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Voigtländischer Anzeiger. Sechs und fünfzigster Jahrgang. Redigirt von Advocat C. Wieprecht. Druck und Verlag von C. Wieprechts seel. Wittwe m Plauen. A^oiniemcntspreis für dieses Blatt 25 Neugroschen. — Die Jnscrtionsgel'ühren werden mit 1 Ncugroschen für die gehaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verbältniß des Raumes. — Sonnabend. 21. Juni 184S. Plauen. Am 20. Juni früh 10 Uhr hatte die Wahl handlung zur Ernennung des Landtagsabgeordneten im 17. städtischen Wahlbezirke (die Städte Plauen, Pausa, Elsterberg und Muhltroff umfassend) und dessen Stellvertreters in Plauen statt. Hierzu fanden sich zur bestimmten Zeit von den er nannten 49 Wahlmännern 39 Wähler im Sessionszimmer des Stadtralhs ein. Nachdem der Wahlcommissar Hofrath Damm den Versammelten die Wichtigkeit der von ihnen vorzunedmenden Handlung vor Augen geführt hatte, so ver- schritt man zur Wahl des Abgeordneten, wobei alle Stimmen auf den bisherigen Abgeordneten Adv. Bruun gefallen sind. Diese einstimmige Wahl zeugt am lau testen von dem ungetrübten und praktischen Blick der Wäh ler, welche dabei, von dem allgemein anerkannten Wirken Brauns beseelt, den Gesammtwillen des Sachsenvolks er füllten. Was von Brauns Wirken für unser Sachsen, für das gesammte deutsche Vaterland zu erwarten ist; wie er die von ihm im Gebiete der Oeffentlichkeit und Mündlich keit gesammelten praktischen Erfahrungen zur Erkämpfung des Siegs benutzen wird, davon wird seine fernere land ständische Thätigkeit eben so das beste Zeugniß geben, wie sein bisheriges Streben dafür die sicherste Garantie gewährt. — Bei der hierauf vorgenommenen Wahl des Stellvertreters ist der Stadtrichter Lincke in Mühltroff mit 21 Stimmen dazu erwählt worden, während Kaufm. Friedrich Facilides zu Plauen 12, Kaufm. Christian Böhler und Kaufm. Eder das., jener 2, dieser 1 und Stadtr. Klinckhardt in Pausa Z Stimmen hatten. Diese Wahl ist ganz im Sinne der liberalen Parthei, als deren entschiedener Anhänger sich Lincke fortwährend gezeigt hat, ausgefallen, wie denn auch derselbe nach seiner Erwählung die versammelten Wähler über seine Ge sinnungen versicherte. Braun, welcher eben so wie Lincke unter der Zahl der Wahlmänner sich befand, war durch persönliche Abwe senheit von Plauen behindert, dem Wahlakte selbst beizuwohnen. Beleuchtung des in neuester Zeit von Leipzig aus- gegangenen „Gesuchs einer Anzahl evang.-lutheri scher Glaubensgenoffen, betreffend die Gewährung einer freieren Verfassung der evang. Landeskirche." (Beschluß.) Was für ein Widerspruch! Wenn, wie man fürchtet, die Geistlichen Päpste werden; wie können sie da der rclig. Richtung ihrer Zuhörer sich anschmiegen? Dann würden sie die Zeitideen beherrschen oder vielmehr angeben, und die Ge meinden müßten ihr Wort für unfehlbar hinnehmen und den mächtigen Herren sich fügens Aber auch jene Gefähr dung der Kirche und ihrer Segnungen beruht nur in der Einbildung. Denn abgesehen davon, daß trotz aller symb. Bücher in der Protest. K., wie in der christlichen überhaupt, niemals Einheit weder geherrscht hat, noch herrschen wird, und daß die letztere in dem Glauben an die h. Schr. als alleinige Glaubensnorm ihr Band hat; wird der symbolfreie Geistliche das Schwarze nicht weiß nennen und bei gerech ter Anerkennung des Trefflichen seiner Zeit nicht auch deren Verirrung gut heißen können, wird überhaupt auch ohne symb. Bücher, durchdrungen vom Geiste der Schr., recht wohl sehen, wie weit die Zeitideen mit dem Evangelium im Einklänge stehen und in Einklang zu bringen sind. Ein schlimmes Zeichen wäre es für diese Bekenntnißschriften, wenn sie unserer Zeit widerstrebten; denn dann müßte man sie, eben weil sie den Glauben der jetzigen evang. Christen nicht ausdrücklen, bei Seite legen, wenn man ihnen nicht göttliches Ansehen und Untrüglichkeit beilegen will, wie eS die Verfasser des neuen Gesuches thun. Allerdings fordern diese, wenigstens in Worten, „auch für die Laien die Glau bens- und Gewissensfreiheit, daß sie keinem Menschen, son dern allein der h. Schrift nach gesunder Auslegung in ihrem Glauben unterthan seien;" geben aber sogleich deut lich genug zu erkennen, daß sie unter gesunder Auslegung nur die in den Symbolen gegebene verstehen, und nehmen mit