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»r.-47 25. November 1853 Freitag, »;-r l 2/ Sächsische DorßeitMg 5 Ein unterhaltendes Wochenblatt für dm Bürger und Landmann. Redactrur: «riedrich Walther. — »erlag von Heinrich und Walther.'. lag- - Expedi tion zu haben. , vierteljährlich 12j Rgr. Su beziehen durch alle Post-Au- Politische Weltschau. Deutschland. Gar viele Leser werden sich noch der confefsionellen Wirren erinnern, welche vor 16 Jahren durch den Widerspruch des Erzbischofs zu Köln gegen die in Be treff der gemischten Ehen bestehenden Landesgesetze, sowie durch die Eingriffe desselben in die Lehrfreiheit der Universitäten herbeigefuhrt wurden. Der Erzbischof Freiherr von Droste- Vischering wurde am 20. Nov. 1837 durch eine Abtheilung . preußisches Militär nach Minden abgeführt, .und alS bald darauf der Erzbischof von Gnesen, Martin v. Dunin, sich ebenfalls gegen die Landesgesetze auflehnte, wurde auch dieser geistliche Unruhstifter festgenomwen und nach Colberg gebracht. Diese Wirren versetzten damals ganz Deutschland m Beweg ung, und erst nachdem der König von Preußen am 7. Juni 18Ä) mit Tode abgegangen, wurde eine Ausgleichung mög lich gemacht, welche der von Rom bestrittenen milderen Praxls in Betreff der gemischten Ehen Geltung verschaffte. Der im Großherzogthum Baden zwischen der Regierung und dem Erzbischof von Freiburg ausgebrochene Conflict droht einen ganz ähnlichen Verlauf zu nehmen, obgleich es sich hier zu nächst nicht um eine Agitation gegen die gemischten Ehen, sondern um andere Widersetzlichkelten gegen die Staatsgewalt handelt. Wie schon früher angedeutet wurde, hat nämlich der Erzbischof von Freiburg schon seit zwei Jahren daS von der Regierung auf Grund der bestehenden Landesgesetze auS- geübte Oberaufsichtsrecht über die katholische Kirche vielfach angefochten; es fanden deshalb wiederholte Verhandlungen zwischen ihm und dem Ministerium statt, in welchen letzteres dem Prälaten mehrfache Zugeständnisse machte. Als aber die großherzogliche Regierung Bedenken trüg, auf die anderweiten maßlosen Forderungen des geistlichen Oberhirten einzuaehen, erklärte der Letztere unumwunden die Absicht, an die bestehen den Gesetze und Verordnungen des Staates, soweit sie seinem Verlangen entgegen seien, fernerhin in keiner Weise sich mehr zu binden, denselben vielmehr entgegeniutreten. Diese Absicht hat denn auch der Erzbischof durch Vollziehung von Amts handlungen, zu denen er nach dem Gesetze nicht berechtigt ist, nicht nur verwirklicht, sondern er hat auch die Mitglieder deS katholischen Oberkirchenraths mit der Excommunication aus der katholischen Kirche bedroht, wenn sie nicht versprechen würden, dem Erzbischof zu Willen und der Regierung unge horsam zu sein. Dieses Verhalten deS Prälaten hatte zu nächst die Bestellung eines RegierungScommissars zur Folge, welcher Ersterem zur Seite gesetzt wurde, um alle erzbischöf liche Erlasse zu sanctioniren (s. Nr. 46). Hierdurch hat sich aber der Erzbischof in seiner Renitenz gegen die Staatsge walt nicht aufhalten lassen. Er sprach vielmehr, indem er sich auf den Grundsatz berief, daß man Gott mehr als den Menschen gehorchen müsse, die angedrohte Excommunication der gesummten Mitglieder deS OberkirchenratbS auS, und ließ das Dokument in den Kirchen feierlich verkünden; auch der RegierungScommissar, Stadldirector Burger, ward durch den Erzbischof „aus dem Schooße der heiligen Mutter Kirche und ??rwstknschast der ganzen Christenheit" ausgeschlossen und soll dieser Bann so lange fortdauern, bis die »echeilig- Hmhehntrr Jahrgang. LV. Suartal. ten in sich gegangen und den bischöflichen Anordnungen sich unterwerfen. Die Regierung ist gesonnen, diese fortgesetzte Auflehnung gegen die Landesgesetze auf das Strengste zu ahnden, und sie ist daher gegen dieses Gebühren unnachsich^ lich eingeschritten. Die Geistlichen, welche in Freiburg und in Karlsruhe die Excommunication von der Kanzel verkün det hatten) wurden sofort verhaftet, und in das Gefängniß geführt; in anderen Städten und auf dem Lande scheint die Geistlichkeit gerechtes Bedenken gehegt zu haben, den erzbi schöflichen Befehl auszuführen, denn bis jetzt ist die Verkün digung außer in jenen beiden Städten weiter nicht vorgenommen worden. Die Kaffen deS erzbischöflichen Ordinariats sind von der Staatsbehörde gesperrt worden, so daß von jetzt an keine erzbischöfliche Decretur mehr auSgeführt werden kann. Alle Geistliche, welche dem Erzbischöfe gehorchen, sind mit Sperrung der Temporalien (Entziehung der geistlichen Ein künfte) und mit Gefängnißstrafe bedroht. Nicht minder wich tig ist, daß die Regierung den in Freiburg lebenden Jesuiten aufgegeben hat, binnen zehn Lagen die Stadt und daS Land zu verlassen. Alle diese Maßregeln haben aber den Erz bischof von Freiburg nicht zur Umkeyr auf dem betretenen Wege bewogen. Derselbe hat vielmehr am 20. Nov. einen gegen die Verfügungen der Regierung gerichteten Hirtenbrief erlas sen, worin die stärksten Stellen gegen die Staatsgewalt vor kommen; die Geistlichen, welche diesen Hittenbnef von der Kanzel verlesen haben, sind ebenfalls verhaftet und in da- Gefängniß abgeführt worden. Die Halsstarrigkeit deS Erz bischofs und seiner Rathgeber findet selbst unter den strengen Katholikeu laute Mißbilligung, und man erwartet allgemein, daß die Geistlichkeit de- Landes den Anordnungen ihres Oberhir- ten, so weit selbige den Gesetzen zuwiderlaufen, keine Folge geben und somit noch weitere beklagenSwerthe Verwickelungen vermieden werden. Diese Erwartung scheint sich denn auch durch die Angabe zu bestätigen, daß mehre Geistliche in den von ihnen abgehaltenen Versammlungen sich für die Regier ung ausgesprochen haben. In Baiern wird über die bedauerliche Zunahme der Verbrechen geklagt; in der letzten außerordentlichen Assise für Oberbaiern wurden nicht weniger alS sieben LodeSurtel aus gesprochen und daneben eine erkleckliche Zahl Zuchthaus- und ArbeitShauSstrafen gefällt; in den übrigen Provinzen deS Lan des sind dagegen die voraekommenen Verbrechen von weit geringerer Zahl. Als nächste Ursache dieser traurigen Er scheinung wird der Mangel an Volksbildung angegeben, über welchen man vorzugsweise in Oberbaiern trotz der dort seit Jahren abgehaltenen Missionen der Redemptoristen zu klagen hat. — Auch in Würtemberg, welche- bekanntlich eben falls zur oberrheinischen Kirchenprovinz gehört, beginnen die Differenzen mit dem Erzbischof von Rotenburg einen ernsteren Character anzunehmen. Die Regierung war zeither bemüht, den Streit durch gütliche Verhandlungen zu schlichten; allein der Prälat hat in letzterer Zeit seine Forderungen so hoch ge spannt, daß sich daS Ministerium veranlaßt sah, die Unter handlungen ganz abzubrechen. — In Kur Hessen sollen zwi schen den Ständen und dem Ministerium so erhebliche Eon- flirte bestehen, daß eine Auflösung der Kammern erwartet wkd.