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12. Uovember 186V. Kreitag, Skeasradt- Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers C. Heinrich. in der Expedi tton, kUMeißn. Gaffe Nr. S, -u haben. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Nr. 89 MMML.ZZ 'M M Anstalten. Politische Weltscha«. Zu den Nachrichten über die günstigen Erfolge der gegen die Insurrektion in Dalmatien kämpfenden Truppen gesellt sich die neuere Mittheilung, daß die österreichischen Behörden von Zuzügen aus Montenegro zur Verstärkung der Aufständischen Kenntniß bekommen und deshalb noch größere Militärsendungen verlangt haben. Daraus, wie überhaupt aus den lang andauern den Kämpfen, dürste denn doch zu ersehen sein, daß die ganze Erhebung keine blos lokale, sondern ein wirklicher Slaven-Auf stand ist, zu dem sich die geheimen Leiter jene dazu besonders günstigen Winkel slavischen Bodens ausgesucht haben. Nach dem österreichischen Truppenbericht sind bei den Kämpfen von Trini ta und Goras da von den Insurgenten 200 Todte und Verwundete auf der Wahlstatt geblieben. Um solche Verluste in einem der Vertheidigung besonders günstigen Terrain zu erleiden, müssen es doch ganz bedeutende Massen sein, welche die Fahne des Aufstands erhoben. Wer hat aber dieses Kontingent wohl- bewaffneter Männer gestellt? Früher glaubte man, daß es nur die Lheilnahme Montenegro s ermöglicht haben könnte, in dem kleinen Kreise Cattaro eine förmliche Insurgenten - Armee auf tauchen zu sehen. Wenn auch der Zuzug hauptsächlich aus der Herzegowina erfolgt sein mag, so muß derselbe doch auch nach- halttg von Albanien aus geschehen sein, da Montenegro eben jenen neueren Nachrichten zufolge erst jetzt mit in die Aktion einzutreten scheint. Es ist früher schon angedeutet worden, daß die Montenegriner im Ganzen sehr vorsichtige Leute sind, die nur dann aus ihren Bergen herauskommen, wenn sie irgend wie ihren Rückzug gesichert sehen. Bestätigt sich also ihr Eintritt in die Aktion, so könnte man dies immerhin als einen Beweis dafür auffassen, daß die Insurrektion eher in der Zu- als Ab nahme begriffen ist. Allein wie dem auch sein mag, so viel steht fest, der Auf stand wird niedergeschlagen werden, gerade so wie der kandiotische, sofern Rußland in friedlicher Zurückhaltung beharrt. Alle Ver- üche, Veränderungen im Orient zu Wege zu bringen, mochten ie von Athen oder anderwärts ausgehen, scheiterten bisher an üeser russischen Friedensbedürftigkeit und so wird es auch dem dalmatinischen Aufstande ergehen. Doch wie alle derartige Katastrophen einem Zwecke der revolutionären Partei genügen, so möchte auch die gegenwärtige, von der man noch nicht weiß, ob sie bereits ins Herz getröffen ist, seine nachwirkenden Folgen haben. Die überaus blutigen Kämpfe dieser Lage beweisen eine Aufregung der Gemüther, einen Verzweiflungskampf Ideen, welche in den Herzen jener Völrerstämme durch ihre geheimen Führer gelegt worden sind. Wenn nicht mit der eisernen Faust, wie sie Rußland nach dem letzten polnischen Auf stande erhob, in jenen Gegenden regiert wird, dürften Wieder holungen und Verschleppungen der gegenwärtigen Zustände kaum . ausbleiben, auch ohne daß eine auswärtige Macht der Revolution zu Hilfe kommt. Schon daß diese Kämpfe so nahe an die Stätten der abendländischen Kultur herangeführt sind, bleibt ein etwas bedenklicher Umstand für die Zukunft. Dem Kaiserreich wird aber wieder einmal der Beweis geliefert, daß eS trotz alledem und alledem überall in seinem Nationalitäten-Konglo- Linunb-reißigster Jahrgang. IV. «Quartal. merat recht übel bestellt ist. Vulkane in Ungarn, in Böhmen, in Galizien, in Dalmatien. Hört der eine auf zu speien, fängt der andere an. Darum kommen wir immer wieder auf unsere Be hauptung zurück: Oesterreich hat Völker, aber kein Volk, und so besitzt es wohl Volkskräfte, die durch ihre verschiedenen Bestrebungen sich hemmen und schaden, aber keine Volkskraft, aus welcher heut jeder Staat seine Nahrung für eine dauernde Existenz ziehen muß. Preußen. Das Herrenhaus wird nächstens zu Gericht über den norddeutschen Bund sitzen. Das Unglaubliche ist ge schehen: die zur Berathung des bekannten Lippe'scben Antrages, das Bundes-Ober-Handelsgericht und die gegenseitige Rechtshilfe betreffend, niedergesetzte Kommission empfiehlt nämlich die An nahme desselben. Nun klage man in Preußen nochmal andere Staaten ihres Partikularismus wegen an! Und in dieser Kommission hat selbst ein Kronsyndikus, Herr Blömer, für den Antrag ge stimmt. Die Regierung wird nun genölhigt sein, mit voller Klarheit und offenem Visir dem Herrenhaus gegenüber Farbe zu bekennen. — Man wird sich erinnern, daß kürzlich in Berlin dreimal der vergebliche Versuch gemacht wurde, wegen der Klosterfrage Beschlüsse einer Volksversammlung hervorzurufen. Rohheit und Brutalität verhinderten jedesmal die Verhandlungen. Ganz der selbe Skandal sprengte dieser Tage eine Volksversammlung, welche von den Führern der Fortschrittspartei zur Besprechung der Abrüstungsfrage zusammengetreten war. Es scheint demnach, als sollte in der „Stadt der Intelligenz" eine ruhige und ver nünftige Debatte nicht mehr stattfinden können. Wer die Schuld daran trägt, mag dahingestellt bleiben, nur soviel steht fest, daß die Liebäugelei der liberalen Partei mit den Schweitzer'schen Lassalleanern, denn diese sind das eigentliche Sprengpulver, sich zu rächen beginnt. Die Gegner verfolgen nämlich die Taktik, immer einen Schritt weiter zu gehen, als die Fortschrittspartei und so stellten sie denn der Resolution, welche in der Abrüstung^- frage berathen werden sollte, folgenden Antrag entgegen: „Die Abgeordneten der Fortschrittspartel haben durch die Agitation für eine theilweise Abrüstung und zwar auf diplomatischem Wege eine Halbheit begangen. Sie verdienen daher daS Vertrauen der Arbeiterklasse wegen des erwähnten Vorgehens in der Abrüstungs frage, sowie wegen ihrer Haltung in der Frage der direkten Wahlen nicht, sind vielmehr sammt der ihnen anhängenden Bourgeoisie auf das Entschiedenste zu bekämpfen." Auf welche Weise die Lassalleaner ihren Sieg durchzusetzen wissen, darf wohl als bekannt vorausgesetzt werden. — Ueber den Gesundheitszu stand des Grafen Bismark meldet man aus Berlin: Der Graf fühlt sich leidender denn je, und wenn sein Zustand auch eine unmittelbare Gefahr für sein Leben noch nicht verräth, so ist derselbe doch schlimm genug, daß, falls nicht ganz unerwartet eine Besse rung eintritt, vorläufig an seine Rückkehr nach Berlin gar nicht zu denken ist. Zu der anhaltenden Schlaflosigkeit des Patienten hat sich neuerdings eine gesteigerte Reizbarkeit seiner Nerven ge sellt, die nicht selten bis zu heftigem Galle-Erbrechen auSartet und ihn jedenfalls für die parlamentarischen Geschäfte völlig un» brauchbar macht. — Aus Jerusalem wird unterm 7. d. M. tcfi^ graphisch gemeldet: Der Kronprinz von Preußen hat in den ss