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Leipziger Mid Anzeiger» ^ IS7. Mittwoch den 17. Mai. 1854. Nordamerika*). Wer sich in ^n ftrms Land unter ein fremde- Volk begiebt, sollte vor allen Dingen sich der Sprache dieses Volke- bemächtigen, u« seine Institutionen durch und durch zu begreifen, um den Geist der Nation zu erkenne«, in welchem sie handelt. Die- ist ins besondere für Auswanderer dringend wichtig. Jede Nation, jede Regierung-for» hat natürlich ihre Mängel; auch die nord- ämerikemische Ration ist nicht frei davon. Der einwandernde Deutsche findet in der Regel der« unendlich viele auf, welche er dann in seine frühere Heimach berichtet. Oft haben diese Bericht erstatter di» Insel New-Vork nicht verlassen und konnten somit noch nicht vergleichen ; in den meisten Fällen aber waren sie der Sprache kaum mächtig und folglich nicht im Stande, mit dem amerikanischen Volke zu denken. Es gehört aber noch mehr dazu, »m ein unbefangenes Unheil über ein Land und Volk adzugeben, «chs ats die Sprache; es gehört Unbefangenheit dazu, begründet «lfpersönlich» Erfahrungen, Nachbeben und jahrelanger Aufenthalt. Wie irri- man urtheil« kann in Ermangelung dieser letzteren Haupt- bchmmmgen, bemessen dio Schrift« von Dicken- und Manyat, von Miln«»», welche der Sprache kundig waren, die aber, offen gesagt, kein« einzigen wahren Schluß enthalten und froh waren, als dio umbarmherzig« Kritik der freien Presse sie los ließ. Es dürfte« wohl alle Länder und Nationen, welche mittelst ihrer Institution«« das Wohl und die Macht ihrerseits vorerst wahren, auf den fremden Ankömmling und namentlich auf den Einwarchorer einen kalten Eindruck machen; es empfindet diese» Deutsch« in Nordamerika insbesondere; dieser Eindurck verliert ader das Unangenehm« nach längerem Aufenthalt und sobald sich der Einwanderer der Nation selbst anschließt. Es ist dab«i durch aus nicht Bedingung, die Vorzüge deutscher Bildung aufzugeben, vielmehr ist es gut, sie zu wahren zu Ehren de- deutschen Namens. Die vielen nachtheiligen Berichte, welche von deutschen Ein wanderern zu uns herüberkommen, würden von denselben Personen, je nach dem Individuum, nach einigen Jahren ganz anders lauten, je nachdem sie sich mit der Sprache und den Sitten vertraut gemacht haben. Dazu kommt noch die THatsache, daß der Aus gewanderte meist dann schreibt, wenn er sich schlecht befindet; geht es ihm aber dann nach einiger Aeit gut, dann schweigt er öfter- jahrelang. Daß der Nordamerikaner im Allgemeinen dem gebildeten Deut schen gegenüber eine zu starke materielle Richtung hat, ist und bleibt »ine Thatsache; eben so sehr ist es aber auch Lhatsache, daß der Deutsche dies siLr seine Existenz nochwendige Materielle nicht genug in den Vordergrund seines Daseins zieht; er strebt zu hoch und leider dabei physisch. Obfchon die- der nationalen Tendenz der Deutschen auf der einen Seit» ganz angemessen ist,, so gewiß ist es in Nordamerika nicht am Platze, wenigstens lange noch nicht so allaemoin, «« w anders zu nennen. -- Wer sich der heutigen amerikanisch« Ration anreiht, muß auf die seinen geistigen Genüsse *) Neil wir es uns zu« festen Grundsatz« gemocht haben, jede Sache von ollen Seite» beleuchten zu lassen, so weit die« erloubt ist, und weil nicht in Abrede zu stellen ist, daß Nordamerika da» Land der Zukunft ouch für Deutschland ist, und wir die nordomerikanischen Institutionen selbst i» Anwendung für Nordamerika doch achte», geben wir. auch die nachstehende» uns zuge-an-enm Betrachtungen über Nordamerika, unbe kümmert uw die erbärmlichen Witzeleien der Tagesscribeuten. Wir gehen safere« Weg, mögen sie den Ihren verfolgen, — wir werden Wohl noch Platz neben einander haben. Die Redaction. de- deutsch« Vaterlandes Verzicht«, sich dem schaffend«, rührigen Lebe« Amerika s auf das Innigste anfchlteßen und er wlrd ganz gewiß bald wahruehmen, daß das amerikanische Volk auf einem natürlichen, zeitgemäßen Pfade ist, und er mit ihm, wenn er sein materielle- Wohl sucht. Amerika, neu und natur^räfrig wie es ist, kann den Künsten und Wissenschaft« noch lange nicht die Aufmerksamkeit schenken, welche der europäische Tourist so unbedingt fordert und deren gewiß sehr heilsamen Einfluß auf Gesittung er als da- einzig Schätzbare an einer Nation zu nennen beliebt. — Um sich zu entwickeln, und seine Ungeheuern HülfSquellen an Land und Ländern in Rechnung zu bringen, hat Nordamerika noch lange Jahre einen rauhen Weg zu gehen, und wer den nicht mitgehen will, sollte hier bleiben. Es läßt sich nicht leugnen, daß Manchen drüben ein leichte- LooS traf, daß Mancher mit seinem Wissen und seiner Kunst ein ganz erwünschtes Unterkommen fand; ader lm Allgemeinen ist es nicht leicht, sich einen sichern und zugleich angenehmen Unterhalt zu schaffen. Jeder wird in den Büchern gelesen haben, daß rS in Amerika nichts als Arbeit giebt, und für den, welcher mit dem Vorsatze, fleißig zu sein, hinüber geht, wird sich auch Arbeit sind«; hat er etwa- Praktische- gelernt, so wird es ihm nicht schwer werden, ist er dabei ein gewandter, rühriger Mann, leichter, und ist er noch dazu mit der Sprache vertraut, noch leichter. Aber schwer wird es ihm werden, wenn er kein- diefft Erfordernisse besitzt; und, möchte man frag«, wo in der Welt ist der Ort, wo man ohne Erfüllung der eben aufgestellten Bedingungen und noch dazu mittellos sich eine leichte, behäbige Existenz begründ« könnte? Gewiß nirgends. Daß es mit Be mittelten eine andere Bewandtniß hat, ist natürlich, aber trotzdem ist es eben kein günstiges. Wir kennen Amerika, wir keimen New- Vork, auch wir betraten seinen Hafen ganz mittellos ; trotz jugend lichem Uebermuthe fiel es uns aber nicht ein, von dort au- ein Urtheil nach Hörensagen über das Innere, oder überhaupt ein Urtheil zu fällen. Wir fand« allerdings, daß man dort nur Aeit hat, mit einem Ohre zu hören ; auch wir wurden am Anfang» vom Glück vernachlässigt, und mit unserer deutschen sentimentalen Gemüthlichkeit fast über den Haufen gerannt; wir rannt« aber bald nach Kräften mit, und New-Vork, da- Amalgam der Natio nalität«, bleibt uns für alle Zeiten eine der angenehmsten Erin nerung«. Da- aber nehme jeder Auswanderer, welcher ohne Kenntniß der englisch« Sprache hinüber geht, zu Herzen, daß die Nicht achtung dieses ersten Gebotes einer erfreulich« Zukunft im neuen Datexlande sich dort auf daS Empfindlichste an ihm räch« wird. Das Volk der Vereinigten Staaten von Nordamerika beur kundete von jeher einen so positiven Will« und so uudefingen« natürlich« Verstand, daß es schon um deswegen als Nation sehr groß und achtungswerth dasteht. Man sucht vergebens in den Blättern der Geschichte anderer Nation« nach analogen Erschei nung«, und eS aiebt wohl keine, welche ihr an Jugend und Manneskrast gleichkommt oder je ähnlich war. Der heutig» Stand punkt dieses Volkes wird Deutschland in seiner nächst« Aukunst noch zu einer schweren Aufgabe werden. Don seinem erst« Auftreten an als unabhängiges Volk war das vereinte Streb« Nordamerika'-, „da- Wohl jede- Ein zelnen im Staate zur Hauptaufgabe der Regierung-- weisheit zu machen." Gesetze, welche <mf keine Weise die