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UM- Zweites Blatt. -MU WockcMaU für Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementSprei» vierteljährlich 1 Marl Eine einzelne Nummer kostet^» Pf Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Marl. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. fiir die König!. Amtshauptmanuschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Zweiun-vierzigfte» Jahrgang. Nr. 42. Zum Pfingstfeste 1882. Motto: Was zagst Du, Herz, in solchen Tagen, Wo selbst die Dornen Rosen tragen? Wenn unter dem warmen, belebenden Hauche des Frühlings auch der letzte Rest von Schnee und Eis, den der Winter noch zurückgelassen hatte, dahingeschwunden ist, wenn die munteren Bächlein, befreit von der hemmenden Krystalldecke, leise rauschend und murmelnd dahinfließen durch grüne Wiesen und blumige Auen, wenn das erste, frische Grün Bäume und Sträucher bekleidet, die Boten des Lenzes, die flinken Schwalben, anmuthige Bogenlinien in den Lüften ziehen, und hoch zum blauen Aether empor die Lerche steigt, frohe Dankeshymnen dem Herrn der Schöpfung darbringend, wenn Pfingsten, das holde Fest des Frühlings, erschienen ist, wer vermöchte da theilnahmlos und un gerührt zu bleiben, wer vermöchte es, in dumpfer Klause zu verweilen, statt hinauszugehen und an der Brnst der Allmutter Natur Vergessen heit zu trinken für alles Leid nnd der Freude reinste zu schöpfen aus ihrem unvergänglichen Born? Empfindet doch selbst das zarte, un mündige Kind der ersten Frühlingstage Wonne und auch den Greis im Silberhaar, das alte Mütterchen am Stabe treibt es noch hinaus, der wärmeren Sonne, der erwachenden Natur sich zu freuen und der Zeiten zu gedenken, wo sie mit der Jugend frohen Genossen sich herum tummelten in munteren Spielen, noch unbekannt mit der Mühe und Arbeit, den Sorgen und Kümmernissen, den dunklen Stunden, die des Lebens steter Wechsel mit sich bringt, und die so Manchem die Freude an der Natur nicht allein, sondern die Freude, den Genuß an Allem und auch die Fähigkeit des Genießens geraubt haben. Tief sind sie zu beklagen, die es verlernt Haven, fröhlich zu sein mit den Fröhlichen, die, abgeschlossen von ihren Mitmenschen, abgeschlossen von der Natur, nicht ihre Fenster öffnen mögen dem leisen Wehen süßer Frühlings lüfte, für die vergebens vom blauen Himmel die Sonne lacht, vergebens die Blumen sprießen in Wald und Wiese, in Feld und Flur^ ver gebens der Vöglein muntere Lieder erschallen. Tief sind sie zu be klagen, denn der Freuden reinste und beste, sie kennen sie nicht. Allen unseren irdischen Freuden fast haften zwei Mängel an: Wo der eine Theil der Menschen sich freut, muß der andere entbehren und nur selten können wir eine Freude wiederholt voll und ganz ge nießen, ohne daß eine Ueberfättigung, ein Ueberdruß, ein Ekel ihr folge. Anders die Pfingstfreude an der Natur. Den Becher dieses Genusses können wir bis zur Neige leeren, ohne daß auch nur ein einziger bitterer Tropfen in ihm erhalten wäre, und die Tafel, auf welcher er steht, ist für Reich und Arm, für vornehm und Gering ge deckt. Nicht freundlicher lachen Sonne und Himmel, nicht lieblicher duften der Blumen Kelche, nicht kunstvoller singen die Vögelein dem Großen der Welt als dem, der ein bescheidenes Loos gezogen hat. Wohl aber steht der einfache Geist der Natur näher, ist ihr inniger verwandt, weiß eher die Lehren zu benützen, die sie ihm giebt. Denn auch Lehren, ernste Lehren, ertheilt uns das heitere Früh lingsfest. Nicht hinauseilen sollen wir, flüchtig uns des Augenblickes zu freuen und bald seiner zu vergessen, nachdem wir wieder eingetreten sind in unser tägliches Thun und Treiben, sondern gleichsam ein läu terndes Bad soll uns der Festgenuß sein, ein Bad, in dem wir ab streifen die Wirkungen enttäuschter Hoffnungen, von uns werfen all ben finsteren Mißmuth, der unsere Sinne gefangen hielt, der uns Alles, was uns umgab, von der dunkelsten Seite sehen ließ, der uns hinderte, all des Guten und Schönen, was das Leben uns bietet, uns zu erfreuen. Wohl hat das Leben der Täuschungen viele, doch auch des Guten bietet es nicht wenig und der gefährlichste Feind unseres Glückes ist jener Mißmuth, der uns unsere Freuden raubt. Hinweg mrt ihm, nicht für die heitere Feier des Tages allein, nein, auch für die Tage und Monate, die ihm folgen, nicht für die Feierstunden allein, nein, auch für die der Arbeit, nicht nur für die der gewöhnlichen Arbeit, nein, auch für die der Arbeit zum Wohle unseres Vaterlandes, für die auf dem Gebiete der Politik. Sicherlich ist in unserem Vaterlande noch gar Vieles nicht so, wie es fein sollte. Aber ein so gewaltiges Werk wie es das neuge schaffene Deutsche Reich ist, kann nicht, wie die Minerva, nach der griechischen Sage, geharnischt aus dem Haupt des Jupiter hervorsprang, ebenso vollendet im Augenblick entstehen. Wohl ist die äußere Form entstanden, doch zu dem inneren Ausbau bedarf es einer jahrelangen stetigen organischen Entwickelung. Doch ist dies ein Grund zum Mißmuth? Nein, zu verdoppelter Thätigkeit. Und wahrlich, ein solcher Mißmuth entbehrte der inneren Berechtigung. Großes haben wir erreicht. Von allen Seiten geachtet, steht das Deutsche Reich da, vor nicht gar langer Zeit noch der ohnmächtige Spielball anderer Nationen, heute in allen wichtigen Angelegenheiten Europa's den Aus- schlag gebend, den Frieden bewahrend. Was unsere Väter kaum in ihren kühnsten Träumen zu hoffen wagten, heute ist es zur Thatsache geworden. Aber dabei dürfen wir nicht vergessen, daß die anderen Mächte neidisch auf das so wundersam erstarkte Deutschland schauen. Wohl ist es war, daß der politische Horizont ungetrübt ist, daß kein Feind Deutschlands Grenzen zu bedrohen wagt, aber wer bürgt uns 1882. dafür, daß es so bleibe? Nur zu leichterwächst im politischen Leben das kleinste Wölkchen zum Unheil bringenden Unwetter an und wehe dann dem Haus, daß nicht auch im Innern festgefügt ist! Und wenn auch kein Zweifel daran sein kann, daß im Augenblick der Gefahr Alle, die jetzt getrennt scheinen, fest zusammenstehen würden im Kampfe für die heiligsten Güter, für Kaiser und Reich, so ist immer noch eines anderen Umstandes zu gedenken. „Wenn den Frieden Du willst, so sei zum Kriege gerüstet!" sagt der römische Weise, und gerade deshalb, weil der innere Ausbau unseres neuerstandenen Reiches auch der Lücken so viele zeigt, könnte der Feinde Einer die Hoffnung schöpfen, ein leichtes Spiel mit uns zu haben. Darum zum Werk mit voller Kraft! Großes haben wir erreicht, und noch Größeres werden wir erreichen, wenn wir heute, am frohen Pfingstfest, für immer jenen finstern Mißmnth von uns streifen, der uns nicht allein unsern Frieden raubt, sondern uns verführen möchte, abseits zu stehen, nicht mitzuhelfen an dem edlen Werke des inner» Ausbaues des Vaterlandes, wenn wir gern und freudig thun, was an uns ist, nm dieses Werk zu fördern und stets eingedenk sind der Worte des Dichters: „An's Vaterland, an's theure schließ' Dich an, Das halte fest mit Deinem ganzen Herzen!" Line Mngstbowle und ihre Folgen. Jeremias Knackwurst hieß er, und das war sein Unglück. Denn da er von gar nicht üblem Aussehen, mit einem Gehalt von 3000 Mark als Oberlehrer an dem städtischen Gymnasium fest angestellt und auch sonst war, was man einen „netten Kerl" nennt, so war gar nicht einzufehen, warum er nicht schon längst in den heiligen Ehestand getreten war. Nur sein Name war daran schuld. Da war zum Beispiel die Tochter des Bürgermeisters Schönthal, ein junges Mädchen von recht gewinnender äußerer Erscheinung. Aller dings war sie nicht besonders geistreich; allein die geistreichen Frauen waren unserem guten Oberlehrer noch von der Zeit her verhaßt, wo er als Student in Berlin ästhetische Thees besucht hatte, bei denen ungeheuer viel Geist aufgeboten wurde, während der Körper sich mit einer Tasse entsetzlich schwachen Thees und einigen Butterbroten be gnügen mußte, die so dünn geschnitten und geschmiert waren, daß man den Mond Hindurchscheinen sehen konnte. Aberkannte er ihrzumuthen, den wohklingenden Namen Schönthal gegen die entsetzliche Knackwurst einzutanschen? Eine solche Zumuthung erschien ihm als eine Verwegen heit, deren sich ein wohlgesinnter Oberlehrer niemals schuldig machen durfte. Besonders nicht, nachdem er einmal eine traurige Erfahrung gemacht hatte. Er hatte sich etwas auffallend um die Gunst des Fräulein Käth- chen Dounsdorf beworben, die ebenfalls von recht angenehmer äußerer Erscheinung war. Und dieses hübsche Bild war in einen schweren, goldenen Rahmen gefaßt, daß heißt, das blonde Käthchen bekam, wenn sie sich verheirathele, eine Mitgift von baaren 60 000 Mark. Aber einst auf einem Balle, nachdem er viel mit ihr getanzt hatte, hatte er sich hinter ihren Stuhl gestellt, ohne daß sie das sogleich bemerkt hätte. Und da war er unfreiwilliger Zeuge eines Gesprächs zwischen ihr und ihrer Busenfreundin Martha Allen geworden. Letztere hatte das blonde Käthchen mit ihrer Eroberung geneckt und sie gefragt, ob sie wohl Lust hätte, Frau Oberlehrer zu werden. Da hatte das blonde Käthchen einen Augenblick nachdenklich vor sich hiugefehen und dann geantwortet: „Weißt Du, Martha, er ist ein recht netter Mensch und ich glaube auch, daß ich ganz gut mit ihm auskommen würde, aber Frau Knackwurst heißen? Nein, der Gedanke ist mir ganz unaus stehlich! Niemals!" Tiefbetrübt hatte Jeremias Knackwurst sich weg geschlichen und ach, vergeblich! seinen Zorn gegen seinen Namen, gegen feinen Vater, gegen den ersten Ahnen des Geschlechts der Knackwürste in perlendem Rheinwein zu ertränken gesucht. Aehnliches fürchtete er seitdem immer wieder und war so vierunddreißig Jahre alt geworden, ohne den Muth gefunden zu haben, einer jungen Dame Herz und Hand zugleich mit dem fatalen Namen Knackwurst anzubieten. Mit großem Eifer hatte er sodann geforscht, ob nicht noch ein Mann namens Knackwurst in der Welt existire. „Denn," kalkulirte er sehr richtig, ,,wenn ich noch eine Knackwurst entdecke, der eine hei- rathsfähige Tochter hat, so bekommt diese, wenn sie mich heirathet, zwar keinen schöneren Namen, aber auch keinen schlechteren, als sie schon hat. Die Sache läßt sich vielleicht machen." Die Sache ließ sich aber nicht machen, denn trotz aller Mühe hatte er keinen zweiten Knackwurst entdecken können und es schien, als ob dieses edle Geschlecht mit ihm aussterben solle. Besonders am Vorabend des Pfingstfestes war er in verzweifelt übler Laune gewesen. Zum Abendbrot hatte seine Hauswirthin, der zugleich die Sorge für das leibliche Wohl des Oberlehrers anvertraut war, ihm eine appetitlich duftende, frische Knackwurst vorgesetzt. Sie hatte es recht gut gemeint; aber Jeremias empfand das wie einen bitteren Hohn. Verdrießlich war er abends in den Gasthof zur Sonne, Freitag, den 26. Mai