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Wochenblatt für für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden für die Königl. Amtshauptmannschast zu Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiundvierzigfier Bahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag AbonncmentspreiS vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet-10 Pf Inseratenannahme Montags u. Donnerstag« bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) AbvnnementSpreiS vierteljährlich t Mark. Eine einzelne Nummer kästet^» Pf. Mseratenannahme m.ntagS u. Donnerstags vi« Mittag 12 Uhr. Nr. 87. Dienstag, den 31. Oktober 1882. Aufruf. Am 9. dieses Monats wurden die Mühlengebäude Franz Richard Dhümer's in Höfgen nebst dem Mobiliar und der eingebrachten Erndte fast vollständig durch Feuer vernichtet. Der Besitzer ist hierdurch in eine überaus bedrängte Lage gerathen. Denn das verbrannte Mobiliar war nicht versichert, da die Gebäude zum Theil nur Strohdachung hatten und aus diesem Grunde die Versicherung nirgends angenommen worden war. Der Wieder aufbau der zerstörten Gebäude aber wird nach den billigsten Kostenanschlägen ca. 3000 Mk. mehr erfordern, als die ausgeworfene Schäden- vergütung beträgt; und es steht bei der bereits vorhandenen starken Belastung des Grundstücks nicht zu erhoffen, daß der Besitzer diese Summe gegen Hypothekbestellung dargeliehen erhält. Von sechs Kindern Thümer's sind drei blind geboren, von letzteren sind noch zwei am Leben, aber so schwach und eleny, daß sie 7 und beziehendlich 3 Jahre alt sich noch nicht allein aufrichten können. ES ergeht daher an edle Menschenfreunde die Bitte, durch Gewährung freiwilliger Gaben dem Calamitosen den Wiederaufbau seiner Mühle zu ermöglichen. Die unterzeichnete Königliche Amtshauptmannschaft ist zur Annahme solcher Gaben bereit und veranlaßt die Herren Gemeindevor stände ihres Bezirks, ebenfalls Gaben für pp. Thümer anzunehmen und recht bald anher abzuliefern. Meißen, am 27. October 1882. Königliche Amtshauptmannschaft. v. Bosse. Gestohlen wurden anher gelangter Anzeige zufolge am Abend des 26. v. M. aus einem Garten in Sacksdorf nachbezeichnete Gegen- stände, als: 1 fast neues Mannshemd A. R. 3. gezeichnet, 1 Frauenhemd E. H. 10, 1 neue blaue Frauenschürze mit gedruckter Kante E. H. gezeichnet, 1 weißer Unterrock mit Kante, 1 weißes Taschentuch A. R. 8. gezeichnet, sowie endlich em weiß und schwarzIgestreiftes wollenes Halstuch. Solches wird behufs Ermittelung des Diebes und Wiedererlangung des Gestohlenen andurch bekannt gemacht. Wilsdruff, den 26. October 1882. Der Königliche Amtsanwalt. Friedrich. Tagesgeschichte. Die Berliner „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: „Die in jüngster Zeit aus Sachsen kommenden Berichte konstatiren übereinstimmend einen höchst erfreulichen Aufschwung der wirtschaftlichen Ver hältnisse. Insbesondere in der Eisenindustrie und in der für Sachsen so überaus wichtigen Weberei aller Branchen hat ein ganz erheblicher Fortschritt sich fühlbar gemacht. Die zahlreichen, in der Weberei ihren Unterhalt findenden Arbeiter haben zur Zeit wieder vollauf Be schäftigung, wenn auch noch hier und da eine Steigerung der Löhne dringend herbeigewünscht wird. Auf das Bewußtsein der Arbeiter von der steigenden Prosperität der Webereiindustrie war auch die seitens der Weber und Tuchmacher im Voigtlande unternommene Arbeitsein stellung begründet; auch ist dieser Strike durch Erfüllung der berech tigten Forderungen der Arbeiter seitens der Fabrikherren unter um sichtiger Mitwirkung der Fabrikinspektoren bereits beendigt worden. Ein befriedigender Abschluß der in Krimmitschau unternommenen Ar beitseinstellung steht ebenfalls auf dem Wege gütlicher Einigung in Aussicht. Der Fortschritt der Geschäftslage der Eisenindustrie ist namentlich in Chemnitz wahrnehmbar, wo alle Fabriken mit Auf trägen reichlich versehen sind und Verdienste abwerfen, wie dieselben seit Jahren nicht mehr vorgekommen sind. Eine Bestätigung des be deutenden Aufschwungs der sächsischen Eisen- und Webereiindustrie er- giebt sich ferner aus den hohen Dividenden, welche die auf Actien ge gründeten Fabriken ihren Actionären gewähren. Das Resultat sämmtlicher 433 Wahlen zum preußischen Landtage liegt nunmehr vollständig vor, sodaß das Parteiverhältniß mit einiger Sicherheit sich feststellen läßt. Der „N. A. Z." zufolge sind gewählt: 136 Konservative (gegen 113 im letzten Landtage), 100 Ultramontane (99), 68 Nationalliberale (87), 51 Freikonservative (54), 38 Fort schrittler (39), 20 Sezessionisten (20), 18 Polen (19), 2 Dänen (2). Den stärkste» Besitzstand haben aufzuweisen: die Konservativen in Pommern (von 26 Wahlen 23), in Brandenburg (von 45 Wahlen 27), und in Ostpreußen (von 32 Wahlen 21), die Nationalliberalen in Hannover (von 36 Wahlen 27), die Ultramontancn in der Rhein provinz (von 62 Wahlen 44), die Freikonservativen in der Provinz Sachsen (von 43 Wahlen 18). Letztere sind in sümmtlichen 13 Pro vinzen vertreten, ebenso die Konservativen und Fortschrittler, jedoch beide mit Ausnahme der Provinz Hannover, wo beide keine Stimmen erhielten. Auf den lauten Jubelruf des fortschrittlichen „Berl. Tgbl." am 19. d. M. nach der Wahlmännerwahl zum preußischen Landtage folgt schon am 27. d. nach der Wahl der Abgeordneten ein Schmerzensschrei, indem es am Beginn eines längeren Leitartikels ausruft: „Die Schlacht ist verloren! Mit ungebeugtem Muth stehen wir vor einem Wahlergebniß, das den Hoffnungen und Wünschen nicht entspricht, welche der Liberalismus, angesichts der Erfolge, die ihm das allgemeine Stimmrecht im Reich nicht vorenthielt, nun auch in Preußen von der Dreiklassenwahl erwartet hatte. Ferne sei es von uns, auch nur mit einem Worte die Niederlage zu beschönigen, welche das freisinnige Preußen gestern über sich ergehen lassen mußte. Wirsindgeschlagen! Dies sei eine Lehre für Alle, deren Herz noch bewegt wird von den Idealen freiheitlicher Gesinnung. Wir sind geschlagen! Dies sei eine Mahnung für Alle, die lässig und träge gewesen, da es galt, die höchsten Güter des Staatsbürgers vorm freiheitfeindlichen Ansturm zu beschirmen. Wir sind geschlagen! Dies sei eine Warnung für alle Zukunft, auf daß Keiner es mehr versäume, die volle Bürgerpflicht mit Ernst und Eifer auf sich zu nehmen. Denn die herrlichen Gaben der Freiheit kommen nimmer im Schlaf — sie wollen erworben und emsig errungen sein u. s. w." Berlin, 28. Oktober. Nachdem die Wahlen erledigt sind, be schäftigt man sich wieder mit den Aufgaben, welche der Reichstag und der Landtag zu lösen haben werden. Die Etats für den Landtag sind bis auf den umfangreichen Eisenbahuetat fast alle fertiggestellt, auch die Etats für den Reichstag rücken ihrem Abschluß entgegen. Der Etat für den preußischen Staat pro 1883/84 wird gutem Äernehmen nach mit einem Defizit von etwa 30 bis 40 Millionen (?) abschließen, welches hauptsächlich durch die in Aussicht genommene Erhöhung der Beamteugehälter bewirkt worden sein soll. Der Etat wird unter diesen Umständen voraussichtlich zu lebhaften Debatten Veranlassung geben. Im Uebrigen sind die Nachrichten betreffend die Vorlagen für das Abgeordnetenhaus ziemlich lückenhaft und ungenau, insbesondere liegt noch keine Bestätigung vor, daß der Finanzminister den Entwurf über die Aufhebung der vier untersten Stufen der Klassensteuer vollendet habe, von welcher bekanntlich 4 Monatsraten dauernd erlassen sind. Die Berliner Korrespondenz der hochoffiziösen WienerMontags- revue besagt, die Richtung, welche Fürst Bismarck in der neuen Le gislaturperiode des preußischen Landtags einschlagen werde, dürfte wieder stark durch kirchenpolitische Streitfragen bestimmt werden, da das Centrum das Zünglein der parlamentarischen Waage geblieben und Windthorst die Regierung nur unterstützen wird, solange dieselbe bei ihrer Friedenspolitik bleibt. Der Kanzler wird, wie bisher, dila torisch verfahren und nicht geneigt sein, eine Unterstützung des Cen trums durch größere Zugeständnisse zu erkaufen, als er muß und ohne Schaden thun kann. Für das, was ihm vor allem am Herzen liegt, gewinnt er sich die Gunst und die Stimmen der Klerikalen doch schwer lich. Die Signatur der bevorstehenden Session, die wahrscheinlich am 14. November eröffnet wird, dürfte demnach wohl nur eine Fortsetzung der lavirenden Politik der vergangenen Periode werden. Auf Antrag des Schulrathes Dr. Bertram hat der Berliner Magistrat beschlossen, eine Subkommission einzusetzen, welche sich mit der Frage beschäftigen soll, in welcher Weise die Stadt Berlin den 400jährigen Geburtstag Luther's am 10. November 1883 würdig feiern soll. Es ist babei zunächst eine Schulfeier in Aussicht genommen, außerdem sollen indeß noch andere Veranstaltungen getroffen werden. Der Magistrat ist Patron vieler evangelischer Kirchen und nimmt davon Veranlassung zur Vorbereitung einer Feier des bezeichneten Gedenktages. Vom 17. bis 20. ds. hat zu Brüssel die internationale Schieds gerichts- und Friedenskonferenz getagt und nach Erwählung eines internationalen Komitss ihre Arbeit geschlossen. Zur vierten Sitzung war zu guter Letzt auch Dr. Lasker aus Berlin eingetroffen. Es wurde ihm der Vorsitz übertragen und minutenlanger Beifall folgte seiner Ansprache. Ich bin hierher gekommen, um der Meinung ent gegenzutreten, daß Deutschland eine kriegerische Nation sei. Deutsch land ist nicht chauvinistisch, wir sind ein friedliebendes Volk, sind ein Volk des Friedens trotz der schweren Rüstung, die wir tragen. Wir sind Freunde des Friedens, weil wir wissen, was die Kriegsbereitschaft kostet und welche Uebel der Krieg im Gefolge hat. Deutschland, das liberale Deutschland will, daß an die Stelle der Gewalt das Recht trete. So sind wir ernsthaft friedliebend auf Grund der Erfahrungen, die wir gemacht haben, und im Geiste der Humanität. Unser Streben ist es, die Differenzen zmischen den Nationen im Wege des schiedsge richtlichen Vergleiches zu schließen. Und wird erst das Schiedsgericht