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Wöchentlich erscheinen b.tt Nummern. PränumerationS- Prcis 22j Sze. (, Thlr.i vierteljährlich, 3 Thaler für das ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für dir Man pränumerirk aus dieses Beiblatt der Allg.Pr. StaatS- Zeitunz in Berlin in der Expeditton (Mohren - Straße Nr. A4); in der Provinz so wie ini Auslände hei de« Wshlldbl. Post--Aemtern. Literatur des Auslandes. 6A Berlin, Freitag den 31. Mat 1833. Deutsche Literatur im Auslände. IHlles volantes. (Fliegende Blätter.) Erinnerungen an Deutschland, von X. Marmter. Nicht aus Frankreich kommen lins diese flüchtigen ErinncrungS- Blättcr eine« Franzose»; sie sind in Deutschland, zum größte» Theile in Berlin") entstanden, tragen Deutsche Ueberschrifte» und geben Zeug! nist von einer wahrhaft gcmüthvolle» Vorliebe für Deutsches Leben, Deutsche Kunst und Deutsches Wissen. Diese Vorliebe ist rS auch, die uns die an sich sehr anspruchslose Sammlung lyrischer Dedica- tioncn interessant macht; nicht als ob eine solche Vorliebe so selten oder uns etwas Neues wäre — im Gegentheil — eben weii wir sie in der letzten Zeit häufiger wabrgenommcn haben und sie daher als ein erfreuliches Zeichen fortgeschrittener gegenseitiger Achtung Fran zösischer und Deutscher Nationalität ansehen. Herr Marinier ist nicht der erste Franzose, der, in den letzten Jahren unter uns weilend, unsere Sille» und Einrichtungen liebge- wonncn und sie dann seinen Landsleuten mit voller Liebe geschildert bat. Er gehört auch nicht zu denjeuigen unserer überrheinjschcn Nachbarn, die Deutschland zu sehr lieben, d. h. so lieben, daß sie eS Französisch mache» möchten -, er gehört vielmehr zu denen, die, indem sie Deutschland seiner Eigenchiimlichkeiten halber schätzen, sich selber gleichsam zu Deutschen machen, wiewohl sie darum ihr eigenes Va tcrland nicht verläugncn und so jene Deutschen beschämen, die im Auslande den süßen Laut der Heimat zu deren eigener Herabwürdi gung mißbrauchen. Nur zu häufig wird in unserer Zeit der Samen der Zwietracht bier sowohl als dort ausgestreut; glücklicherweise tritt der Geist un seres Jahrhunderts, der Geist des Wissens und der Humanität neu- tralisirend und versöhnend dazwischen, und statt der Saat de? Bösen entkeimt oft dem durch tausendjährige Erfahrungen gedüngten Boden der reiche Baum der Erkenntniß, der künftigen Geschlechtern noch Schatten gebe» und Früchte tragen wird. Während Französische Parteiblälier auf Deutschland und die Deutschen schmahzeu, sammelte Victor Cousin mit philosophischem Blicke in unserem Vaterlandc das Material, das Guizot jetzt benutzt, um Licht und Warme, Aufklä rung lind Unterricht in Frankreich allgemeiner zu machen. Und so er lebt Deutschland eine schönere Genugihuung, als ihm die beredtesten Declamativnen der Presse oder der Tribüne batten verschaffen können. Nach Victor Coustn's Anwesenheit hatten wir Gelegenheit, noch mehrere andere Franzosen hier kennen zu lernen, die zu ähnlichen Zwecken hierher gekommen waren und dieselbe sreundlichc Anerken nung des Guten, die sie hier ausgesprochen, in ihrem Vaterlandc durch gründliche von jeder oberflächlichen Bewunderung freie Erwä gung des Für und Wider darlegten. Wir zählen darunter nament- lich auch Herrn E. Jourdain, dessen belehrende Artikel, Do l'ötst mnral ot intolleckuo! «j« la ?ru«so jetzt in der ftevu« lßuropöoune abgcdruckl sind, worin er auf die Wirkungen jenes SvstcmS hin weist, mit dessen innerem Zusammenhang zuerst Cousin seine Lands leute bekannt gemacht ba«. „Hier darf der Staat", sagt Herr Jour- daitl, ,,daS Licht, die Aufklärung nicht fürchten; er selbst ist ja der Hcerd, der Leiter derselben, und er verbreitet sie auch nach allen Seiten, so viel er vermag. Zeder kann sich das Maaß der seinem Stande nöthigen Kenntnisse leicht verschaffen. Der Arme selbst kann den Elementar - Unterricht gratis erlangen, und die Regierung wird aus diese Weise die Wohlthäterin der ärmeren Klaffen, die sic da durch noch besonder« an sich zu fesseln weiß." — Die Lehren der Art von Propaganda, zu der Herr Jourdain gehört, sind augenscheinlich wirksamer und von sichererem Erfolg als die jeder anderen, mit der einige Franzosen die Welt beglücken möchten. Auch Herr Marinier, den wir noch im vorigen Monat in Ber lin gesehen haben, bat bereit« einen Theil der Schuld, die er in Deutschland eingegangen zu sey» glaubt, in seinem Vaterlandc ab getragen. Bei dem Feucreiser, der den ungemein empfänglichen jungen Mann für alles Bessere in Deutschland beseelt, dürfte er ein wahrer Apostel Deutscher Bildung in Frankreich werben. Er macht einen förmlichen Kultus aus der Verehrung der großen Männer, die oder deren Spur er auf seiner Reise durch Deutschland a»gc- lroffcn hat, und wett» er mitunter auch Manche« für groß genom men, was uns, die wir der Sache näher sind, nicht so erscheint, sind wir doch gern geneigt, in dieser Ueberschätzung selbst einen Be- ') Wo sie auch (in der Haude- und Svenerschen Buchhandlung) Hec .ns gegeben worden weis mehr von der freundlichen Gesinnung des fremden Autors zu erkennen. Seine Schilderung Weimar s und des Hauses, in wel chem Goethe gewohnt und gewirkt, ist ein treffliches Genre-Bild, das sich schon im vorigen Jahrgänge der kevue Lermanigu« be fand. Seiner Niederländischen Darstellung des Leipziger McßlcbcnS haben wir bereit« bei einer früheren Gelegenheit erwähnt. DaS ge genwärtige Büchlein, dem Professor Friedrich von Raumer gewidmet, enthält Erinnerungen an Ludwig Lieck, Schinkel, Rauch, Mad. Crelinger, Cbamisso, Holtet und A.; einige sehr gelungene Ucber- sctzungcti Deutscher Gedichte (unter Anderem von Mignon'? Lied) und eigene lyrische Anklänge, die, ihrer ganzen Gefühls- und Aus- druckSwcisc nach, wahrhaft Deutsch zu nennen sind. Tieck ist unserem Franzosen der erste Repräsentant der jetzigen Deutschen Bildung. Und welcher Deutsche wird ihm darin wider sprechen wollen k Tieck, in den verschiedenartigsten Richtungen lite rarischer Thäligkeit sich bewegend, hat in allen die Spuren seines wahrhaft dichterischen Geistes zurückgclaffcn, und noch jetzt übt sich seine reiche Produktionskraft an Werken, dic nicht den vergängliche ren Theil seines Ruhme« bilden werden. Eine große Zähl seiner Freunde und Verehrer in Bersin, dem leider, wie cs scheint, von ihm fast vergessenen Geburtsorte des Dichter«, feiert heute, den öl. Mai, seinen sechzigsten Geburtstag, und wir glauben daher, diese» kleinen Artikel nicht paffender beschließen zu könne», als in dem wir eine« der an Tieck gerichteten Gcdichtc Mariniers hier übersetzen und damit auch unsererseits den, gefeierten Deutschen Dich ter einen schwachen Zoll der Verehrung darbringen. An Ludwig Tieck Nun ist'« entschieden, morgen, morgen geht e« fort, Leb wohl mein Gluck, an dem ich mich geweidet, Bon Ihm gekannt zu segn, mit Ihm an Einem Set Zu weilen, Ihn zu seh», von dem mein Herz nie scheidet Leb wohl, o Tieck! Der Kunst, di« für Dich steht, Den treuen Freunden magst Du. lang noch leben, Dem Vaterlande auch, das einst, wiewohl zu spät, Den Ruhm begreift, den ihm . ein Ruhm gegeben! Werd'ich D-ä-Wiedersehn? Ach ungewiss«- Glück! Der Ferne zieh ich zu, doch Du - Du kehrst zurück Mit goldnem Flugelschlaa in'« Reich der Geister. Von dort, wo würdig einst Dein Genius verweilt, Magst Du mir, wenn zu schwach mein Flug Dir nachzeeilt, Vom Himmel senden einen StrM, mein Meister! I. Lohmann. F r ankr e ich Die Französischen Coterie«. Ein Capriccio, von Vie-.: »et. (Schluß.) l Die literarischen Cotcriceii bestehen schon lange; sie waren schon im große» Jahrhundert bekannt. Aber die Racine, die Boileau'«, die Moiiörc gehörten nicht dazu. Corneille allein gehörte zu der erste», welche der Kardinal von Richelieu gegründet hatte, um sich das Scepter der Literatur anzuciguen; das der Politik genügte fei nem Ehrgeize nicht. Alles war für diesen großen Mann Mittel zur Regierung; er weicht darin sehr von denen ab, welche solche« nir gend« finde» und eben Alle« gehen lassen, wie c« dem Glück oder den Leidenschaften des Tages gefällt. Fünf Schriftsteller bildeten jenen literarischen Verein, oder vielmehr jene Werkstatt von Tragö dien und Komödien, denen der Kardinal-Minister seinen Namen ge ben wollte. Rvlrou, Collctct, L'Eloile der Jüngere und Bois Robert waren die Kameraden Corneille'?. Aber Rotroll war damals nur einer der mittelmäßigsten Dichter; er wurde erst zwanzig Jahre spä ter dcr Verfasser des VenceSlaS, und Corneille balle damals erst Mclitc und Clitandre geschrieben. Sobald er den Cid im Ge hirn gäbren suhlte, zog er sich von jener Gesellschaft zurück, welche seinem Genie eine ermüdende Dienstbarkeit auslegle, und der große Minister rächte diesen Abfall wie ei» kleiner Dichter. Die Scuderi schloß sich dcr ministeriellen Coleric au und machte sich zum Organ der Kabale, welche da« Meisterwerk verfolgte. Sie überlebte ihren berühmten Gründer, und Corneille batte sein ganze« Leben hindurch gegen.beleidige,idc Kritiken zu kämpfen. Andere Mittelmäßigkeiten lhaleu sich zusammen, nm Racine und Boileau anzugrciscn. Die mächtigste dieser Cotcricen versammelte sich im Hotel Rambouillet. Dort herrschten der Herzog von Ncvcr«,