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Nummer 227 — 25. Jahrgang ümal wöch. Bezugspreis fllr Oktbr. 3.00 einschl vestellgelü. Anzeigenpreise: Die Igesp. Pettlzeiie »0^. Stellengesuche 20 L. Die Petrtreklamezeik. 8S Milli, ineter breit. 1 Zt Offertengebiihren für Selbstabholer 80 L, bei Uebersenbung durch dt« Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L. Sonntags-Nr. 15 veschältlicber Teil: I. Hillebranü in Dresden SticklMe Mittwoch, 6. Oktober 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung o. Anzeiaenausträgen u. Leistung o. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehme« wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandt« u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags. Hauptschristlett.: Dr. Joseph Albert. Dresden. veonetnee a.-o. 17 ,v. /Ulm. ,. 1. Z-tto, Nernru! 7I0Z4 il14» Ipelchitneftell«, Lroik >»>d werlag, Salon,,»- !LuchdrnU«rci «mbH„ Dre«den-Sl. l, Polierstrabe 17. gernru, 21012. Postiäleckloiila Dresden 11797 BaiiNonto: Dresdner Bank, Dresden Für christliche Politik und Kultur Redaktion der sächsischen BoIkS,«i«nng Dresden. Altstadt I. Polierstratze 17. Hernrul MIN und >?1012. Die DonkvNbewegung in Mexiko sr. rr. In der Oeffentlichkeit ist es still geworden über Mexiko. Die Regierung Calles hat es in den letz ten Wochen vermieden, aufsehenerregende Ge walttaten gegen die Kirche anzuwenden, sie führt aber in der Stille den Kulturkampf weiter und versucht nicht nur durch rigorose Post- und Telegraphenzensur und durch Verbreitung falscher Nachrichten ihr stark rampo niertes Ansehen im Ausland zu heben. Wir werden dar auf bei Gelegenheit noch zurückkommen. Wie gesagt, die Regierung Calles führt ihren Kampf setzt stiller. Sie ist eben moralisch und materiell in die Defensive gedrängt; moralisch durch das Urteil der Welt presse bis weit in die Kreise jener Parteien hinein, die der Kirche sonst wenig gewogen sind, materiell durch die wirksame Boykottbewegung. Diese Boykottbewegung wurde von Laien ins Werk gesetzt und ist von der „Liga für religiöse Verteidigung" glänzend durchorganisiert worden. Die Leitung hat ein Ausschuß von drei Persönlichkeiten, der bei seiner Gründung in der Hauptstadt sofort vier Lrsatzausschüsse wählte für den Fall, daß einer der Aus schüsse ins Gefängnis wanndern müßte. In der Tat wur den die Ausschüsse 1, 2 und 3 verhaftet. Als der vierte automatisch in Wirksamkeit trat, ermattete die Regie rung und ließ die Verhafteten gegen Kaution frei. In jedem Bundesstaat ist ein Abteilungsdelegierter tätig, der direkt der Zentrale verantwortlich ist. Unter ihm arbeiten für Stadt, Häuserblock, Straße Unterdeleglerte, die die Boykottbewegung in straffer Organisation durch zuführen und zu überwachen haben. Die Leiter haben den Plan lange erwogen, ehe er ins Werk gesetzt wurde. Er ist klug auf der Bolkspsychologie aufgebaut. Mau mußte eine Waffe wählen, die das ganze Volk, ohne Ge fahr, verhaftet zu werden oder die Arbeitsstelle zu ver lieren. handhaben konnte; eine Masse, die kein Blutver gießen herbeiführtc und doch den Staat in seinen mate riellen Interessen empfindlich traf. Dieser Boykott richtet sich gegen die ersten Steuer zahler. Er bringt sie in eine Lage, die sie unfähig macht, dem Staat die Steuern zu zahlen. Nicht die Geschäfts leute sollen dadurch gestraft werden, sondern die Negie rung wird indirekt in ihren Einkünften getroffen. Die Suspension des Gottesdienstes hat hierbei unschätzbare Hilfe geleistet, da in Mexiko die Bauern Sonntags nach der Blesse auf dem Markt ihre Einkäufe zu machen pfle gen. Diese Märkte sind jetzt fast ganz zum Erliegen ge kommen. Zweifellos würde die Wiedereröffnung des Gottesdienstes den Boykott schwer schädigen. Die Boykottbewegunng verlangt völlige Enthaltung vom Einkauf in Luxuswaren und Quasi-Luxuswaren, von allen Vergnügungen, Unterhaltungen. Kinobesuch. Teil nahme an Lotterien usw. Man verzichtet auf die Erlaub nisscheine zur Benutzung eigener Autos, die pro Monat 10 Dollar kosten, legt sich Einschränkungen im Gebrauch des Notwendigen auf, kauft nach Möglichkeit keine neuen Kleider u. a. m. Der Erfolg ist bisher über Erwarten groß. Das ein fache und zügige Kampfmittel gewann rasch die Blassen des Volke« zumal auch vom religiös-aszetischen Stand punkt aus die auferlegte Selbstbeschränkung den Sinn des Volkes, zumal auch vom religiös-asketischen Stand- len weckte. Die Kaufleute, sonst vielfach so materiell eingestellt, wandten sich angesichts des unerwarteten Er folges des Boykotts an Präsident und Bischöfe, mit der Bitte, sie möchten aus patriotischen (!) Gründen auf die Beilegung dieser Bewegung drängen. Wie sehr das neue Kampfmittel wirkte, mögen niiige Tatsachen beweisen. Der größte Tabakkon - ;eru Mexikos, dessen Leiter ein eingefleischter Frei- liaurer ist. zeigte plötzlich eine große Zuneigung für die Liga zur religiösen Verteidigung! Eine Lotterie, deren Hauptgewinn 125 000 Pesos betrug, erreichte eine Ein nahme von nur 50 000 Pesos! Die Kinobillette von 2.50 Mark fielen auf 1 Mark! Die Negierung sah sich ge nötigt, den Lichtspieltheatern Abgaben zu erlassen. Der Preis des Bieres fiel um die Hälfte. Eines der größten Geschäfte in Mexiko-Stadt hatte an einem Tage eine Ein nahme von nur 4.50 Pesos. Selbst manche Regierungs- öeamte beteiligen sich heimlich am Boykott. Bei der jamosen „Arbeiterparade", die Calles vor seinem Hause un 31. Juli vorbeidefilieren ließ, wandelten viele Hun gerte von Arbeitern, die gezwungen mitmachten, im ^aktschritt das neue Schlagwort ab: „Ich boykottiere, m boykottierst, er boykottiert . . Die Regierung hat schon Millionen Pesos an Tagen gcrloren. Die Leitung der Boykottbewegung erklärt, gas Volk könne noch Monate aushalten und spare zu- )em eine Menge Geld dabei. Die Außenhandels bilanz Mexiko« wird schon sichtbar durch den Boykott »»» Der Kampf zwischen Regierung und Opposition — Das Verhältnis zu Frankreich Vor „scharfen Matznahmen" Moskau, 5. Oktober. Trotzt«, Einowjew und and re Prominente der Oppo sition in Moskau sprachen am Sonnabend vor der Arbeiter schaft eines hiesigen staatlichen Betriebes nnd übten eine zum Teil sehr scharfe Kritik an der Arbeit des Zentral komitees. Die lokalen Parteiinstanzen haben daraufhin eine B.schiverdc an die Zentrale gerichtet, in der sofortige und scharfe Maßnahmen gegen die Führer der Opposition gefordert me du. ES heißt jetzt schon, man dürfe nicht überrascht sein, ioenn in de» nächsten Tagen bereits solche „scharfe Maßnahmen" gegen Trotzki, Sinow- jc»v »nd ander« ergriffen würden. 5. Oktober, lieber bestiimmnte Verhandlungen, die zwischen Frank reich und Rußland gegenwärtig hinter den Kulissen ge führt werden, liegt jetzt nachstehender interessanter Be richt bor: In Paris hat eine sehr wichtige Audienz Na- kivwskis bei Poincare stattgefunden, in der Poin- care sich höchst befriedigt über die Sowjetregierung ausge sprochen hat, unter der Voraussetzung, daß es sich bestätigt, das; man jetzt zu einer Verständigung kommen könne über die russischen Schulden in Frankreich. Poincare hat Rakowski gegenüber den persönlichen Wunsch ausgesprochen, daß Frankreich cs zn respektieren wisse, wenn seitens der Sowjetregierung in kurzer Zeit die Möglichkeit geboren werde, mit Frankreich zu einem engeren Verhältnis zu kom men. Rakowski war sehr unter dem Eindruck dieser Unter handlungen mit Poincare und scheint einer Verständigung in Moskau die dringendste Empfehlung mitgegeben zu haben in seinem ausführlichen Bericht. Die noch in Moskau sitzenden Gegner einer solchen Ver ständigung ließen sofort die Meldung verbreiten, daß Na- kowski demnächst von seinem Posten abbernfen werde, weil er keine französischen Kredite habe erlangen können. Poin care hat dagegen jeden Kredit in Aussicht gestellt, wenn Rußland mit Polen zn einem Vergleich komme auf einer Friedensbasis. Diese Aussichten scheint Moskau zu son dieren. Rückgabe Danzigs Ei» Polnischer Bersnchsballon. 4L Warschau, 5. Otto».,». Die polnische amtliche Telegrnphen-Agentur (PAT.) gibt ohne jeden Kommentar eine Meldung aus dem Pariser „Journal des finanee" wieder, in dem folgender Plan ausgeftthrt wird: Danzig wirb an Deutschland zurückgegeben. (Von einer „Rückgabe" kann keine Rede sein. Danzig ist freie Stadt und gehört nicht zu Polen.) Polen wie Frank reich stimme» dieser Rückgabe zu unter der Boranssetznng, daß Polen eine bedeutende Entschädigung dafür erhält. Auch die Zustimmung anderer Signatare des Versailler Ver trages sei wahrscheinlich. Deutschland müßte dafür ver sprechen, einen Druck auf die Washingtoner Regierung ans« zuüben, damit diese sich mit einer Frankreich zweckmäßi geren Ratifizierung des Schuldenabkommens mit den Ver einigten Staaten einverstanden erkläre. Amtlich wird mitgeteilt: Die Nachricht, als ob die polnisch« Regierung bereit wäre, aus das angeblich lanzierte Projekt eine« Abtretung Danzigs an Deutschland einzugehen, wird dementiert. Eine hiesige Persönlichkeit, die gut unterrichtet sein will, erklärt zn dieser Meldung, von ernsten Besprechungen über eine eventuelle Rückgabe Danzigs könne noch nicht die Rede sein. Allerdings sei dieser Gedanke nicht ganz aus der Luft gegriffen. Von einigen maßgebenden Persönlich keiten der europäischen Politik sei ein solcher Akt tat sächlich ins Ange gefaßt worden. Man dürfe den Ursprung dieses Gedankens wohl auf Thoiry zurückführen, wo zweifel los Stresemann in seiner Unterredung mit Brinud dieses Thema angeschnitten habe (?>. Briand habe wiederum mit Zaleiki denselben Fall erörtert. Polens Stellung zu diesem Plan sei wohl die, daß Pilsudski auf Danzig ohne Bedenken verzichten würde, um sich dadurch Deutschlands Freundschaft zn erkaufen, was ihm die Möglichkeit geben würde, Rußland gegenüber kräftiger vorzugehen. In Berliner diplomatischen Krei'en ist man der Ansicht, daß für Deutschland, so dringend es auch eine baldige Verbindung mit dem kerndeutschen Freistaat Danzig wünscht, nur eine Kesamtbereinignng ScS n»haltbaren Ostgrcnzen- ProblemS in Frage kommen kann, die sämtliche dem Selbst- bestimmnngSrecht der Völker widersprechende Bestimmungen des Versailler Vertrages über den Korridor, Danzig »nd Ostoberschlesien beseitigt. getroffen. Der Import läßt mangels Absatzmöglichkeiten stark nach. Ter Silberpeso sank um mehrere Punkte. Begreiflich, daß die Regierung diese Tatsache im Lande zn verheimlichen flicht! - Der Enderfalg des glücklich begonnenen Boykotts hängt von der Zähigkeit der Durchführung ab. Ob die Mexikaner diese Zähigkeit, auch monatelang im Kampfe auszuharren, aufbringen werden, muß sich erweisen. Die Führer sind überzeugt, durchhalten zu können. Der erste Erfolg des Boykotts hat den Katholiken die Augen geöffnet, was sie im öffentlichen Leben bei treuem Zusammenhalten leisten und durchsetzen können. Die alte Verfassung Mexikos hatte die Kirche und ihren Einfluß in die Gotteshäuser eiuzusperreu versucht. Cal les hat die Kirche systematisch auch innerhalb ihrer Got teshäuser angegriffen und so die Tore geöffnet. Die katholische Bewegung in Mexiko verkündet nun laut die „Eroberung der Straße", „La conguista de la caiie", na türlich im Sinne friedlicher Durchdringung des öffent lichen Lebens mit katholischen Ideen und Einflußnahme auf die Gestaltung des politischen, sozialen und wirt schaftlichen Lebens. Hier war in der Tat non den Katho liken viel verabsäumt morden, in einem Lande, das trotz dauernder Verfolgung der Kirche noch immer katholische Luft atmete. Rach dem Beispiel der nordamerikanischen Katholiken wollen und werden die Mexikaner sich jetzt auch die Freiheit und die Achtung der Religion im öffent lichen Lebe» erkämpfen. Xsx- >ml s-llmbgllli» !«Il WÄ 8 0rj7LlbÄULN8tLlt TMsu >. L». uml Nsiekvndseg l. v. Der Typhus in Hannover Hmmover, 5. Oktober. Seit Montagmorgen wurden aus den Krankenhäusern insgesamt M Erkrankte als gesund ent lasse», während 9 Personen gestorben sind. Der Zugang an Erkrankte,i beträgt 20. Die Gesamtzahl der an Typhus Er krankten oder typhusverdachligen Personen beträgt am Dienslagmorgen 1 6 7 0, die der Toten 185. Die entsprechen den Zahlen von Montagmorgen waren 1703 bczm. 176. E-n schweres Erdbeben registrier! Paris, 5. Oktober. Wie vom Observatorium von Faenza (Italien) mitgeteilt wird, wurde auch vom fran zösischen Observatorium in Parc St. Maur ein schweres Erdbeben beobachtet. Die genaue Entfernung komne nicht festgesiellt werden. Man vermutet, daß sie zwischen t«00ü und 11 000 Kilometer betrug. s- Selbstmord des Rektors a» der Universität Jena. Professor Dr. Alexander Gutbier, der Rektor der thü ringischen Landesnuiwersität Jena, ist Montagmsttag durch Selbstmord ans dem Leben geschieden. Gntbier war eit längerer Zeit stark überarbeitet. Der Vestorbenc stand im 51. Lebensjahre. P Die ttntcrsnchnng des Jnwelcnranbcs in der Tailentzieiistraße in Berlin zieht immer weitere Kreise. Im Laufe des Montags wurde auch der Bräutigam der Elisa beth Spruch, der Schauspieler Klamber ans Wien, wegen Be günstigung nach der Tat in Haft genommen, während die Eltern Spruchs der Mitwisserschaft an dem Verbrechen über führt worden sind. P Professor Sancrbruck» nach Berlin berufen. D« Münchener Chirurg Professor Sanerbrrich hat einen R«t als Nachfolger für den zum 1. April 192? in den Ruhe stand tretenden Direktor der Chirnrgischen Universität«» klinik Berlin Professor Otto Hildebrand erhalten.