Volltext Seite (XML)
Wh»nö«u«sade Feeitav, 7. März 1930 Drahtmitchrlst: Nackirichl^, Dresden gcrnwrecher-Sammclnuminer: LdL«l Nur jür Na-iitgelpräKe Nr. »voll Schrilllellung u. Hauv>nel<liSI>«stc»e: Dresden - A. t, Martenstrabc S»/t2 »e,ua»aebühr vom 1. bl« IS. Mllr, isso bei lilglt» »weimaUger ZusteNun« frei v<m« l.7v MI. Postbe,ug«pret« lür Monat Mit-, s.«0 MI. rtntcht. s« Pig. Postgebühr (ohne Post,usteUungi>gebübr>. «Anzelnummer to Ptg. «n,etgenp,e,te! Die An,eigen werden nach Goldmarl berechnet: tue ein- Wollige »o mm breite Zeile llü P,g.. iür auiwäri» «o Psg. gamiiienan,eigen und Sleliengeiuche ohne Rabatt ld Psg.. austerhalb ss Pig., die »o mm breite Reklame,eile so» Big., austerhalb Sb« Pfg. Oilertengebübr l!0 Pig. Auswärtige AuitrLge gegen l8oranSbc,ablung Druck u. Berlag! Liepich » Reichardi, Dresden. Posticheck stio. lass Dresden Nachdruck nur m> ' «.Quellenangabe (Dresdn. Nachr. g. Unverlangte CchrMstticke werdtii nicht autbewabrt Schacht tritt r«M Eine Entfchei-unv -eS nationalen Gewissens vrai»tn»«Ickung nnsoror verllner Svdrlltloltnng Berlin, 7. Mär,. Reichobankpräsident Dr. Schacht gab heute kurz nach S Uhr in Verfolg der Tagung des Zcn- tralausschusseS der Neichöbank bekannt, das« er von seinem Posten abzutretcn beabsichtige. Als Begründung dieser aus- schencrregcnden Ankündigung erklärt Dr. Schacht, dast er cs angesichts des Verlauss der zweiten Haager Konferenz und der Abfassung des Haager Schlußprotokolls nicht verant worten könnte, weiterhin Präsident der Deut schen Rcichsbank zn sein. Die Nachricht, die bald auch in den Wandelhallen des Reichstages bekannt war, ries die allergröst tc Sensation hervor. Man vermntct. dast Dr. Schacht mit diesem Schritt noch eine massgebliche Einwirkung ans den Bcrlaus der zweiten und dritten Lesung der Aounggeseste be st, sichtigt. Wenn dicö richtig ist, dürsten cs sich die zahlreichen Parteien im Reichstag doch noch einmal überlegen, ob sie nicht noch in lestter Stunde ihre Stellungnahme gegenüber dem Aonngplan revidiere» wollen. Die Trennung der Meinungen in der Deutschen BolkSpartei, die sich ans das Polenabkommcn erstreckt und die heute bereits eine kleine Sensation im Reichs tag hervorrief, ist ei» Symptom dafür» wie gespannt auch hin sichtlich der anstcnpolitischen Fragen die Lage beurteilt wer den must. Dr. Schacht wird noch so lange im Amte bleiben, bis sei» Nachfolger ernannt ist. Lieber die Dienstbezüse des Reichsbankbirektoriums Neichsbankpräsident Tr. Schacht machte in der Sitzung des' Zentralausschnsses der Reichsdank noch folgende Mitteilung: Bon Zeit ni Zeit gehe» völlig g„s der Lust gegriffene Nach richten über die angebliche Hohe der Dienstbezüge und über Abfindungen des Präsidenten und der Mitglieder des Reichs- bankdirekloriums durch die Presse, die neuerdings sogar zu A »fragen im Parlament geführt haben. Es war bisher nicht üblich. Einzelheiten privater Anstellungs vertrage zum Gegenstand vjsentlicher Erörterungen zu machen: das Reichsbanldirektvrium hat jedoch in vertraulichen Besprechungen in den Ausschüssen des Reichsrates die genaueren Ziffern aller Tienstbezüge des Präsi- denlen und der Mitglieder des Reichsbankdirektoriums ge nannt und wünscht hier öffentlich zu erklären, dast die in der Presse genannten Ziffern mastlos übertrieben sind. Entsprechend den Bestimmungen des Bankgesctzes werden die dienstlichen Bezüge für Präsident und Mitglieder des Reichsbankdirektoriums v o m G c n c r a l r a t der Reichs bank festgesetzt, der für sich das Vertrauen beanspruche» kann, dast er dabei nach angemessenen Maststäben verjährt. Abfindungen beim Ausscheiden aus dem Dienst werden weder an den Präsidenten noch an die Mitglieder gezahlt. Für die Tätigkeit des Präsidenten und der Mitglieder des Neichöbankdirektvriums bei der Gvlddiskvntbank werden Ver gütungen oder Entschädigungen irgendwelcher Art nicht ge währt. Bokkspartei und Polenvertrag »eine einheitliche Stimmenabgabe der Fraktion vrakltruolckuug uusvror LorUuvr Lokriktlviluug Berlin, 7. März. I« Verlaufe ber heutigen Fort setzung der Aoungdebatte im Reichstag ergab sich eine nicht uninteressante Lage. Der Abgeordnete v. Rheinbaben gab über den Polenoertrag zunächst in seiner Eigenschaft als Ermäßiguns -es Reichsbank-iskonts Berlin, 7. März. Die Neichsbank hat mit Wirkung vom 8. März den Wechseldiskont von l> aus ös-L Prozent und den Lombardzinösust von 7 auf Prozent herabgesetzt. sNähcrrs siehe im Handelsteils von den Ausschüssen bestellter Berichterstatter eine längere Erklärung ab und ergriff dann das Wort auch i» seiner Eigenschaft als Abgeordneter. Er begann mit dem Hinweis, dast die volksparteiliche Neichstagösraktion ihre Stimmen znm Polcnvertrag nicht einheitlich abgeben werde. Ein Teil seiner Freunde werde mit Nein stimmen, da er sich nicht von der Wichtigkeit und Notwendigkeit des PolenabkommcnS habe überzeugen lassen. Nheinbabcn selbst bekannte sich zn dem Abkommen nnd sprach dann für die oolksparteilichen Ia-Sager. Fm Anschlust daran begründete Abgeordneter Tauch sDVP.s die Stellungnahme des nein sagenden Teiles der Fraktion. Dieser etwas ungewöhnliche Vorgang wurde in den Wandclgängcn des Reichstages lebhaft besprochen. Der Abg. Tauch, der im bewusttenGegcusatz zum Abg. von Rhciudabcn gesprochen hat, unterstrich besonders, dast er als Redner der Fraktion das Wort ergriff nnd seine Ausführungen stellten iu wesentlichen Teilen eine herbeSritik am Aoungplau dar. SnbtMM Anfragen »er DentMatleaalen Entschließungen znm Aoungvlan un» Polenabkomnien vralltmelüung uusvror vorllnor Sckriktloituug Berlin, 7. März. Die dcutschnalivnale Rcichstagssraktio» hak de» ganzen Vormittag über getagt und zur zweiten Be ratung der Äonnggesetzc eine Reihe von Anträgen und Ent schließungen eingcbracht, die von grvstcr Bedeutung sind. Zn- iiüchst wird beantragt, festzustelle», dast die Aounggcsctzc einer vcrsassnngsändcrnden Zweidrittel mehrheit bedürfen. Dann soll die RcichSregterung mit eingehender Begründung darüber Aufschlust geben, ob sic die Zahlungen des Pariser Planes für dauernd durchführbar hält und durch eine aus drückliche Erklärung das Recht Deutschlands Vorbehalten, Revision des Planes mit dem Ziele der Herabsetzung der deut schen Leistungen im Falle seiner Undnrchsiihrbarkcit zu for dern. In einer weiteren Entschliestung wird die Reichürcgie- rung ansgcsordert, ans diplomatischem Wege nniimchr end gültig eine unzweideutige F c st st c l l u n g darüber zu treffen ob Tardieu tatsächlich bes einer Parteiführer- bcsprechung erklärt hat, baß Frankreich gegebenenfalls berechtigt sei, deutsche Häfen und Bergwerke zu beschlagnahmen und das Rheinland wieder zu besetzen. Weiter soll scstgcstcllt werden, daß zwischen den Vertretern der belgischen, britischen. fran< zösischen, italienischen und japanischen Regierung einerseits und den Vertretern der deutschen Regierung anderseits aus getauschte Erklärungen über die Sanlttonsformcl nur zwischen den sogenannten Signatarmächte» gelten. Ferner wird in einer Entschliestung zum Reichsbahngesctz verlangt, dast ans jedem Frachtbrief nnd jeder Fahrkarte ein Vermerk auf- gedrnckt wird, der den durchschnittliche» Betrag der Trtbut- belastung angibt. In entsprechender Weise soll auch die Trtbutbelastung des RetchShauShaltS und ihr Verhältnis zu »«, Bruttoeinnahmen -e» Re'ches auf alle» Steuerveschetut- gungen, Steuermarken und Steuerquittungen angegeben werden. Znm Polenvcrtrag haben Sie Deutschnationalc» eine Entschliestung cingebracht, die wie folgt lautet: „Die Reichsregicrung wird ersucht, den aus Polen verdrängten und entschüdigungsberechtigten Land wirte» und Pächtern die Aufrechterhaltmig ihrer landwirl schastlichen Betriebe in Deutschland bis zur nächsten Ernte durch sofortige Zahlung von Vorschüssen aus die zukünftige Schlustentschädignng zu ermöglichen." Auch die Regierungsparteien haben eine Entschließung mit folgendem Wortlaut cin- gebracht: Die Lage ber deutschen Minderheit in Polen gibt »ach wie vor z» schwerster Besorgnis Anlaß. Da eine wirk liche Befriedung Europas nur möglich ist, wenn das inter national festgclcgte Mindcrhcitenrccht in vollem Umfange tatsächlich Geltung hat, erwartet der Reichstag, dast die deutsche Reichsregicrung in Erfüllung der dem Reich als Mit garant des internationalen Minderhcitcnrechts obliegenden Verpflichtungen alle völkerrechtlich vorgesehene» Mittel zur Anwendung bringt, um den Minderheiten Recht und Freiheit zu sichern. Montag Beisetzung Tirpitz Berlin, 7. März. Die Beisetzung des Großadmirals v. Tirpitz findet am Montag, dem 1<>. März, mittags 12 Uhr, auf dem Waldfrtcühos in München statt. Der Stand ort München hat Befehl erhalten, sür die Trauerseicrlich- kettcn nach ber Standortdienstvorschrift zu verfahren, das heißt, es werben die besonderen Vorschriften, wie sie sür die Beisetzung von Generalfcldmarschällcn und Großadmiralen bestehen, zur Anwendung kommen. . Als Vertreter des Retchswchrministeriums wird der Ehef der Martneleitung, Admiral Dr. h. c. Räder, tctl- neümen. Ueber die Teilnahme bes Reichspräsidenten steht eine Entscheidung »och au». i Lirpitz Lebenswerk Es ist eigentümlich, dast wir Deutsche vom Ausland erst daraus hingewicsen werden müssen, welche unsere größten Männer sind. In Deutschland ist auch an der Bahre des Großadmirals v. Tirpitz der Streit noch nicht ganz ver stummt. ob sein Lcbenswerk, die Schöpfung der deutschen Flotte, und der zähe Kamps, den er darum geführt hat, dem Baterlande zum Segen oder zum Verhängnis geworden ist. Zwar zollt auch die Linke, die vor zwölf Jahren neben dem Kaiser niemand so mit Schmähungen überhäuft hatte als Tirpitz. seiner Persönlichkeit heute die Achtung, die angesichts deS Todes zur Anstandspslicht wird. Aber sie stellt auch heute noch Tirpitz' Flvltenpvlitik. weil sic Englands Gegnerschaft hervvrgerusen habe, als eine der Hanptursachen des Welt krieges hin und macht seine Bemühungen um eine energische und aktive Seekriegssührung während der ersten Kricgs- jahrc verantwortlich sür die Katastrophe. Das Ausland urteilt anders. Und besonders England ist gerecht genug, um anzuerkennen, dast „olck Tirps" der gefährlichste Gegner des britische» Weltreiches war nnd dast cs durch die Schwäche seiner politischen und militärischen Gegenspieler am kaiser lichen Hof gerettet wurde. Es ist ganz falsch, Tirpitz nur als einen tüchtigen See mann und alten Haudegen hinzustellcn. dem der Blick für die politische Tragweite seiner Flottenschöpfung gefehlt habe. Im Gegenteil, er hat mit allen diesen Problemen gerungen, und er ist mährend der Durchführung seiner Ideen über sein Fachgebiet hinaus- und in die staatsmännische Sphäre htnein- gewachsen. Er hatte klar erkannt daß das aufstrebende deutsche Weltreich seine Scerüstnng von der Küste weg auss Wasser verlegen müsse. Denn Englands Feindschaft war nicht erst wegen des Ausbaues der Schlachtslottc entstanden, sondern, seiner geschichtlichen Uebcrliefcrung gemäß, schon vorher, als Deutschlands wirtschaftlicher Aufschwung dem britischen Reiche unbequem zu werden begann. Der Gefahr eines feindlichen Zusammenstoßes, die dnrch den zunehmenden Han- dclöncid herausbeschworen wurde, wollte Tirpitz Vorbeugen durch Einschaltung des R i s i k o g c b a n k e n S. Eine der englischen der Stärke nach nicht gleichwertige, aber doch ge fährliche Flotte sollte den Engländern die Lust zu einem Wafsengang verleiden. Man dars nicht vergessen, dast der Opcrationsplan des britischen Marinestabes bis zu Haldnnes Eingreifen in den letzten Vvrkricgsjahren einen Flottcn- einbruch an der deutschen Küste lwomöglich noch vor der Kriegserklärung) und Truppciliandungcn an der Wasserkante vorsah. Freilich bedurfte die Tirpitzsche Flottenpolitik einer har monischen Ergänzung durch die offizielle Außenpolitik. Der Großadmiral selbst sah sie nach Bismarcks Vermächtnis in einer festen Rückendeckung gegen Rußland, und er ging darin mit Bülvivs Politik einig. Aber diese einheitliche Linie wurde durchbrochen in dem Augenblick, als Rethmann-HvIIweg die Zügel ergriff. Der sctnncrvigc Philosoph aus dem Kanzlcr- stuhl verstand sich von Anfang an nicht mit der robusten Führernatur im Mariueamt. Er blieb auch in der Außen politik Theoretiker, ließ sich in ihrer Gestaltung weitgehend von innenpolitische» Rücksichten, vor allem von dem sozia listischen Hast gegen das zaristische Rußland, bestimmen und sah England gegenüber das Heil nur in der Nachgiebigkeit. Mit Eleganz setzte er sich zwischen alle vorhandenen Stühle Europas nnd brach in Tränen aus, als am 4. August 1914 seine Politik „wie ein Kartenhaus znsammcnbrach". Soweit auf deutscher Seite überhaupt vvu einer Schuld gesprochen werden kann, liegt sie in dieser Isolierung: der Flottcnban hat die kriegerischen Absichten der Entente mehr gehemmt als gefördert. Die größte Tragik in Tirpitz' Leben war es, daß diese falsche Orientierung auch im Kriege bcibchalten wurde und daß sein Einfluß nicht mehr ausrcichte, um eine Acndcrnng zu erzwingen. Der Grundsatz, England nur ja nicht zn reizen, blieb ausschlaggebend, auch als cS aus Tod »nd Leben ging. Tirpitz kannte die britische Mentalität zu gut. als daß er sich von dieser Zandcrpolitik irgendeinen Erfolg ver sprochen hätte. Er glaubte, dast man viel eher mit Rußland zu einer Verständigung kommen könne, und das große Ver traue», das er persönlich beim Zaren genoß, hätte ihu viel leicht am ehesten zu einer Vermittlung befähigt. Aber er war nnd blieb als Opfer persönlicher Intrigen im Großen Hauptquartier kaltgestellt. Sei» sehnlicher Wunsch, die Flotte selbst in die Schlacht zn führe», blieb unerfüllt. Sein Drängen nach Einsatz der Secstreitkräftc sand kein Gehör. Daß sein Vertraue» aus sei» eigenes Werk gerechtfertigt war, hat bann die Skagcrrakschlach» gezeigt. Ob der Kricgsvcrlans nicht eine andere Wendung genommen hätte, wenn sie nach Tirpitz' Willen früher stattgefundcn hätte, ob dann Japans. Italiens» Amerikas Kriegslust nicht gedämpft worden wäre'? Es ist müßig, heute darüber zu streiten. Aber die Erkenntnisse der Kriegsgeschichte geben kein Recht. Tirpitz zu verurteilen. Das richtige Gefühl hatte wohl der Feind, als er bet seinem Abschied in den Jubclruf ausbrach: „llirpitr oxitl", und als er auch darüber seine Genugtuung nicht verhehlte, daß die Berufung des Flottcnschöpsers in das Kanzleramt wieder am Widerstand der ihm feindlich gesinnten Hofclique scheiterte. Sv hat Tirpitz sein eigenes Lcbenswerk überlebt, und eS ist ihm nicht vergönnt gewesen, de» Wiederaufstieg mitzu- erlebcn, an de» er auf tiefstem Herzen geglaubt hat. Wenn er auch durch ein widriges Geschick gehindert wurde, die letzte» Kräfte cinzusetzen und sei» Werk mit dem nach außen bin o'änzenden Erfolg zu krönen, so bleibt er doch unter den SllH.qr-eftalt«» t» »e -««Ische» Geschichte ei«e -er grüßten,