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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumermionS-Preis 22 > Silbergr. (f Lhlr.) vicrleljahrlich, Z Mr. für öaS ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 23), so wie von allen König!. Pvst-Aemnrn, angenommen. Literatur des Auslandes. - >> »»> -- - M 18. Berlin, Sonnabend den 10- Februar 1844. Italien. Ueber Zardctti's christliche Alterthümer. Nach P. Selvatico.") Zu den wichtigsten Untersuchungen im Gebiete der christlichen AlterthumS- kunde gehören ohne Zweifel diejenigen, welche die Symbolik des Christen, thums betreffen, theils, weil diese Symbolik die Fackel ist, welche kirchliche Kunst und Kirchen-Geschichte am meisten beleuchtet, andercntheilS, weil die Untersuchungen selbst sehr verschiedene Ansichten erzeugen. Einige Schrift steller sehen in den heiligen Bau- und Bildwerken aus den ersten Jahrhun derten der Kirche nur Symbole der Mysterien des Reiches Gottes; Andere erklären sie für bloße Nachahmungen heidnischer Sinnbilder und Zierrathen; wieder Andere glauben überall die mystische Sprache der Gnostiker zu lesen. Endlich gicbt es auch Gelehrte, denen Alles, was man für symbolisch und parabolisch erklärt, als bloße Frucht einer überspannten Phantasie erscheint, und die sich des Lächelns kaum erwehren können, so oft sie von altchristlichcr Kunst reden hören. Wir sind weit entfernt, annehmen zu wollen, daß die Vertheidiger der symbolischen Deutung immer das Rechte treffen und nicht bisweilen zur Vcr- drehung von Thatsachcn sich Hinreißen lassen, um sie nur mit ihrem Systeme in Einklang zu dringen. So z. B. werden wir nicht behaupten, BoisseröeS, dieser gründliche Erforscher der religiösen Baukunst des Mittelalters, habe das Rechte getroffen, wenn er die Einfriedigung des Altars für ein Symbol der strengen Buße hält, in den beiden Thürmen der gothischen Kathedralen die weltliche und die geistliche Macht und in den Kirchenfenstern die Könige und Bischöfe vcrfinnbildet sieht, unter deren edlem Schutze das Dunkel des Heilig- thumS erhellt wird. Eben so bedenklich ist uns Mazure'S Behauptung, der von der geraden Linie abweichende Chor enthalte eine Anspielung auf das gesenkte Haupt des am Kreuze sterbenden Christus; oder die von Daniel Rainer, wonach die oberen Galcrieen der gothischen Kirchen Symbole des triumphirenden Christenthums seyn sollen. Auf der anderen Seite aber find wir überzeugt, daß alle diejenigen in großem Jrrthume finv, welche sowohl den im Mittelalter gemalten oder geformten heiligen Bildern, als den archi tektonischen Einrichtungen der Kirche einen häretischen Ursprung unterlegen oder sie für bloße Capriccio's und nicht für Embleme deü katholischen Gottes dienstes erklären wollen. Eine genaue Prüfung der Thatsachcn ist wohl hier, wie allerwärtS, das beste Schutzmittel gegen die Extreme; daher Gelehrte, welche den Thatsachen mit Beharrlichkeit nachspürcn und nur aus ihnen, nicht aus der Phantasie, ihre Erklärungen schöpfen, um Wissenschaft und Wahrheit sich großes Ver dienst erwerben. Ein solcher ist Herr Carlo Zardetti, jetzt Direktor des numismatischen Museo di Brera in Mailand, der uns erst kürzlich eine Be leuchtung verschiedener christlicher Denkmäler, die ihm nicht treffend erklärt schienen, hcrauSgegebcn und zu größerer Deutlichkeit die Abbildungen dieser Denkmäler beigesügt hat. °°) Nach vorgängiger Einleitung, worin der Verfasser kurz und bündig dar- thut, daß die christliche Kunst bis zum löten Jahrhundert als ein System zu betrachten sey, dessen sämmtliche Regeln aus dem Inhalt der heiligen Schrift und den späteren Vorschriften der katholischen Kirche abgeleitet scpen, schreitet er zur Deutung eines christlich-symbolischen Gemäldes auf der Wand einer kleinen Kirche zu Aquileja. Die Hauptfigur desselben ist ein gekreuzigter Christus, um dessen Leib eine Rebe sich windet: aus seiner Seite quillt ein Blut strahl, der durch die Hände einer königlichen Frau strömt und in dem Mund eines Fisches endet. An der linken Seite des Erlösers tödtet ein Krieger einen Drachen, und etwas weiter ab steht eine Frau mit Schleier und langem Kleide. Dieses Wandgemälde haben schon Bartoli in seinen Alterthümern von Aquileja und der Abt Polidori in einem Artikel der Zeitschrift I.-Vmico >!<-« besprochen. Herr Zardetti hebt mit vielem Scharfsinn die Jrrthümcr die- Beiden hervor und beweist dann, auf Bibelstellcn und genaue Vergleichung analoger Denkmäler gestützt, daß der Fisch den (durch Christi Blut) von der Erbsünde gereinigten Christen darstelle; daß die eine Frau Symbol des alten Gesetzes oder der Synagoge, die andere aber Symbol des neuen Gesetzes, d. h-der christlichen Kirche sey. ') Einem geachleten lombardischen Kunstkritiker. ") ftlouumeuti OizrirtiLoi nuovsmente illustrati äottore Osrlo — Mailand 184S. In Ansehung der Synagoge bemerkt Herr Z. ganz richtig, diese sey von den christlichen Künstlern am häufigsten als Königin mit verbundenen Augen und nach einer Seite geneigtem Haupte, von welchem die Krone herab falle, dargestcllt geworden; in der rechten Hand pflege sie eine Fahne zu halten, deren Schaft an mehreren Stellen zerbrochen sey. Ich für meinen Theil habe diese allegorische Figur an Bildwerken des Mittelalters auch mit einer Krone in der linken Hand mW mit der zerrissenen Fahne unter den Füßen gesehen. So findet man sie namentlich an einem groben Basrelief, das wahrschein- lich im Anfang deck löten Jahrhunderts gearbeitet ist; es schmückt die Pfosten eines alten, in dem Krcuzgang der Kirche Sta. Giustina zu Padua aufbewahr ten Thores. Die Beine der Figur kreuzen sich so, als hätte der Künstler eine hinkende Person darstellen wollen, und an einer Seite der kleinen Nische, welche sie umfaßt, liest man in halb-deutschen Schriftzügen: SANAGOGA. Am rechten Pfosten derselben Pforte, der „Synagoge" gerade gegenüber, ist die Kirche dargestellt: ein gekröntes Weib, das in der einen Hand einen Kelch trägt, wie auf den von Herrn Zardetti erwähnten Denkmälern. Hier steht an einer Seite der Nische das Wort; EKKLESJA. Ich habe dieses Basrelief darum erwähnt, weil es mir einen wichtigen Umstand auszuhcllen scheint, der meines Wissens noch unbeachtet geblieben. Dieser besteht in jener sonderbaren Kreuzung oder Verkrümmung der Beine, die sich auch auf dem Wandgemälde von Aquileja an der „Synagoge" be merken läßt, und von der ich ebenfalls anzunehmcn geneigt bin, daß sie sym bolische Bedeutung habe, wie alles Uebrige. Vielleicht wollte man dabei auf eine Stelle des Propheten Micha (Kap. 4, V. K) anspielen, wo cs heißt: „An jenem Tage spricht der Herr: Ich will die Hinkenden zusammenberufen"; oder auf eine analoge Stelle des Zephanja (Kap. 3, B. lS): „Siehe, ich werde sie alle tödten, die Dich betrübt haben in jener Zeit, und werde den Hinkenden erretten." Auch Giotto, der die mystische Symbolik der christlichen Kunst so gründ lich verstand, hat in der „Kapelle der Verkündigung" zu Padua den religiösen Unglauben mit einem Beine, das sichtlich kürzer ist als das andere, abgebildet und aus Besorgniß, man werde den geheimen Sinn dieser Verkrüppelung nicht alsbald durchschauen, noch darunter geschrieben: „Der Ungläubige hinkt" (In6üeIiL clsuüi«»t), wie noch jetzt auf dem Uebcrreste der langen Inschrift zu lesen ist. Reich an Gelehrsamkeit und gesunder Kritik sind auch Zardctti's Erklä rungen zweier Basrelief s der Kirche „San Giovanni in Fonte" zu Verona, auf denen er ebenfalls die Synagoge und die Kirche vereinigt gefunden. Aber noch interessanter ist, was er über die berühmte vordere Altar-Bekleidung zu Basel (ksliotto äi üssile») berichtet, welche Kaiser Heinrich II. (Huffcholz, oder der Hinkende) ausführcn ließ, der wunderbaren Heilung zu Ehren, die er durch Fürsprache seines Schutzpatrons St. Benedikt im I. lMll zu Monte, cafino erlangt haben soll. Zardetti bemerkte an dieser Altar-Bekleidung nicht den absoluten Verfall der Kunst, von welchem die anderen Denkmäler jenes Zeitalters zeugen, nicht jene Verkümmerung der Figuren und Plumpheit der Zierrathen. Eine sorgfältige Erforschung der Besonderheiten des Stils, welcher dem Stile sizilianischer und neapolitanischer Bildwerke und Gemälde damaliger Zeit sehr nahe kommt, läßt den Verfasser mit Recht in dieser mittel alterlichen Leistung das Kerk eines Künstlers aus Unter-Italien erkennen. Besonders werthvoll ist aber das erwähnte Altarstück von Seiten der christlichen Symbole, die es enthält, und welche viele Gebräuche und Normen der Kirche befriedigend zu erklären scheinen. In den fünf Bögen, welche die Figuren einschließen, sicht der Verfasser den Tempel, den mystischen Sitz Gotte» und der Seligen; in den Kardinal-Tugenden: Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßi gung und Standhaftigkeit, das Symbol der Vollkommenheit, welche im Er löser, der die Mitte einnimmt, sich abspiegelt. Selbst die Arabesken aus Laub, Zweigen und Blumen erscheinen ihm als Andeutung des Paradieses, des himmlischen Gartens und ewigen Frühling»; und die Thicre, welche der Künstler in diesen Laubgewindcn angebracht, als Emblem der Erwählten Christi. Die Erklärung ist im Ganzen gewiß höchst scharfsinnig; allein sofern sie die Arabesken betrifft, dürfte sic doch weniger haltbar seyn. Zicrrathen au» Früchten und Zweigen, mit Thieren untermengt, ficht man gar häufig an den schönsten Ucberresten des heidnischen Alterthums. Sie erscheinen auf Vasen, Grabsteinen und architektonischen Bruchstücken. Man betrachte nur z. B. die Pfosten eines Thores an dem Tempel zu Baalbek und viele Einfassungen an den Thermen des TituS zu Rom, der unzähligen Zicrrathen gleicher Art auf den Mauern der Häuser von Pompeji und Herkulanum gar nicht zu gedenken.