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Nr. L4L — LO. Jahrgavg Sonntag dev KL. Oktober 1VZB Erich« t»t täglich nach«, mit «uinahme der Eonn- und Festtage. »»«gäbe 4 mit .Die Yeti in Wort und Bild» vierteljährlich Bt« In Dretiven durch Bote» »,4<» In oani Deutschland frei HauS S in Oesterreich 4 t» IO >«-««»« « ohne tllultrterte Beilage dierteljtihrlich t,t«v F». In Dresden durch Boten j»,l« In ganz Deutschland frei HauS ».»« in Oesterreich «,«» X. - ikinzei-Nr. 1« z Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Ngespaitene Petttzeile oder deren Raum m>« 4L 4, RcNamen mit KO z die geile berechnet, bei Wiederhoiungk" entsprechende» Rabatt. Vnchdrmferei, Redaktion und weschästSstelle, Dresden, Pilluitzer Etraste 4.'k. — Fernsprechcr AiirRiirkgabe unverlangt. 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Die Zentrumswähler wollen von einem Zwiste nichts wissen: sie sehen in dem Zentrum ihre Partei, wie sie seit 10 Jahren arbeitet nach den alten Grundsätzen und in der alten Tradition. Man kann daher nur bedauern, wenn Einspänner eine Aendernng entdeckt haben wollen, keinen Beweis erbringen, aber doch von einer Schwenkung reden oder ein „Iungzentrnm" finden wollen. Ein solches Ule baren widerspricht den Wünschen der Zentrnmswi er. Diese wünschen, das-, die Zentrnmsfraktion tunlichst einm.ckig und geschlossen auftritt; das; diese Einigkeit ein Beweis des innerlich berechtigten Ausgleiches ist, hat ihnen die (Geschichte gelehrt. Mit Bedauern nehmen sie Kenntnis davon, wenn einzeln« Abgeordnete sich verpflichtet fühlen, anders zu stim men, als die Mehrheit der Fraktion: aber die Geschichte des Zentrums sagt ihnen auch, das; solche Absplitterungen immer vorgekommen sind und da die Fraktion keinen Fraktions zwang hat, sich diese auch nicht vermeiden lassen. Die Wäh ler fordern mit Recht, das; nur die durchschlagendsten Gründe eine solche Sonderstellung rechtfertigen können. Ist aber einmal keine einheitliche Abstimmung zu erzielen, so ist es ein »veiterer Wunsch der Wählerschaft, das; man solche Fra gen nicht in der eigenen Partei weiter erörtert, sondern die Zeit als Heilmittel kommen lässt. So war es bei den Ver- sichernngsgesetzen (1300), den Flottengesetzen (1303 n. UNO), den Stenergesetzen (1000), den Militärvorlagen (1300, 10015 und 1911), dem Zuwachsstenergesetz (1011) und einer ganzen Reihe von ähnlichen Vorkommnissen. So soll es auch in Zukunft bleiben, damit die Partei nicht Schaden erleidet, wenn einmal ein Auseinandrrstimnien »»vermeidlich ge worden ist. Tie Wählerschaft des Zentrums kann es nicht verstehen, wenn Differenzen in breiter Oesfentlichkeit aus getragen werden: sie will auch davon nichts wissen und sagt sich: dafür ist die Parteiorganisation da. So hält man es auch in anderen Parteien: der Zwist des freisinnigen Abge ordneten Eickhofs mit der Provinzialorganisation ist auch durch die oberste Parteiinstanz ohne weiteres erstickt worden. Den Streit der Stuttgarter Sozialdemokraten unter sich hat man nicht auf die ganze rote Presse geschleppt; man hat den häuslichen Krieg lokalisiert und hier ansgefochten. So wollen es die Zentrnmswähler haben, und nicht anders. Ob die gesamte ZentrnmSPresse stets hiernach verfahren hat, ist dem objektiven Beobachter doch mehr als fraglich ge worden, wenn irgendwo ein Zündholz brannte, hat man die Oiesamtfeuerwehr alarmiert, so daß schließlich das Wasser mehr Schaden anrichtele als das Feuer. Ter leicht erklär liche Ruhm, jedes Fahr als „Netter der Partei" gefeiert zu werde», verleitet zu Unvorsichtigkeiten und Pressedebatten, deren Positives Resultat gleich Null ist und die allseitig nur Verstimmung und Verärgerung znrücklassen. Erreicht wird durch solche Streitereien absolut gar nichts, verdorben aber sehr viel. Was nützen denn die schönsten Resolutionen des AugustinnsvereinS, wenn immer wieder einzelne für sich ein Sonderrecht heransnehmen und wieder mit Polemiken beginnen, statt durch gediegene Kost den Zentrnmsgedanken zu fördern. Die Presse hat die Pflicht, mitznarbeiten, anf- znklären, zu sammeln: aber kein einziges Blatt hat von der Partei oder einer Parteiinstanz die Stelle der Parteipolizei, des- Parteiwächters und des Parteirichters übertragen er halten. Angeniasste Autoritäten sind nicht haltbar. Sind Differenzen da, so muß die Presse sich znrückhalten (eine große Anzahl von Blättern tut cs immer): sie hat das Recht, Parteiinstanzen anznrnfen, sich aber auf das allernotwen digste in der Polemik zn beschränken. Dabei muß auch be achtet werden, das; es dem Zentrum ganz gleichgültig sein kann, was irgend ein Käseblatt in Oesterreich oder in der Schweiz schreibt, danach wird ein denkender Mensch nie die Zentrnmspartei beurteilen. Die Presse ist — bei aller Hoch achtung sei daS offen gesagt doch nicht die Partei, sondern nur ein Teil, gewiß ein sehr wertvoller Teil der Partei. Man hat allerents den Eindruck gewonnen, daß manche Aus lassungen der letzten Zeit besser unterblieben wären. Soweit solche Presseerörternngen sich gegen einzelne Zentrnmsabg'ordnete richteten, so darf offen gesagt werden, daß hier von mehreren Seilen in den letzten Jahre» nahezu Unglaubliches geleistet worden ist, im Anslande und im In lande. Dieses Verhalten ist aber ganz verkehrt und wirkt nur zerstörend. Wenn gegen das Verhalten des einen oder anderen Abgeordneten Bedenken anftreten, so gibt es nur zwei Instanze.:, entweder die Fraktion, der er »»gehört, oder die zuständige Parteiorganisation. Erst wenn diese beiden versauen sollten, kommen andere Wege in Betracht. Aber inan darf überzeugt sein, daß sie nicht versagen werden. Rehmen wir nur die Affäre des Grafe» Oppersdorfs. Wenn der Vorsitzende oder Vorstand der Fraktion angernfen wird von jenen, die eine Erklärung wünsche» sich habe sie auch für geboten gehalten), dann ist ohne jede Pressedebatte in drei bis vier Tagen die ganze Sache erledigt: der Vor sitzende der-Fraktion kann dann die erzielte Erklärung pnhlizieren: der Streit ist ans. Weigert sich das Fraktions- Mitglied, eine gut begründete Erklärung abzngeben, so ge nügt doch in der Tat, wenn die Oesfentlichkeit von dieser Weigerung .Kenntnis erhält, alles andere vollzieht sich doch dann mit Naturnotwendigkeit. Man braucht auch da keine langen Leitartikel und anderes mehr. Tie ganze Stellung der Fraktion leidet not, wenn Vorkommnisse lvie in der jüngsten Vergangenheit sich wiederholen. Schließlich ist die Fraktion Mannes genug, selbst solche Tinge ohne jeden Truck zn regeln. In vielen Fällen ist ein Außenstehender auch gar nicht in der Lage, sich ein zutreffendes Gesamtbild zu verschaffen. Das Zentrum hat einen schweren Wahlkampf L» be stehen; alle anderen Parteien stellen heute schon Differenzen in den Hintergrund. Man denke nur an den Magdeburger Parteitag der Roten, an die Tatsaclje, daß Schutzzöllner und Freihändler in der Volkspartei znsaminensitzen, das; auch in anderen Parteien Meinungsverschiedenheiten bestehen. Aber keine Parteipresse behandelt diese dergestalt lvie im Zen trum. Da ist der Zeitpunkt gekommen, wo es auf allen Seiten heisst, das; Opfer gebracht werden müssen und daß. alle überschüssige Kraft, alle Freiheit der Artikel und des Angriffes nur gegen die Gegner zu richten sind, nicht aber gegen Abweichungen im eigenen Lager. Selbstverständlich ist es aber auch, das; man allerorts sich bemühen muß, per sönliche Ansichten nicht mit Aufgebot aller Kräfte durchsetzen zn wollen. Jede Partei erfordert Opfer, da sonst ein Zu sammenarbeiten nicht möglich ist. Der italienisch-türkische Krieg. Unter Bedeckung des Hanptteiles der italienischen Flotte sind Truppen des Expeditionskorps zunächst in Benghasi an Land gegangen. Benghasi, das alte Berenice, ist die Haupt stadt der Provinz Barka, der alten Khrenaica, des östlichen Teiles Tripolitaniens. Admiral Anbry hatte vorher den Platz sofort zur Uebergabe anfgefordert, aber die türkischen Behörden hatten dies verweigert. Man schritt zur Beschie ßung der Festungswerke, die nur kurze Zeit andauerte. Dann begann inan mit der Ausschiffung, zuerst der Matro- senkompanien, dann der regulären Kompanien. Als die erstell italienischen Streitkräfte landeten, wurde» sie von den Türken heftig angegrisse». Indessen gelang es den Italienern, den Gegner znnickznschlagen und sich m be haupten. Am 10. d. M. waren in Benghasi 1000 Mann ausge- fchisst, trotzdem die Türken noch Widerstand leisteten. Ben ghasi befindet sich also in der Gewalt der Italiener, aber da mit beginnen außerhalb der Feuerzone der Schftssge- sthütze auch hier erst, mit dem Marsch ins Innere, die eigentlichen Schwierigkeiten. Zur selben Zeit ist die Landung in Homs, einem Küsten städtchen wenige Kilometer östlich von Tripolis, erfolgt. Auch in Derna, östlich von Benghasi, wurden Truppen gelandet. Franz Liszt. Zu seinem 100. Geburtstag am 22. Oktober 1911. Am 22. Oktober 1011 feiert die musikalische Welt den hundertsten Gcbnrtstag Franz Liszts. Im Streite um die neudeutsche Tonkunst war Liszts Name neben dem Wagners der meistgenannte und befehdete. Der Sieg Wagners kam zum großen Teile auch seinem Freunde zugute. Eines aber steht jedenfalls fest: das ist die eminente Bedeutung des organisatorischen Wirkens Liszts als Bahnbrecher der ino dernen Musikkultur. Liszts Leben zerfällt in zwei große Abschnitte: die Zeit des künstlerischen Werdens »nd der Virtuoscnjahre und die Zeit seines Wirkens als Vorkämpfer der Nendentschen Schule. Franz Liszt wurde am 22. Oktober >31 l zn Raiding, einem Dorfe im Komitat Oedenburg (Ungarn), geboren. Sein Vater Adam stand als administrativer Beamter im Dienste des Fürsten Esterhazi, des bekannten ungarischen Magnaten, dessen Hoskapelle Joseph Haydn !10 Jahre lang Vorstand. Mit neun Jahren konnte er bereits in Oeden- burg und Preßbnrg mit großem Erfolge als Konzertspieler anftreten. Als daraufhin mehrere vornehme Kunstfreunde dem Knaben ein jährliches Stipendium behufs weiterer Ausbildung anssetzten. nahm Adam Liszt seine Entlassung aus Esterhazischc» Diensten und zog mit seinem Sohne nach Wien. In Karl Ezerny wurde dort ein Lehrer gefunden, der seinen Zögling rasch auf die Höhe einer absolut zuvor- lässigen, gründlich fundierten Technik führte, während ihn der Hoskapellmeister Antonio Salieri in die Geheimnisse der Kompositionslehre einwcihte. Am 1. Dezember 1322 gab Liszt sein erstes öffentliches Konzert in Wien und erweckte beispiellosen Enthusiasmus, ein Erfolg, der bei dem zweiten Konzerte am 13. April 1323 sich womöglich noch steigerte. Der damals im Zenit seines Schaffens stehende Beethoven befand sich unter den Zuhörer» und küßte den elfjährigen Knnstgenvssen gerührt auf die Stirne. Zur weiteren Ver Vollkvininnnng reiste Franz »ach Paris und hatte bald in dein gefeierten Opernkomponiften Ferdinand Paö-r einen lehr förderliche» Kvinpositionslehrer gesunden. Die Pariser künstlerischen Erfolge, die an Glanz den früheren in Wien nichts »achgabe», fanden im Frühjahre >32l eine Unter brechung durch eine Knnstreife »ach England und in die französische Schweiz. Das Jahr 1320 zeitigte die erste wirk lich ernst zn nehmende kompositorische Schöpfung Liszts; das find die von ihm selbst in diesem Sinne als >>i>nn l bezeich- neten zwölf Etüden. In merkwürdigem Widersprach mit diesen äußeren Erfolgen vollzog sich damals im Innern des jungen .Künstlers ein bedeutsamer Umschwung. Die Bibel und asketische Bücher lvie Thomas a Kempis' „Nachfolge Ehristi" wurden seine Lieblingslektüre, und schließlich äußerte er den Wunsch, der Welt zn entsagen und Priester zu werde». Liszts Eltern waren fromme Katholiken und hatten auch ihrem Sohne eine ernste religöse Erziehung an- gedeihen lassen, aber ihrerseits und überhaupt von außen ist sicher nie etwas geschehen, das in ihm die Idee, Geistlicher zn werden, hätte wachrnfen können: diese Neigung stammt vielmehr durchaus ans seinem eigensten Innern, Da kam ein schwerer Schicksalsschlag: am 23. August 1327 starb Adam Liszt »ach nur dreitägiger Krankheit. Um nicht ganz allein zn sein, lies; Franz die Mutter zu sich kommen und zog mit ihr »ach Paris, wo er alsbald eine ungemein weitver breitete Lehrtätigkeit entfaltete. Unter seinen Schülerinnen befand sich ein ideal veranlagtes siebzehnjähriges Mädchen, eine Komtesse Karoline Saint-Erirg, für die er in heißer, aufs innigste erwiderter Liebe entbrannte; dem beseligenden Verhältnis wurde aber durch den exklusiv aristokratischen Vater des Mädchens ein jähes Ende bereitet. Liszt zog sich tödlich gekränkt zurück, Karoline wurde später in höchst un glücklicher Ehe einem Grafen d'Artigaux verkettet. Wie fest aber diese erste Neigung in seinem Herzen wurzelte, zeigt sich daraus, daß er der Ingendgeliebten sogar noch in seinem Testamente vom Jahre 1300 gedachte. Der schwere Schlag, den diese grausame Störung seines erste» Liebesglücks für de» jungen Liszt bedeutete, lies; in ihm das Verlangen reisen, Priester zn werden. Rücksichten auf die Mutter binderten auch diesmal die Ausführung, Die vielen geistigen Aufregungen aber wirkten höchst un günstig auf deS jungen .Künstlers Gesnndheit und brachten ftm an den Rand des Grabes. Nur langsam gelang es ihm, sich wieder anfznrassen. Ans dem Umweg über Ehatean-- briand fand unser .Künstler den Weg ins Lager der eben damals mächtig ihr Haupt erhebenden französischen Roman tik. Wie später Wagner nur als Kämpfer für die Kämst zum Revolutionär wurde, so ging der Liszt der dreißiger: Jahre unter ganz ähnlichen Gesichtspunkten ins Lager der romantischen Demokraten über' die hochmütige Verachtung, mit der die oberen Gesellschaftsschichten vielfach noch auf Kunst und Künstler als untergeordnete Objekte ihrer Laune und Unterhaltung Herabsahen, rief ihn zur Empörung auf und ließ ihn einen der energischsten Vorkämpfer für die soziale Lage des Mnsikerstandes werden. Auch hier waren es anßer den religiösen und politischen wieder kunst-philo sophische Grundsätze, wie: der Zweck der Kunst sei die Ver vollkommnung und Veredelung der Menschen, und ihre stetige Entwicklung sei an keine Schranken gebunden, die unseren Künstler besonders anzogen. Für Liszts Leben und weitere Eharakterentwicklung gewann diese Pariser Zeit grundlegende Bedeutung, allein auch der Künstler Liszt hak hier fruchtbarste Anregung geschöpft. 1331 trat Nicolo Paganini, der italienische Geiger, erst mals in Paris ans. Liszt wollte als Pianist eine gleiche Höhe der Meisterschaft erklimmen, wie sie Paganini als Geiger eigen war. und betrieb leidenschaftlich technische Studien. Nach langer Panse trat Liszt 1331 wieder als