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Nummer 142 — 28. Jahrgang Eeltieini emal wSchent!. mit den tUuyr. «rattSbetlagen .D>« W«ll' und piür untere NeMen Leute', lotvt« den rertbrllagen ,«t. «emio-BIatt». .Unterhaltung und Wissen'. .D>e «ei, der Uran', «erztltcher Ratgeier'. Da» gute Buch', .sssllmrund. »au». Monatlicher «r,u«»pret» 8 Mt. «Inschl. «eltevael». »itijelnummcr l« 4- Sonnabend- u. Konntagnummer itv 4. Haichtschrtstleller, Dr.«. Letzrzhk. Dresden. LüchMe Sonnabend, den 22. Juni 1S2S «erlagSor« , Dresden «azetgeuprette, Dt» i gelvaltene PetttzrU- »N 4 Familien, an,eigen ».Stellengesuche !«<»4 Die Pettttetlamezeit». S»mm breit. I 3». ffür »In,eigen -uherhal» de» Verbreitungsgebiete» 4<»4 dtePetttreName,eitel.»«»>t. «rtesgeb.»»^. Imstsalle höherer Gewalt erlisch« jede Verdsltchtung aus Liesentng sowie «krslillung v. »ln,eigen-«ultrSgen n. Leiltung d. Schadenersatz, «elchaslltcher LeU. Artur Len,. Dresden. ooltssenuna BelchäftSftrllr, Druck ».Vertag i »enuanta. «^G. sttr «erlag und Druckerei, Filiale Dresden, Dresden-«. I. tpolierslratzell. F,rrm,l2I0lS. Postschecklonto Dresden »703. Bantkonto Madtbant DrrSden Nr. »NI» Für christliche Politik und Kultur Sozialisten als Peers Der Ruf nach -er Räumung In Frankreich ... Paris, 21. Juni. Im ,,Pop»laire" fordert der sozialistische Abgeordnete Leon Blum die niwerzücfltche Rhcinlandräumung. Er schreibt: Wel chen Zweck können die NcrtMdlungen zwischen den Regierungen haben? Mit Verschlungen, Sanktionen und Kontrollen aufznwar- ten, ist doch überholt. Wie es sich nach der Fertigstellung des Dawes-Plancs in London einzig und allein um die Räumung des NuhrgebieteZ handelte, so handelt es sich seht um die Rheinland- rüumuiig. Es sei von Herzen zu wünschen, und zwar im Interesse Frankreichs, daß dieses unverzüglich den ersten Schritt zur Näumnng Ine, wenn cs ihn noch nicht getan l»abc. Da der Schritt doch getan werden müsse, möge Frankreich di« Eleganz besitzen, ihn von sich aus zu tun. Es würde so die ganze Ehre und den ganzen Gewinn dieses Vorgehens für sich in Anspruch nehmen können. Wenn die sranzösischen Minister dieses Einsehen besäße», würden die Ver handlungen nnler den Regierungen sich kaum in die Länge ziehen. Beim jetzigen Stande der Dinge die Räumung zu verschiebe», oder zu versuchen, ihr aus dem Wege zu gehe», wäre weder loyal, ja nicht einmal anständig. - « „Tcmps* schreibt in Besprechung der gestrigen Unter redung des Neichsausienministers Dr. Strcsemann mit Poincarü und Vriand, man siehe am Vorabend wichtiger Verhandlungen. Die Lage sei sehr kla<. Die in Genf im Dezeniber v I. angenom mene Entschließung gebe keinerlei Zweideutigkeiten Raum. Diese Entschließung beziehe sich ans drei Punkte, nämlich die vorzeitige Nheinlandräumung, die endgültige vollständige Regelung der Oie parationsfrage und die Schaffung eines Feststellung?- und Aus- gleichSausschusseS für die entmilitarisierte Rheinlandzone. Es sei verabredet worden, daß die Prüfung des erstgenannten Punktes den beiden andcren nachgeordnet werde. (?) Erst wenn der Sachver- stiindigenplan von den interessierten Regierungen endgültig ange- nomme» sei» werde, werde i»öglick»erweise die Rhcinlandräuniung anfgeworsen werde,, könne», da Deutschland alle Bedingungen des Vertrages erfüllt haben müsse, um auf die vorzeitige Räumung des Rheinlandcs Anspruch zu erheben, und da die vorzeitige Räumung, wenn sie grundsätzlich beschlossen sei, logischerweise von der Schaf fung des Festellungs- und Ausgleichsansschusses abhängig gemacht werden könne. Man werde doch zngeben, daß das Sicherheitspro blem für den Frieden Europas vom politischen Standpunkt nicht weniger bedeutungsvoll sei, als die finanzielle Regelung. Schließ» sich weist das Blatt darauf hin, daß die französische Regierung sich schon für den Donng-Plan ausgesprochen habe. ... und England London. 21, Juni. lieber die Politik Macdonalds in bezug auf die Rhcinlandfrage sagt das Arbeiterblatt „Daily Herald", das; die Arbeiterpartei zur möglichst baldigen Zurückziehung der britischen Truppen verpflichtet sei. Da aber gute Aussichten bestünden, das; innerhalb der nächsten Wochen die Zurück ziehung nicht nur der britischen, sondern auch der französischen und belgischen Truppen möglich sei, werde ein Aufschub von wenigen Wochen der Mühe wert sein, Washington, 21. Juni. In den Verhandlungen zwischen Macdonald und Dawes tritt die Frage der Sceabrüstnng gegenwärtig von den Er örterungen über den vorgesehenen Besuchdes britischen Premiers in Washington zurück. Gut informierte Kreise rechnen mit größter Bestimmtheit mit dem Eintreffen Maedonalds. Staatssekretär Stinson hatte mit dem britischen Botschafter Sir Esme Howard eine Unterredung betreffend die Londoner Reden, sie weigerten sich jedoch, dieselben zu Kom mentieren. Von unser in Londoner Vertreter Sybtl Thorndyke — universal an Gestaltungskraft und leuchtend an Beistand — spielte Major Barbara in Wyndham« Theater. Man beneidete Bernard Shaw um diese Künstlerin, aber man beneidete Sybil Thorndyke nicht um das Stück. All ihre Hingabe würde pure Verschwendung sein. Ueberschattet vom Geist der „Fabian Society", würde auch sie in dem großen Palaver Uber Armut, Heilsarmee und Kanonenfabrikation nur ein debattierendes Mundwerk sein. Indessen, Sybil Thorndyke gehört selbst zu den Mitgliedern der „Fabian Society", also würde sie zum mindesten bei der Sache sein. Das Palaver würde zum mindesten intim sein. Vielleicht war es besser, hinzugehen und sich nicht zu zieren. So kam ich zu dem erlesenen Vergnügen jenes Theater abends, an dem ich zuletzt Sidney und Veatrice Webb sah. Sie saßen in der Reihe vor mir, gerade so weit rechts, daß ich drei Stunden lang straflos den Widerschein von „Major Barbara" in ihren Mienen beobachten konnte. Da saßen sie, Weltantoritäten für das Studium der Armut, der Arbeiterbewegung und der Lokalverwaltung, Inbegriff der „Fabian Society" und Erfinder jenes unblutigen Sozialismus, für den sie außerdem noch den schönen Namen der „unvermeidlichen Allmählichkeit" erfunden haben. Zwei Siebzigjährige: Sidney mit dem Diogenesbart von undefinierbarer Farbe und dem Zwicker aus der hängenden Nase, mit all den unverdienten Attributen, die ihn als den fleischgewordenen Winter des Mißvergnügens erscheinen lassen,— Beatriee in der unzerstörbaren Rüstigkeit ihrer hageren Züge und ihrer großen dunklen Augen. Was ich hier beschreibe, verehrter Leser, ist ein hoch symbolisches Ereignis. Davon werde ich schon deswegen nicht abgehen, weil ich dabei war. Es ist symbolische Literatur geschichte. Ich gehe nicht so weit wie manche, die Bernard Shaw vorwersen, nur der Popularisator der Ideen Sidney und Veatrice Webbs gewesen zu sein. Aber daß ohne die Webbs in Shaws gesammelten Werken vieles anders wäre und daß „Major Barbara" darin fehlen würde, darüber läßt sich nicht streiten. Seit jenem Ereignis sind schon ein paar Monate verflossen. Damals hatte Sidney Webb sich gerade „endgültig" aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen und beschlossen, sich nicht wieder wählen zu lassen. Der undefinierbare Bart hatte, fern dem glattrasierten Unterhaus, wieder Daseinsberechtigung bekommen. Und nun hat er sich's doch anders überlegt, ist Minister für die Dominions im Kabinett MacDonald geworden und wird mit dem nächsten Schub ins Oberhaus befördert werden, um vor den Lords unhörbare Regierungserklärungen in seinen Vart zu murmelit. Es ist noch nicht sicher, wie die Dominions dabet fahren werden. Aber die Karikaturisten werden Sidney Webb auf alle Falle nicht verschonen, und sie werden nie verfehlen, dem Erfinder des Sozialismus der „unvermeidlichen Allmählich keit" das hermelingesiitterte Krönlein aufzusetzen, das die Peers des Reiches in der Karikatur auszeichnet. Er ist natürlich nicht der erste Sozialist im Oberhaus, jeden falls nicht der erste „Fabier". Nur liegt gerade in Sidney Webb etwas, an dessen Einzug ins Oberhaus man sich ausnahmsweise schwer gewöhnt. Akademisch ist nicht das richtige Wort dafür, der Universitätsmensch, der „Don", hat seinen vorgesehenen Plah in der englischen Politik. Es ist die trockene, statistische und mühselige Art von gelehrter Abseitigkeit, die hier nicht so recht in der saftigen und pittoresken Politik Englands aufgehen will. Es hat schon seine Gründe, wenn es uns vorkommt, als säße dt« Peerskrone in verdächtigem Winkel auf Sidney Webbs Gelehrtenstirn. Englands eigene „unvermeidliche Allmählichkeit" scheint einen Bruch zu erleiden. Braucht man nicht einmal mehr leicht verdaulich zu sein, um ins Oberhaus zu kommen? Und doch mißverstehen wir vielleicht England in diesem Falle, Denn Sidney Webb ist ein einflußreicher Mann und gehört in gewissem Sinne in das Oberhaus. Seine Gedanke» fuhren ein anonymes Eigendasein in der politischen Luft dieses alten Landes mit seinen diskreten Methoden der Selbst erneuerung, Sie beeinflussen seit lange» Jahren den Gang der gesetzgeberischen Maschine, ohne daß die Gesetzgeber sich dessen immer bewußt wären, geschweige, daß sie den Urheber in ihren Entwürfen zitierten. Ein englischer Kritiker hat entdeckt, daß im Namensregister zu Elie Halüoys Geschichte des nach-Gladstone- fchen Englands niemand mit so vielen Hinweisen aufgeführt ist wie Sidney Webb. Der französisch« Historiker, dessen Autorität hier allgemein anerkannt wird, ist nicht weit davon entfernt, ihn kür den einflußreichsten Mann Englands zu halten, und de« Ti« heutige Nummer enthält das St. Benno-Blatt, das Sonntagsblatt sür die Diözese Mciße». Poineare zum Boung-Plan Frankreichs Kriegsschulden Paris, 20. Juni. Ministerpräsident Poincarü hat gestern in mehr- ständigen Ausführungen vor den vereinigten Kanrmcraus- schüssen für Finanzen und ansivärtig« Angelegenheiten seinen Bericht über das S ch u lde n r eg e l u n g sab k o m m e n mit Amerika zu Ende geführt und sich auch bereits über die Entstehung des Schuldenregelungsabkommens mit Eng- la n d geäußert. Poincarü hat näheren Aufschluß gegeben über die von den französischen Unterhändlern unternommenen Be mühungen, von der Regierung der Vereinigten Staaten eine Sicherheitsklausel zu erholten, das heißt, die Möglich keit für Frankreich, die Schuldenzahlungen einzustellen, falls Deutschland seine Reparationszahlungen aussetzen sollte. Poin carü wies darauf hin. daß man auf den Widerstand der Vereinigten Staaten gestoßen sei, da diese sich stets geweigert hätten, als integrierenden Bestandteil des Schnl-den- regelungsabkonimens eine Schutz-Klausel in irgendeiner Form zuzulassen. Poincarü betonte, daß die Amerikaner bereit seien, 'der Zahlungsfähigkeit Frankreichs Rechnung zu tragen, so daß man eventuell in dieser Form von der bona sides Amerikas die Garantie erhalten könne, daß keine größeren Forderungen an Frankreich gestellt würden, als es selbst von Deutschland erhalte. Nach Poincorüs Darlegungen ist immerhin der amerika nische Glüubigeransprnch um 53 v. H. gegenüber der ursprüng lichen Forderung reduziert worden. Bei dieser Gelegenheit gab Poincarü bekannt, dos; auch schon die englische Regierung ihre Absicht angedeutet habe, eine gleich höhe Be,>rhlung zu fordern. Folglich würden nicht etiva nur 10 Milliarden Frank <400 Mil lionen Dollar) am 1. August von Frankreich flüssig gemach« werden müssen, sondern 20 Milliarden, wovon di« Halste an England gehen würde. — Poincarü hat aber Vorbehalte hin sichtlich dieser cnglisäien Forderung gemacht. Er will sich hierüber eingehender bei näherer Erörterung des Laillaux- Ehurchill-Abkommens äußern. Dann kam Poincarü wieder auf die Frage der Verbin dung der Kriegsschulden mit den Reparationen zu sprechen. Er legte dar. das; er 1S2Ü bei Uebernahme der Negierung keine Eile gehabt habe, dem französischen Parla ment die Ratifizierung der Schuldenregelungsabkommcn vorzn- schlagen, da er Klarheit über die Bedingungen gewinnen wollte, unter denen eine zwar nicht rechtliche, aber tatsächliche Verbindung zwiscl>en den Schulden und Reparationen lwr- gestellt werden könnte Die Ereignisse Hütten ihm Recht ge geben. Der Plan Uoung. ausgearbeltet mit Hilf« d«r ameri kanischen Sachverständigen, schasse von nun an die tatsächlich« Verbindung, dl« er, Poincarü. zwisclM dem von Frankreich an die Bereinigten Staaten und England zu leistenden Zah lungen und den Zahlungen, die Frankreich von Deutschland erhalten werde, herzustellen versucht habe. Diese tatsächliche Beibindung besiehe nicht nur in der völligen Uebereinsiimmnng zwischen dem bedingten Teil der Noungschen Annuitäten und den Annuitäten der Schulden regelungsabkommen von London und Washington, sondern auch in der Ubliereinstimmung der Moratoriums- und Traussec- bestimmungcn. Die deutsche Industrie zum Voung-Plan Berlin, 20. Juni. Präsidium und Vorstand des Reicksverbandcs der Deutschen Industrie sind in ihren von Herrn Gcheimrat Dc. Duisburg ge leiteten Sitzungen am 10. und 20. Juni »ach eingehender Aus sprache über das Ergebnis der Pariser Reparationsverl>a>idtungcn einstimmig zu folgender Stellungnahme gelangt: Der RcichSverband der Deutschen Industrie spricht de» Mit gliedern der deutschen Delegation für ihre im Interesse des deut schen Bottes geleistete Arbeit seine» Dank und seine Anerkennung aus. Er ist überzeugt, daß jeder der Sackcherständigen „ach bestem Wißen und Genüssen bestrebt gewesen ist, bas nach Lag« der Ver hältnisse günstigste Ergebnis sür die Zukunst des -denlschen Volkes zu erreichen und er versteht durchaus, daß Herr Dr. Vögler aus der wirtseliaftlichen Beurteilung der Lage sich zur Erklärung seines Rücktritts veranlaßt gesehen hat. Bezüglich der wirtschaftlichen Bedeut u n g des Moung-Ptanes steht der Reichsverband auf demselben Boden wie bei seiner Stellungnahme zu den Leistungen auf Grund des Dawes-Planes. Damals, im Jahre 1024, hat der Reichsverband erklärt, daß die auserlegien Lasten die Leistnngssähigkeit Deutsch lands erheblich übersteigen. Die Art und Weise der bisherigen Auf bringung der Tawes-Zahinngen gibt keinen Anlaß, diese Ansicht zu ändern. In Uebereinstimmung mit den deutschen Sachverstän digen ist der ReichSuerband der Ansicht, daß auch der Voung-Plan dem deutschen Volke sür eine lange Reihe von Fahren Lasten ausbürdet, d i e ü b e r d i e L e i st n n g s f ä h i g k e i t d e r d c u t - schen Wirtschaft hinauSgehen. Wie auö dem Pariser Gutachten hervorgeht, hat das Sach- verständigeu-Komitee sich wesentlich von politische,, Gesichtspunkte» leite» lasse». Aus diesem Grunde behältsich der RcichSverband seine endgültige Stellungnahme dis zur Entscheidung der berufenen politischen Instanzen über Annahme »der Ablehnung de« Planes vor. "