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WBtiEMMWM Wochen- Md Kachrichtsblatt zugleich EWsts-AzeiM str hohsSors, Uhlitz, Beristtrs, WUrf, 8t. ßiidieii, HmriOort, Maricm« «tt Wlsei. Amtsblatt für de« Stadttat M Lichtenstein. -———— ——————— ——— —— 40. Zah«s««g. —- Nr. 288. Freitag, den 12. Dezember 1890. Diese» Blatt erscheint täglich (anher Sonn- snb Festtag») abend» für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. - Bestellungen nehmen auhcr der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postan Salten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätesten» vormittag 10 Uhr. nur finden können. 4 Wir machen wiederholt aufmerksam, daß, um das Tageblatt rechtzeitig fertig stellen zu können, alle die Inserate, welche uns bis spätestens mittags 12 Uhr zügehen, in die nächste Nummer Aufnahme Die Tageblatt-Expedition. Bekanntmachung. Bei der am heutigen Tage hier stattgefundenen Stadtverordneten-Ergänzungs- wahl sind die Herren Handelsmann Eduard Weidauer und Tischlermeister Herma«« Rickbor« als ansässige Stadtverordnete, die Herren Fabrikant Ludwig Paul Zierold und „ Friedrich Louis Berger als ansässige Ersatzmänner, Herr Musterschläger Wilhelm Gustav Friedrich als unansässiger Stadtverordneter, und Herr Webermeister Paul Kretzschmar als uuausässiger Ersatzmann gewählt bez. wiedergewählt worden, was in Gemäßheit von Z 63 der revid. Städteordnung vom 24. April 1873 mit dem Bemerken hierdurch bekannt gemacht wird, daß nach Z 62 der gedachten Städtc- ordnung, Einwendungen gegen das Wahlverfahren, bei Verlust derselben, binnen 3 Wochen hier anzubringen sind. Callnberg, den 10. Dezember 1890. Der Bürgermeister. Schmidt. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 10. Dezbr. 1fis Uhr. Am Bundesratstische: Reichskanzler v. Caprivi, Staatssekretäre v. Bötticher, v. Marschall, v. Maltzahn, Admiral Hollmann. Das Haus ist mäßig besetzt. Die Helgoland-Vorlage wird in der Gesamtabstimmung endgiltig angenommen und sodann die erste Etatsberatung fortgesetzt. Abg. Graf Behr (freikons.): Der Abg. Richter hat gestern seine Genugthuung darüber ausgesprochen, daß die Aera Bismarck vorüber ist. Ich dächte doch, in dieser Zeit wäre Großes genug geschaffen, was in ganz Deutschland Anerkennung gefunden hat. Herr Richter hat von einer Aenderung der Zollpolitik ge sprochen. Steht dieselbe wirklich in Aussicht? Jeden falls müssen auch die Jndustriezölle fallen, wenn die landwirtschaftlichen Zölle beseitigt werden sollen, was der Landwirtschaft recht ist, ist der Industrie billig. Ich Würde es aber sehr bedauern, wenn in unserer Wirt schaftspolitik eine solche Aenderung eintrete, die be deutsame Folgen haben würde. Was den Etat be trifft, so muß bei demselben die peinlichste Sparsam keit beobachtet werden. Für die Unteroffizierprämien wird eine Aenderung in der Art der Gewährung in Aussicht zu nehmen sein. Für die Adjutanten der Infanterie ist eine Unterstützung beim Ankauf ihrer Dienstpferde wohl am Platze, doch werden wir nicht ganz so weit gehen, wie die Militärverwaltung fordert. Bei der Prüfung des Etats müssen wir vor allem eine Erklärung der Regierung darüber haben, ob sie den alten Cours in Bezug auf die Zollpolitik beibe halten will oder nicht. Nach meiner Ansicht ist dieser Etat nur verständlich, wenn der alte Cours beibehalten werden soll. Denken Sie doch auch an die Alters- und Invalidenversicherung, wie sollen denn die Mittel sür dieselben aufgebracht werden, wenn die Zölle be seitigt sind? Abg. Windthorst (Ctr.): Bei jeder Zoll reform muß vor allen Dingen auf die Erhaltung der Franckenstein'schen Klausel bedacht genommen werden. Sie ist das Fundament, auf welchem die ganze neue Steuergesetzgebung ruht. Ich frage mich aber, was soll denn bei unseren Zöllen abgeändert werden? Der Zolltarif ist doch ein einheitliches Ganzes, aus welchem man nicht beliebige Stücke her- ausrcißen kann. Er besteht zum Schutze der nationalen Arbeit und sichert den Arbeitern den Bezug ange messener Löhne. (Widerspruch bei den Sozialdemo kraten.) Kommt uns die österreichische Regierung beim Abschluß eines neuen Handelsvertrages nicht genügend entgegen, so liegt für uns nicht der mindeste Grund vor, von unseren Zollbestimmungen Oesterreich zu Liebe etwas zu opfern. Redner wendet sich als dann ausführlich in scharfen Worten gegen die Sozial demokratie, bleibt aber, da er nach links hinüber spricht, auf der Journalistentribüne völlig unverständ lich. Dem Abg. Richter stimme ich in seinem Prinzip, zu sparen, bei, muß aber seiner .Kritik des Alters- und JnvalidenversicherungSgesetzeS entschieden wider sprechen. Ich verspreche mir recht viel von der Vor lage. Freilich würden wir uns hüten müssen, auf diesem Wege im Sinne der Sozialdemokraten weiter zu gehen, das würde unsere Industrie dvchnichtaushalten können. Zur äußersten Sparsamkeit nötigen auch die Erfahrungen mit der jüngsten Reichsanleihe, das Geld wird nicht blos teuer, sondern auch knapp, das sehen wir ja doch Alle. Machen wir darum mir dem Sparen einen ernsten Anfang bei dem vorliegenden Etat. Was die Kolonialpolitik betrifft, so müssen wir da rüber erst noch näheres hören, bevor wir uns über die Neuforderungen entscheiden können. Was den Militäretat betrifft, so sind, das erkenne ich an, die Mehrforderungen in demselben lediglich eine Folge unserer früheren Bewilligungen. Aber auch hier müssen wir uns auf das unmittelbar Notwendige befchränken. Wir werden uns namentlich fragen müssen, ob das Tempo der Bewilligungen nicht gemäßigt werden kann, indem wir das, was hier für ein ein ziges Jahr gefordert wird, auf mehrere Jahre ver teilen. Die Unterosfizierprämien, so wünschenswert sie auch sein mögen, werden doch hinausqeschobeu werden können. Auch für die Marine empfiehlt sich ein langsameres Tempo im Bauen. Wir haben bereits früher zuviel erste Raten bewilligt, jetzt folgen nun zu schnell die weiteren Bewilligungen. Neue Schiffe, die im Bau erst noch angefangen werden sollen, müssen für dies Jahr unbedingt zurückstehen. In keinem Falle dürfen durch Neuforderungen neue Steuern nötig werden, das Land kann sie nicht tragen. Ich bitte darum die Herren von der Budgetkommission dringend, sich von unbedingter Sparsamkeit leiten zu lassen. (Beifall im Centrum.) Staatssekretär v. Maltzahn legt das von der Reichsregierung beobachtete Verfahren bei Begebung der letzten Anleihe dar. Die Regierung hat in dieser Beziehung nichts versäumt. Daß sich der Geldmarkt so ungünstig gestalten würde, wie es in der letzten Zeit geschehen ist, konnte Niemand voranssehen. Abg. Fr ege (kons.): Es wäre vielleicht besser, wenn die Reichsregierung die Begebung ihrer Anleihen nicht durch Bank-Konsortien betreiben ließe, sondern selbst mit der Bevölkerung in ge eigneter Form in unmittelbare Verbindung treten würde. Die heutigen mißlichen Verhältnisse des Geldmarktes würden sich aber auch viel weniger fühlbar machen, wenn die Reichsregierung sich ent schließen könnte, dem Silber zu seinem Rechte zu verhelfen und die Doppelwährung einzuführen. Die heutigen billigen Silberpreise würden eine günstige Gelegenheit für Silberankäufe bieten. Sehr 'be ruhigend wird im Lande die Erklärung des Herrn Reichskanzlers wirken, daß neue Militärforderungen nicht in Aussicht stehen. Die Militärlasten sind in der That recht hoch. Auch wir sind übrigens er staunt über die plötzliche Erhöhung der Kosten für Schiffsbauten und werden hierüber noch nähere Aufklärungen in der Kommission erforderlich sein. Die Fourageentschädigung für Offiziere werden wir bewilligen, aber wir wünschen eine gleichmäßige, für alle Offiziere maßgebende grundlegende Bestimm ung hierfttr. Die Unteroffizierprämien werden eine sorgfältigere Auswahl des Personals ermöglichen und so für die Zukunft einen Nutzen bringen, der durch die Mehrausgaben nicht zu teuer bezahlt ist. Für Kolonial-Ausgaben kann der eng begrenzte Standpunkt des Abg. Windthorst nicht maßgebend sein. Auch dem Plane der Unteroffizier-Vorschulen stehen wir sympatisch gegenüber. Die Kasernen- Neubauten, sofern sie im Osten und Westen des Reiches erforderlich sind, werden wir bewilligen, oagegen wünsche ich, daß die Kasernenbauten im Innern des Reiches für das nächste Jahr aus finanziellen Rücksichten verschoben werden. Die Beunruhigung der Zuckerfabrikation durch die neue Zuckersteuervorlage halte ich für sehr bedauerlich. Wenn wirklich neue Steuern erforderlich sind, würde sich eine solche auf Zündhölzer empfehlen. Ich bin überzeugt, daß auch die heutige Reichsregierung den alten Kours innehält, und der Versuch des Abg. Richter, diesen Kours für sich günstig zu deuten, war ganz verfehlt. Mag Herr Richter über den Fürsten Bismarck sagen, was er will, wir sind dem früheren Reichskanzler dankbar, auch wo er nun nicht mehr auf seinem Platze ist. Bei der Veran schlagung der Reichs-Einnahmen erscheint mir doch Vorsicht nötig, da nicht vorauszusehen ist, ob die Getreidezölle ihre vorjährige Höhe beibehalten werden. Die Agitation zur Beseitigung der Zölle, die aus Berlin ausgegangen ist, findet übrigens im Lande keinen Anklang. Roggenproduzent ist hauptsächlich der kleine Bauer. Er weiß am besten, was es mit der Verteuerung des Getreides auf sich hat. Die Sozialdemokraten, die sich mit Unrecht Vertreter der Arbeiter nennen, eigentlich sind sie Vertreter der Nichtarbeiter, mögen nur fortfahren, wie Herr Bebel -s gethan, das religiöse Gefühl im Volke zu verletzen, sie werden schon sehen, wohin sie damit kommen. Der Verstoß des Abg. Richter gegen die Zollpolitik war recht deutlich in seinen Andeutungen über die mit Oesterreich gepflogenen Verhandlungen erkennbar. Er wollte die schutz- zöllnerische Stellung Deutschlands schwächen. (Sehr wahr, Widerspruch.) Ich sage aber, erhalten wir uns unsere heutigen Einnahmequellen. Eine Armee kann man eher schaffen, als neue Steuerquellen. Ohne solche keine Armee. (Beifall.) Abg. Soipio (natlib.) bekämpft die bimetallist- ischen Anschauungen des Vorredners, von deren Ausführung kein Vorteil zu erwarten sei, und er klärt sich mit den erhöhten Pferderationen und den Unteroffizierprämien einverstanden. Erfreut bin ich, daß wir mit unserer Kolonialpolitik zu einem ge wissen Ruhestand gelangt sind. Die Angriffe des Herrn Richter waren nicht berechtigt, jedenfalls ist die deutsche ostafritanische Gesellschaft vollauf in der Lage, ihr Kolonisationswerk zu fördern. In Südwestafrika sollen Versuche mit Ackerbaukolonieen gemacht werden und sind hierfür 25 000 Mark in den Etat eingestellt. Dieser bedeutsame Versuch ist dankbar anzuerkennen. Die wirtschaftliche Lage ist nicht so schlimm, wie Herr Windthorst meinte. Der Wohlstand hat sich gehoben. Dank der sicheren