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iB ergerMM^ und TLgedlllü. Amtsblatt für die königlichen nnd städttschen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Juli«-Braun iu Freiberg. > » »' > — > «A. Habramm. ' — Erscheint jeden Wochentag NachmiN. '/,6 Uhr für den Mittwoch, de« 1». Rovember F262 Inserate werden bis Bormittag 11 Ubr nngenom. FUFU/d men und beträgt der Preis für die gespaltene Zelle H FAFKUH oder deren Raum IS Ps. M.W V Die Ermäßigung der Prozeßkoften. Man begrüßte es anfangs freudig, als mit der Er höhung der Gerichtskosten die leidige Prozeßfucht in Deutsch land bedeutend nachließ, empfand es aber bald darauf wieder als einen großen Mißstand, als die Minderbemittelten aus Furcht vor den Kosten sich vielfach freiwillig ihres Rechtes begaben. Wieder und wieder drangen Klagen über die Höhe der Prozeßkoften an die Oeffentlichkeit und es lag die Gefahr vor, daß die Fälle von Selbsthilfe sich ebenso vermehren würden, wie die Zahl der Winkelkonsulenten. Eine Abhilfe der unzweifelhaft vorhandenen Mißstände schien der Reichsregierung dringend geboten und ließ die- silbe deshalb dem deutschen Bundesrath einen Gesetzentwurf zugehen, welcher die Abänderung von Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Rechts anwälte betraf. Wie sich aus dem jetzt von dem Bundes- rathe an die zuständigen Ausschüsse verwiesenen Gesetz entwürfe ergiebt, sucht die Reichsregierung die verlangte Ermäßigung der Prozeßkosten hauptsächlich durch eine Ver minderung der Rechtsanwalts-Gebühren herbeizuführen, da die Vorlage die Berechnung der Genchtskosten nur bei zwei Arten von Rechtsstreitigkeiten zu ändem vorschlägt. Warum die Reichsregierung so und nicht anders vorgeht, darüber wird in den dem Gesetzentwurf beigegebenen Motiven gesagt, daß durch die Novelle zum Gerichts kostengesetz vom 29. Juni 1881, in der vom deutschen Reichs tage wesentlich erweiterten Fassung, allen berechtigten Be schwerden über die Höhe der Gerichtskosten in der Haupt sache bereits abgeholfen sei. Die Motive führen zum Beweis dafür, daß die Wirkung jener Novelle vielfach unterschätzt werde, die Thatsache an, daß seit dem Inkrafttreten des Gesetzes die Einnahmen an Gerichtskosten in allen deutschen Bundesstaaten erheblich zurückgegangen sind. Dieser Rück gang bezifferte sich in Preußen auf 16,i Prozent, in Baiern auf 17,» Prozent, in Sachsen auf 13,« Prozent, in Württem berg auf 9 os Prozent, in Baden auf 18,84 Prozent und in Hessen auf 14,n Prozent. In Baiern betrug der Ausfall jährlich 660000 Mk., in Baden 400000 ML Vergleicht man die in Prozessen mit verschiedenen Wcrthobjekten jetzt erwachsenden Gerichtskosten mit den früher dafür in Preußen erhobenen, so findet man, abgesehen von den niedrigsten und höchsten Objekten, keine nennenswerthe Erhöhung der Kosten, bei Wechsel fachen und der Zwangsvollstreckung sogar niedrigere Kosten. Der Prozentsatz der dauernden Aus gaben der Justizverwaltung, welcher durch die Einnahmen aus den Gerichtskosten in Zivilprozcssen gedeckt wird, ging in Preußen seit 1881 dauernd zurück und beträgt nur noch 19 Prozent. Keinesfalls kann davon die Rede sein, daß die Rechtspflege als Finanzquelle ausgebeutet werde. Uebrigcns sprachen sich das Reichsgericht, sowie die Ge richtsbehördcn sämmtlicher Bundesstaaten nahezu ein stimmig dahin aus, daß keine störende Einwirkung der Gerichtskosten-Gesetzgebung auf die Rechtspflege beobachtet worden sei. Die Reichsregierung bezeichnet demnach in den Motiven zu dem neuen Gesetz das Verlangen nach einer weiteren Herabsetzung der Gcrichtskosten als unbegründet, wogegen sie die allzugroße Vertheuerung der Rechtspflege durch die Anwaltsgebühren und das Bedürfniß nach einer bezüg lichen Abhilfe unter Berufung auf zahlreiche Aeußerungen aus dem Kreise der Gerichte, anerkennt. Daß das Recht suchende Publikum durch die jetzt geltenden Gebührensätze zu sehr belastet sei, wird einerseits begründet durch eine Vergleichung der jetzigen Sätze mit den früheren erheblich niedrigeren preußischen Sätzen, andererseits durch eine Kostenberechnung in fingirten Nechtsstreitigkeiten mit nor malem Verlause durch die Instanzen. Nach der letzteren betragen die Gebühren- und Auslagen-Forderungen zweier Anwälte überall mehr und zwar zum Theil erheblich mehr als die entsprechenden Gcrichtskosten Der Rücksicht auf die Erhaltung eines rechtschaffenen und seiner Auigabe ge wachsenen Anwaltsstandes gesteht die Begründung des Ent wurfs nachdrücklich die vollste Berechtigung zu; nur sei es nicht Aufgabe der Gesetzgebung, einer beliebigen Anzahl von An wälten ein ausreichendes Auskommen gerade aus den Zivil- Prozessen zu gewährleisten. Daß eine Herabsetzung der Gebühren ohne Schaden des Anwaltsstandes thunlich, togar im Interesse einer Gegenwirkung gegen das übermäßige An wachsen der Zahl der Anwälte erwünscht sei, gehe aus der bem größeren Theil des Reiches in den Jahren von 1880 bis 1885 beobachteten Vermehrung dieser Zahl hervor. Diese Zunahme betrug für das ganze Reich 10,9 Prozent, in den acht altpreußischen Oberlandesgerichts-Bezirken 45,7 Prozent, im Bezirke des Kammergerichts sogar 79,7 Prozent. Ueber die Grundsätze, welche bei Aufstellung der Vor- schläae des neuen Gesetzentwurfes aus Ermäßigung der Tarifsätze maßgebend waren, wird in der Begründung ge sagt: „Der Entwurf hält sich in so mäßigen Grenzen, daß ihm eine Voreingenommenheit gegen den für eine ge deihliche Rechtspflege unentbehrlichen Anwaltsstand nicht zum Borwurf gemacht werden kann. Wenn seine Bestim mungen vorzugsweise darauf abzielen, das vielfach hervor- getretene Mißverhältniß zwischen der Leistung des Rechts anwalts und dem von ihm zu beanspruchenden Honorar in Fällen, in denen es geradezu Anstoß erregt hat, zu besei tigen, so wird diese Tendenz bei unbefangenen Mtgliedern des Anwaltsstandes selbst nur Anerkennung finden können." Was die Bestimmungen des Entwurfs, welcher das be stehende System der Gebührenberechnung beibehält, im Einzelnen anlangt, so entsprechen dieselben meistens Anre gungen, die aus Kreisen der Rechtsanwälte selbst ausge- gangen sind. Der exorbitanten Höhe der Gebührensätze bei Prozessen mit hochwertigem Streitgegenstände soll durch eine Ermäßigung des Steigerungssatzes bei den Werth» Lassen über 1000 M., sowie durch Einführung eines auf 500 M. bemessenen Höchstbe^gges des Einheitssatzes der Gebühr (nicht der Gebührenforderung überhaupt) begegnet werden. Ferner wird — und zwar, hier hinsichtlich der Gerichtskosten und der Rechtsanwaltsgrbühren gleichmäßig — für Pacht- und Miethstreitigkciten, sowie für Alimen tations-Prozesse eine anderweite, auf eine Entlastung dieser Rechtsstreitigkelten abzielende Art der Werthsberechnung für die Zwecke des Gebührenansatzrs in Aussicht genommen. Im klebrigen ließ der Entwurf die Änheitssätze des Tarifs unverändert und sah nur in verschiedenen Einzel vorschriften die Herabsetzung der Gebühren für bestimmte Prozeßakte vor. Besondere Bedeutung beanspruchen zwei dieser Vorschläge: die Herabsetzung der Gebühr für eine nicht kontradiktorische Verhandlung — d. h. allein bei den Landgerichten in erster in erster für 47 bis 48 Prozent aller Verhandlungen — von fünf auf drei Zehntheile des Einheitssatzes, sowie der Wegfall einer Erhöhung der Ver handlungsgebühr für die Verhandlung nach stattgehabter Beweisaufnahme, ein Vorschlag, dessen Bedeutung daraus erhellt, daß allein bei den Landgerichten in erster Instanz durchschnittlich jährlich 50000 Bcweisbeschlüsse erlassen werden. Andere Ermäßigungen beziehen sich auf das Sühne verfahren, das Aufgebolsverfahren und das Konkursver fahren. Besonders häufigen Klagen will die Herabsetzung der Gebühren für Ertheilung eines Rathes, sowie für Er hebung und Ablieferung von Geldern und Werthpapieren abhelfen. Als große Erleichterung wird cs empfunden werden, daß der Entwurf die Schreibgebühren für kleine Schriftstücke, wie Briefe, Anzeigen, Mittheilungen, Anträge u. dergl., beseitigt, indem er die zwei ersten Seiten jedes Schriftstücks von der Gebühr frei läßt. Bei Schriftsätzen von mehr als 20 Seiten sollen die Gebühren für die über schießenden Seiten auf die Hälfte ermäßigt werden. Als eine nicht unwichtige Bestimmung des Entwurses ist noch die hervorzuheben, daß der Anspruch des Anwalts auf Fuhrkosten aus die wirklich verausgabten Beträge beschränk, wird, wenn es sich um Geschäftsreisen zu einem an der Gerichtsstelle wahrzunehmenden Termine innerhalb des Landgerichtsbezirkes handelt, in dem der Anwalt seinen Wohnsitz hat. „Diese Vorschrift", so heißt es wörtlich in den Motiven, „wird den vielfach laut gewordenen Klagen über die Vertheuerung der amtsgerichtlichen Prozesse in wirksamster Weise begegnen." Tagesschau. Freiberg, den 9. November. Der deutsche Kaiser empfing gestern Nachmittag den Prinzen Heinrich von Preußen, der seinem Großvater vor der Äbreise nach Kiel einen Abschiedsbesuch abstattete. Im Lauie des Tages erlheilte der greise Monarch dem Grafen Herbert Bismarck und dem Botschafter Prinz Reuß Audienzen und bat derselbe heule Vormittag den neuen Bischof von England, vr. Thiel, in feierlicher Audienz empfangen — Der deutsche Kronprinz ist am Sonntag Abend 9 Uhr wieder in Berlin eingetroffen, während die k>onplinzliche Familie dort erst am >8 d. Mts. erwartet wird. — Im Hotel d'Angleterre in Berlin war am 6. d. Mis. der Vorstand des deutschen Vereins für Knaben-Handarbeit beisammen, um die ersten Einleitungen zu einer umfassenden Werbung im striche zu treffen. An demselben Abend wurde in einem Zim mer des preußischen Abgeordnetenhauses dann rin .Brrliuer Hauptverein für Knabenarbeit" begründet. Vor bereitung wie Leitung lagen größtentheilS in den Händen des Abg. v. Schenckendorff-Görlitz; zugegen waren u. A. Professor Gneist, der Reichstags-Abgeordnete Schrader, StadtsyndikuS Eberty, die Direktoren Bach, Schwalbe, Wilhelmy, Geh. Sani- tätSrath Kristeller, Geh Regierungsrath Freiherr von Broich u. s. f. Nachdem die Satzungen und ein zu erlassender Auf ruf genehmigt und Herr v. Schcnckendorff die nächsten prak tischen Schritte angedeutet hatte, sprach der Borsttzende de» allgemeinen nationalen Vereins, Herr A- Lämmer» an» Brem«, noch kurz über dessen Vorgeschichte und Bedeutung, worauf nach mehreren Einzeichnungen in die Mitgliederliste die gutbesuchte nnd offenbar lebendig Antheil nehmende Versammlung sich auflöste. — Die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." äußert sich über die Thronrede in Pest in folgender Weise: „Die allge meinen Gesichtspunkte, welche bei Beurtheilung der Lage in Bulgarien sestzuhalten sich empfiehlt, sind irf der Thronrede, womit Kaiser Franz Josef am Sonnabend in Pest dir Dele- gationssesfion feierlich inaugurirte, authentisch zusammengrstellt und ihre abermalige Bekräftigung kommt zu gelegener Zett, um Besorgnisse, welche in Folge der neuesten Zwischenfälle sich hervorgewagt hatten, auf ihr richtige» Maß zurückzusührm. Denn wenn die Thronrede auch einräumt, daß di« bulgarisch« Wirren Anlaß zu ernsten Besorgnissen geb«, so bestrettet sie doch mit Entschiedenheit, daß ihr Keim in Differenzen zwischen den Mächten enthalten sei, dmtet vielmehr an, daß allseitig friedliche Intentionen waltm und Oesterreich - Ungarn zu sämmtlichen Mächten in vortrefflichen Beziehung« steht. Das find immerhin sehr gewichtige Argumente zu Gunst« der vom Kaiser Josef ausgesprochenen Hoffnung, daß trotz der schwierig« Lage im Orient e» gelingen werde, unter Wahrung der Interessen Oesterreich-Ungarns Europa die Segnung« de» Friedens zu erhalt«." — Dasselbe Blatr stellt die vom „Leipziger Tageblatt" in einem Nachruf an den Graf« Beust gemachten Mittheilungen über daS Verhalten Napoleon» gegen über Sachsen vor und nach der Schlacht von Königgrätz dahin richtig, daß bis nach jener Schlacht überhaupt keine Eröffnung Frankreichs an die preußische Regierung herangetreten sei. Die französische Politik hüllte sich in ein berechnetes Schweigen bis zum Tage von Königgrätz, wo das bekannte Telegramm Napoleons au den König Wilhelm in Horzitz eintraf. Auch die späteren französischen Eröffnungen hatten niemals Bezug auf das Schicksal Sachsens. Erst nach dem Frieden und zwar erst in Berlin deutete Benedetti an, daß sich Napoleon für Sachs« gar nicht interessirte und keine Einwendungen gemacht haben würde, wenn Sachsen das Schicksal Hannovers getheilt hätte. Vor dem Frieden gingen die französischen Äußerungen nur dahin, daß Frankreich in Neutralität verharren werde, wenn der Zuwachs Preußens die Seelmzahl von vier Millionen nicht über schreite. Ob dies dadurch geschah, daß man Theile Hannovers, Sachsens, Hessens und Schleswig-Holsteins an Preußen abgab oder ganz Hannover und Hessen, während Sachsen selbständig blieb oder Sachsen und Hessen unter Erhaltung der Selbständigkeit Hannovers, darauf wurde von Napoleon kein Gewicht gelegt. — Außerdem beschäftigt sich das ministerielle Organ mit der bekannten Marine-Denkschrift und sagt darüber u. A.: „Der sachliche Theil der Denkschrift hat im Allgemeinen Zu stimmung gefunden; der finanzielle Theil, d. h. der Theil der selben, der sich mit der Aufbringung der Mittel für Neu- und Ersatzbauten rc und mit der Berechnung des Bauwerthes der vorhandenen Schiffe sowie der Abnutzungszeit derselbe» beschäftigt, ist dagegen vielfach bemängelt worden." — Bei der am Sonntag in Straßburg i. E stattgefundenen Wahl eines Mitgliedes zum Bezirksrath des Unterclsaß ist der Bei geordnete Hochapfcl gewählt worden. — Gestern begann im Schwurgerichtssaale zu Kottbus der Aufruhrprozeß gegen jene 17 junge Leute, die sich am 30. April d. I. im Schützen- Hause zu Spremberg bei der Gestellung der Militär pflichtigen zu sozialdemokratischen Exzessen hmrcißen ließen. — Unter den Angestellten der Hotels und Restaurants zirkulirt gegenwärtig eine an den deutschen Reichstag gerichtete Petition, welche die gleichmäßige Anerkennung der Kellner rc. als Gewerbegehilfen bezweckt. Bisher find dieselbe« theilweise als Dienstboten betrachtet worden. Da aber der Betrieb der Gastwirthschast nach 33 der Reichsgewerbe ordnung als ein Gewerbe angesehen wird, so erhellt hieraus, daß die Kellner im Allgemein« nicht als Dienstboten, sondern als Gewerbegehilfen zu betrachten sind, zumal wenn sie gleich diesen eine geordnete mehrjährige Lehrzeit durchgemacht haben. Obgleich in Sachsen, einer ministeriellen Bestimmung nach, diese