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WöchmMch erschlinrn drei Nimm:«». Pränumcralious, Preis 22j SUbergr. Td!r.) vicrttüvhrlich, 3 Thlr. sür das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Thclle» der Preußischen Monarchie. Ma gazLZz für die Pränumerationen werden von leder Buchhandlung (in Berlin bei Beil u. Comp., Iägcrüraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. ./so' 1^4 Berlin, Dienstag den 2. Dezember 1843. England. Die Geldfrage in England. Nach Archibald Alison.") Es ist unmöglich, die innere Geschichte des britischen Reichs während der letzten fünfzig Jahre zu studiren, ohne durch die ungeheuren Schwankungen und industriellen Revolutionen überrascht zu werden, die sich in diesem Zeit raum ereigneten. Nach außen siegreich und von allen Zeichen einer unaushör- lich steigenden Wohlfahrt umgeben, hat die Nation Wechselfälle erlitten, die gewöhnlich nur durch unglückliche Kriege oder politische Umwälzungen hcrvor- gebracht werden. Sie bietet ein Schauspiel dcS Glucks und der Trübsal, der Kraft und der Schwäche, des Reichthums und der Armuth, des Fortschritts und des Verfalls, der Größe und ter Entkräftung dar, wie die Geschichte kein ähnliches kennt und wahrscheinlich auch nie wiederholen wird — ein Schauspiel, das sowohl für die Zeitgenossen als die Nachwelt wichtige Lehren enthält. Von der einen Seite betrachtet, giebt es kein Land, das in so kurzer Zeit sich eines so außerordentlichen Fortschritts zu rühme» hätte. Die Bevölkerung, die im Jahre 1819 nur 20,600,000 Kopfe betrug, war 1844 bis 28 Mill, angewachsen, die Einfuhr hatte sich von 200 Mill, bis 470 Mill. Thaler, die Ausfuhr von 300 Mill, bis 880 Mill. Thaler (Nominalwerth), die Tonnen zahl der Schiffe von 2,380,000 bis 3,000,000 vermehrt. Der Ackerbau ist nicht hinter den anderen Stapelzwcigen der National-Jndustric zurückgeblieben; seine Produktivität hat mit der in einem alten Lande beispiellosen Zunahme der Bevölkerung, so wie mit der noch rascheren Vermehrung veS VichstandcS, der Pferde u. s. w., Schritt gehalten, und der auf unglaubliche Weise ver größerten Consumtion zum Trotz »ahm die Getraive-Einfuhr seit dem Anfang dieses Jahrhunderts bis zum Jahre 1836 regelmäßig ab, bis sie am Ende nicht mehr als 400,000 Quarters betrug — d. h. kaum den hundertsten Theil des zu 80 Mill. Quarters angeschlagenen jährlichen Bedarfs. Noch außer ordentlicher ist die Thatsache, die aus der Einkommen-Steuer hervorging, welche noch dazu im Jahre 1842 auferlegt wurde, wo sich der Handel in einer ungewöhnlich gedrückten Lage befand; es ergab sich nämlich, daß die Total.Einnahme solcher Personen, die eine jährliche Revenüe von mehr als 1000 Thalern (180 Pfo. St ) besitzen, in Großbritanicn allein (ohne Irland) die Summe von 1380 Mill. Thalern erreicht, wovon ctiva 1000 Mill, aus dem Gewinn oder den Zinsen wirklich angelegten Kapitals entspringen! Noch nie ist solcher Reichthum in einem einzigen Staate zusanimengehäuft gewesen — auch nicht in Nom zur Zeit seines höchsten Glanzes. Von der anderen Seite betrachtet, hat nie eine Negierung mit so drin, genden finanziellen Verlegenheiten, noch ein Volk mit einem so peinlichen, so allgemein verbreitete» Nothstande zu kämpfen gehabt. Weit entfernt, an der goldenen gluth theilzunehmen, die sich über das Reich ergoß, ist die Lage der Staatskasse, mit Ausnahme von zwei oder drei Jahren schwindelnder und ge fährlicher Prosperität, während dieses ganzen Zeitraums eine so schwierige gewesen, daß man sich mitten im Frieden nur durch die Wiedereinführung einer Kriegssteuer vom National-Bankerott retten konnte. Man sah sich nicht allein gezwungen, der von Pitt projektirten Amortisation der StaaiSschulo zu entsagen, sondern diese sogar mittelst eines jährlichen Defizits, das zuletzt die Summe von 27 Mill. Thlrn. erreichte, um nicht weniger als 78 Mill. Thlr. zu vermehren! Während der letzten KriegSjahrc blühte und gedieh die Nation unter einer jährlichen Steuerlast von 490 Mill. Thlrn., die von einer achtzehn Millionen Seelen starken Bevölkerung entrichtet wurden; in de» letzten Jric- densjahren haben siebenundzwanzig Millionen Menschen kaum 340 Mill. Thlr. erschwingen können. Bei einer Ausfuhr von 300 — 380 Mill. Thlrn. war in der ersten Periode der Tagelohn hoch, die Arbeit gesucht und die Lage der gc- wcrbtreibenden Klaffen günstig; in der letzten Periode war bei einer Ausfuhr von 800 —SOO Mill. Thlrn. der Arbeitslohn in den meisten Industriezweigen niedrig, die Beschäftigung precair und der Nothstand allgemein. Man kann nicht behaupten, daß diese traurige Erscheinung durch einen Mangel an legislativer Sorgfalt entstanden ist. Im Gcgentheil hat man noch nie den Lehren der politischen Oekonomie so viele Aufmerksamkeit ge schenkt — noch nie hat man solchen Eifer bewiesen, gemeinnützige Maßregeln ") Luxlaus iu 1815 aus 1845, or a auküujuuL aus a voutractes Ourreuux. Nx ^rcliidals XU-ou (Bert, der auch n,s Deuischc übersetzten Geschichte EÜropa'S während der sranzösischen Revolution). Läiuburyb L l-ouSo«, 1845. ins Werk zu setzen. Das System des freien Handels ist, allen Anfeindungen zum Trotz, immer mehr (?) befolgt worden, und keine Enttäuschungen, keine Widerwärtigkeiten haben seine Anhänger entmuthigen können. Unterdessen nahmen die bedenklichsten Symptome in jeder Klasse der Gesellschaft überhand. Während der Hanpelsstand sich auf eine beispiellose Art bereicherte, gericthen die Bewohner des platten Landes allmälig in das tiefste Elend, und die Zeit schien nicht mehr fern, wo das nützliche Geschlecht der kleinen Land-Eigen- thümcr von der Erde verschwinden nnd der Grundbesitz sich ganz in den Händen einiger Magnaten und reich gewordenen Fabrikanten konzentriren würde. Während die Bevölkerung in den Manufaktur-Bezirken mit Riesen schritten zunahm, wuchs der Pauperismus in noch rascherem Verhältniß, und statistische Nachforschungen haben die Thatsache außer Frage gestellt, daß, so unglaublich es auch scheinen mag, in einem Zeitalter unerhörten Wohlstandes, im Schoße eines allgemeinen und dauerhaften Friedens, der siebente Theil des britischen Volks sich im Zustande völliger Entblößung befindet und nur mit Mühe durch die öffentliche Mildthätigkcit erhalten wird. So überraschend dieser Gegensatz auf den ersten Anblick erscheint, hat man sich doch allmälig so sehr daran gewöhnt, daß Viele eine solche Lage der Dinge für unvermeidlich halten. Sie betrachten dieselbe als die nothwen dige Folge eines vorgerückten Kuliurstandeo, gegen die man eben so wenig murren dürfe, wie gegen die Veränderlichkeit des Klima'S oder die Unfrucht barkeit des Bodens. Aber bei etwas näherer Ueberlcgung wird sich auch der oberflächlichste Beobachter von der Irrigkeit eines solchen Schlusses überzeugen können. ES ist falsch, baß öffentliche Wohlfahrt und geheimes Elend, allge meine Arnmth und individueller Rcichthum, äußerer Friede und innerer Zwist, politische Größe und häuslicher Verfall neben einander eristiren müssen und sich gegenseitig bedingen. Die Unvollkommenheit der menschlichen Natur ver wandelt zwar oft das Gute in eine Quelle deck Uebelck, wie daS Uebel selbst von der anderen Seite mitunter zu wohllhätigen Resultaten führt; aber die gegenwärtigen Zustände BritanienS deuten genugsam an, daß dieses Land an einer verborgenen Wunde leidet, die seine innere Wohlfahrt untergräbt und die Früchte seiner Industrie vergiftet. Wenn wir auch zugeben, daß die Ver derbtheit mit dem Reichthum und die Selbstsucht mit dem Glücke wächst, bleiben doch die Phänomene, die sich unö heutzutage darbicten, nicht weniger unerklärlich. Woher die Verarmung des Staatsschatzes, während die Hülfs- quellen der Nation sich mit so reißender Schnelligkeit vermehren? Woher die Nothwendigkeit, zu einer Kriegssteuer zu greifen, während der Friede nie geahnte Bercicherungsmütel entwickelt? Woher die Ihatsächliche Vernichtung des Tilgungsfonds und das erneuerte Anschwcllen der Staatsschuld, während die Geldkräfie der Nation sich alle zwanzig Jahre verdoppeln? Woher die langjährigen Leiden und die Dürftigkeit'unter den arbeitenden Klaffen, wäh- rend die Erzeugnisse ihres GcwerbfleißeS eine Höhe erreichen, die in der Welt- geschichte ohne Beispiel ist? Professor MalthuS und seine Anhänger erklären diese Widersprüche durch de» Umstand, daß die Bevölkerung schneller zunehme als die zu ihrem Unter, halt erforderliche Nahrung — daß erstere in geometrischer, letztere nur in arithmetischer Progression anwachsc, und daß sich daher täglich ein größeres Mißvcrhältniß zwischen beide» herauSstclle. Aber dieser Satz wird, gleich vielen anderen in der sogenannten politischen Oekonomie, durch die Thatsache widerlegt, daß die Kornpreisc nicht in die Höhe gchcm, sondern regelmäßig fallen, so daß sie vor den fünf schlechten Aerndten, die auf das Jahr 1836 folgten, bis zum Preis von 38 Sh. 4 P. das Quarter gesunken waren und, wie schon gesagt, die Durchschnitts-Einfuhr in den fünf Jahren 1830—38 sich auf 398,000 Quarier jährlich beschränkte. Einen weit größeren Einfluß hatte die mit Einführung der Goldvaluta verbundene Reduction des Um laufsmittels, die sehr unnöthigerweise ins Werk gesetzt wurde, als die Wiederaufnahme der Baarzahlungen durch die Bank von England in Folge der ParlamentS-Akte von 1819 stattfand. Diese Maßregel hat i» der That zu den verderblichsten Resultaten geführt. Seit den ältesten Zeiten hat man durch allgemeine Ucbcrcinkunft die kost baren Metalle angewendet, um für den Werth der im Welthandel, wie im täglichen Verkehr umgesetzten Gegenstände als Maßstab zu dienen. Drei Eigenschaften rechtfertigten diese Wahl: die Seltenheit jener Metalle, ihre dauerhafte Natur und die Leichtigkeit, mit der sie von Ort zu Ort transpor- tirt werden können. Mit dem WachSthum der Kultur und deck Handels machte sich aber bei den steigenden Bedürfnissen des Publikums die Unzuläng lichkeit der cirkulirenden Baarschaften fühlbar ; um diesem abzuhelsen und zu gleich den Transport größerer Summen zu erleichtern, fing man an, sich des