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Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterbaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag w Uhr. Inserate werden mit p Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 20. Sonntag, den 15. Februar 1903. 2. Jahrgang. Bekanntmachung. Hiermit wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß auf die Jahre 1903 bis mit 1905 6er dnterLeicknete als Gern ein ckewailenrat und der Gemeindeälteste Herr Gutsbesitzer Ernst Mssback als Stellvertreter vom Königlichen Amtsgericht für den hiesigen ^meinde- bezirk in Pflicht genommen worden sind. Ottendorf-Moritzdorf, am 10. Februar 1903. Der Genreindevorstand. Lincke. Seitliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, H. Februar 1903. — Der wiederholt geäußerte Wunsch nach einer amtlichen Darstellung des Sachverhaltes im Prozeß des Kronprinzenpaares dürfte in Erfüllung gehen. Vorerst jedoch muß man sich noch in Geduld fassen. Die Voraussetzung jeder weiteren Veröffentlichung ist die Aus fertigung und Zustellung des Urteils an die Parteien, bis dahin dürften etwa noch zwei Wochen vergehen. Immerhin schweben schon jetzt zwischen den maßgebenden Stellen vor läufige Verhandlungen über die Frage, ob erstens die Begründung des Urteils und ob zweitens eine juristische Darlegung des ganzen Falles, vielleicht aus der Feder der beiden Prozeßbevollmächtigten, Justizrat Dr. Körner und Rechtsanwalt Dr. Felix Bondi, veröffent licht werden soll. Man kann angesichts dieser Verhandlungen nur nochmals der Hoffnung Ausdruck geben, daß den Verbreitern bösartiger Gerüchte, die in der Presse noch immer ge schäftig find, durch eine authentische Veröffent lichung das Handwerk gründlich gelegt werde. Das ganze Volk würde dem König für einen solchen Entschluß von Herzen dankbar sein. Inzwischen wollen wir anderen Meldungen gegenüber nochmals ausdrücklich wiederholen, daß der Kronprinz selbst nicht auf Trennung der Ehe, sondern auf Scheidung geklagt hat, daß es also unrichtig ist, die frühere Kron prinzessin als diejenige zu bezeichnen, deren Antrag die völlige rechtliche Lösung der Ehe zu verdanken sei. Im übrigen irrt man in der Annahme nicht, daß m dem Prozeß auch eine finanzielle Regelung der Verhältnisse ge troffen worden ist, deren Einzelheiten sich jedoch noch der Kenntnis entziehen. Die recht lichen Fragen, die mit dem zu erwartenden Kinde zuiammenhängen, waren selbstverständ lich nicht Gegenstand des abgeschlossenen Pro zesses, die Behauptungen aber, daß wegen dieses Kindes die frühere Kronprinzessin sogar noch im Sanatorium La Metairie von säch sischen Polizeispionen bewacht werde, gehören in das Bereich der Fabel. Im Anschluß hieran wollen wir einigen Meldungen schweizer ischer Blätter, allerdings unter allem Vor behalt, hier Raum geben. Danach sollen die Aerzte des Martinschen Sanatoriums nach ein gehender Konsultation den Zustand der Prin zessin Luise als nicht ganz unbedenklich be zeichnet haben. Die Diagnose laute auf ,?s^cIrc>patkiL k/sterica", einen Zustand, der sich bei sensiblen Naturen während der Schwangerschaft mcht selten einstellt. Man besorge eine Frühgeburt, die sehr leicht zu Komplikationen für die Mutter wie für das Kind führen könne. Das Ergebnis des ärzt lichen Befundes habe Dr. Martin den Eltern der Prinzessin nach Salzburg gemeldet. Man erwarte mit Bestimmtheit, daß von den weib lichen Angehörigen jemand in der schweren Stunde der Prinzessin zur Seite stehen werde. Die Behandlung stelle sich vor allem das Ziel, der Prinzessin das seelische Gleichgewicht zurück zugeben. Demgemäß werden die von Giron eintreffenden Briefe und Telegramme der Prinzessin nicht mehr ausgefolgt. Auch werden die ferneren Unterhandlungen mit den Höfen von Lachenal allein im Namen der Prinzessin geführt werden. Die Prinzessin dürfte im Sanatorium ihre Niederkunft abwarten. Der Plan, dies im toskanischen Familienkreise zu tun, mußte fallen gelassen werden, da nahe zu unerfüllbare Bedingungen daran geknüpft wurden. — Höchst ungemütlich war in den letzten Tagen das Wetter. Bei ziemlich hef tigem Winde regnete es am Donnerstag Nach mittag fast ununterbrochen und am Abend wuchs der Wind zu einem orkanähnlichen Sturme aus, der vielfachen Schaden an gerichtet haben dürfte. Falb halte für Freitag einen kritischen Tag erster Ordnung angesetzt und er kann somit einen Treffer in seinen Prophezei ungen verzeichnen. In der Nacht ließ der Sturm etwas nach und die Temperatur ging auf — 2 Grad Celsius zurück, sodaß es früh gefrorene Wege und Schneesturm gab. Erst schien es, als ob dieser kleine Anlauf des Winters in den Stadien des VersucyS bleiben sollte, denn bald waren diese wenige Schnee spuren nahezu verschwunden. Aber in den Nachmittagsslunden setzte ein heftiges Schnee treiben ein, das die Landschaft in em weißes Gewand hüllte. — Ein kritisches Jahr wäre nach Rudolf Falb das Jahr 1903. Herr Falb stellt uns nicht weniger als 13 kritische Tage erster Ord nung in Aussicht. Dieselben verteilen sich auf die einzelnen Monate wie folgt: 13. Januar, 12. Februar, 13. und 29. März, 12. und 27. April, 28. Mai, 25. Juni, 24. Juli, 22. August, 21. September, 20. Oklooer und 4. Dezember. Außerdem wird es noch 7 kritische Tage zweiter und dritter Ordnung geben. — In diesem Jahre finden je zwei Sonnen- und Mondfinsternisse statt. Am 29. März tritt eine ringförmige Sonnenfinsternis ein, die bei uns nicht zu sehen ist., In der Nacht vom 11. zum 12. April findet eine Mond finsternis statt, die nahezu vollständig ist und in ihrem ganzen Verlauf in Deutschland beo bachtet werden kann. Sodann tritt am 21. September eine vollständige Sonnen finsternis ein, die bei uns wieder nicht zu sehen ist und am 6. Oktober wird dann der Mond noch eimal teilweise verfinstert. Von dieser Finsternis können wir nur das Ende sehen, da bei ihrem Anfang der Mond sich noch unter dem Horizont befindet. — Zum Süßstoffgesetz sollen Ausführungsbestimmungen vorbereitit werden, welche den Händlern, die unter Verwendung von Süßstoff hergestellie Waren zu technischen und ähnlichen Zwecken kaufen, den Wieder verkauf zu untersagen. Eine Petition des Vorstandes des deutschen Drogistenvecbandes an den Reichstag führt dazu unter anderem folgendes aus: Unter den Waren, bei denen künstlicher Süßstoff aus Gründen der Haltbar keit oder in Hinsicht auf ihren Verwendungs zweck unbedingt gebraucht werden muß, be finden sich eine Anzahl Bedarfsartikel, deren Vertrieb an das Publikum bisher in der Hauptsache durch Drogen- und ähnliche Hand lungen statlfand. Es seien hier nur die zahl reichen Mittel zur Körper- und Schönheits pflege, wie Mundwässer, Zahnwäsfer, Zahn pulver, Ungeziefermittel u. s. w. erwähnt. Diesen Geschäften soll nun durch die vorge schlagene Bestimmung der Handel mit diesen technischen Artikeln aus der Hand genommen und ausschließlich in die Apotheke verlegt werden. Insbesondere wird darauf aufmerksam gemacht, daß durch jene Ausführungsbestimm ungen das von der Landwirtschaft zur Mäuse vertilgung in großem Maße verwendete sac charinhaltige Barytgetreide (Barytw.izen rc.) dem Alleinverkauf in der Apotheke würde über wiesen- werden. — Eine Portoersparnis läßt sich viel fach durch ganz einfache, dem Publikum aber leider noch nicht genügend bekannte Maßnahmen ermöglichen. So kommt es seit der Einführung der 10-Pfennig-Postanweisung für Beträge bis zu 5 Mark einschließlich nicht selten vor, daß das Publikum gewissermaßen in Ver legenheit kommt. Hat jemand eine Zahlung von netto 5 Mark zu leisten, so würde er gerne die Geschichte mit einer 10-Pfennig- Postanweisung erledigen. Nun will er aber die 5 Pfennige Bestellgeld mit einzahlen, um sie dem Empfänger nicht aufzubürden. Hier durch lautet der Betrag auf 5 Mark 5 Pfen nige, das Porto hierfür beträgt 20 Pfennige. Diese 10 Pfennige kann man ersparen, wenn man die Anweisung auf 5 Mark ausschreibl, sie nicht mit 10, sondern mit 15 Pfennige frankiert und den Vermerk darauf setzt: „Frei mit Bestellgeld." — Pelerinen für Briefträger sind seit kurzem probeweise von der Post verwaltung des Dresdener Direktionsbezirkes eingeführt. Das neue Kleidungsstück besteht in einer langen und weiten Pelerine in schwarz blauem Tuch mit orangefarbenem Passepoil am Kragen. Wie es heißt, sind die Beamten mit dem neuen Uniformstück, das in Oesterreich in ähnlicher Weise bereits besteht, sehr zufrieden. Wünschenswert wäre es ohne Zweifel, wenn auch hier den wackeren „Kraetke-Jüngern", die tagaus tagein bei Wind und Wetter sich im Freien aufhalten müssen, ein derartiges prak tisches Schutzmittel gegen die Unbilden der Witterung geliefert würde. — Die zweite Nummer der neugegründeten Zeitschrift „Der Beobachter an der Elbe" wurde in Dresden beschlagnahmt, und zwar Zeitungs meldungen zufolge wegen eines gegen ein Mit glied des Königlichen Hauses gerichteten Ge dichtes. Radeburg. Am Mittwoch Abend gegen 8 Uhr brannte der hier zur Glasfabrik ge hörige Niederlagsschuppen mit den vielen darin geborgenen Glasvorräten nieder, auch der in- terimsweife gebaute Holzschuppen, worin eben falls viel Glas lagerte, konnte nicht gerettet werden. Das Feuer entwickelte eine mächtige Glut, sodaß die verkehrenden Eisenbahnzüge wegen zu großer Hitze die am Brandherde führende Stelle nicht passieren konnten, und die Beförderung des Publikums nur durch Um steigen bewerkstelligt werden mußte. Brand stiftung wird vermutet. Der Schaden ist sehr bedeutend. Pirna. Das im 14. Lebensjahre ste hende Schulmädchen Tittel wird seit Sonnabend Vormittag vermißt. Man vermutet, daß es in der Elbe freiwillig den Tod gesucht hat. Sie war in der Schule die Erste der Klasse, wurde aber in der letzten Zeit wiederholt von einer Mitschülerin beschuldigt, den Lehrer bei den Schularbeiten betrogen zu haben. Daraufhin hat sie geäußert, wenn man sie noch einmal anzeige, werde sie in die Elbe gehen. Als am vorigen Sonnabend bei dem Lehrer von der betreffenden Mitschülerin abermals eine An klage vorgebracht wurde, die Tittel habe ihre Rechenaufgaben in der Schule nachträglich ver bessert, verschwand das Mädchen während der Pause und ist seitdem nicht wiedergesehen worden. Ihre Schürze hat man an der Elbe gefunden. Großenhain. Der nächste Roß-, Vieh- und Brettermarkt findet Mittwoch, den 25. Februar, statt. Ortrand. Gestern wurde unweit Groß thiemig ein desertierter Riesaer Artillerist ver haftet. Liebesverhältnisse sollen die Veran lassung zur Flucht gegeben haben. Durch den Amtsdiener von Großthiemig wurde der Aus reißer seiner Garnison zugeführt. — In der hiesigen Eißengießerei verunglückte ein Arbeiter dadurch, daß ihm flüssiges Eisen in ein Auge spritzte. Man befürchtet, daß das Auge nicht erhalten werden kann. Gröba. In der am Sonntag abge haltenen Versammlung des königlich sächsischen Militärvereins wurde einstimmig beschlossen, den früheren Gemeindevorstand Adolf Otto, welcher Ehrenmitglied des Vereins war, als solches zu streichen und das seiner Zeit überreichte Diplom nebst Ehrenzeichen zurückzufordern. Siebenlehn. In unseren kleinen Städtchen wohnen verhältnismäßig viel Katho liken, die, veranlaßt durch die so bedeutend entwickelte Schuhwarenindustrie, hier zumeist als Gesellen aus Schlesien oder Böhmen ein gewandert sind und sich später am Orte durch Heirat seßhaft gemacht haben. Vom Kaplane zu Freiberg ist neuerdings an diese Katholiken die Aufforderung ergangen, ihren Kindern katholischen Religionsunterricht erteilen zu lassen, zn welchem Zwecke allwöchentlich ein katholischer Geistlicher nach Siebenlehn kommen würde. Einige Familienväter sind damit nicht ein verstanden und haben deshalb ihren Austritt aus der katholischen Kirche erklärt. An zu ständiger Stelle ist bis jetzt von sieben Fa milienvätern die Austrittserklärung protokoll arisch abgegeben worden. Die Freiberger Kapläne haben sich schon vor Jahren durch Uebereifer ausgezeichnet. Kühren. Der wegen dringenden Ver dachtes der vielen Brandstiftungen in Kühren bei Wurzen verhaftete und ins Wurzener Amtsgericht eingelieferte Gutsbesitzer Sch. ist am Freitag Vormittag nach dem Leipziger Untersuchungsgefängnis gebracht worden. Der Verdacht verstärkt sich jetzt immer mehr. Meerane. Weil er die ihm anver traute Vereinskasse angegriffen und einen kleinen Betrag in seinem Nutzen verwendet hatte, nahm sich am Dienstag der 46 Jahre alte Fabrik weber Vogel durch Erhängen das Leben. Das fehlende Geld war bereits wieder gedeckt worden. — Ein weiterer Selbstmord trug sich am gleichen Tage im benachbarten Gößnitz zu. Daselbst erhängte sich der in der dortigen Spinnerei beschäftigte verheiratete Spinnmeister F. Nicodemus. Er hatte ein Verhältnis mit einem Mädchen, das nicht ohne Folgen blieb. Die Frau des Nicodemus erhielt hiervon Kennt nis, worauf es einen ehelichen Auftritt gab. Bald danach beging der Mann Selbstmord. Das in Frage stehende Mädchen versuchte sich zu ertränken, wurde aber noch rechtzeitig dem Wasser entrissen. Zwickau. Die Verhandlungen mit dem Grafen von Hoensbroech betreffs der Annahme einer Reichstagskandidatur in unserem Reichs tagswahlkreise haben zu dem Ergebnis geführt, daß Graf Hoensbroech hier nicht kandidieren wird. Plauen i. V. Von den bei der Ueb- ung der Freiwilligen Bürgerfeuerwehr am 27. Juli vorigen Jahres verunglückten Feuer wehrleuten sind fünf noch arbeitsunfähig. Der Stadtgemeinderat hat in seiner letzten Sitzung zur Gewährung fernerer Unterstützungen an diese Feuerwehrleute, sowie zur Bezahlung von Kurkosten den weiteren Betrag von 2000 Mk. als Berechnungsgeld bewilligt. Es soll versucht werden, ob die einzelnen der verunglückten Männer bei städtischen Arbeiten mit verwendet werden können. Ferner wurde zur Bestreitung der Kosten der Instandsetzung der bei jener Zeuerwehrübung beschädigten großen Leitern der Betrag von 1106,32 Mark bewilligt. Markneukirchen. Auf der hiesigen Zahlstelle der Plauener Bank versuchte ein junger Mann durch Vorlegung eines ge fälschten Wechsels 380 Mark zu erschwindeln. Durch telephonische Anfrage bei dem Aussteller des Wechsels, einem Adorfer Geschäftsmann, wurde der Betrug rechtzeitig entdeckt. Treuen. Der Mann, der die von Oels- nitz heimkehrende Tochter des hiesigen Pferde schlächters Weck überfallen hat, ist verhaftet worden.