, al» gerade Deutschland. Wir glaube» recht g«o, daß auch der Zar, daß einflußreiche Mit glieder der Petersburg-r Rgierung offen und ehrlich Friede» und Frenudschast wtt Deutschland wollen, aber Alle» daS verhindert nicht die Thatsache, daß in Rußland anch ein, mächtige, starke Partei besteht, di« Deutschland und di« Drntsch« auf. das Bitterste haßt. Osten kann sie zur Zeit ihren Eipfluß nicht geltend wachen» sie thut e» also ins geheim und unsere Landsleute in den Opseeprooinzeo haben da» zu verspüren. Seit Skobelew's Tod hat dies« Partei de» Mann ver- loren, der ungeuirt de» Krieg gegen Deutschland predigte, die Kaiser- zusawmenknnst von Skieruiewice hat Manches wieder gut gemacht Aber darüber dürfen wir un» auch nicht hinwegtänscheo, daß wir ia PeteiSbnrg neben guten Freunden auch bittere Feinds habe«, die >»r di, Gewalt der Umstände zu« Schweige» zw!" Politische Rundschau. Chemnitz, den 11. MSrz. Deutsches Reich. Ter gestern dem Reichstag zngegangrue Gesetz entwurf, welcher die Unmöglichkeit befettigt, daß active Militär- prrfoueu zu de» Gemeindeabgabeu herangezogen werden können, lautet, wie folgt: Die Verordnung vom 22. Deermber 1868 tritt insoweit außer Kraft, al» dieselbe die Heranjiehung de» außerdienstliche» Einkommen» der im OsficierSraug stehenden Militärprrsoueu, sowie der Pension der »nr Disposition gestellten Officier« zu den Gemeinde- abgabeu rntgegensteht. lieber di« Heranziehung de» außerdienstlichen Einkommen» der im Officier»rai>g stehenden Militärpersoor» und der Pension der zur Disposition gestellten Officlere zu den Gemeinde abgabeu Bestimmung zu treffen, wird der LondeSgesetzgebung über lasten. Diese» Gesetz tritt mit de» Tage seiner Verkündigung in Wirksamkeit. — Der Abg. von Schalscha soll den RelchSbehörd-o zwei Ber liner Firmen namhaft gemacht haben, welche nach seinen Informationen m der Schweiz preußische Thal« haben prägen lasten und dieselben später io Berlin in deutsches Geld nwgesetzt haben. — Ist da» der Fall, wird Herr von Schalscha auch BeweiSmaterial erbringen helfen wüsten, denn diese Mittheilnng i>i bann keine Aeußernng im Reichs tage mehr. Im Uebrigen ist zu der Angelegenheit unser heutiger RctchStagSbericht zu vergleichen. — Die zweite Kammer des sächsischen Landtage» ist gestern «ach kurzer Berathung dem Beschluß der ersten Kammer üb« die Entschädigung unschuldig Berurtheilter beigetretrn. Hiermit hat die Kammer eine Pflicht der Menschlichkeit erfüllt. — Ein kleine» Nachspiel zu den letzten preußische« LandtagSwahle« fand diese« Tage vor der Strafkamm« de» Landgericht» zu Erfurt statt. Tin freisinnige» Laudwirth anS Nott leben war unter Anklage gestellt, weil er vor der Wahlmäunnwahl in der Dorfschänke folgende» harmlose Gedicht au»gehäugt hatte: Gott gab dem Fisch dt, Flossen, Und Dir, o Mensch, zwei Bein', Damit sollst Du unverdrossen Gehen in» Wahllokal hinein! Di« Anklage ging dahin, daß jener Laudwirth «in Plakat, welche» einen anderen Inhalt al» Ankündigungen üb« gesetzlich«, nicht verbotene Versammlungen re. enthielt, öffentlich angeheftet und mit diesem Plakate eine Bekanntmachung de» OrtSvorstaude» verdeckt, mithin groben Unfug verübt habe DaS Schöffengericht «ickanute jedoch auf Freisprechung, tmd.dieAnklagrbehörd,legt« Berufung ssii'." Bor der Strafkammer führte nun der Vertreter da» Ange klagten au», ein Vergehen gegen da» Preßgesetz könne gar nicht in Frage kommen. Denn ein einfacher, von dem Angeklagten selbst mit einigen Versen beschriebener Zettel könne doch niemal- ein Preßer- zeugniß genannt werden. DaS Preßgesetz könne also schon au» diesem Grunde gar keine Anwendung finden. Auch von Verübung groben Unfug» könne absolut gar keine Rede sein Uebrigen» fordere da» harmlose Gedichtchen ja zur Wahl, mithin nicht zu einer ver botenen, sondern gerade zu einer gebotenen Versammlung auf. DaS Gericht eignet« sich diesen Standpunkt an, verwarf die Berufung und legte di« Koste» der Staatskasse zur Last. — Oesterreich-Ungarn. Au« Wien wird gemeldet, die anti deutsche» Demonstrationen in Galizien hätten dort peinliche» Eindruck in Regierungskrisen gemacht. Auf Weisung einflußreicher Polen sei der Plan wegen Bildung einer Gesellschaft znm Ankauf der Verschuldeten Güter in Posen an'g-geben. England. Dce Noth unter den Arbeitslosen in London nimmt in Folge der grimmige» Kälte immer noch zu, da di« Witterung manche Arbeiten verhindert, welche bei günstigerem Wetter Wohl noch hätten auSgesührt werden können. Dabei fließen die Gaben für den Uuter- stützuogSsoudr znm Besten der Arbeitslosen nur noch sehr langsam, denn in voriger Woche sind kaum 2000 Pfand eingegangen und die Gesammtsnmme beträgt bisher nur 67,000 Pfand, von denen fast 60.000 Pfund schon vertheilt worden find. In der letzten Sitzung de» BttwaltungsausschuffeS erklärte der Lordmayor von London, daß, wenn di« Witterung nicht bald milder werde, ein neuer Ausruf an den WohlthätigkeitSsinn de» Pablikum» sich uölhig erweisen würde. In de« Provinzen ist die Noth nicht weniger groß, wie in London. Jo Liverpool ist die Zahl der Arbeitslosen durch eine große Zahl beschäftigungsloser Matrosen vermehrt worden Der Umstand, daß di; Schiffseigner ausländischen Matrosen den Vorzug geben, weil dieselben billiger arbeiten nnd dem Trünke weniger ergeben find al» di« eng lischen Seelente, erschwert daS Hebel. Rußland. Die Russifiziruag der Ostseeprovinzen geht, wie wir auch gestern kurz aodeoteteu nnd in dem heutigen Leitartikel Weiler oossühren, den regierenden Herren in Petersburg zu longsa«. E» ist daher «sreulich, daß sich auch di« Deutschen enger znsawwruschließen, was daran» hnvorgeht, daß bei den städtischen Wahlen in Riga da» deutsche Comitee alle seine Kandidaten, trotz de» von russischer Sette geübte» Hochdruck» zu Gunsten de« gegnerischen Kandidaten, glücklich durchgrbracht hat. Spanien. Je näher der Termin der Neuwahlen zu den Corte» heranrückt, om so schärfer koutrollirt die Regierung Post- und Telegraphen. Jede »nr einigermaßen verfängliche Nachricht wird zurück- gehalten und erst ans weiten Umwegen ist r» möglich, Nachrichten in» Ausland zu schmuggeln Es steht sehr trüb in Spanien au», uud da» Ministerium verhehlt sich nicht die Möglichkeit eine» starken An wachse»» der «pudlikaoifche» Partei. Gewinnt diese aber in der Volksvertretung bedeutend an Boden, so kann fie leicht schwankende Leute, und derer giebt e» in Spanien viele, mit sich forireißen und du Monarchie ernstlich gefährlich werden, fie sogar stürzen. Bon den Carlisten wird weniger besürchlet. Orient. Die griechische Regierung hatte sich bisher immer och in Hoffnungen gewiegt, fie werde durch ihren Trotz der Türkei doch noch etwas odzwockeu. Diese Illusion ist nun auch vorüaer. In ihrem letzten Rundschreiben an dir Grohmächle hat die Türkei, nach einem heutigen Telegramm, ganz kategorisch erNärt, fie bleibe dabei, Griechenland keine Concesfioneu z« machen. Es könnte« also auch über diese Frage, gemäß den frühere« Erklärungen der Pforte, gar keine Verhandlungen statifindeu. Nnn werden di« Herren Minister in Athen doch endlich kopircn, daß für sie nicht- zu habe» ist. EkuS dem Reichslag. —an. Berlin, de« 10. März. Zur Berathung steht zunächst folgender Antrag Windthorst'»: Der Reichstag wolle eine Erklärung dahin abgehe«, daß e« unzulässig sei. einen Reichstagsabgeorduete» wegen Aeußerungen über Thatsache», die ihm i» dieser seiner Eigenschaft mitgetheilt sind und welche er infolgedessen im Reichstage vorgetragen hat, eine« ZeugnißzwangSverfahren zu unterwerfen. Abg Windt» Horst begründet diesen Antrag. Wenn da» ZeugnißzwangSverfahren zulässig sei, so würde sich Jedermann hüten, den ReichStagSabgeord- neten noch Informationen zugehen zu lasten. Adg. v. Bernuth (iratlib.) befürwortet commiffarische Berathung. Abg v. Hämmer st e i(cons) ist dagegen Damit würde eine Beeinflussung de» Ge richtsverfahrens gegen den Abg. v. Schalscha vollzogen. (ES handelt sich bekanntlich um die Mittheilnng des Gerichts an den Abg. v. Schalscha, es werde ein ZeugnißzwangSverfahren gegen ihn eingeleitet werben, wenn er sich weigere, die Namen der Bankiers zu nenne«, welche, wie er im Reichstage behauptet, i» der Schweiz preußische Tdaler prägen ließen.) Es würde das auch ein unzulässiger Akt der Parlaments-Justiz sein. (Widerspruch.» Redner isi schließlich der Ansicht, eine Aenderung des gegenwärtigen Zustande» könne nur durch eine Aenderung der Strafproeeßordnung herdeigesührt werden.' Abg. Hänel (freis.) weist darauf hin, daß ein Geistlicher, «in Ber- theidiger nicht dem Zeugnißzwange unterliegen für Aeußerungen, die ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft gemacht werden. Dasselbe Recht gebühre doch auch wohl den NeichstagSabgeordneten. Bon einer Parlamentsjustiz kann gar keine Rede sein, soweit find wir noch nicht. In England wird ein Richter, der sich gegen ein Parlaments mitglied vergeht, vor die Barre de» Hause» gerufen. Und wir wollen einfach den Mund halten? E» handelt sich hier doch um «in« Rede freiheit. Man konnte die schiefe Stellung, welche die Tonservativor dem Parlamentarismus gegenüber einnehmen, nicht schärf« beton«, al» e» der Vorredner gethan hat. Ich empfehle genaue und ein- gehende CommissionSberathung. Staatssekretär von Bütticherhat nicht da» Geringste gegen Commissionsberathnng einzuweuden, ab« eine einseitige Erklärung de» Reichstages kann doch nicht duz» führen, die Behörden, die Gesetze auSzuführen haben, zu bind«. Ich hätte e» für richtiger gehalten, wenn «in Antrag auf Aenderung de» betr. Berfafsungsparagraphen gestellt worden w-re. Der.Bundsä- rath hat diese Frage noch nicht geprüft, wohl aber die preußische Regierung, und fie ist einstimmig z« der Ansicht gekommen, däß Art. 30 der Verfassung die Abgeordneten nicht dem Zeugnißzwang entzieht. Der Richter hat sich nur nach dem Gesetz, nicht aber nach einem Ausspruch des Reichstages zu richten. Die preußische Regierung hält einen solchen Eingriff des Reichstages für verfassungswidrig und nutzlos. Ich habe gegen Commissionsberathnng nicht» einzuwende«, hoffe aber, daß etwas Anderes, al» dieser Antrag herauskommt dabei. Abg. v. Rheinbaben (freicons.): Der Antrag enthalte einen Eingriff in die Rechtsprechung und sei nicht zulässig. Er wundere sich, daß die Herren dafür stimmten, die sonst stet» Gleichheit vor dem Gesetz fordern. Redefreiheit haben wir mehr, als andere Parlamente, Professor Gneist hat nachgewiesen, daß wir doppelt so viele Rechte» wie da» englische Parlament haben. Es ist doch im vorliegende» Falle nur gut, wenn Abg. v. Schalscha zur Aussage über das von ihm angedeutete Münzverbrechen gezwungen wird. Adg. Pfafferodt (Centrum) spricht sich sür den Antrag au», der ganz dem Geiste d« Verfassung entspreche. Abg. v. Maltzahn-Gültz (kons): D« Abg. Hänel hat uns vorgewvrfen, daß wir die Rechte des Parlament» nicht vertheidigen. Ich weise da» enischieden zurück. Einer Prüfung der Verfassung zum Zweck der Aenderung stimmen wir zu, ab« diesen Antrag können wir nicht unterstützen, er entspricht der Ber» fastung nicht Abg. Windthorst: Nach der Verfassung haltsich es für Recht, daß ein Abgeordneter nicht zum Zeugniß gezwungen werden kann, au» diesem Grunde ist der Antrag gestellt. Wenn in der Strafprozeßordnung keine besondere Bestimmungen hierüber ent halten sind, so beweist da» nichts. Dafür haben wir ja gerade die Verfassung. Aufzwingen können wir den Gerichten unsere Aeußernng« nicht, aber die Gerichte könnten sich daran gewöhnen, fie zu beachte». Jedenfalls ist die Sache einer reiflichen Prüfung werih. Daß ei» Abgeordneter falsche Informationen enthält, ist ja möglich, da« pasfirt aber auch anderen Leuten. Abg. Hänel (freis.) Weist darauf hin, daß Art.30der Verfassung, nach welchemAbgeordnete wegen ihrerAeußerunge» im Parlament nicht gerichtlich verfolgt werden können, der fran zösischen Verfassung von 1701 entstamme. Staatssecretär vo» Bötticher verneint dies. Die belgische und englische Verfassung haben der unftigen zu Grunde gelegen. Hie preußische Regierung hat sich besonders deshalb sofort mit dem Anträge beschäftigt, well fie die Freiheit der Gerichte wahren muß. Abg. Frhr. vo« Hammerstein (cons.) bleibt dabei, daß die Commisfionsberathung überflüssig, weil nutzlos sei. Wo stehe denn geschrieben, daß Geist liche -c. Redefreiheit hätten? Abg. Hänel (freis): Herr vo« Bötticher gab al» Grund der schnellen Prüfung des Anträge» durch die preußische Regierung an. man müsse die Freiheit der Nicht« schützen. Schützt denn die Regierung die Unabhängigkeit der Richter» wenn sie in einer Streitfrage Stellung nimmt? Nach weiteren kurz« Bemerkungen wird der Antrag der Geschäftsordnungscommisfion über wiesen Seinen Antrag auf Aufbesserung der Militärpenfionen be fürwortet Abg. Graf Moltke (cons). Er sei doch Unrecht, die Osficiere noch länger warten zu lassen, zumal jetzt auch die Osficin» communalsteuervorlage eingegangen sei. Abg. von Benda (nat.-lib.) beantragt Commisfionsberathung, in der beide Gesetze genau geprüft werden könnten. Abg. Bau mb ach (freis.) betont, daß die Com munalsteuervorlage nicht genüge. Diese Frage müsse ganz im Reichs tage geregelt werden. Abgg. Windthorst, Marquardse» (nat.-lib), Richter-Hagen sind wesentlich derselben Ansicht. Minist« Bronsart von Schellendorf ersucht, beide Fragen unabhängig von einander zu behandeln. Dann erfolgt Vertagung. Sächsisch«» Landtag. Die Erste Kammer beseitigie ohne Debatte durch auderweite Beschlußfassnng die zwischen beiden Kammern noch bestehenden Diffe renzen über den Gesetzentwurf» rin« theilwrise Abänderung und Er gänzung de» allgemeinen Berggesetze- betreffend, und stimmte, gleich falls ohne Dedatte, dem von der jenseitigen Kammer angenomme»«
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