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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prämimerationr-PmS 22j SUbcrgr. (js Thlr.) viertetjährUch, 3 Thlr. für daß ganze Jahr, ohn« Erhöhung, in »Um Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin dei Beit n. Com»., Iägerüraße Nr. 2b), so wie non allen König!. 'Voß - AenUern, angenommen. Literatur des Auslandes. 4. Berlin, Donnerstag den 9. Januar 1843. England. Die Reaction gegen den Puseyismus in der anglikanischen Kirche. Eine wichtige Krise bereitet sich im Schoß der anglikanischen Kirche vor. Bisher schien sie bloß vom Puseyismus bedroht zu werden; doch jetzt beginnt die Reaction, und diese, welche die Kirche zu retten unternimmt, ist selbst voll Gefahren für sie. Die puseyistische Bewegung war von dem Klerus, den Bischöfen ausgegangen; die Laien sahen mit gewissen Ausnahmen zweifelnd zu; sie haben endlich erkannt, daß es ihre Pflicht sey, sich zu entscheiden und zu handeln. Ein scheinbar unwichtiger, aber in der That sehr bedeutender Umstand hat ihren Widerstand hervorgerufen. Die Bischöfe von London, Exeter und Oxford haben in ihren Diözesen gewisse Gebräuche, wie das Offertorium und die Predigt im Chorrock, wieberherstellen wollen, welche zwar dem alten Ritual angemessen, aber seit lange außer Gebrauch gekommen, und deren Wiedereinführung heutzutage den Zweck zu haben scheint, den Ten denzen der neuen Restauratoren zu Hülfe zu kommen. An einigen Orten haben die Geistlichen Vorstellungen an ihre kirchlichen Oberen gerichtet; an vielen anderen hat die Gemeinde durch ihre Laien-Repräsentanten protestirt. Man hält Meetings, um Resolutionen in diesem Sinn anzunehmen, und um den Gegnern der Puseyitcn, deren Demonstrationen am geeignetsten sind, auf das Publikum Eindruck zu machen, Danksagungen zu votiren. Die be treffenden Bischöfe versuchen cS, den Sturm zu beschwören, indem sie den Gemeinden einen Aufschub zur Einführung jener Gebräuche bewilligen; aber wie man aus der energischen Sprache der letzteren schließen kann, ist eS nicht wahrscheinlich, daß sie nach Ablauf dieser Frist dieselben geneigter finden, sich zu unterwerfen. Folgendes find z. B. einige von den Resolutionen der Bewohner von Tavistock: „Die Versammlung bedauert die Veröffentlichung eines Hirtenbriefes, der von dem Bischof von Exeter an die Geistlichkeit seiner Diözese gerichtet worden, da sie, um sich der eigenen Worte des Bischofs zu bedienen, über zeugt ist, daß derselbe in das System der Maßregeln gehört, womit man die Kirche zu den auSgeartetcn Gebräuchen, von denen sie durch die Reformation befreit worden ist, zurückzuführen sucht. „Sie würde auf den Gebrauch des Chorrocks nur wenig Gewicht legen, wenn die Traktarianer °) ihn nicht eingeführt und den an sich sehr unschul digen Gebrauch dieses Kleides mit der katholischen Lehre vom Priesterthum und vom Opfer idcntifizirt hätten, indem sie erklärten, daß der Chorrock das Priesterkleid der Kirche sey. „Die Versammlung drückt ihre Opposition gegen den Katholizismus oder Traktarianismus von Oxford aus, der nach dem Beispiel Roms verlangt, daß man an Hellem Tage Kerzen ans dem Altar anzünde, daß man das Krenz auf den AbcndmahlStisch setze, daß man die Kirchen mit Bildern und Kruzi fixen schmücke, daß man eine abergläubische Ehrfurcht vor den Gewändern der Priester an den Tag lege, und da der Doktor Pusey geäußert hat, daß „er wie seine Freunde über die Schnelligkeit der Bewegung erstaunt sey", indem er hinzufiigt, „daß von dem AuSgang deS gegenwärtigen Streits das Schick sal der anglikanischen Kirche abhänge", so legt sie allen Laien ans Herz, wie nothwendig eS sey, fich mit Festigkeit und Kraft für die Vertheidigung des Protestantismus, der freie» Forschung und der bürgerlichen und religiösen Freiheit zu erheben." Selbst in den Diözesen, wo die Bischöfe keinen Versuch der oben ange führten Art gemacht haben, verwahrt man sich im voraus gegen den Puseyis mus. Es geschah dies unter Anderem in einer merkwürdigen Rede, die bei Gelegenheit der Jnstallirung der Kirchen «Aeltesten (dmrctnvsrctens) der Diözese Chester von dem Kanzler Herrn Raikes gehalten wurde, um sic auf ihre Pflichten aufmerksam zu machen: „Die Kirche seyd Ihr", sagte der Kanzler; „die Laien bilden die Kirche, und die Mitglieder deS Klerus sind nur die Diener der Kirche. Doch ist es möglich, daß der Klerus fich mehr anmaßen will, als ihm zusteht, und seinem Amt einen Charakter und Rechte beizulcgcn sucht, welche die re- sormirte anglikanische Kirche ihm nie zuerkannt hat. Es könnte vorkommen, daß man für den Geistlichen in Anspruch nimmt, was man sonst sür den Priester forderte, und für die anglikanische Kirche, was sie immer mit Sorg, falt verschmäht hat. Vielleicht werdet Ihr in Predigten einer neuen Art von der Kirche sagen hören, was Ihr gewohnt wäret, von Christus zu hören; -) So heißen die Puseniten wegen der vielen Traktälchen, di« sie sür die Bertheidi- «ung ihrer Tendenzen herauSgeden. vielleicht wird man behaupten, daß der Akt deS Gebets oder der Vermitte- lang dem Geistlichen zusteht, der für das Volk betet, statt, wie die Worte „gemeinschaftliches Gebet" (common pra^er) anzeigen, ein Dienst zu seyn, an welchem Geistliche und Gläubige Theil zu nehmen berufen sind. Vielleicht wird man sich auch wegen der Functionen, mit denen Ihr bekleivet seyd, an Euch wenden und Euch ausfordern, Gegenstände zu liefern, deren man sich bisher nicht bedient hat, z. B. Kerzen und Zierrathen für den AbendmahlS- tisch. Ich sage, dies könnte Vorkommen, obgleich ich cS nicht für Wahlschein, lich halte; aber wenn eS der Fall wäre, erinnert Euch, daß die Laien die Kirche bilden, und daß sie es sür nothwendig halten könnten, zu Euch, als zu ihren Repräsentanten, Zuflucht zu nehmen, sey eS, um gegen jede Ab weichung von den Prinzipien der Kirche zu protestiren, oder um allen in der Form unseres öffentlichen Kultus nicht autorisirten Veränderungen Widerstand zu leisten. Dann wäre es Eure Pflicht, einzuschreiten, um die Rechte der Laien zu unterstützen und die Integrität der Kirche zu erhalten." Auch im Ausland ist man aufmerksam geworden. Es ist bekannt, welche Achtung in England der Verfasser der in französischer Sprache geschriebenen „Geschichte der Reformation", Herr Merle d'Aubign«, genießt, dessen Name bekannter und verehrter in diesem Lande ist, als der irgend eines andere» Theologen des Kontinents. Der Brief, den er kürzlich an einen anglika nischen Geistlichen gerichtet und den dieser in den Londoner Journalen publizirt hat, mußte demnach auch einen tiefen Eindruck hcrvorbringen. „Der Zustand der anglikanischen Kirche", sagt Herr Merle d'Aubign«, „erscheint den Christen des Kontinents immer beunruhigender. Das Uebel scheint uns auf den Gipfel gestiegen zu seyn, und wir sehen nicht, daß die Kirche etwas thue, um dem. selben abzuhelfen. Wir werden dadurch auf die Frage geführt, ob das Epis kopal-System unbefähigt ist, die Kirche zu regieren.... Wenn die Bischöfe fortfahren zu schlafen, so erinnert Euch, daß die Kirche Richterin der Kontro versen, und daß die Kirche, nach Euren Artikeln, die Versammlung der Gläubigen ist. Mögen daher die Gläubige» fich erheben und sprechen!" Auch die städtischen Behörden fangen an, gegen die neue Richtung zu protestiren: der Stadtrath von London hat so eben Fonds für den Bau einer neuen Kirche verweigert, uni sein Mißfallen gegen die Neuerungen deS Bischofs an den Tag zu legen. Wenn man die Stellung kennen will, die die Bischöfe eingenommen, um dem Sturme, der sie bedroht, Stand zu halten, braucht man nur den Brief deS Bischofs von Exeter an einen Dechanten seiner Diözese zu lesen, dem wir folgende Stelle entlehnen: „Es ist überflüssig, Ihnen zu sagen, daß ich auf eine so unbedeutende Sache, als ein Chorrock, kein besonderes Gewicht lege; aber worauf cS hier ankömmt, das ist nicht der Chorrock, sondern die Pflicht und das Recht deS Bischofs, darüber zu wachen, daß Alles mit Anstand und Ordnung vor sich gehe, nach dem Nath des Apostels; mit einem Worte, es handelt sich darum, zu wissen, ob eS eine Autorität giebt oder nicht." Die Sachen sind jetzt so weit gekommen, daß Ler Erzbischof von Canter bury sür nöthig gehalten hat, ein Concilium von Bischöfen zusammenzubc- rufen, uni die gegenwärtige Lage der anglikanischen Kirche in Erwägung zu ziehen und ein Schisma zu verhüten, indem man wo möglich Gleichförmigkeit in die Form des Gottesdienstes bringt. Aber während so der englische Primas sich im Recht glaubt, Alles mit den Bischöfen nach seinem Belieben zu ordnen, entwirft man im Lande Bitt schriften an die Königin, aus daß diese in ihrer Weisheit den Frieden der Kirche aufrecht erhalte, deren Oberhaupt sie nach dem Gesetze ist. Diese Lösung stimmt so ziemlich mit der, welche von dem Organe des Persischen Ministeriums, dem Srsiuiarü, vorgeschlagen wird: „Wir glauben", sagt dieses Blatt, „daß der Streit über den Chorrock, wenn die Bischöfe auf die Einführung desselben bestehen, nur legislativ beige legt werden kann. Um die Wunde der Kirche zu heilen, beeile man fich also, eine gesetzliche Lösung vorzubereiten, indem man, wenn eS nöthig ist, an die letzte Instanz, den geheimen Rath der Königin, geht. Setzen wir den Fall, daß ein Geistlicher der Diözese von Exeter in seinem gewöhnlichen Ornate predigt; läßt man ihn ungestört, so ist die Frage für diese Diözese gelöst, und das Volk wird wisse», daß Alle, die den alten Gebrauch verlassen, es nicht thun, weil sie sich der Autorität unterwerfen müssen, sondern weil sie sich dem Papstthum zuneigcn. Wenn man dagegen den Geistlichen, der einen zweihundertjährigen Gebrauch beibehält, verfolgt, dann wird das Volk ihn in seinen Appellationen unterstützen, bis die Sache vor den geheimen Nath kommt."