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Nr. 162. Dreizehnter Jahn, Mittwoch, den 10 Jmi 186» Erscheint: «glich früh 7 Uhr. Anserate «rrdrn angenommen: bi» AbendS 0,Sonn tag» bis Mittag» 1L Uhr: Marienstraße 18. Slnzeig. in dies. Blatte finden eine erfolgreiche Verbreitung. Auflage: LS.OV« Exemplare. Abonnement: - Vierteljährlich 20 NM. bei unetttgeldlicherAs» ferung tn'S Hau». Durch die König!. Post Vierteljahr!. 22' ,Ngr. Einzelne Nummer» I Agr. ' Anferaleupreife. Für den Raum einer gespaltenen Zeile: 1 Rgr. Unter „Einge sandt" die Zeile - 2 Ngr. Druck und Eigenthnm der Herausgeber: Iliepflss H Neichllkdt. — Verantwortlicher Redactrur: IlltlUS Nnchardt. Dresden, den 10. Juni. — I. K K H. die Frau Erzherzogin Sophie ist gestern Nachmittag von der Weinbergs-Billa I. Majestät der Königin Marie nach Schönbrunn abgereist, und I. K.H. die Prinzessin Amalie Nachmittags 3 Uhr von Tcplitz im Hoflager zu Pill nitz eingetroffen. — I. M. die Königin Wittwe von Preußen hat Pillnitz gestern verlassen und sich Nachmittags 5 Uhr mittelst Extrazugs von hier nach Berlin zurückbegeben. — — Se. I. H. der Armee Eorps Commandant hält im Laufe dieser Woche in den auswärtigen Garnisonen Truppenvorstel lungen ab und wird die Bataillone und Schwadronen jeder Garnison auf den betreffenden Exercirplätzen vor sich ererciren lasten. — Der cr-ste Legationssecretär bei der k. russ Gesandt schaft an hiesigem Hofe, Herr Graf Cassini, hat sich vor eini gen Wochen von hier nach Petersburg begeben und wird in diesen Tagen hier zurückerwartet. — — Die Ausstellung der Herbert König'schen Aquarellen auf der Terrasse wird, wie wir heute hören, nicht schon den .12., sondern erst den Ick. Juni geschloffen. — In diesen Tagen hat Professor Hähncl das Modell einer für Braunschweig bestimmten Rciterstatue des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschwcig-Oels, jenes berühmten Führers aus den, Befreiungskämpfe, welcher am 16. Juni 1815 bei O.uatrebras fiel, vollendet. — Herr Wuschp hat für heute in seinem Etablissement zum Linckeschen Bade ein großes Brillant-Feuerwerk und Extra Concert veranstaltet, ein Abendfest, welches schon im Sommer des vorigen Jahres großen Beifall fand. — Auf der Johannisstraße war gestern Wagen an Wa gen, längs des hohen Schnittgcrinnes aufgestellt. Das junge Norddeutschland war per Equipage vor einem Hause vorgefah ren, in welchem » I» I»r. Jenner „geimpft" wird. Das war ein Strampeln und Krabbeln und Schreien und Mukscn, das Alles erinnerte dm Vorübergehenden an seine eigene Jugend, wo er auch gestrampelt, freilich nur im kindergeistigcn Sinne, während er jetzt nach 4 oder 5 Dezennien seines Lebens ern ster seine Strampelübungcn betreibt. — Auf der Strecke eine Sinke, so hieß cs am Dienstag Vormittag, als mehrere Streckenarbeiter am Ausgange des Centralbahnhofes in der Nähe der Papiermühle an einander geriethen. Erheitert durch kräftiges Dejeuner entspann sich ein Kampf unter ihnen, der erst beim Einschreiten zweier Oberbe- amlen endete und zwar dadurch, daß einer der Gefechthitzigsten in einen Packwagen gesteckt wurde, um dort sich — abzukühlen. — Als gestern Morgen Uhr der Chef des Gencral- stabcs, Herr Oberstleutnant von Carlowitz über die Augustus- brücke ritt, glitt sein Pferd aus, stürzte, und fiel auf die Seite. Der Reiter kam mit dem linkm Beine unter das Pferd zu liegen. Zwar sprang das Pferd bald wieder auf und war anscheinend unbeschädigt, allein cs schien, als hätte Herr von Carlowitz sich erheblich am linken Knie verletzt: er hinkte we nigstens, und führte sein Pferd über die Brücke hinüber nach Neustadt. — — Am 27. Mai schwamm bei Neudors ein unbekannter männlicher Leichnam an. Jetzt soll inan nach den Kleidungs stücken, die er getragen, in ihm der Maurer Schcubach aus Pirna erkannt wordm sein, der einige Zeit vor der Auffin dung seines Leichnams beim Wasserschöpsen in Pirna in die Elbe gefallen war. — Man theilt uns mit, daß man den von uns gestern gevachten Bärenführern, die förmlich als ein Recht in Anspruch nahmen, in hiesiger Gegend in der zudringlichsten Weise betteln zu dürfen, ihr Handwerk bald gelegt und sie deshalb beim Gericht eingeliefert hat. — Am zweiten Pfingstfeiertage ist am Hellen Nachmittag in das Expeditionszimmer der Posthalterei zu Zittau einge brochen und daselbst eine Summe von circa 700 Thalern ge raubt worden. — Der Componist Anton Wallerstein ist, wie schon früher öfters, zu einem längeren Sommeraufenthaltc in Schandau singetroffen. — Ans Anzeige des hiesigen Thicrschutzvcrcins ist Fer dinand Bruno Freiberg von hier wegen Mißhandlung von Kälbern beim Transport mit 8 Tagen Gesängniß bestraft worden. — Der „K. Z." schreibt man aus Berlin: Wie man hört, bildet sich hier eine Gesellschaft zum Baue einer Eisenbahn von Sagan über Sorau nach Dresden und Leipzig mit einer Weges- «ibkürzung, welche für die elftere Stadt 4, für die letztere 7 Meilen beträgt. Das Project soll sich der Billigung desHan- delSminiflers erfreuen. — Nachdem mehrere Bewohner der Oftraallec sich an den Stadtrath mit der Bitte gewendet: genannte Straße mit Wasser besprengen zu lassen, ist diesem Gesuch aus dem Grunde nicht gewillfahrt worden: weil diese Begünstigung sich nur auf ungepflasterte Straßen erstrecke. Sodann könne hier eine Aus nahme um so weniger stattfinden, als die Staubentwickelung auf dieser Straße hauptsächlich in der für den starken Verkehr unzureichenden Reinigung des Pflasters daselbst ihren Grund habe. — Dieser Grund der unzureichenden Reinigung des Pflasters soll aber nicht stichhaltig sein, da wohl fast täglich gekehrt, aber so wenig dabei mit der Gießkanne gesprengt wird, daß man unter dem Staube dabei eben so, wie bei Wind zu leiden hat. Zweitens hat die Ostraallee wohl eher ein Recht zu dieser Vergünstigung, da sie einem kolossalen Verkehr ge öffnet ist und die beiderseitigen sandigen Fußwege unbesprengt bleiben. Es wird diese Begünstigung der Bürgerwiese von der Park bis zur Lüttichaustraße zu Theil, warum nicht hier? Wir sind angegangen worden, diese Angelegenheit vor das Forum der Oesfentlichkeit zu bringen, glauben aber, daß es bei dem gefaßten Beschluß des Nathes sein Bewenden haben wird. Am Besten wäre es wohl, wenn sich die Bewohner der Ostra- Allce behufs der Staublöschung auf eigene Kosten vereinigten, wie dies bereits auf anderen Dresdner Straßen und nament lich auch in Leipzig geschieht. — Am Sonntag Abend wurde bei Gröditz folgende merk würdige Erscheinung beobachtet, lieber der hinter einer dichten Wolkenschicht untergehcnden Sonne erhob sich senkrecht ein Heller, zu beiden Seiten ziemlich scharf begrenzter Lichtschein in der Breite der Sonnenscheibe zu einer beträchtlichen Höhe. Links und rechts davon erschienen in einer Entfernung zwei ähnliche senkrechte, aber mattere Strahlen in den Farben des Regen - bogens. Die Erscheinung war etwa eine halbe Stunde lang sichtbar. Die folgende Nacht brachte Regen und bedeutende Temperaturerniedrigung. — Nach einer Verfügung des Kgl. Gerichtsamts Dresden müssen die Hunde im gesammten Amtsbezirke während eines zwölfwöchentlichen Zeitraums, vom 25. Mai bis zum 18. Au- gust d. I., entweder eingesperrt oder mit Maulkörben von starken Drahtstangen versehen sein. — Am 2. Juni erhing sich in Schirgiswalde, wahrschein lich in einem Ansalle von Schwermuth, veranlaßt durch zerrüt tete Vermögensverhältnisse, der 45 Jahre alte Gartcnnahrungs- besitzer Johann Gottlieb Petasch aus Rodewitz. — Der 50 Jahre alte Schafmcistcr Karl Gotthcls Mütze in Nöhrsdorf bei Königsbrück machte seinem Leben auf gleiche Weise ein Ende; er hinterläßt eine Frau und 4 Kinder. — Der 80jährige Tagelöhner und Armenhausbewohner Gottfried Huhn in Kö nigsbrück hat sich Tags darauf ebenfalls, vcrmuthlich aus Le bensüberdruß, das Leben genommen. — Chemnitz, 6. Juni. Vorgestern Abend hat sich der wegen Diebstahls eingezogene Deckenmncher Winkelmann aus Ocdcran in der Zelle der hie sigen Frohnfeste am Thürschloß erhängt. — Um zu verhindern, daß die außerhalb der Anstalt arbeitenden Militärstrafarbeiter, wie in letzter Zeit einige Mal geschehen, von ihren Arbeitsplätzen desertiren, wird jetzt den einzelnen Arbeiter-Abtheilungen außer dem Aussicht führenden Unteroffizier re. nach entfernteren Arbeitsplätzen, namentlich auf dem neu errichteten Manövrirtcrrain, noch ein bewaffneter Soldat beigegcben, welcher mit ausgestecklem Baponnet die Arbeiter be gleitet. — Am Sonnabend feierte der hiesige Männcr-Turn Verein (vulgo 8'«!lovi->) die Eröffnung des Sommerturnens auf dem Turnplätze selbst in thcils ernster und heilerer Weise. Zu nächst wurden allgemeine Freiübungen nach dem Takle der Musil exakt vorgelührt, dann folgte ein Turnen der Rigen an Geräthen, um insbesondere die anwesenden Frauen re. der Mit glieder einmal zu überzeugen, wie unschuldiger Natur, wie ge fahrlos und doch zugleich wie nöthig und nützlich für den Ein zelnen die Betreibung der noch immer nicht allenthalben als wohlthätig anerkannten Leibesübungen ist. Nur ordentlich ge regelt nruß ein Vereinsturnen sein, dann erfüllt es auch den bestimmten Zweck. Spürer reihte sich noch ein lebhafter ge selliger Verkehr an, der durch Concert, Illumination und Feuer werk von sachkundiger Hand gewürzt wurde. Viele der Vereins - Mitglieder, die beim Zechen am längsten ausgehalten, wurden durch das in jener Nacht stattgefundene Feuer zur Walkmühle endlich verscheucht und mußten — ivohl oder übel — vom Festplatz zur Brandstätte eilen, um ihrer Pflicht als Feuerwehr männer zu genügen. — Der in der gestrigen Nummer der Dresdner Nach richten enthaltene Artikel: „Der Ncumarkt und das Friedrich- August-Denkmal" veranlaßt Herrn Stadtrath >>r. Stübel zu folgender Mittheilung: Die Umgestaltung des Pflasters auf dem Neumartt war schon vor der Aufstellung des Königs- Denkmals daselbst nicht nur von, Rath, sondern auch von der Gemeindevertretung als nothwendig anerkannt und für dieses Jahr vom Rath in Aussicht genommen, auch dem Stadtver ordneten-Collegium der ausgestellte Plan vorgelegt worden Dasselbe beanstandete jedoch bis jetzt aus finanziellen Bedenken die Bewilligung der hierzu nöthigen, nicht unbedeutenden Geld mittel, und ist in dess.n Folge die Ausführung dieser Arbeit, für welche bedeutende Materiallieferungen erforderlich sind, in diesem Jahr nicht mehr ausführbar. Mit Rücksicht auf das mit den Technikern des Staats vereinbarte zukünftige Niveau des Platzes ist die Denkmalsaufstellung erfolgt, selbiges aber der Stadt nicht ubergeben worden, so daß die Stadt weder verpflichtet, noch berechtigt ist, an dem freiliegenden Unterbau des Denkmals irgend welche Veränderungen vorzunehmen. — Stolpen. Gestern Abend präparirte sich wieder das Vorspiel eines Polterabends; allein unsere städtische Wohlfahrts polizei war dieses Mal sehr schnell bei der Hand, ein 27jäh- rigcs Individuum beim Zopf zu fassen und in die königliche Amtsfrohnveste zu interniren. Hoffentlich dürfte es in diesem Jahrhundert der letzte Polterabend in Stolpen sein. — Teplitz, 7. Juni. Den seit 1. d. M. im hiesigen Hospitale befindlichen sächsischen Militärs, bestehend aus 19 kranken Unteroffizieren und Mannschaften und 1 Krankenwärter, wurde gestern eine große Ehre zu Theil. I. K. H. die Prin zessin Amalie von Sachsen, welche sich seit einigen Wochen hier zur Cur aufhält, beehrte unser Badchospital mit ihrem Besuche, erkundigte sich bei jedem einzelnen Soldaten nach dessen Be finden und unterhielt sich längere Zeit mit einem jeden Manne. Nachdem I. K H. beide Krankensäle besucht und die Soldaten mit dem Wunsche einer baldigen Genesung mit freundlichstem Gruße verlassen hatte, ließ dieselbe eine Summe von 60 Tha lern zur Vertheilung an die Soldaten zurück und begab sich dann in die Wohnung des schon alten, aber immer noch recht rüstigen Hausverwalters, um sich auch nach dem Befinden des ehrwürdigen Ehepaares, Papa und Mama Thräne zu erkun digen. Auch den im Hospitale anwesenden sächsischen Offizieren stattete sie einen Besuch ab. Die Prinzessin, von der muster haften Ordnung im ganzen Hause sichtlich erfreut, begab sich hierauf wieder in ihre Wohnung, woselbst ihr heute die beiden ältesten Unteroffiziere im Namen der gesammten Mannschaften den herzlichsten Dank abstatteten. — Sachsens größter Birnbaum. Als 66 die Preußen in Sachsen einrückten, war in der Lommatzscher Pflege, wozu auch Ostrau gehört, das an der Chemnitz-Niesaer Eisen- bahn gelegen, gewissermaßen den Mittelpunkt derselben bildet, die Sage weit verbreitet, deren Ursprung sich leicht errathen läßt, daß die Neste der zusammcngehauenen preußischen Armee zuletzt unter dem Schatten eines großen Baumes sich würden versammeln können. Jede Gegend hatte hierzu einen Baum bei der Hand, in Ostrau wiederfuhr die Ehre dem großen Birnbaum, der hinter dem Gutsgehöfte des I>r. Möbius, kaum 100 Schritt von der Bahn und der Bahnhofsrestauration ent fernt, sich befindet. Ist derselbe nun auch nach dem glänzen den Ausgange des Krieges nicht zu der traurigen Berühmtheit gelangt, die ihm von der Sage Vorbehalten war, so ist er doch durch seine Größe, durch sein hohes Alter, durch sein schönes, gesundes Aussehen ein jedenfalls sehr merkwürdiger Baum, daß es wohl vergönnt ist. die Leser mit diesem Riesen seines Geschlechtes, wie er anderswo nicht leicht dürfte gefunden wer den, bekannt zu machen. Der Baum hat auf einem Kraul- ackcr einen freien und günstigen Standort und diesem Umstande verdankt er wohl sein hohes Alter und seine Größe. Der Umfang des Stammes beträgt reichliche 6 Ellen. Vollkommen gesund erhebt sich derselbe gleichmäßig und gerade bis zu den Arsten in einer Höhe von 6 Ellen. Die Aeste verbreiten sich gleichmäßig nach allen Seilen und bilden bis zur 30 Ellen hohen Krone, in der ein wildes Taubcnpaar nistet, ein riesiges Rund, das einen Raum bedeckt von 26 Ellen Durchmesser, groß genug zum Tummelplatz für die Jugend des ganzen Dor fes, wenn auch nicht zur Aufnahme für die Zieste einer ge schlagenen Armee. Die um den Stamm herumlausende Bank mißt 14 Ellen. In der Blüthenzeit gewährt der Baum, wie dieß Heuer der Fall war, einen unvergleichlich schönen Anblick. Früchte trägt e jedes Jahr, bisweilen bis zu einem preußischen Wispel. Es ist die wilde Rettichsbirne, grün genossen zwar streng vom Geschmack, aber gebacken von außerordentliche Sü ßigkeit. Welche Erinnerungen für das Jahnathal knüpfen sich an diesen Baum! Reicht auch sein Alter nicht hinauf bis in die Zeit der Dalomingier, deren Festung Jahna, wohin heute Ostrau cingepfarrt ist, von Heinrich dem I. im Winter 927 — 28 zerstört wurde, so hat er sicher die Zeit der Reform« tion erlebt, so hat er gesehen, wie Kaiser Karl der V. im April 1545 mit seinem Heere das Jahnathal hinunterzog und einen Tag vor der Schlacht bei Mühlberg in Hof, das eine Stunde von Ostrau entfernt ist, Rasttag hielt, so weiß er zu erzählen von den Unbilden des 30jährigen Krieges, wie die Höllischen Jäger den Wirth des Brauschenkengutes zu Ostrau mit den Ohren aus den Tisch nagelten, oder 1637 die Pest unter dem Namen des schwarzen Todes das ganze Jahnathal schrecklich heimsuchte, von den Vorgängen der Neuzeit, das Sprengen der Eisenbahnbrücke durch die Preußm, zu geschwei- gen. Von Geschlecht zu Geschlecht ist er im Munde des Vol» kes der große Birnbaum.