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für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr, 6 durch F^ru,Ld^i.^^ °d.rn wir dein« «aruniir. s-d--»°d°..°nw-uch rrttlAwrnn svsagL elngLzvokN werden muff oder der Postscheck: Dresden 2640 Donnerstag, den 8. September 1932. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Da» »Wilrdrufser Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittag» S Uhr. «e,ug»preir monatlich L.— AM srei Hau», bei Postbestellnng 1,8V AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 1v Npsg. All« Postanftalten, Post- "^.n^i.Är^i, Ze.' Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ftellunAU^ Fall, höherer Gewalt, -- « —- - — Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Antpruct aus Lieferung der Leitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung . .in°-,-d.e-echrif.s,üch° «s°,gt nur, wenn Pono beuiegt. «'°°°«-«^ Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtsbountmannsrliott gerichts und den S.adtrat- zu Wi,-druff, de» Forstr-ntamt- Tharandt und de- NnLL Nr. 211 — 91. Jahrgang Teiegi.-Adr.: „Amlsbian" Wilsdrufs-Dresden Das Recht aus Wassen. Auch wer die Geheimdiplomatie nicht zu Unrecht als der übel größtes hält, wird es keineswegs für besonders erfreulich ansehen, daß die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich über des deutschen Volkes Forderung nach militärischer Sicherheit und Gleichberech tigung nun gleich in ihrem Anfangsstadium jetzt der weitesten Öffentlichkeit unterbreitet worden sind. Aber die ganze Art und Weise, wie Paris den ersten diplo matischen Schritt Deutschlands in dieser Angelegenheit behandelt hat, zwang die Reichsregierung einfach dazu, durch offene Darlegung ihrer an die französische Re gierung geleiteten Erklärungen und Forderungen nach drücklichst eine Atmosphäre des Verhetzens und Verzerrens entgegenzuwirken, die von Paris aus — mit sanfter Billigung durch Herrn Herrior — französische Zeitungen in aller Welt zu verbreiten suchten. Unterstützt sogar wurde diese Gegenaktion des offiziellen und offi ziösen Frankreichs nun auch noch dadurch, daß die deutschen Erklärungen, die doch erste Schritte zur Ein leitung von Verhandlungen zunächst allein mit Frankreich sein sollten, von Hxrriot sofort auch allen anderen Re gierungen übermittelt wurden, soweit diese Partner des englisch-französischen Vertrauenspaktes Lausanner Ur sprungs geworden waren. Dadurch wurde aus der ur sprünglich nur mit Frankreich geplanten vertraulicher Aussprache eine „Haupt- und Staatsaktion' europäischen Charakters gemacht — was in Paris auch zweifellos beabsichtigt war, weil so etwas den Fortganc der Verhandlungen nicht gerade erleichtert! Der deutsche Außenminister hat denn auch zwar „diplomatisch", aber doch ganz unzweideutig gleich noch seiner „Verwunderung" darüber Ausdruck gegeben, welch seltsame Fortsetzungen in Paris der erste deutsche Schritt zu Sonderverhand lungen mit Herriot gefunden hat, zumal, wie Herr von Neurath jetzt auch mitteilt, bereits bei Schluß der Ab rüstungskonferenz im Juli solche Sonderverhandlungen zwischen dem Berliner und dem Pariser Auswärtigen Amt vereinbart worden sind, denn in Genf habe sich jo gezeigt, „daß Frankreich sO auf der Konferenz dein deutschen Standpunkt in der Glcichberechtigungsfrage noch am wenigsten genähert habe". Weniger diplomatisch aus gedrückt: Frankreich und seine osteuropäischen Trabanten haben diesem Standpunkt entschieden widersprochen. Ganz kurz formuliert stellt sich diese deutsche Forde rung nach Gleichberechtigung in der Rüstungs frage so dar, daß wir diese militärische Nüstungsgleich- berechtigung einerseits aus Sicherheitsgründen verlangen, andererseits aus dem Entschluß heraus, uns nicht länge, als „N a t i o n 2. K l a s s e" behandeln zu lassen. Die mili tärische Gleichberechtigung hätte sich in ihrer tatsächlichen Gestalt auf den Punkt einzustellen, den der Ausgang und das Ergebnis der Abrüstungskonferenz bestimmen werden; was also in Genf herauskommen wird, muß entscheiden, ob die Weltabrüstung so weit geht, daß selbst beim jetzi gen Rüstungsstand Deutschlands für unsere Sicherheit eine kriegerische Gefahr nicht mehr besteht. Deutschland ist nun aber, wie aus den jetzt veröffent lichten Erklärungen zu entnehmen ist, noch zu einem Ent gegenkommen bereit angesichts der bisherigen, von wirklichen und vermeintlichen Schwierigkeiten randvoll angefüllten Entwicklung der Weltabrüstungsfrage. Es wird dort angedeutet, daß Deutschland „mit gewissen M o - difikationen seines Rüstungsstandes sich begnügen werde, wenn eine erste Konvention noch nicht zu einer derart radikalen Weltabrüstung kommt, wie sie uns durch die Versailler Abrüstungsbestimmungen auf erlegt ist. Also: wir würden trotz der auch dann uns noch fehlenden Sicherheit nicht aufrüsten, — aber nur unter der Voraussetzung es nicht tun, wenn bereits in einer solchen ersten Konvention „das Recht Deutschlands auf einen, seiner nationalen Sicherheit entsprechenden Rü- stnngsstand in geeigneter Weise zum Ausdruck kommt", dieses Recht auf Sicherheit uns, sagen wir eLsmal: grund sätzlich zuerkannt wird Es ist den Franzosen auch gleich gesagt worden, wie sich die Reichsregierung diese „Modi fikation" des gegenwärtigen deutschen Rüstungsstandes denkt, — und das ist nun ein himmelweiter Unterschied zu den angeblichen Aufrüstungsabsichten Deutsch lands, die von Paris aus in die Welt hinaustrompetet wurden, um Deutschland als einen wilden Vorkämpfer einer umfassenden Aufrüstung zu differnieren. Dabei wäre dieses beabsichtigte neue Wehrshstem derart radikal auf die reine Verteidigung abgestellt, daß z. B. das schweizerische Milizsystem hiergegen geradezu als An griffswaffe erscheint. Wir würden ja auch das Recht auf Waffen, die nach der ersten Konvention über die Welt abrüstung erlaubt blieben, nur „grundsätzlich" in Anspruch nehmen, — übrigens schon deswegen, weil doch schließlich unsere finanzielle Lage bei den angeblichen „Anf- rüstungs"wünschen einige Worte mitzureden hat! Wie die in diesen langen Veröffentlichungen dargeleg ten ersten Schritte und damit die deutschen Wünsche fest gesetzt werden sollen, ist durch die Haltung des Verhand lungspartners zur Zeit ganz ins Ungewisse verschoben worden. Sehr bald tritt in Genf die Kommission der Ab rüstungskonferenz zusammen, die Besprechungen über die Wetterführung ihrer „Arbeit" abhalten will. Da „muß die Entscheiduna über unsere Gleichberecküiauna fallen und Um a«e ReichstagsauNölung. Mit der bevorstehenden Rückkehr des Reichspräsidenten nach Berlin tritt der Gegensatz zwischen Reichsregierung und Reichstag wieder in den Vordergrund der Politik. In den politischen Kreisen werden die Aussichten für dieVer - Handlungen zwischen Zentrum und Nationalsozia listen nicht günstig beurteilt. Viel beachtet wird im Zu sammenhang mit den Perhandlugen eine Rede, die der nationalsozialistische Reichstagspräsident Göring gerade am Abend des Tages hielt, an dem er mit Dr. Brüning verhandelt hatte. Dabei betonte Göring, daß für Hitler nur das Amt des Kanzlers, nicht des Vizekanzlers in Be tracht komme. Weiter führte Präsident Göring in dieser Rede aus: „Man habe so spekuliert, wenn das Zentrum und die Nationalsozialisten zusammengingen und man den Reichstag dann auflösen würde, müsse das Zen trum zehn und die Nationalsozialisten fünfzig Sitze ver lieren an die neue Papen-Partei. Nach mehrmaligem Auflösen glaube man eine Mehrheit für die Papen-Partei gesammelt zu haben. Damit könne man die National sozialisten nicht schrecken, sie wählten gerne noch einmal. Bei der nächsten Wahl würden die Nationalsozialisten viel Zulauf haben, weil man dann sehe, daß die National sozialisten nicht zu Papen stehen. Man zieht aus diesen Ausführungen allgemein den Schluß, daß Präsident Göring ebenfalls mit der baldigen Auflösung des Reichstages rechnet. Reichsiagspräsidium bei Hindenburg. Empfang am Freitag. Der Empfang des Reichstagspräsidiums beim Reichs- Präsidenten von Hindenburg ist jetzt endgültig auf Freitag anberaumt worden. In parlamentarischen Kreisen wird nicht damit ge- rechnet, daß eine nochmalige Reichslagsvertagung erfolgt; es wird als wahrscheinlich angesehen, daß im Anschluß an die Kanzlerrede am Montag am Tage daraus die große politische Aussprache beginnt und Ende der Woche di« Abstimmungen vorgenommeu werden. Ob es allerdings zu diesen Abstimmungen noch kommt, hängt von den Ent schließungen der Reichsregierung ab. Für Montag haben bisher die Nationalsozialisten und die Sozialdemokraten Fraktionssitzungen anberaumt. * Hitler über -ie Koalitionsbestrebungen Rede in München. In München sprach Adolf Hitler über die politische Lage. Ähnlich wie schon in Berlin in seiner Rede im Sportpalast polemisierte er zunächst gegen die Regierung Papen und erklärte weiter: Ich bleibe bei meinem Eid, zu dem ihr mich gezwungen habt. Ich bleibe streng ver fassungsmäßig. Allerdings: Wir werden sie auch abändern, aber verfassungsmäßig. Wenn ihr uns vorwerft, daß wir den Parieistaat erhalten wollen, so antworten wir: Wir wollen den deutschen Volksstaat retten. In unserem Reich, das wir errichten, werden nicht fünf Deutsche wegen eines polnischen Mörders zum Tode verurteilt, über Soldaten können nur Soldaten zu Gericht sitzen, und über Kämpfer rn einer Freiheitsbewegung können nur Mitkämpfer zu Gericht sitzen. Die anderen verstehen das gar nicht. Jetzt begnadigt man sie zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe. Glaubt ihr wirklich, daß es fo lange dauert, bis wir in Deutschland zur Macht kommen? Man wirft uns vor, wir wollten jetzt plötzlich mit anderen Parteien eine Koalition bilden. Wir sagen darauf: Wir wollen mit anderen Parteien die Rechte des Volkes wahren, wenn es schon nicht anders geht. Wir schrecken vor gar nichts zurück. Ich will nicht, daß wegen unserer Grundsätze vielleicht heute ein System zur Macht kommt, das am Ende alles zerstören würde. Und wenn andere sagen, sie bötten einschlagen müssen, warum taten sie das nicht? So sage ich: Ja, meinen Sie denn wirklich, daß jede Bewegung für ein paar Ministerstühle feil ist? Glauben Sie, daß ich überhaupt um einen Titel kämpfe? Ich buhle nicht um einen Titel, ich strebe nur nach der Führung. Der Titel ist mir einerlei. Ich verkaufe die Partei nicht für einen Miuisterstuhl. Da kämpfe ich lieber weiter, ein Jahr, zwei Jahre, wenn es sein muß drei Jahre. Und wenn die Herren sagen, wir werden es nicht aushalten, so sage ich, mein großer Gegenspieler, der Herr Reichspräsident, ist 85 Jahre alt, und ich bin 43 Jahre alt, und ich küble mich ganz gesund. Die NSDAP, nimmt den Fehdehand schuh auf, den ihr Herr von Papen hingeworfen hat. Wenn andere sagen, die Verfassung sei überlebt, dann sage i h, die Verfassung hat jetzt erst ihren Sinn. Denn jetzt komme ich und der Nationalsozialismus durch diese Verfassung zur Macht. * 'H Göring und diefchwarz-rol-aoideneFahne. Der deutschnationale Fraktionsvorsitzende Dr. Ober fohren hatte bei Eröffnung des neuen Reichstages an den nationalsozialistischen Reichstagspräsidenten Göring die Bitte gerichtet, die schwarz-rot-goldene Fahne in der Wandelhalle des Reichstages hinter dem Standbild Wilhelms I. entfernen zu lassen. Göring hat dies mit der Begründung abgelehnt, auch der deutschnationale Abgeordnete Dr. Wallraf habe, als er 1924 Präsident war, die Fahne nicht entfernen lassen. Darauf antwortet nun Dr. Oberfohren; er sagt, di»se Bemerkung verkennt, daß die politische Situation 1924 eine ganz andere war als heute, daß insbesondere das Präsidium sich damals aus den Herren Wallraf, Dittmann, Bell, Rießer zusammensetzte. Ich bin der Meinung, sagt Dr. Oberfohren weiter, daß es Ihnen in der gegenwärtigen Situation, die Sie selbst dahin gekennzeichnet haben, daß jetzt im Reichstag eine „nationale" Mehrheit vorhanden ist, durchaus möglich ist, meiner Bitte zu entsprechen, es sei denn, daß anderweitige Rücksichten dem entgegenstehen. Die Anbringung der Fahne ist weder in der Reichsverfassung noch in irgend einer anderen gesetzlichen Bestimmung vorgesehen. Ein Mehrheitsbeschluß des Reichstages ist auch nicht erforder lich; die Anbringung der Fahne ist seinerzeit allein auf Anordnung des Präsidenten L ö b e ohne Mehrheits beschluß des Reichstages erfolgt. M AM m MlsWM Wr. Sie „rücksichtslose Entschlossenheit" der Reichsregierung. Starke Nervosität in Paris wegen der deutschen Wehr- forderungcn. In Pariser politischen Kreisen herrscht im Zusammen hang mit den letzten Erklärungen des Reichswehrministers und des Reichsaußenministers starke Nervosität, die man damit zu bemänteln sucht, daß man von einer „wachsenden deutschen Nervosität" spricht. Andererseits wird jedoch zugegeben, daß man jetzt vor entschei denden und ausschlaggebenden Entschei dungen stehe. An der „rücksichtslosen Ent schloss e n h e i t" der Neichsregierung sei kaum zu zweifeln. Auf der anderen Seite betont man ebenso hart näckig, daß Frankreich von einer einmal eingenommenen Haltung nicht abweichen könne. Frankreich müsse es ad le h n e n , auf den sachlichen Gehalt der deutschen Denk schrift einzugehen, da die Stellungnahme dazu nicht Sache Frankreichs, sondern aller Signalarmächte sei. keine Konferenzmacht darf sich mehr einer klaren Stellung nahme zu Vieser Frage entziehen; denn niemand kann Deutschland zumuten, sich noch länger mit einer Diskrimi nierung abzufinden, die mit der Ehre des deutschen Volkes und seiner Sicherheit unvereinbar ist." So hat der deutsche Außenminister den Gang und das nächste -siel vorgezeichnet. Aus diesem Grunde werde die französische Regierung die deutsche Forderung als solche zunächst nicht zum Gegen stand einer Aussprache machen oder zurückweisen, sondern die Aussprache darüber auf internationale Bahnen lenken. Die halbamtliche französische Nachrichtenagentur Havas veröffentlicht eine Auslassung, in der es heißt, nach Auskünften aus gutunterrichteten Kreisen scheine es, daß man nicht damit rechnen dürfe, daß die französische Regierung dieser Tage der Neichsregierung i h r e Antwort auf die deutsche Denkschrift in der Frage der Gleichberechtigung bekanntgeben werde. Sie werde nicht vor Ende dieser Wocheode r Anfang nächster Woche ihre Antwort der Reichsregierung zur Kenntnis bringen können. Zunächst sind die französischen Minister unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten zu einem Kabinettsrat zusammengetreten, der sich vor nehmlich mit dem deutschen Schritt in der Abrustungsfrage beschäftigt. In gutunterrichtctcn politischen Kreisen betont man, daß Ministerpräsident Herriot seinen Kollegen die großen Richtlinien der f r a n z o s i s ch e n A n t w o r 1 auf die deutsche Note unterbreiten wird. Die endgültige Redigierung des Wortlauts der fran zösischen Antwort wird erst nach dem Kabinettsrat statt finden. Der Text foll dann zunächst der englischen Regierung zur Kenntnisnahme übermittelt werden. Man nimmt an, daß sich der englische Kabinetts rat schon am Donnerstagvormittag damit beschäftigen kann. Am Freitag wird sodann unter dem Vorsitz des französi-