Volltext Seite (XML)
Wchnih -ZÄW Verantwortlicher Redacteur: Cätl Ikhnc in Dippoldiswalde Sonnabend, den 14. Juni 1884. 49. Jahrgang Nr. 70. ^8 HI ' '8 Politische Wochenschau. Deutsche- Reich. Dem am Dienstag eröffneten letzten Abschnitte der gegenwärtigen Neichstagssesston ist mit der am Tage vorher erfolgten Grundsteinlegung zum Neichstagsgebäude eine erhebende nationale Feier vorausgegangen. Dieselbe hat von Anfang bis Ende, entsprechend dem bereits vorher in allen Einzelheiten veröffentlichten Programm, einen äußerst glänzenden Verlauf genommen, und wird nicht nur für den deutschen Parlamentarismus, sondern für das ganze deutsche Volk selbst einen ewig denkwürdigen Moment bilden. Hat doch kein Geringerer als unser allgeliebter Kaiser, der ruhmgekrönte Feldherr und Friedensfürst, der Mehrer d<Ä Reichs auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung, den Grundstein gelegt zum künftigen Monumentalbau des obersten deutschen Parlamentes und dies erinnert nochmals an jene ewig denkwürdigen Worte, die Kaiser Wilhelm bei Uebernahme der kaiserlichen Würde sprach, daß er dies thue „im Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu wahren; in der Hoffnung, daß dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner heißen und opfer- muthigen Kämpfe in dauerndem Frieden zu genießen." Wohl, die sich mehrenden und glänzenden Erfolge der kaiserlichen Politik nach Innen wie nach Außen haben die in diesen bedeutungsvollen Worten ausgedrückten Bestrebungen der Negierung des Kaisers in vollem Umfange gekrönt und das bisher Erreichte dokumentirt auch äußerlich der feierliche Weiheakt vom Montag. Möge das greise Oberhaupt des deutschen Reichs, dessen Hand die drei ersten Hammerschläge zum Grundsteine des neuen Parlamentshauses gethan hat, auch die Vollendung des Baues und seine Einweihung sehen! — Die Wiedereröffnung der Plenarverhandlungen des Reichstages nach der Pfingstpause hat bereits eine recht lebhafte Debatte gebracht. Es handelte sich um den vom Abgeordneten Ackermann Namens der Kon servativen eingebrachten Antrag auf Abänderung von § 100 o der Gewerbeordnung (Innungen) und bezweckte der Antrag, denjenigen Meistern, welche keiner Innung bcitreten, das Halten von Lehrlingen von einem be stimmten Zeitpunkte an zu untersagen. Derselbe wurde vom Antragsteller mit dem Hinweis auf die Forde rungen der Handwerksmeister begründet, denen durch den Entwurf Befriedigung verschafft werden solle. Eine reaktionäre Maßregel sei das nicht, da nicht generell den Nichtinnungsmitgliedern das Recht, Lehr linge zu halten, versagt, sondern der Behörde nur die Befugniß beigelegt werden solle, im gegebenen Falle eine derartige Maßregel anzuordnen. Von liberaler Seite wurde der Antrag, da durch ihn die Polizei gewalten vermehrt würden, lebhaft bekämpft; da aber die Redner des Centrums für den Antrag eintraten, so erfolgte bei namentlicher Abstimmung mit 157 gegen 144 Stimmen der Parteien der Linken die Annahme desselben. Am Schluß der Sitzung entspann sich noch eine kurze Geschäftsordnungsdebatte, aus welcher der Präsident die Mittheilung machte, daß die zweite Lesung der Unfallversicherungsvorlage auf die Tages ordnung für diesen Sonnabend gesetzt sei. Am Mitt woch beschäftigte sich der Reichstag mit dem Anträge Ackermann's auf Errichtung von Gewerbekammern und dem Windthorst'schen Anträge auf Aufhebung des so genannten Expatriirungsgesetzes. — In der vertrau lichen Sitzung der zweiten hessischen Kammer vom Dienstag gelangte ein Schreiben des Großherzogs an den Vorsitzenden des Staatsministeriums, Staatsrath Finaer, zur Verlesung. Daffelbe bezieht sich auf die Ehescheidungsangelegenheit des Großherzogs und den hiermit zusammenhängenden Rücktritt des Staatsmi nisters Starck und erklärt den Entschluß des Groß herzogs, daß die Staatsgeschäfte in der bisherigen Weise fortgeführt werden sollten, sowie seine Absicht, baldmöglichst die gerichtliche Scheidung seiner faktisch Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein schon getrennten Ehe mit Frau v. Kolemine herbei zuführen. Hiermit dürften die Erörterungen über die so viel Aufsehen erregende Angelegenheit ihren endgiltigen Abschluß erhalten haben. Oesterreich-Ungarn. In dieser Woche haben die Wahlen zum ungarischen Reichstage ihren Anfang ge nommen. Eine wochenlange, unbeschreiblich wüste Agitation, bei welcher nicht nur Knittel und Todt- schläger, sondern sogar Säbelhiebe, Messerstiche und Flintenkugeln eine hervorragende Nolle spielten, bildete die Einleitung zum Wahlakte und läßt von den Wahlen selbst nur gleiche schlimme Exceffe befürchten, wie sie Ungarn jetzt tagtäglich zur Schau gegeben hat. Die vom Ministerpräsidenten Tisza in Aussicht gestellten strengen Maßregeln zur Unterdrückung weiterer Exceffe scheinen jedenfalls auf die leidenschaftlich erregten Wählermassen noch nicht den geringsten Eindruck ge macht zu haben. — Von dem in Wien eingesetzten Ausnahmegerichte ist der Anarchist und Raubmörder Stellmacher zum Tode verurtheilt worden. Frankreich. Der Stern des französischen Mi nisterpräsidenten Fern) leuchtet in unverminderter Helligkeit fort. In der innern Politik ist Ferry erst in voriger Woche anläßlich der dreitägigen Diskussion über die Verwaltung Korsikas wieder ein glänzendes Vertrauensvotum von der Kammer zu Theil geworden und für die ostasiatische Politik des Kabinets Ferry bedeutet die bedingungslose Anerkennung und Unter zeichnung des mit Anam abgeschloffenen Vertrags von Seiten des Hofes von Hue eine neue Errungenschaft. Weit bedeutungsvoller erscheinen aber die Erfolge, welche der leitende französische Staatsmann in den Verhandlungen mit England über die egyptische Frage davongetragen hat. Die Fixirung der englischen Okkupation Egyptens auf 3 Jahre und die Einrichtung einer internationalen Finanzkontrole in Egypten sind Zugeständnisse Englands an Frankreich, welche einen entschiedenen Triumph des französischen Kabinets über das englische bedeuten und daß es dem festen Auf treten Ferry's gelungen ist, die französischen Forde rungen in der Konferenzangelegenheit durchzusetzen, wird Herrn Ferry jedenfalls hoch angerechnet werden. England. Im Gegensatz zu seinem Kollegen an der Seine ist der englische Ministerpräsident, Mr. Gladstone, durch die Zugeständnisse an Frankreich in eine ziemlich bedenkliche Klemme gerathen. In allen Schichten der englischen Gesellschaft — selbst die libe ralen Kreise nicht ausgeschlossen — empfindet man die Konvention mit Frankreich als eine nationale Demü- thigung und trotz aller Versuche der Londoner Re gierungsblätter, die Abmachungen mit Frankreich als nicht bindend hinzustellen, greift die allgemeine Miß stimmung gegen die egyptische Politik des Kabinets Gladstone immer weiter um sich. Unter den» Eindrücke dieser erregten Stimmung will der englische Premier in kommender Woche dem Parlamente die offizielle Mittheilung von dem Abschluss^ves Vertrags machen und dann steht mit Sicherheit ein Sturm zu erwarten, der vielleicht das Ministerium Gladstone mit einem Schlage über den Haufen wirft. Bezüglich der viel erörterten Gerüchte über die von England vorgeschlagene Entsendung türkischer Truppen nach Egypten oder dem Sudan erklärte Gladstone in der Dienstagssitzung des Unterhauses, daß dieselben durchaus unbegründet seien. Belgien. Die Befürchtungen, mit denen die bel gischen Liberalen nach dem für sie so ungünstigen Ausgange der Provinzialwahlen den Neuwahlen zur Nepräsentantenkammer entgegensahen, sind durch die Ereignisse in vollem Umfange gerechtfertigt worden. Bei den am Dienstag stattgefundenen Kammerwahlen haben die Liberalen 26 Sitze an die Klerikalen ver loren, welche in der neuen Repräsentantenkammer nun mehr die Mehrheit in einer Stärke von 32 Stimmen besitzen. Die im liberalen Lager zwischen den ge mäßigten und den fortschrittlichen Elementen herrschende Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage deS Blattes eine sehr wirk same Verbreitung^ finden, werden mit 10 Pfg. die Spaltenzeile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Ausschlag. — Eiiiae- sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeil« 20 Psg. ' Die „»elßeritz. Zeitung" «scheint wöchentlich drei- - mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 Mi. 26 Psg-, zweimonatlich 8t Psg., einnionatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. - Alle Postan stalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. 11818 Demnach bis jetzt (vom Januar 1884 an) 42,216. Befördert wurden 2,007,497 Kilogramm Güter. Dem nach vom Januar 1884 an 10,752,985 Kilogr. Güter. Gegen den gleichen Monat des Vorjahres wurden , 3066 Billets weniger verkauft und 500,254 Kilogr. Güter mehr befördert. Daß voriges Jahr mehr Billets im Mai verkauft wurden als Heuer, findet seine Er klärung darin, daß vorin Jahre das Pfingstfest in diesen Monat siel. — Während der diesjährigen Psingstfeiertage wur den auf unserer Bahn gelöst an Tourbillets: in Dresden 386, in Hainsberg 855, in Dippoldiswalde und an den Haltestellen 1207; an Tagesbillets: in Dresden 1457, in Hainsberg 1075, in Dippoldiswalde und an den Haltestellen 2710, in Summa 2448 Tourbillets und 5242 Tagesbillets; mithin sind 12,932 Passagiere befördert worden. — Am 18. Juni begeht die Restauration „goldne Höhe" bei Hänichen das Fest ihres 40jährigen Be stehens. — Ueber den Begriff Sperrgut bei Postsendungen scheint im Publikum noch viel Unklarheit zu herrschen, weshalb eine Anführung der hierauf Bezug habenden postalischen Bestimmungen gewiß Manchem willkommen sein wird. Als Sperrgut (für welches die Portosätze um die Hälfte erhöht werden) gelten Packete, welche 1) nach irgend einer Seite länger als 1'/» Meter sind, 2) länger als 1 Meter und breiter als Meter sind, dabei aber weniger als 10 Kilo wiegen, und 3) bei der Verladung großen Raum oder besonders sorgsame Behandlung erfordern, wie z. B. lebende Thiere, Körbe mit Pflanzen, Hutschachteln, Kartons in Holzgestellen Korbgeflechte und Möbel. Spaltung hat der ultramontanen Partei den Sieg wesentlich erleichtert. Türkei. Der Sturnr im Glase Wasser, als welchen man den serbisch-bulgarischen Konflikt betrachten kann, dauert fort. Da Bulgarien es ablehnte, die von Serbien verlangte Genugthuung zu leisten, hat der serbische Agent am Dienstag die bulgarische Haupt stadt verlassen und nur sein Sekretär ist zur Erledigung der dringendsten laufenden Geschäfte in Sofia zurück geblieben. Die Befürchtung, daß hieraus ernstere Verwickelungen auf der Balkanhalbinsel entstehen könnten, wird indessen allseitig zurückgewiesen. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Einem Bewohner des benach barten Ortes Sp. mochte der täglich achtmalige Zugs verkehr auf unserer Bahn immer noch nicht für seinen Frachtverkehr genügen und war er deshalb bestrebt, die Frequenz derselben auf eigene Faust zu vermehren und seinen Interessen dienstbar zu machen. Er baute sich zu diesem Behufs einen Holztransportwagen, wie er einfacher und praktischer nicht denkbar; vier Räder aus Holz mit Flanschen, ein Gitterwerk aus Stangen auf die Axen befestigt, Holz darauf gelegt, Menschen vorgespannt — die Sache.war in Ordnung und scheint sich die Erfindung ganz gut bewährt zu haben — wenn nur die böse, böse Bahnverwaltung nicht gewesen wäre und das neue Beförderungsmittel konfiszirt hätte. Dippoldiswalde. Die Frequenz auf der schmal spurigen Sekundärbahn Hainsberg-Kipsdorf im Monat Mai gestaltete sich in folgender Weise auf den einzelnen Stationen und Haltestellen: Tourbillets. Tagesbillets. Militär- II. III. II. III. billets. Dresden . . . 90 477 554 1451 29 Hainsberg. . . 155 1099 206 1028 62 Dippoldiswalde . 70 823 217 1301 22 an den Haltestellen 191 1864 196 1969 14 Sa. 506 4263 1173. 5749 127