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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190005060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000506
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000506
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-06
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1900
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An der Seite des deutschen Kaiser« befinden sich der Kaiser von Oesterreich, unser König Albert, der Großherzog von Baden, zahlreiche andere Fürstlichkeiten und Abgesandte von Fürsten. Auch daS deutsche und das preußische Volk werden durch Abordnungen de« Reichstage« und de- Landtage« vertreten sein. Mit Grund und Recht, denn die Frier geht weit über den Rahmen eine- FamilienereignisfeS hinaus. Für die Ge- sammtuation hat diese« Fest eine Bedeutung, die man keinem folgenden ähnlichen wird beimessen können. E« erinnert noch mals, in gewisser Hinsicht zum letzten Male, an die alte böse Zeit und an die Berufung der Hohenzollern als erbliche Kaiser an die Spitze de« Vaterlandes. Prinz Wilhelm ist in der Geschichte der erste am Throne geborene deutsche Kronprinz. DaS römisch-deutsche Wahlreich kannte kein natürliches Thronfolgerecht und als der jetzt regierende Kaiser das Licht de: Welt erblickte, hatte Deutschland noch zwölf Jahre der Einigung und eines Kaiserhauses zu harren. Viele erinnern sich noch der Freude, der von dem greisen Wilhelm I. mit bekannt gewordener Lebhaftigkeit geäußerten Freude, die durch Deutschland ging, als daS „Vierkaiser-Bild" verbreitet wurde, ein Lichtbild, da- den ersten deutschen Kaiser mit dem ersten geborenen deutschen Kronprinzen neben dem ersten, noch gekürten Kronprinzen und dem jetzigen Kaiser zeigt. Wilhelm I. und Kaiser Friedrich ruhen längst im Grabe und da« Kind von damals wird heute unter der Antheil- nahme des ganzen Volke- ein zur Regierung befähigter Mann. DaS Interesse an der Person eine- Thronerben erklärt sich immer und überall von selbst au« dem Wesen der Monarchie .; dem Kronprinzen des deutschen Reich- wird eS in verstärktem Maße gewidmet, schon wegen der Eigenart der Stellung des Kaiser- al« de- erste» unter gleichgestellten Fürsten und als Repräsentanten de« GesammtvaterlaudeS nicht nur nach Außen, sondern auch nach Innen. Diese Stellung, einzig in der Welt, verknüpft die Führung deS Kaiseramte» mit Schwierigkeiten, wie sie kein anderer Herrscher zu überwinden hat. Sie stellt daher an den Kronprinzen für die weitere Vorbereitung zu seinem hohen Berufe be sondere Ansprüche. DaS Schwierigste allerdings bleibt für einen deutschen Kaiser wie für jeden Monarchen die rechte Erfüllung der Regentenpflicht überhaupt, nur daß in Preußen mit ihr eine größere, eine über die Grenzen deS Stamm lande» hinauSgehende, zwanzig Millionen Deutschen, die nicht Uutrrthanen deS König» von Preußen sind, geschuldete Ver antwortung verbunden ist. Gerade die preußische Geschichte der letzten hundertfünfzig Jahre zeigt den Zusammenhang von Fürstenthum und Völkerschicksal. In andern großen Länvern haben geschichtlich gewordene Verhältnisse den Gang der staatlichen Leben- stärker bestimmt, als in Preußen, da» vorzüglich mit und durch seine Könige gestiegen, herabgeglitten und wieder gestiegen ist. ES ist für den in Deutschland führenden Staat wie für Deutschland selbst von überragender Bedeutung geworben, daß nach dem großen König in lange nicht unterbrochener Folge Monarchen zum Throne gelangten, die sich nur durch den verschiedenen Grad der Unzulänglichkeit für ihren Beruf unterschieden. Hängt von der Persönlichkeit deS Herrschers in Preußen immer da« Entscheidende ab, so gilt die« in noch höherem Maße in Zeiten einer der Monarchie nicht durchweg günstigen Entwicklung. Wir haben in Deutschland eine dem König- thum feindliche Partei groß unv stark werden sehen, aber nicht sie und gewiß nicht sie allein würde die Schuld tragen,; wenn dem nun durch Naturnothwrnvig- krit mit dem Gedanken seiner Nachfolgerschaft ver trauter werdenden Kronprinzen da« Wort zu denken gäbe, da« vor kaum mehr al« Jahresfrist ein streng con- servativer Mann und ehemals preußischer Beamter im Reichstage sprach: „DaS monarchische Gefühl ist im Rück gänge". Der Au-spruch ist für Deutschland nicht unrichtig dort, wo nicht, wie in zahlreichen Einzelstaaten, die Per sönlichkeit de» LandrSherrn da» monarchische Gefühl in der alten Kraft erhalt. Aber, und die» ist ver stärkste, all gemein deutsche Theil der Bedeutung der heutigen Feier, der monarchische Gedanke in Deutschland — ohne Frage geschwächt in den sechSziger Jahren und zweifellos erst wieder hoch gehoben durch Wilhelm I. —, di« Monarchie im Gesammtvaterlande steht und fällt mit dem Königthum in Preußen. Und wa» von der Monarchie ia den Einzelläadern gilt, da» gilt vom ganzen Reiche: da geeinigte Deutschland wird monarchisch bleiben, oder e- wird nicht bleiben. DaS deutschr Volk in seiner großen Mehrheit und durchweg in seinem Kern ist könig-treu. Aber die Geschichte und da» natürliche Gefübl lehren, daß eine solche Gewißheit die Herrscher der Pflicht unermüdlicher Pflege d«S monarchischen Gefühls, da» nicht zusamm,»fällt, h ja, nicht» gemein hat mit der unermüdlichen Betonung de» Bestehen« einer Monarchie, nicht zu entbinden vermag. De« jungen Kaisersohne«, der von heute ab ohne Stell vertretung seine« ihm durch die Geburt zusallenden Amtes walten könnte, harren schwere Aufgaben. Er wird dereinst ein große- Erbe zu verwalten und, wenn auch vielleicht nur in dem beschränkten Sinne der Worte der Kaiserproclamation vom 18. Januar 1871, zu mehren haben; ein Erbe, mit dessen Bewahrung daS staatliche Dasein von fünfundsechzig Millionen Deutscher abhängt. Möge ihm die Kraft zu solchem hohen Berufe beschiedea fein! Möge er zu sehen und zu hören. Schein und Sein zu unterscheiden verstehen, möge er die Fähigkeit besitzen und auSbilden, Haus zu halten mit seinen Kräften, die selbst dem Großen beschränkt sind. Und möge der Kronprinz erkennen, daß der Glaube, persönliche Größe sei ein natürliche« Attribut des Monarchen, unter seinem Urgroßoheim Preußen zum Unheil gereicht hat. Der Wunsch, daß die Bckhätigunz dieser Fähigkeiten ihm noch lange nicht zur Pflicht werde, begleitet den Kronprinzen Wilhelm in den neuen Lebensabschnitt. Sei dem ernsten, aber frischen Jüngling eine glückliche Jugend beschicken! Ruft ihn aber einst sein Amt, er wird das deutsche Volk bereit finden, dem Urenkel Wilhelm's I., dem Enkel Friedrich'^ dem Sohne unseres Kaiser« Treue mit Treue zu vergelten' Aus der Woche. Berlin ist schwarz-gelb, in der Dekoration und in der Stimmung. Da« Erscheinen de- Kaisers von Oesterreich läßt alle« Andere in den Hintergrund treten, sogar den Anlaß zu dem heutigen Feste. Beinahe dürfte man sagen, die Berliner zeigten bei diesem Besuche, daß sie auch „au« sich herauSgehen" können, jedenfalls hat, wie man uns versichert, die Stadtbau verwaltung mit der Errichtung eine- in der Thal schönen Triumphbogens etwa« für Berlin Außerordentliches ge leistet. Doch erdrückt da« Oesterreichische die Embleme ver übrigen in der Reichshauptstadt durch Gäste ver tretenen Staaten nicht ganz. Sogar an englischen Fahnen soll eS, dem Herzog von Dork zu Ehren, nicht fehlen. Sehr häufig sind, wie übrigens herkömmlich, die sächsischen Farben zu sehen, selten italienische. Dem Werthe der Anwesenheit de« Kronprinzen von Italien wurde jedoch die Presse gerecht, die ihn aus der Zahl der anderen er schienenen nichtdeutschen Prinzen als den Vertreter eines Dreibund st aates herausbebt. Der Auffassung, daß diese Berliner Tage eine verstärkte Betonung des Dreibund gedankens zu bedeuten haben, begegnete man fast überall. Die bei dem vorgestrigen Mahle im Schlosse ausgebrachten Trinksprüche haben sie glänzend gerechtfertigt. Die innere Politik scheint einen Augenblick zu ruhen. Ob io der conservativen Fraclion bereits eine Entscheidung in Sachen deS Fleischdes cd äuge setzes gefallen ist, ist allerdings unbekannt. Zur lex Heinze sind aus Stuttgart und Karls ruhe Meldungen gekommen, die die Aussichten der Reickstags beschlüsse stark berabdrücken. Die Regierung eines Königreichs und die des bedeutendsten deutschen Großberzogtbums darf man nun wohl unbedenklich zu den Gegnern des Gesetzes in seiner jetzigen Gestalt zählen; daß wenigstens der preußische Ministerpräsident nickt dafür schwärmt, ist auch kein Geheim- niß, und Herr vr. Bosse, der für die Ar nähme der Beschlüsse agitirt, ist Privatmann. In den Verhandlungen, die die badische Kammer über den Gegenstand führte und in denen die Nationalliberalen die Führung der Opposition gegen die wx übernommen hatten, wagte der Klerikale Hug das Wort, der Deutsche befinde sich in der Thal in einer sittlichen Decadence. Bayerische klerikale Blätter mit ihren Sittenschilderungen auS katholischen Pfarrhäusern bat der eifernde Herr in der letzten Zeit jedenfalls nicht gelesen, sonst würde er als Geist licher das Urtbeil nicht gefällt haben. Bcmerkenswertb ist, daß die konservative Presse sich für die durch die Mitwirkung ihrer Partei zu Stande gekommenen, allerdings auch durch die Schuld derselben Partei nicht zur Berathung im BundeS- rathe reif gewordenen Beschlüsse nur sehr wenig mehr inter- essirt. Bei den klerikalen Zeitungen ist c« anders. Die „Germania" giebt sogar die Auslassung einer ultramontanen Zeitung au« dem Reichstag-Wahlkreis Aurich-Wittmund wieder, in der daSNichteintreten der CentrumSwäbler für den freisinnigen Bewerber als die Strafe für das Auftreten Eugen Rickter'S bei der dritten Beratbung der lex Heinze hingestellt wird. Sagt da« Blatt die Wahrheit, so würde man eS mit der Verwirklichung einer Drohung zu thuo haben, die in den Obftruction«1agen daS Centrum durch sein Haupt organ gegen die Freisinnigen hatte auSstoßen lassen. E« wurde damals ungefähr gesagt, die freisinnige BolkSpartei dürfe nunmehr auf klerikale Unterstützung bei Wahlen nicht mehr rechnen. Wahrscheinlich aber flunkert da« klerikale hannoversche Blatt ein wenig. Nachdem der freisinnige Candidat unterlegen, nicht einmal in die Stichwahl gelangt ist, macht e« sich schön, da- Centrum al« den Achilles erscheinen zu lassen, dessen Zorn die Achäer de« Herrn Richter am Siegen hinderte. In Wirklichkeit dürften die ultraniontanrn Bauern de« Wahlkreise« freisinnig gewählt haben, schon au- nur uralter Gewohnheit. Im preußischen Abgeordnetenhause ist da« Communal- Wahlgesetz in dritter Lesung in einer Fassung angenommen worden, die den Wünschen de« CentrumS entspricht und die Nationalliberalen nöthigte, gegen das ganze Gesetz zu stimmen. Damit ist einer der Gegenstände, die als Com- pensation-objecte für die Flotte bezeichnet werden, erledigt. Nach Lage der Dinge hätte e« einer solchen Befriedigung der „Ausschlaggebenden" nicht mehr bedurft. Nachdem da» E«ntrum die Nothwrndigkeit einer Flottenverstärkung, wie der von ihm beantragten, unbedingt anerkannt bat, kann e« unter keinen Umständen mehr zurück. AuS diesem Grunde braucht man auch dem klerikalen Verlangen, die bewußte lex vor der zweiten Lesung der Flottenvorlage in Ordnung zu bringen, kein sonderliches Gewicht beizu legen. DaS Flottenschiff läuft in den Hafen ein und zwar mit dem ungefähr nöthigen finanziellen Ballast. Der Dcckungsantrag deS Centrums, obwohl in der Hauptsache ein Werk des Reichsschatzamts, mußte doch noch in einigen Punkten von den Antragstellern selbst revidirt werden. Am interessantesten ist die Ansetzung eine geringeren als des ursprünglich in Aussicht genommenen Satzes für die Börsen st euer. Diese Herabsetzung, nicht der Antrag auf Erhöhung, ist ein Zeichen der Zeit. Der „Krach" hat seine Visitenkarte abgegeben und auch das Centrum scheut sich, der offenbar kränkelnden Henne, die die goldenen Eier legt, allzustarke neue Anstrengungen zuzu- mutben. Der anders gewillte Hahn hat da nicht mitzureden. Der Wind, der die Segel deS Flottenschiffes bläht, hat die Postdampfersubventionsvorlage ihrem Ziele schon nabe gebracht. In der Commission wurde daS Gesetz mit großer Mehrheit angenommen, unseres ^Listen« ohne daß die Socialdemokraten es bekämpft hätten. Sie ließen auch bei der ersten Lesung die freisinnige Volkspartei als die einzige Gegnerin dieser national-wirtdichaftlichen Vorlage auftreten und werden sich begnügen, oppositionell zu st im mm en. Ihr Verhalten in dieser Angelegenheit bestätigt die Auffassung, daß die Socialdemokraten große Angst vor einer Reichstagsauflösung wegen der Flo te hatten und die Wuthschreie, die ihre Presse gegen die Flottenmebrheit auSsrößt, eigentlich Seufzer der Erleichterung sind. Zum Dampferaesetze hat die Commission eine Resolution angenommen des Inhalts, der Reichskanzler olle von den Unternehmern der subventionirten Ostafrika- und Südafrika-Linien die Befugniß zu erlangen trachten, land- ivirthschastliche Produkte deS Auslands, welche mit denen der deutschen Landwirthschast concurrireu.von der Einfuhr durch die ubventirten Dampfer auszuschließen. Eine größere praktische Tragweite besitzt dieser Beschluß so wenig, wie die Tbatsache, daß in der Commission ein RegierungScommissar die Fähigkeit gewisser deutscher Colonien prie«, in ungeheuren Mengen — Weizen hervorzubringen. Aber ein geschickter Schachzuz war diese Versicherung nicht, und e« ist auch nicht übermäßig !lug, daß man zuließ, daß auf neuen Reichscaffenscheinen das Symbol der Landwirthschast gegen das der Industrie zurücktritt. Deutsches Reich. * Leipzig, 5. Mai. „Kuiebeugung in Sachsen". Inter dieser Ueberschrift schreibt die „Leipziger Zeitung" oder läßt sich schreiben: „In Nr. 213 des Leipziger Tageblatt und Anzeiger vom 28. April dsS. Js. befindet sich ein Leitartikel: „Knirbeugung in Bayern und in Sachsen", der sich mit der Commandirung von Truppen zu den in der katholischen Hoskirche in Dresden tattfindenden Feierlichkeiten befaßt und zum Theil auch in andere Zeitungen übrrgegangen ist. Diese Nummer des „Leipziger Tageblattes" war an die Abgeordneten der zweiten Kammer ge« lendet worden, und r- stand zu erwarten, daß eine Interpellation in dieser Angelegenheit erfolgen würde. Wir haben deshalb bis jetzt geschwiegen, müssen aber nunmehr, da diese Interpellation nicht stattzufinden scheint, auf den erwähnten Artikel zurückkommen. Seitdem die katholische Hoskirche in Dresden steht, nicht erst feit Jahrzehnten, werden zu denjenigen katholischen Kirchensrsten, an denen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften persbn« lich Theil nehmen, Truppen in diese Kirche commandirt. Unrichtig ist aber die Behauptung des Artikels, daß die Truppen „zu den Processionen" commandirt werden. Sie dienen vielmehr 1) als Wachen für die Allerhöchste Person Seiner Majestät des Königs, und 2) zur „Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in den zur Absperrung zugewiesenen Räumen und zur Ver. Hinderung d»S Zutrittes Unbefugter." Söder Wortlaut der Instruction. Als Nachtdienst und al» nichts Anderes wird dieses Commando von den Truppen aufgefaßt und behandelt, und zwar betrachtet es glücklicher Weise noch jeder sächsische Soldat „als eine besondere Ehre", vor seinem Könige Posten steben zu dürfen. Unrichtig ist die Behauptung, daß am Fronleichnamstage Abteilungen von Infanterie unter je einem Osficier „bei irgend einer Reliquie u. A." Ausstellung zu nehmen haben. Die Posten dienen auch bei diesem Feste nur dem oben angegebenen Zwecke. Uorichtigist ferner dir Behauptung,daß die Mannschaft vor der Procession und dem katholischen Sanctissi. mum zu prSfentirrn habe. Der bezügliche Passus des Commandantur- befehl« lautet: „Bei Annäherung ist in Höhe des Baldachins vor den Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften daS Gewehr zu strecken bezw. zu präsrnttren." Dieser Wortlaut läßt keinen Zweifel, wem die Ehren erweisung gilt Unrichtig ist sodann die Behauptung: „Evangelische Oificierr betheiligten sich an der Kuiebeugung." Von den zum Kirchrndienst commandirten Truppen kniet während der kirch lichen Frier kein Mann nieder, also auch kein Osficier. Daß dem so ist, davon kann sich jeder Besucher der katholischen Kirche selbst überzeugen. Unrichtig endlich ist die Be hauptung: „Hier nöthigt man Cadetten, vor der Hostie aus die Kni« niederzufallen." Cadetten, als solche, werden überhaupt nicht zu den in Frage kommenden Feierlichkeiten commandirt, wohl aber Pagen, und zwar müssen dir Allerhöchsten und Höchsten Domen, die an der Procession thrilnrhmen, weil für diese Feier durch da« Hofcrremoniell „Manteau" vorgeschrirben ist, einen Pagen haben, während die Allerhöchsten und Höchsten Herrrn in der Kirche nicht von Pagen begleitet sind. Diese Pagen thuen ihren Dienst in der Kirche wie im Schloß, bei der Procession wir beim Hofconcert. Der Page muß ganz selbstverständlicher Weise den Bewegungen der Dame, deren Manteau er trägt, folgen; deshalb muß er, wenn diese Dame niederkniet, auch niederknien; er kniet aber nicht vor der Hostie, sondern lediglich weil er in diesem Moment überhaupt gar nichts Andere« thun kann. Viel« Osficier», di« Anspruch daraus machen können, al« gute und treu» evangelisch« Christen zu gelten, haben in ihrer Jugend diesen Pagendienst gethan, ohne ia ihrem Gewissen dadurch beschwert oder ihrem Bekenntniß untreu zu werden Sind sonach die Behauptungen des fraglichen Artikels, soweit sie sich auf Sachsen beziehen, jammt und sonders falsch und den Thatjachrn direkt widersprechend, so müssen naturgemäß die daran geknüpften gehässigen Schlußfolgerungen ebenfalls unzutreffend sein. Er wähnt sei aber noch, daß der den Kirchendienst in der katholischen Kirche regelnde Commandanturbesehl im zweiten Satze lautet: „Es sind hierzu in erster Linie Lfficiere, Unterofficiere und Mannschaften katholischer Confession zu befehligen", und daß, wenn Pagen katholischer Eon- ession vorhanden sind, diese in erster Linie zu diesem Dienst befehligt werden. In der sächsischen Armee dient der evangelische Soldat seinen« könig mit derselben Treue wie der katholische, die Confession macht in der Erfüllung der militärischen Pflichten keinen Unterschied. Dec evangelische Soldat betrachtet den katholischen Soldaten al« seinen Kameraden, zwischen beiden besteht inniger Friede. Diesen Frieden zu stören und konfessionelle Zwistigken in die Armee zu tragen, wird denk Leipziger Tageblatt mit seinem Artikel nicht gelingen. Ebenso werden aber auch Bestrebungen, in die Commandogewalt Seiner Majestät des Königs einzugreifrn, von welcher Seite sie auch kommen mögen, aus Gelingen nicht rechnen können." Wir haben auf diese Auslassung zunächst dasselbe zu be- merken, was wir schon dieser Tage auf eine Behauptung de« „Vaterland" bemerkten, daß nämlich der im vorigen Jahre erhobene Protest der evangelischen Militärgeist' lichen, von dem der Dresdner DivisionSpfarrerHerrvr.KLfhn in seiner Zuschrift vom 1. Mai an uns spricht, gegenstandslos gewesen wäre, wenn Alles sich so verhielte und verhalten hätte, wie die Gewährsmänner der beiden Blätter behaupten. Daß auch die „Leipz. Ztg." auf diesen Protest mit keiner Silbe eingebt, ist sicherlich kein Beweis für die Zuverlässigkeit ihrer Auslassung. Schon deshalb erachten wir die Angaben, die unser, von diesem Blatte so heftig bekämpfter Artikel enthielt, nicht für widerlegt. Für jeden ruhig Urtheileuden liegt eS übrigen« auf der Hand, daß wir jene Angaben nicht auS den Fingern gesogen, sondern auf Grnnd von Mitthcilungen gemacht haben, die ua» von durchaus vertrauenswerther Seite zugegangeu waren. Es ist selbstverständlich, daß wir erst von dieser Seite weitere Erklärungen abwarten müssen, bevor wir auf die Einzel heiten der Auslassung der „Leipz. Ztg." eingehen können. Für beute haben wir nur noch energischen Protest zu erheben gegen die Unterstellung diese» Blattes, Laß uns die Absicht, „konfessionelle Zwistigkeiten in die Armee zu tragen" und „in die Commandogewalt Se. Majestät des Königs einzugreifen", bei der Veröffent lichung unseres Artikels geleitet babe. Eine solche Unter stellung ist mehr als gehässig. Wenn wir auf Grund ver trauenswürdiger Mittheilungen nach bestem Wissen unv Gewissen aus etwas hinwiesen, was die „Leipziger Zeitung" doch sicherlich nicht mit so großer Entrüstung in das Bereich der Fabel verweisen würde, wenn es nicht nach ihrer eigenenUeberzeuzung geeignet wäre, tiese Mißstimmung in protestantischen Kreisen hervorzurufcn, so konnte uns gar keine andere Absicht leiten, als die, mit dem Grunde dieser Mißstimmung auch sie selbst beseitigen zu helfen. Und wenn wir da- feste Ver trauen aussprachen, jener Grund würde sofort wegsallen, wenn Se. Majestät der König Kenntniß von ihm Kälte, so konnte unS nichts ferner liegen, als ein Eingriff in die könig liche Commandogewalt. Wir wollen nicht fragen, ob so hämische Unterstellungen reinen Gewissen zu entspringe» pflegen; jedenfalls sind sie eine- königlichen Blattes am un würdigsten. ---Berlin, 5. Mai. (Gewerbeorduungsuovelle und kaufmännische Schiedsgerichte.) Da die Zustimmung deS BundcSraths zur Gewerbeordnungsnovelle, über welche die Schlußabstimmung im Reichstage demnächst erfolgen wird, nicht mehr zweifelhaft erscheint, treten voraussichtlich am 1. Oktober d. I. für das Handelsgewerbe wichtige Bestimmungen in Kraft. Dahin gehört vor Allem der obligatorische 9 Uhr-Ladenschluß; keineswegs nebensächlicher Natur aber sind die übrigen Bestimmungen, z. B. die Er mächtigung des Bundesraths, Anordnungen über die Einrichtung ver Geschäfts- und Wohnräume zu erlassen, daS Aussicht-recht der Polizeibehörden, vie Regelung des LehrlingSwesenS, der Geschäftsordnungen rc. Bei der praktischen Durchführung gerade der letzteren Bestimmungen wird sich eine Lücke dec Gewerbeordnungsnovelle sehr bemerkbar machen: das Fehlen einer fachmännischen Aufsichtsbehörde. Entstehen aus den verclausulirten Verordnungen Streitigkeiten zwischen Principal unv Angestellten, so bleibt e« nach wie vor be: dem mit den größten Unzuträzlichkeiten verbundenen Zustande, daß die Rechtssache bei den langsam arbeitenden Amtsgerichten andängigLemackt werden muß. Stünde wenigsten« io absehbarer Zeil die Einrichtung kaufmännischer Schiedsgericht« in Aussicht, so würden die größten Uebelstände abzuschwächen sein. An die Errichtung solcher kaufmännischen Schieds gerichte aber ist, wie die „Kaufmännische Reform", daS Organ des Verbände- deutscher HandlungSgehülfen, mit Recht beklagt, noch nicht zu denken. Die Regierung kommt auS dem Stadium der Erwägungen und Erörterungen nicht heraus, und so oft der Reichstag an die Sacke erinnert, erhält man von Neuem da« Gefübl, daß sie nicht vom Flecke rückt. Das ist um so bedenklicher, als selbst Handelskammern, die früher Gegner der kaufmännischen Schiedsgerichte waren, nunmehr für Letztere eintreten. So schreibt z. B. das Borsteheramt der Kaufmannschaft in König«berg i. O.-P. u. A.: „ES ist nicht zu verkennen, daß die Schaffung einer durch Bei sitzer und Angestellte gebildeten und deshalb von dem Vertrauen der Berussgenossen getragenen, rasch und billig arbeitenden Instanz, deren Einsetzung auS den Kreisen der Handlungsgehilfen vieler Orte gewünscht und auch von mehreren Handelsvertretungen befür wortet wird, nützlich wirken kann. Indessen sollten solche Schied«» geeichte nicht überall eingesiihrt werde», sondern nur dort, wo ein Bedürfaiß sich hierfür zeigt. Ihre Einsetzung wär» also der ortsstatutarischen Regelung zu überlassen. Ein» An- gliederuvg solcher Fach,,richt« an di, ordirtUich» Gericht»,
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