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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage Der AbonnementSpreiS beträgt vierteljähr- nach Eonn- und Festtagen. V Uch I Mk. ÄS Pf. Waldenburger Aumger. --'AsW- _ . o Filial-Expedition in Altstadtwaldenburg: «xpedrtwn: Waldenburg, Kirchgasse 255. bei Herrn Kaufmann Max Li-bezeit. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 293. Dienstag, den 16. December 1834. "Waldenburg, 15. December 1684. Der zweite und dritte Theil der Sammlung diplomatischer Aktenstücke über die deutsche Colonial politik sind, wie bereits kurz erwähnt, unter den Titeln „Angra Pequenya" und „deutsche Interessen in der Südsee" erschienen. Das ganze Akten material liegt zur Beurtheilung für den Reichstag also offen vor. „Angra Pequenya" bietet gerade keinen erfreu lichen Gegensatz zu dem ersten Theil der Akten sammlung „Togogebiet und Biafra Bay." Die englische Scheelsucht, die sich in dem letzeren noch etwas verhüllt zeigt, tritt in „Angra Pequenya" so grell hervor, daß nur das Gefühl, daß schließlich doch Alles zum glücklichen Abschluß gelangt ist, über eine Verstimmung hinweg führen kann. Die englische Regierung hat es in der That arg getrieben und von irgend welcher Freundschaft für Deutschland zeigt sich in dem englischen Gebühren auch nicht eine Spur. Man wußte recht gut, daß man nicht die geringsten Ansprüche auf Angra Pequenya habe, aber trotzdem wurde jeder fremden Besitznahme von vorn herein Protest angekündigt. Deutschland hat sich durch solche hochtrabende Worte nicht in ein Mauseloch jagen lassen. Herr Lüderitz war der rechtmäßige Besitzer des Territoriums, das ohne Weiteres deshalb unter deutschen Schutz gestellt wurde. Nachdem man auf die gemachte Anzeige weder in London noch in der Capstadt irgend einen Laut wochenlang von sich gegeben, fiel es plötzlich der englischen Capcolonie ein, Angra Pequenya annectiren zu wollen. Das ging denn doch über die Hutschnur und Fürst Bismarck selbst sandte eine gepfefferte Note nach London, zu der Graf Herbert Bismarck in einem Gespräch mit Lord Granville sehr deutliche mündliche Erläuterungen gab. Das schlug durch; man begann von allerlei Miß verständnissen Jrrthümern rc. zu reden, kurzum die Entschuldigungen wuchsen wild umher, wie die Brombeeren, und — Ende gut, Alles gut — die Anerkennung Angra Pequenya'« als deutsche Colonie erfolgte. Wenn nun auch diese englischen Nörgeleien vergeben sind, vergessen werden sie nicht so schnell werden. Der letzte Theil der Sammlung „deutsche In teressen in der Südsee" enthält größtentheils Con- sularberichte von den Inseln des Stillen Oceans. Es wird der wachsende Umsang der Geschäfte der dortigen handeltreibenden deutschen Firmen erörtert und auch für die Zukunft günstige Aussichten gestellt. Es handelt sich in erster Reihe um die Ausfuhr der Kopra, des getrockneten Kernes der Kokosnuß; aber auch mit dem Plantagenbau von Baumwolle, Kaffee, Cacao, Tabak rc. sind Versuche gemacht; andererseits werden Fabrikate aus Deutschland ein- gesühri, so weit sich das Bedürfniß nach solchen bei den Eingeborenen schon entwickelt hat. In erster Reihe sind von den deutschen Unternehmern die Samoainseln in den Kreis ihrer Geschäfte gezogen — auf einer derselben, Apia — hat das deutsche Generalconsulat seinen Sitz, aber auch aus Neu- Britannien, Neu-Irland, die Marschall-, die Caro- lineninseln rc. sind dieselben schon ausgedehnt worden. Die Einwohner mancher dieser Inselgruppen — speciellder Samoa-Jnseln — sind zur Plantagenarbeit nicht tauglich. Die erforderlichen Arbeiter müssen von anderen, einen stärkeren Menschenschlag besitzen den Inseln geholt werden. Es geschieht dies auf Grund von Contracten, welche meistens für 5 Jahre abgeschlossen werden und die Verpflichtung der Un ternehmer, die Arbeiter nach Ablauf des Contracts in ihre Heimath zurückzuschaffen, enthalten. Nach den vorliegenden Berichten haben die deutschen Unter nehmer sich bisher der Uebergriffe, welche bei Con tracten mit Wilden naheliegen, nicht schuldig gemacht. Es wird aber betont, wie leicht diese vorkommen können, während die dauernde Bereitwilligkeit der Insulaner zur Arbeit von der ehrlichen Behandlung derselben abhänge. Unter Anderm deshalb, aber auch zur Handhabung einer gewissen Rechtsordnung in diesen, größtentheils staatlosen Gebieten und zur Abwehr befürchteter Annectionsgelüste von englischer, australischer Seite, wird die Verstärkung des deutschen Consulardienstes in der Südsee, wie solche auch im Etat beantragt ist, und die häufigere Anwesenheit deutscher Kriegsschiffe daselbst gewünscht. Mehrfach findet sich in den Berichten die Andeutung, daß die deutschen Handelsunternehmungen noch besser gedei hen und namentlich mit größerer Sicherheit betrie ben werden könnten, wenn geordnete staatliche Zu stände hergestellt würden. — Hervorgehoben wird endlich noch, daß in Hawaii Versuche mit deutschen Feldarbeitern gemacht würden. Sollten dieselben gelingen, so würde die Verwendbarkeit der deutschen Arbeiter auch auf den Samoainseln nicht ausgeschlossen sein. "Waldenburg, 15. December 1884. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die für Sonnabend angekündigte Hofjagd im Grunewalde hat im Beisein des Kaisers, des Königs Albert von Sachsen und des Grobherzogs von Weimar, des Kronprinzen und der übrigen Prinzen stattgefunden. Der Kaiser schoß 9 Schaufler, 2 Spießer, 21 Stück Kalbwild, der König von Sachsen 4 Schaufler und 6 Stück Kalbwild, der Kronprinz einen sehr starken Schaufler, Prinz Wil helm von Preußen 36 Stück Kalbwild, Prinz Fried rich Karl 23 Stück Kalbwild. Am Abend fand Familientafel und später größerer Thee statt, wel chem außer den kaiserlichen Majestäten, dem König und der Königin von Sachsen, dem Großherzog von Weimar und den Prinzen auch der Reichskanzler, Graf Hatzfeldt, Minister v. Puttkamer rc. beiwohnen. Der Kaiser verbrachte den Sonntag in stiller Zu rückgezogenheit, (es ist der Sterbetag der Königin Elisabeth, Gemahlin Friedrich Wilhelm IV ) Um 5 Uhr fand Familientafel statt, nach welcher das süchsische Königspaar mit Extrazug nach Dresden zurückkehrte. Die Kaiserin stattete Sonntag Mittag der Königin von Sachsen einen Besuch ab. Etwas später entsprachen die sächsischen Majestäten einer Einladung des Herrn v.Nostiz-Wallwitz zumDejeuner. De: Reichstag hat die zweite Etatsberathung in den letzten Tagen ein beträchtliches Stück ge fördert. Die Provokationen der Socialdemokralen mehren sich und es ist wiederholt zu recht gereizten Auseinandersetzungen zwischen den socialistischen Abgeordneten und den Vertretern der anderen Parteien gekommen. Heute Montag wird bei Be- rathung des Nachtragsetats für Kamerun auch die erwartete große Debatte über die Colonialpolitik statlfinden, die man bisher verschoben hatte, um das vollständige Erscheinen der Actenstücke über die Colonialpolitik abzuwarten. Der Reichskanzler wird selbst anwesend sein. Die Ferien des Reichstages werden am 19. d. M. beginnen und bis 8. Januar dauern. Die Annahme der Postdampfervorlage durch den Reichstag wird jetzt für gesichert gehalten. Conservative und Nationalliberale werden geschlossen dafür stimmen, von Centrum und Freisinnigen ein Theil, die Socialdemokraten zur Mehrzahl. Die Debatten in der Commission dauern noch fort. Es sind ganz specielle Fragen vom Centrum und den Freisinnigen gestellt, deren Beantwortung viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Budgetcommissiou hat bei den laufenden Ausgaben im Etat nur wenig gestrichen; sie holt das Versäumniß jetzt bei den außerordentlichen Forderungen nach und namentlich eine ganze Zahl von Militärneubauten sind abgelehnt. Alles in Allem werden die Ersparnisse aber kaum mehr als 10—12 Millionen ausmachen. Die Wahlprüsungscommission hat bisher die Wahlen der Abgg. Schenk (freis.) (Wiesbaden) und vr. Kropatschek (cons.) (Zauch-Belzig) be anstandet. In der Ehescheidungsangelegenheit des Großher zogs von Hessen fand am Freitag vor dem Reichsgericht Verhandlung statt. Das Reichsgericht erklärte sich — entgegen der Ansicht des Oberreichs anwalts — für zuständig und verhandelte den Fall unter Ausschluß der Oeffentlichkeit. Die Publikation des Urtheils wurde auf 8 Tage ausgesetzt. Das englische Journal „Truth" will wissen, daß der Herzog von Cumberland in ganz uner warteter Weise in den Besitz eines weiteren grö ßeren Vermögens gelangt sei. Unter dem ihm zu- gefallenen Nachlaß des Herzogs von Braunschweig befindet sich auch die Villa in Hietzing mit Zubehör und in derselben sind für 2 Millionen Mk. Geld und Werthpapiere gefunden. In parlamentarischen Kreisen spricht man davon, daß die Stellung des preußischen Finanzministers erschüttert sei, weil der preußische Slaatshaus- haltsetats (in Folge des Ausfalles bei den Reichs finanzen) ein Deficit von 20 Millionen aufweise. Nach der „Nat.-Ztg." nennt man bereits als Nach folger des Herrn von Scholz den Regierungspräsi denten zu Frankfurt a. Oder von Heyden-Kadow, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und Staatrrathes. Wir glauben nicht recht an die Nachricht. Herr v. Scholz erfreute sich bisher der ganz besonderen Sympathien des Kanzlers und für das Deficit kann er nicht aufkommen, da es mit den Reichsfinanzen in Verbindung steht. Graf Herbert Bismarck wird nach Weihnachten die Geschäfte des Unterstaatssekretärs im Reichsamt der Auswärtigen übernehmen. Or. Busch geht als Gesandter nach Bukarest. Der Bundesrath wird in seiner nächsten Si tzung endgiltigen Beschluß über das Postsparkassen gesetz fassen, das dann wahrscheinlich sofort an den Reichstag geht. Möglicherweise wird in dieser Sitzung auch bereits die Ausdehnung der Unfall versicherung auf die land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter berathen, nachdem in den Bundesrathsaus- schüffen eine Einigung darüber erzielt ist. Die Eingaben wegen Errichtung von zollfreien Nieder lagen von Rohzucker sind vom Bundesrath abgelehnl. Ein ziemlich ernstes Nachspiel hatte die Ber liner Wahl am Freitag Abend. Unter Vorsitz des Stadtv. Ewald waren die Socialdemokralen in der Norddeutschen Brauerei versammelt. Als der soc. Abg. Heine das Wort ergreifen wollte, erklärte der überwachende Polizeilieutenant die Versammlung für aufgelöst. Ein furchtbarer Lärm entstand. Der Lieutenant und der ihn begleitende Wachtmeister wurden aus dem Saal vertrieben. Als endlich Schutzleute erschienen, stießen sie auf thatsächlichen Widerstand und mußten von ihren Waffen Gebrauch machen. Am Sonnabend wurde der Stadtverord nete Ewald (er ist Vergoldermeister und verheirathet) auf das Polizeipräsidium beschicken, wo ihm eröff net wurde, daß er auf Grund des Socialistengesetzes aus Berlin ausgewiesen sei und die Stadt am sel ben Tage zu verlassen habe. Wie weiter gemeldet wird, will sich Ewald nach Brandenburg begeben. Der Aufruf zur Bildung einer demokratischen Partei hat nicht allzugroßen Beifall gefunden und