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Adorker Wochenblatt. Mittheilungen über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. z Funfjehnter Jahrgang. Prei« für den Jahrgang bei Bestellung von der Post: 1 Thaler, bei Bestellung de« Blatte« durch Botengelegenheite sr Ngr. ü Pf. Mittwoch, 13. Februar 1850. Interpellation des Abgeordneten Idi». Braun. Obgleich in der Regel kein Freund von Znterpel- lationeu, sehe ich mich doch heute veranlaßt, eine Aus nahme von dieser meiner Regel zu machen, aus Grün den, für deren zum Verständniß der Interpellation nöihigc Entwicke'ung ich auf wenige Augenblicke Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen muß. Jeder Valcrlandsncund muß über die gegenwär tige Lage Deutschlands, über den Stand seiner Ver- fassung-frage in banger Sorge sein. Ein Blick über seine Grenzen hinaus, ein Blick im Innern selbst recht fertigt DieS. Im Westen von Deutschland aut sehen wir eine neue Republik geschaffen, auf der einen Sei le von SocialiSmuS, aus der andern von Imperatoren- und Restaurationsgelusten bedroht, von Parteien zer rissen, die nur aut die Gunst de« Augenblickes warten, um den im eigenen Lande vielfach angehäuften Zünd stoff anzufachen und die Brandfackel in deS Nachbars HauS, in deutsche Gauen zu werfen. Im Osten erblicken wir ein kampfgerüstetes Heer, kaS nur eines Winkes gewärtig ist, um das gewich tige Schwert seines Gebieters in die Waagschale zu werfen, wo Deutschlands Geschicke gewogen werden. In allen Landern, welche der Sturm der Revolu tion vom Jahre 1848 durchbcbte, ist ein Vulkan ge. schaffen, dessen noch rauchender Krater uns vor dem Glauben warnt, daß alle Gefahr vyn daher vorüber! sei. Und was sehen wir Deutschland thun bei diesen an seinem Horizont schwer lagernden Wolken? Wir sehen ein Interim geschaffen, daS nach der eignen Angabe seiner Urheber diesen Sommer zu er leben nicht bestimmt ist, zugleich einen Riß darin, den die Verschiedenheit weniger der Grundsätze als der Interessen seiner Schöpfer, naturgemäß erzeugte und erhallen wird. Wir sehen die Bestrebungen Preußens, einen Bundesstaat zu gründen, und Anfangs die theil- weise Geneigtheit der Königreiche, später unverkenn bare Abneigung, in denselben zu treten, daneben aber auch die Hand seines eignen Urhebers, an diese« Werk durch Maßregeln legen, welche zwar nicht die Hoff nungen aut' sein Gelingen zu zerstören, jedoch die Aus sichten darauf zu umdüstern wohl geeignet sind. Hier werden Ständeversammlrlngen aufgelöst, weil sie dem preußischen Bündnisse hold, dort, weil sie ihm entge gen sind. Ueberall Zerrissenheit, Zerfahren heit, Furcht vor der Zukunft, Partei wesen. Während der EonstitutionalismuS daS Errungene z» erhalten sucht, sieht er sich von zwei Parteien ange griffen, welche verschieden in ihren Wegen, einig in ihrem Ziele sind, einig bis zum Ziele, zwieträchtig am Ziele; einig, indem beide von der Ucberzeugung der Nvthwendigkcir der Umgestaltung unserer Verfas- sungsformen geleitet werden, uneinig aber, indem die eine das Heil Deutschland- in republikanischen Formen, die andere in der Rückkehr zum Absolutis mus erblickt, indem die eine d,n EonstitutionalismuS nicht will, weil er in Deutschland mit der Monarchie verbunden auftritt, die andere, weil sich die Monar- chie mit ihm verbunden hat. Beide Parteien haben ihre Wechselfälle, ihre Aussichten und Hoffnungen, die, so verschieden sie auch in ihrem Erfolge sein wür den, doch auf einem und demselben Boden wachsen. Die Reaktion glaubt, das Constitutionsweseo leicht beseitigen zu können, so lange eS vereiüsammt in den einzelnen Staaten ohne gemeinsamen Mittelpunkt ist; sie fußt daher auf die Unordnung, auf die Unser- tigkeit unserer deutschen Verfassungsverhältnisse. Auf denselben Punkt stützt sich auch die republikanische Partei, indem sie behauptet, daß der ConstitutionaliS- mus nicht einmal das dringende Bedürfniß, das rege Verlangen nach Einigung And gemeinsamen Institi-