Volltext Seite (XML)
50. Weißerih-Aeitrmg Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Freitag. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post anstalten. Amts- und Anzeige-Watt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe Zll Pippotdismatde, /raneastrin und Attenberg. 3. Juli 1863. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die * Spalten-Zeile 8 Pfg. Wochen-Rundschau. Se. Majestät unser hochverehrter König, dem Gott das Leben bis in die fernste Zeit fristen wolle, ist von der Lausitzer Reise zurückgekebrt und hat über all die Beweise aufrichtiger Huldigung und Anhäng lichkeit empfangen. Die bairische Thronrede klingt erfreulicher, als die neuesten preußischen Regierungserlasse. Der in allen deutschen Gauen hochgeachtete König sagte in dieser öffentlichen Staatsschrift: „Es wirb mir zur hohen Genugthuung gereichen, mich in der Ueberzeu- gung bestärkt zu sehen, daß meine Politik sich mit den Wünschen und Sympathien meines treuen Volkes im Einklänge befindet. Jede Schwierigkeit ist zu bewältigen, wo die Krone und die Nation im wechselseitigen Vertrauen sich begegnen." Das ist ein wabrbaft königliches Wort, welches segens reiche Früchte tragen wird. In Sa chsen-Loburg-Gotha bat der Land tag daS Gesetz, welches die Gewerbefreibeit sichert, angenommen. Dasselbe tritt mit dem 1. Juli in Kraft. So siegt überall die volkSwirthschaftliche Wahrheit über unzeitgemäße Institutionen deS Mittelalters. In Hessen-Darmstadt, welches an Hessen- Kassel grenzt, nimmt die 1. Kammer eine ähnliche Stellung zur zweiten Kammer ein, wie das preußische Herrenhaus zum dortigen Abgeordnetenhause. Die Adresse der 2. Kammer iu Darmstadt ist keiner Ant wort gewürdigt worden. Die 2. Kammer hat im wohlverstandenen Interesse des Landes die unverhält- nißmäßigen Staatsausgaben zu beschränken gesucht und insbesondere auf Revision der Ausgaben für Ge sandtschaften angetragen. Der Finanzausschuß der 1. Kammer hat dies abgelehnt. Die 2. Kammer hat sich für endliche Ertheilung einer vollen Amnestie für politische Vergehen verwendet. Der Ausschuß deS Herrenhauses hält diesen Antrag für ungerechtfertigt. Die 2. Kammer hat sich für Rücknahme oder wenig stens Revision deS PreßgesetzeS ausgesprochen. DaS Herrenhaus empfiehlt, diesen Beschlüssen nicht beizu treten. Die 2. Kammer hat sich für Reform der evangelischen Airchenverfassung, gegen Convention mit Rom, gegen Klöster und kirchliche Orden durch Be schluß ausgesprochen. Der Ausschuß des Herrenbause« beantragt, erster« Beschlüsse die Zustimmung zu ver sagen, die drei andern werden wahrscheinlich dasselbe Schicksal haben. Während also die 2. Kammer den Fortschritt will, wuyelt die 1. im Mittelalter. Großes Aussehen erregt die neueste Circulardepesche BaiernS, worin dir mit ihm gleichgesinnten Zoll vereinsregierungen zu einer besonderen Conferenz ein geladen werden, um die Reconstruction des Zollverein gemeinschaftlich zu beratben. In diesem Schreiben scheint Baiern sich in einer Weise ausgesprochen zu haben, daß der Gedanke nahe liegt, eS sei auf nicht- Geringeres, al- auf eine völlige Sprengung de- deut schen Zollvereins abgesehen. In preußischen Regie rungskreisen ist dieses Auftreten mit großer Entrüstung ausgenommen worden. Man spricht bereit- davon, daß Preußen schlimmsten Fall- eine Zollvereinsgruppe mit norddeutschen Staaten bilden werde. In Oesterreich ist in diesem Augenblicke der ReichSrath mit der AntwortSadressc an den Kaiser be schäftigt. Wie vorauszusehen war, ist der günstige Eindruck der Thronrede auf die Börse durch den Stand der auswärtigen Verhältnisse wesentlich alterirt worden. Die österreichische Diplomatie, auf welche jetzt von Prcnßen, Frankreich, Rußland und England eiugewirkt wird, hat mit der polnischen Frage alle Hände voll zu thun; doch verliert sie deshalb die deutsche Frage nicht aus den Augen, und wenn man mehrfachen An deutungen trauen darf, so wird nächsten- von Wien aus eine sehr bedeutungsvolle Kundgebung als Demon stration gegen Preußen erfolgen. Der Präsident der holsteinischen Regierung, Graf Moltke, hat eine Bekanntmachung erlassen, m welcher er erklärt, daß nach den bestehenden Gesetzen alle politischen Versammlungen verboten und die Theil- nahme daran strafbar sei. Man hat nun dem Herrn mehrfach vorgebalten, daß Niemand von solchen „be stehenden Gesetzen" etwa- wisse, und daß diese doch in der Bekanntmachung anzuziehen gewesen feien. Er bat sich nicht gemüßigt gefunden, darauf zu antworten.- Die Dänen meinen, vor Ende September werde kein BundeSbeschluß zur Besetzung Holsteins die Formali täten durchlaufen haben, und da man bei beginnender» Winter keinen Krieg anfangen könne, so gäbe e- Zeit, sich die Sacke bis zum nächsten Frühjahr zu überlegen! Nur keine Ueberstürzung! In Frankreich hat ein MipisterweKsel stattge funden, der wahrscheinlich eine-thM eine Antwort auf die oppositionellen Wahlen ist, anderütheil- sich auf die auswärtige Politik bezieht. Der zürückgetretene Minister Graf WalewSki wird, wie e- heißt, al- Bot schafter nach England gehen, für den GtäfenPersigny, der sehr ungeschickten Wahlitfer bewiesen, soll eine außerordentliche Sendung nach Petersburg bestimmt sein, um eiye Zusammenkunft der beiden Kaiser zu vermitteln. Au- der Entfernung de- pokensreundlichen WalewSki aus dem Cadinet läßt sich eine beginnende Annäherung an Rußland herausdeuten. Dagegen ist der entschiedenste Gegner der Polen, der Justizminister