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Wöchentlich »sS> einen drei Nummern. Pränumeration«- vreir 22h Sgr. Thlr.t oterteltährlich, z Thlr. sir da« ganze Jahr, «hne Er- hihung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »rinumcrirt aus düst« Beiblatt der AUg. Pr. Staat«. Zeitung in Berlin in ter Expedition lMohren - Strake No. Z4>; in der Provinz so wie im Sudlande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 146. Berlin, Montag den 7. Dezember 1833. England. Scenen der Englischen Küste. Die Küstenwächter. — Ei« Schiffbruch. — Ein Gefecht mit Schmugglern Derjenige Theil von Englands Küsten, wohin ich meinen Schau- riatz verlegen will, ist eine mit Klippen bewehrte oder, wie die See leute sich ausdrückcn, mit Eisen beschlagene Küste. Etwa eine halbe Biertelstundc vom äußersten Rande derselben stand eine Reihe Häns chen, von der Negierung als Station gegen die Schleichhändler errich tet. Diese Hänschen umgab eine etwa vier Fuß hohe Mauer, die zugleich ein Stück Ackerland ein'schloß, auf dem jeder Einwohner sich Gemüse und Kartoffeln ziehen konnte. Eine gute Viertelstunde weiter land einwärts lagen ein paar ärmliche, von Fischer-Familien bewohnte Hut ten, die man vuign das Dors nannte. In noch größerer Ferne er hoben sich aus den bäum- und hcckenlosen Feidern einige 'Pachter- Wohnungen. Zn dem geräumigsten der vorerwähnten Häuschen wohnte Lieute nant John Tl'ornville, Ober-Befehlshaber dieser Küsten-Station, mit seiner Frau und Familie. Das anstoßende kleine Hau« gehörte dem Ober-Bootsmann, dem nächsten im Kommando; das drille dem Reiter- Offizier oder, wie man ihn jetzt betitelt, dem Korporal der berittenen Wache. Das ganze Cankounement beherbergte in Allem zehn Mann, den Lieutenant ausgeschlossen. El» Zimmer im Hause des Lieutenants diente als Machlstube und halte seinen besonderen Eingang. In diesem Gemach herrschte große Reinlichkeit. Die sauber geweißten Wände waren mit Waffen und an derem militairischrn Hausrach geziert. I» der einen Ecke, auf einem mit schlecht bemalten Fahnen geschmückten Gestell, sah man lauter Ge wehre, Pistolen, Säbel und Bajonette, Alles schön blank und symme trisch geordnet Am Fuße dieses Gestells lag ein Mörser, ein Theil vrn Eapilain Manbv's lebensrcltendem Apparate. An einer anderen Seite präsenlirlen sich, eben so geschmackvoll ausgestellt, Raketen, Blau- Feuer u. dergl. Auch fab man hier ein Pult, mit einem großen Tage buch daraus, in welches alle Begebenheiten, selbst die unbedeutendsten, eingetragen wurden. Alles verkündete Geschäftigkeit und gute Disziplin. Der Einzige, der in der Zeit, von der wir reden, dieses Gemach besetzt hielt, war Einer von der Küstenwache Dieser mußte den gan zen Tag auf der Lauer scpii und jedes Schiff, das der Küste sich nä herte, durch ein Fernrohr beobachten. Kurz vor Sonnen-Unlergang versammelte der Lieutenant die ganze Garnison auf der Wachtstube, um zu sehen, ob Keiner fehlte. Er ries die Leute dabei nicht mit Namen, sondern mit Nummern, z. B. „Num mer Eins!" — „„Hier, Sir."" — „Nummer Zwei!" — „„Hier"" u. s. w. „Nummer Eins", sagte der Lieutenant, „geht auf Nummer Sieben — Nummer Zwei geht aus Nummer Eins." Wohlbcmerkt, auch die Wachposten batten ihre Nummern. Die Geschichte des Lieutenants Thornvillc bot wenig Merkwürdiges tar. Er kam sehr jung zur Marine und diente während des Krieges neun Jahre lang als tüchtiger Soldat. Bei Gelegenheit der liberalen Beförderungen in den Jahren Itzik und I8IS schätzte er sich sehr glück lich, daß man ihn nicht vergessen hatte. Bald nachher nahm er ein Weib, und in kurzer Zeit sah er sich von einer wachsenden Familie umgeben. Dies bestimmte ihn, um eine Anstellung bei einer Küsten- Slation sich zu bewerben. Hier lebte er zufrieden und also glücklich. Gesellschaften gab er nicht; denn es war in seinem ganzen Revier, einen Pachter ausgenommen, dessen Gedanken nicht über seinen Pflug hinausreichten, keme Familie, mit der er vertrauten Umgang anknüpfen konnte. Die Kirche war drei Miles entfernt, und der nächste Marlt- sleckcn fünf MileS. Dann und wann kamen die Offiziere der benach barten Stationen, um mit ihm zu diniren und bei einem Glase Grog „altes Garn zu spinnen." Diese und der periodisch wiederkehrende Inspektion«-Eon,mandeur brachte» die einzige Abwechselung in sein monotone« Dasepn. Die Zeit, die seine Dienstgeschäfte ihm übrig ließen, verwendete er, in Gemeinschaft mit seiner treuen Gatlin, aus die Erziehung seiner Kinder, oder er beschäftigte sich mit der Feldarbeit in seinem Gärtchen. Nachdem unser Thornville an jenem Abend seine Befehlt, wie ge wöhnlich, ausgetbeill hatte, ging er wieder ans sein Zimmer. Da Hörle er ein leises Klopfen an der Thür, die sich auf das herkömmliche „Herein" öffnele. Der Hereintretende war Hr. William Truman, ter Oder-Bootsmann, welcher noch fernere Erläuterungen zu den erlassenen Befehlen in Empfang nehmet, wollte. Herr Truman war eine hagere, wohl sechs Fuß hohe Figur, mit derben und verwillericn Eesichtszügcn. Seine Uniform verkündigte einen halben Soldaten und einen halben Seemann. Die Disziplin beobachtete er so pünktlich, daß er den Lieute nant nie anredete, ohne sich kerzengerade binzupflanzen, die Füße in der ersten Position und den linke» Arm straff an den Körper geschmiegt, wahrend er mit dem rechten Arme den Hut vom Kopse nahm. Er redete langsam und etwas feierlich, und vergaß es nie, jeder Person ihren ganzen Titel zu geben. So z. B. sagte er gern: „Lieutenant Thornville, der Eommandeur Bromlep, welcher der inspizirende Com- mandeur unseres Distriktes ist, wünscht Sie zu sprechen. Er hofft, daß Sie so bald kommen werden, als möglich, dieweil er Eile Hal; und wenn Sie nicht gleich kommen, so kann cs leicht sich treffen, daß Sie ihn nicht mehr finden werden, dieweil er Eile Hal." Wir müssen hier gleich bemerken, daß die Conjuncnoiw» dieweil und von wegen Truman's Lieblingsworle waren. Er entschuldigte sich damit, daß er sagte, es sey sein Grundsatz, nichts zu lhun, ohne den Grund anzu- geben. Eon seinem Ober-Bootsmann begleitet, schickte sich der Lieutenant nun an, seine nächtlichen Küsten-Besuche zu machen. Da man die Landung eines Schiffes mit Eonlredandc erwartete, so bewaffnete er sich zuvor mit einem Paar Pistolen, einem Säbel und einem Knoten- Stocke. Der Weg sübrle über die Klippen dem Meere zu. Es war dichte Finstcrniß mit Schneegestöber, und der Wind blies gerade gegen die Küste. „Wenn ich", sagte Thornville, „nicht bestimmten Rapport hätte, so würde ich cs kaum für möglich hallen, daß es Jemand einfiele, heule Nacht hier zu landen. Unsere Leute verdienten wohl einmal Nachtruhe; denn sie sind neulich sehr strapazirt worden." „„Lieutenant Thornvillc"", faglc sei» Gefährte, „„ich weiß Ihre mitleidige Gesinnung wohl zu schätzen. Aber, mein werlbec Herr, die Dienstpflicht geht vor, dieweil wir dafür besoldet sind. Was mich be trifft, Lieutenant Thornville, so stehe ich bereits dreizehn Jahre im Küste»-Dienst, und binnen dieser ganzen Zeit ist mein Lebe» vico versa gewesen."" „Was gewesen, Meister Truman?" „„Vice versa, Sir — das heiß! so viel als: das Unterste zu Oberst gekehrt — da« heißt, den ganzen Tag geschlafen und die ganze Nacht aus den Beinen. So werde ich denn ein vollständiges Amphi- binm, dieweil ich den Tag zur Nacht mache, und dieweil ich so gut ans dem Wasser lebe wie auf dem Lande. Aber mein Weib, Sir — die findet daran kein Gefallen, dieweil sie darüber brummt, Sir, und sagt, ich sey ein ganz nnchristlicher Ehemann, der seinen Borlhcil nicht be- nutzl, wie andere brave Leute. Nun aber, Sir, ist das Weib ein Weib, dieweil sie nichts Besseres ist. Ich widerlege sie, Sir — ich sage ihr manches Dieweil und Bonwege»; aber cs ist in den Wind geredet."" So mit einander plaudernd, kamen die Beiden an den Rand der Klippe. Jetzt mußten sie abwärts steigen, um auf den Strand zu kommen. Der» ziemlich steile, mit losen'Steinen belegte Pfad machte das Hinabsteigen schon bei Tage schwierig, und bei Nacht, wenn Alles mit Schnee bedeckt war, gehörte es für Leute, die hier nicht Bescheid wußten, zu den unmöglichen Dingen. Der Lieutenant aber und sein Ober-Bootsmann wußten hier so trefflich Bescheid — wie oft batten sie im Finstern diesen Weg gemacht! — daß sie verlrauungsvoll zu- schrilten. Truman stapfte voran und trällerte dabei sein Leibstückchcu: Ich esse, Lieweil mich Hunqer vlaqt! Ich trinke, dieweil mich dürsten Gut; Ich schmauche, dieweil mir's so behage- DaS ist für Leib und Seele-gut. Unter diesem Gclräller war Truman dem Lieutenant wohl zwanzig Schrille vorangccilt. Je Weiler er ging, um so mehr erhob er seine Slimmc, bis cr endlich, nach seiner Meinung, sehr melodisch sang. Be sonderen Nachdruck legle cr auf den Refrain: „Tol de rcl lol, stoßt an. mein Herr Bruder, tol tol de rol lol!" Plötzlich Hörle der Liculenant aus voller Kehle „weh! Mörder und Spitzbuben!" schreien. Der Ober-Bootsmann war gegen einen an deren Körper gerannt und im Iurückprallen seiner Länge lang nicder- gcstürtt. Ein ohrzerreißcndc« Geschrei mischte sich in sein Hülscrufen. Der Lieutenant zog mechanisch sein Pistol, spannte den Hab» und ver suchte eiliger ans dem gefährlichen Pfade vorwärts zu kommen; aber ka-d glitt'er selbst aus, und das Lausen verwandclle sich in ein uner quickliches Rutschen durch Schnee und Schmutz, bis er mit den Füßen auf Truman stieß, der jetzt ein noch ärgeres Zetergeschrei erhob. Thorn ville raffle sich auf und wollle auch Truman emporhelfen, empfing aber zur Belohnung einen Fußlntt, der de» „Mördern und Spitzbuben"