Volltext Seite (XML)
Erscheint wöchentlich drei Mal und zwar Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (Vormittag). Abonnementspreis beträgt vierteljährlich l Mark 20 Ps. priennweranll». Anzeiger Inserate werden bis spätestens Mittags des vorhergehenden Tages des Erscheinens erbeten und die Corpusspaltenzeile mit iv Pf., unter „Eingesandt" mit 20 Pf. berechnet. Zwönitz und Umgegend. Organ für den Stadtgemeinderath, den Kirchen- und Schulvorstand zu Zwönitz. Verantwortlicher Redacteur: Bernhard Ott in Zwönitz. 19. Donnerstag, den 12. Februar 1880. 5. Jahrg. Tagcsgesthichte. Deutschland. Die Verzögerung der Kronprinzlichen Abreise sucht ein Berliner Blatt aus dem Wunsche des Kronprinzen zu er klären, den Besuch des neuen russischen Botschafters Saburow zu empfangen, nachdem dieser sich bereits dem Kaiser und der Kaiserin vorgestellt hat, da man jedenfalls sonst schnell mit Insinuationen zur Hand gewesen sein würde, durch welche dem Nichtempfang eine de monstrative Bedeutung gegeben werden könnte. Es scheint uns diese Lesart doch ein wenig weit hergeholt. — Möglicherweise werden sich an die Reise des deutschen Botschafter in Nom, Herrn v. Keudell, zum Besuche des Kronprinzen nach Pegli die verschiedensten Ver muthungen anfranken. Es verlautet, daß der Kronprinz vor seiner Rückreise nach Berlin am 10. März nicht nach Nom reisen werde. Ausgeschlossen ist indessen nicht, daß derselbe nach seiner nochmaligen Reise nach Italien im April den Wünschen des ihm so befreundeten italienischen Königshauses nachgeben und mit seiner Familie alsdann auf einige Tage zum Besuch derselben nach Nom reisen werde. Ob die Anstrengnngen, welche von Seiten des Vatikans gemacht werden, den künftigen deutschen Kaiser zu einer Unterredung mit dem Papst zn bewegen, erfolgreich sind, steht noch dahin, und wird von dem Verlauf der Friedensunterhandlungen der deutschen Negierung mit der Curie wesentlich, aber keineswegs ausschließlich abhangen. — Die Gerüchte von einer neuen, durch die Intervention des Kron prinzen beigelegten „Kanzlerkrise" wollen nicht sterben. In immer neuen Versionen tauchen sie gerade in angesehenen und gut unter richteten Blättern auf. Heute bringt der „Pester Lloyd" eine Dar stellung der Sache, die, abgesehen von den falschen „Krisen"-Ge rüchten, um einiger Details willen Beachtung verdient. Es heißt da: Es bestätigt sich mehr und mehr, daß der deutsche Kronprinz kurz nach der Ankunft des Fürsten Bismarck in Berlin in der Lage war, zwischen dem Kaiser und seinem leitenden StaatSmanne eine vermittelnde Thätigkeit auf breitester Grundlage zu entfalte». Nicht, daß es nöthig gewesen wäre, ein Demissionsgesuch des Reichskanzlers rückgängig zu machen, oder eine Weigerung des Souveräns zu be seitigen, die politischen Wege seines Kan-les fortzuwandeln. Allein, es gab doch eine Reihe von Eindrücken bei Seite zu drängen, welche den Auffassungen des Fürsten Bismarck nicht ganz entsprachen und die in der langen Dauer seiner Abwesenheit vorn kaiserlichen Hof lager Zeit gefunoen hatten, sich in der Umgebung des Kaisers Wil helm einzubürgern. Es ist nicht unmöglich und wird in manchen Kreisen für durchaus verbürgt gehalten, daß selbst das Verhältniß Deutschlands zu Oesterreich-Ungarn w seiner latenten Gegensätzlich keit Veranlassung zu Eontroversen gegeben habe, welche lediglich durch das Eingreifen des Kronprinzen in befriedigenstem Sinne ihre Lös ung zu finden vermocht haben. Allein außer den Fragen der großen auswärtigen Politik waren es ganz besonders die Beziehungen zum Vatican, welche eine anfklärende Verständigung zwischen Kaiser und Kanzler erheischten. Die sogenannte Hofprediger-Partei, als deren Günstling, wenn man sich so ausdrücken darf, der jetzige Cultus- minister Herr v. Putttämer zu betrachten ist, und in deren Gunst wiederum die Hauptstütze dieses Maunes beim Monarchen besteht, hätte ani liebsten den Conflict mit der Curie durch ein Zurückweichen der Staatsgewalt auf der ganzen Linie im versöhnlichen Sinne be endet gesehen. Fürst Bismarck aber, den die aalglatte Geschmeidig keit der römischen Unterhändler nervös und sehr reizbar gestimmt hatte, wollte von einem Nacbgebeu in der vom Kultusminister bereits begonnenen Weise der LlockuL-vivmuIi-Verfüglmge» nichts wissen, und der Kronprinz, welcher die Ansicht theilt, daß die im Kampfe gewonnene Stellung des Staates nicht so leichten Kaufes aufgegeben werden dürfi unterstützte die Anschauungen des Fürsten Bismarck so lebhaft der seinem kaiserlichen Vater, daß die künstlichen Hinder nisse, zvelche die protestantische Orthodoxie zwischen Kaiser und Kanz ler aufzuthürmen begonnen hatte, dahinschmolzen, wie Märzschnee vor der Frühlingssonne. — lieber die Herbstmanöver dieses Jahres ist jetzt endgiltig beschlossen worden. Danach wird der Kaiser persönlich an den Ma növer» des Gardccorps und des 3. Armeecorps theilnehmen, und ein Kaisermanöver des 10. Armeecorps, wovon bis dahin die Rede war, nicht stattsinden. Im Bereiche der übrigen Armeecorps sollen größere Tirailleurübungen und bei Harburg große Pontonnierübun gen unter Hinzuziehung von je zwei königlich sächsischen und königlich württembcrgischen Pionniercompagnien vorgenommen werden. — Zu den Vorlagen, die dem Reichstage in der bevorstehenden Session zugehen werden, gehört äußerem Vernehmen nach auch ein Gesetzentwurf, betr. den Schutz nützlicher Vögel. Man hofft auf diese Weise den argen Beschädigungen, welche für den Feld- und Garten bau, die Weinkultur und die Forstwirthschaft durch Insekten herbei geführt werden, indirekt entgegenwirken zu können. — Die Frage der Vertretung Frankreichs am Berliner Hofe ist seit der vorigen Woche nunmehr bis auf Weiteres entschieden. Nach längeren Unterredungen des Grafen St. Vallier mit dem Prä sidenten Grevy und dem Minister Freicynet hat Ersterer am 5. d. M. seine Demission officiell zurückgezogen. Jin besonderen Auftrage des Fürsten Bismarck beglückwünschte Fürst Hohenlohe den Grafen St. Vallier zu dem gefaßten Entschluß. Graf St. Vallier weilt bis zur Stunde noch in Paris; über seine Rückkehr nach Berlin ist bis jetzt noch nichts bekannt. Frankreich. Die neuerdings constatirte Schwenkung der Re gierung in der Amnestiefrage ist das persönliche Verdienst Grevys. Freycinet mar bereits für eine serienweise Begnadigung gewonnen, än derte jedoch seine Haltung, nachdem er erkannt hatte, daß der Präsident der Republik an der Anschauung festhält, das jetzige Parlament habe ein für allemal entschieden und dürfte nicht Seitens der Negierung zu einem Widerruf seines eigenen Votums veranlaßt werden. Die Communards in Genf scheinen diese Situation gut gekannt zu ha ben, als sie am letzten Mittwoch den Antrag eines ihres Genossen verwarfen, welcher vorgeschlagen hatte, alle Nichtamnestirten sollten sich reihenweise zur Aburtheilung und eventuellen Einkerkerung den französischen Gerichten stellen, um durch das Odium neuer Verur- theilung die allgemeine Amnestie herzustellen. Spanien. Madrid, 10. Februar. Der Attentäter Otero ist in erster Instanz gestern zum Tode vcrurtheilt worden und wird heute den Assisen übergeben. Rußland. Neber die in der Nacht vom 29. zum 30. Januar erfolgte Aufhebung der Geheiwdruckerei in Petersburg, bei der es bekanntlich zu einem blutigen Zusammenstoß zwischen "Nihilisten und den Organen der Polizei kam, ließ sich der Kaiser Alexander sofort am nächsten Morgen durch den Stadthauptmann Vortrag halten. Mit lebhaftem Interesse folgte der Kaiser der Darstellung desselben, welcher übrigens in jener Nacht selbst an Ort und Stelle gewesen ist, unterbrach ihn öfters durch Fragen nach Einzelheiten, und schüt telte ihm, als er geendet, herzlich die Hand. Stadthauptmann Surow wird in Folge dieses Ereignisses um einen Grad befördert, d. h. zürn Generallieutenant gemacht werden und einen Orden erhalten. Die Polizisten, die direcl die Festnahme der Nihilisten bewirkten, erhielten ein jeder eine Dotation von 1500 Rubeln aus der Tasche des Stadt- Hauptmanns. Andere Auszeichnungen, wie Avancements-Erhöhuugen, sind demselben bereits zu Theil geworden. Man muß, so wird aus Petersburg geschrieben, dieser Entdeckung der Geheimdruckerei des halb eine große Bedeutung beimesscn, weil inan demnächst nicht blos die Hauptdruckerei der gemeingeführlicben „Naronadja Wolga" auf gehoben und eines der nihilistischen Häupter, wenn auch todt, in die Hände bekommen hat, sondern weil der Kaiser einem neuen Anschlag auf sein Leben nur dadurch entgangen ist, daß die Polizisten den