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Verfall und die Ruinen" in seinen Tonbildern mitempfinden. In musikalischer Hinsicht ist es angebracht, sich die fest umrissenen Motive gerade dieses Werkes gut zu merken, weil bei spielsweise das Vysehrad-Motiv auch noch in anderen Teilen des Zyklus als Symbol für das tschechische Volk, seine alte Größe und seine vom Meister erhoffte, aber nicht mehr erlebte Erneuerung erscheint. uns aus unse- in die Gegen- „ D i e Moldau". Der zweite Teil des Zy klus „Mein Vaterland" gehört zu den volks tümlichsten Werken der musikalischen Welt literatur und wird sehr häufig auch selbständig ■kfgeführt. Galt der Inhalt von „Vysehrad" ^wiegend der Nationalgeschichte, so singt Smetana in der Tondichtung „Die Moldau" las Lied der schönen tschechischen Landschaft, pir folgen dem Lauf des Moldauflusses von seinen Quellen im Böhmerwalde bis zu seiner Einmündung in die Elbe. Mit einem gleichsam quirlenden und spritzenden Motiv malt der Komponist zu Anfang das hurtig zu Tal eilende Bächlein, aus dem nach und nach ein Fluß wird. Eine volksliedhafte Weise symbolisiert ihn, bis dann noch andere musikalische Bilder hinzutreten: Fanfaren kennzeichnen eine Jagd, die in den dichten Wäldern am Ufer des Stro mes stattfindet; der Rhythmus des tschechi schen Nationaltanzes Polka lenkt unsere Phantasie in ein Dorf, wo vielleicht eine fröh liche Hochzeit gefeiert wird; eine geheimnis voll stille Nachtmusik läßt Nixen aus dem mit ternächtlichen Strom emportauchen; leise Marschrhythmen mögen an die Ritter auf ih ren Burgen erinnern, zu deren Füßen die Mol dau dahinrauscht; Stromschnellen lassen das Wasser gischtig spritzen und sprudeln. Endlich kommt Prag in Sicht. Das uns bereits aus der ersten Tondichtung bekannte majestätische otiv des Vysehrad versinnbildlicht die Be- Ignung von Strom und Königsburg, bis chließlich die Moldau mit leisem Wellenschlag ich allmählich unseren Blicken entzieht und | der Ferne verschwindet. Doch zwei starke jchläge des Orchesters reißen ren Träumen und führen uns wart zurück. „Sarka". Als einzige der sechs Tondich tungen schildert der dritte Teil des Zyklus, „Sarka", ein ausgesprochen dramatisches Ge schehen, und es sei erwähnt, daß die Heldin des Werkes auch zur Titelfigur mehrerer Büh nenwerke tschechischer Künstler geworden ist, darunter einer Oper von Janäcek. In der sa genhaften Gestalt der Sarka, die mit der grie chischen Amazonenkönigin Penthesilea ver wandt zu sein scheint, lebt noch ein Anklang an die mütterrechtliche Gesellschaftsordnung alter Völker, deren Ablösung durch die Vor herrschaft der Männer in Sarka den Willen zur Rache am gesamten Männergeschlecht keimen läßt (Eine etwas veräußerlichte Erklä rung ihres grausigen Tuns ist die verschmäh te Liebe.) Eine kriegerische, wilde Musik cha rakterisiert zu Beginn der Tondichtung den stolzen, ungestümen Charakter der Sarka und ihres Amazonenheeres. Nur in kurzen Augen blicken treten gefühlsinnigere Wendungen auf. Verhaltene Marschrhythmen versinnbildli chen das unter Führung des Recken Ctirad her anrückende Heer der Männer. Sarka be schließt, es nicht in offener Feldschlacht, son dern durch List zu vernichten. Sie läßt sich von ihren Gefährtinnen an einen Baum fesseln, und Ctirad verfällt in der Tat ihrem vom Komponisten durch eine klagende Klarinetten melodie dargestellten Flehen um Hilfe. Er be freit sie, und eine von Smetana mit verschwen derischem Klangzauber ausgestattete innige Liebesszene deutet auf das Gelingen von Sarkas heimtückischem Plan. Die ahnungslo sen und trunken gemachten Mannen des Cti rad beginnen einen täppischen Tanz, bis sie in Schlaf versinken. In einem Anflug von wit zigem musikalischem Naturalismus läßt sie der Komponist in tiefen Tönen schnarchen, während Sarkas Horn ihre Gefährtinnen her beilockt. Sie verdrängt ein kurz aufwallendes Gefühl echter Liebe zu Ctirad, und im tosen den Sturm schildert das Orchester die Mord gier des Amazonenheeres, dem die Männer bis zum letzten zum Opfer fallen. „Aus Böhmens Hain und Flur". Die vierte der Tondichtungen gilt abermals der Natur des Landes, doch diese Schilderung soll, wie ihr Verlauf zeigt, keineswegs als ru higes Idyll empfunden werden. Während sich in der „Moldau" die Kontraste durch die wechselnden Landschaften und Stimmungen ergaben, tritt hier stärker ein kämpferisches Moment hervor. Es steht deutlich in Gegen satz zu den lyrischen und beschaulichen Epi soden. Ohne so bestimmte Hinweise, wie sie uns Smetana in der „Moldau" gab, hören wir dennoch das Rauschen des Waldes, das Wo gen der Felder und auch die Tänze und Lie der des Volkes heraus. Indem Smetana aber im Schlußteil der Tondichtung die fröhliche Polkamelodie mehrmals gewaltsam unterbre chen läßt, ehe sie sich voll entfalten kann, will er sicherlich mehr geben als nur „ein Ern tefest oder irgendein Dorffest", wie er gele gentlich sagte. Die Unterbrechungen deuten zweifellos auf die dunklen und bösen Kräfte hin, die zur Zeit der Entstehung des Zyklus der Entfaltung einer tschechischen Nationalkultur im Wege standen. Der Polkarhythmus verkör pert dagegen die gesunden, kämpferischen Kräfte des Volkes und gibt der Überzeugung des Meisters Ausdruck, daß sich sein Land eines Tages frei entfalten wird. „Tabor". Die beiden letzten Teile des Zy klus „Mein Vaterland" gehören inhaltlich und musikalisch zusammen. Sie zählen wiederum zum Typ der historisch-legendären Tondich tungen wie schon „Vysehrad" und „Sarka". Die sinfonische Dichtung „Tabor" trägt ihren Namen nach der südböhmischen Stadt Tabor, dem Sammelpunkt der als Taboriten bekannt gewordenen Gruppe der Hussiten. In einer Zeit der nationalen Sammlung erkannten Smetana und seine Freunde in dem tschechi schen Reformator und Volksführer Jan Hus und seinen Anhängern Vorläufer ihrer eigenen nationalen Freiheitsbewegung. Die von den Hussiten nach der Ermordung ihres Anführers auf dem Scheiterhaufen des Konzils zu Kon stanz im Jahre 1415 geführten sozialreligiösen Kriege erschienen den fortschrittlich revolutio nären Männern des 19. Jahrhunderts als Sinn bilder der eigenen Pflichten. Deshalb legte Smetana seiner Tondichtung „Tabor" bedeut sam den Hussitenchoral „Die ihr Gottes Kämpfer seid" zugrunde, weil dieser während der Hussitenkriege eine ähnliche Bedeutung hatte wie etwa hundert Jahre später die von Engels als „Marseillaise der Bauernkriege" bezeichnete Lutherweise „Eine feste Burg". Die ganze Tondichtung beruht auf einer sehr kunstvollen Verwendung der Melodie des Hussitenliedes oder seiner einzelnen Motive. Sie schildert weniger bestimmte Episoden je ner in Gestalt von Religionskriegen geführten politischen Auseinandersetzungen, als viel- VORANKÜNDIGUNG: Prof. Dr. Richard Petzoldt (i") Donnerstag, den 26. November 1981, 20.00 Uhr (AK/J) Freitag, den 27. November 1981, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Werke von Rachmaninow und Bruckner mehr allgemein die Zuversicht und Kampfent- schlossenheit des tschechischen Volkes. „Blanik". Unmittelbar an „Tabor" schließt sich der letzte Teil des Zyklus, „Blanik , an. Der Berg Blanik hat in der tschechischen Volkssage eine ähnliche Bedeutung wie in der deutschen der Kyffhäuser. In den Blanik haben sich nämlich nach ihrer Niederlage die hussitischen Kämpfer zurückgezogen, und dort schlafen sie bis zum Tage, da das Vaterland ihrer Hilfe bedarf und sie ruft. Der Kompo nist handelt deshalb folgerichtig, wenn er auch diese Tondichtung zum großen Teil aus dem musikalischen Material des Hussitenc^^ rals gestaltet. Aber hier sind die Kontra^® stärker und deutlicher. Ein zart lyrischer Hir tengesang löst die kämpferische Stimmuna des Anfangs ab. Er charakterisiert die St^^B der Natur am Abhang des Berges, der ein^m so kostbaren Schatz birgt, vielleicht auch das sehnsüchtige Rufen des Volkes nach der Hilfe durch die Kämpfer der alten Zeit. Denn als bald ertönt der Ruf des Hornes und, zunächst leise, dann immer stärker anschwellend, der Marschtritt der hussitischen Krieger. In kunst voller kompositorischer Verbindung, die jener anfangs erwähnten Forderung von Richard Strauss nach dem Einfalls- und Gestaltungs vermögen auch des Komponisten von Pro grammusik höchste Ehre macht, verquickt Be- dfich Smetana schließlich den Siegesmarsch der täboritischen Kämpfer, ihren hussitischen Choral und — als Symbol der tschechischen Nation — das stolze Hauptthema aus „Vyse hrad" zu einem erhabenen Klangbild. Sowohl in musikalischer Hinsicht als auch in ideeller Durchdringung faßt Smetana in dieser ab schließenden Tondichtung den Zyklus „Mein Vaterland" zu einem Bekenntnis zur nationa len Erneuerung des tschechischen Volkes und seines Landes großartig zusammen. Programmblätter der Dresdner Philharmonikei Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Spielzeit 1981/82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-43-81 EVP 0,25 M 1. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1981/82