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Adorter Wochenblatt. M i t t h e i l n » g e n ' über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Elfter Jahrgang. Prki« für den Jahrgang »ei Bestellung ven der Post: t Thaler, bei Bestellung »es Blatte« durch Botengelegenhekt: 20 Neugroschen. 39. «« September ^846. E-—MB--!—E————— Ueber die Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat. (Ferisezung und Beschluss.) Und doch qiebt es Einen Unlerschicd zwischen Staals- und städtischen Richterbeamten, den auch Einsender nicht ganz sich ableugnen lasten kann und der daher auch bei der Gerichtsbarkeirs ^Abtretungs- Frage in Städten nicht ganz äusser Beachtung blei ben sollte. Es ist die politische Gesinnung. Man kann sagen: was kümmert uns die politische Gesin nung unseres Richters, wenn er nur ist, was ein Richter sein muss — gerecht. Gut, recht schön! In gewöhnliche« Zeiten und gewöhnlichen Fällen, wenn die Regierung mit dem Volke Eins ist, mag das ge hen. Aber es giebt auch ungewöhnliche Zeilen und besondere Fälle, und Regierung und Volk können auch in Zwiespalt mit einander kommen. Wie daun? Ein Staatsbürger erlaubt sich, im Gefühle seines gu ten Rechts, eine freisinnige Acusserung, welche die Regierung zum Hochverrat!) zu stempeln geneigt ist (denn das Geschlecht der 2endenzprozcffe ist ja in Teutschland rein so ungewöhnliches). Wird ein frei sinniger Stadtrichter, wenn ihn die Regierung veran lasst, eine Untersuchung cinzulciten, sogleich Hand an- legen, dafern er nicht selbst die Ueberzcugung in sich trägt, dass ein Gesez verlezt worden sei? Sagt man aber: nun, ein freisinniger Amtmann wird eben so verfahren, so sage ich: wenn er kann. Er rechnet auf Beförderung, Gehaltszulage, Verbesserung seiner Lage oder — darauf, dass er bleiben kann, wo er ist. Dars er da dem Minister widersprechen? Ein rich terlicher Beamter ist zwar unabsehbar. Aber Hal nicht die badische Regierung den Oberhofgerichtsralh Peter, der für Roltek in die Abgordneten-Kammer gewählt wurde, von Mannheim weg in einen Waldbezirk als Amtmann versezt? Seinen Rang als Oberbofgerichts- ralh (bei uns Obeiappellazionsgenchtsralh». Hal er be halten, wie seinen Gehalt. Äoer konnte es ihm lieb sein, von einer der ersten Städte des Landes in einen rauhen Waldwinkel versezt, von der obersten Justiz behörde weggenommen zu werden und nunmehr Vie Streitigkeiten der Bauern schlichten, dabei seine wis senschaftlichen und freundschaftlichen Verbindungen aufgrben zu müssen? Ihr sagt: das war in Baden, bei uns in Sachsen kommt so etwas nicht vor. Nun — eS ist noch nicht alle Tage Abend — sage ich. Ihr sagt: bei uns geht das gar n'cht. Ich aber sage: hat nicht das Zivilstaatsdienergesez in Bezug auf die Unabsezbarkeit der Beamten auch eine grvs« Hinler- thure? Ein richterlicher Beamter kann nicht abgesezt, ab«r kann zum Verwaltungsbeamten gemacht werden und dann? Und fängt man nicht schon an zu versezen, auch ohne Lass eS gewünscht, ja ob gleich das gerade Gegentheil gewünscht wird? Von dem Allen aber auch abgesehen: muss nicht der Staatsbeamte, der vom Staate augestellte Richter nach dem Zivilstaatsdienergeseze — gehorchen, auch wenn ihm sein Oberer etwas Verfassungswidri ges befiehlt? Darf er disputireu darüber, ob daS recht sei oder nicht? Lasst den Amtmann also immer hin freisinnig sein, er wird doch nicht immer können, wie er will, wenn er zu Tendcnzprozessen gebraucht werden soll. Man sagt, ein städtischer Beamter kann, wenn es einmal s» weit gekommen ist, von oben herab auch „durch Vexazionen gequält werden." Nun ja. Aber das Obcraussichtsrecht ist doch etwas anderes, als das Anstellungsrecht. Der Stadtrichter rechnet nicht auf Beförderung, er kann widersprechen, wenn ihm von der Obcrbehörde etwas geboten wird, waS gegen die Verfassung ist. Also — ein Unterschied ist wohl. Doch Einsender dieses will auch diesen Abschnitt einmal einen Augendlik für nicht so gewichtig anschcn, will annehmen, dass die Zeit ver Tendenzprozesse. unS