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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22^ SUbergr. (f Thlr.) vierteljährlich, 3 Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung in allen TheUcn der Preußischen Monarchie. für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comv., IägerstraZe Nr. 25), so wie von alle» König!. Poß - Acimern, angenommen. Literatur des Auslandes. G' 43. Berlin, Dienstag den 9. April 1844. England. Die städtische Verwaltung der City von London. Die städtische Verwaltung des eigentlichen Londons (der City) bietet eine seltsame Mischung veralteter Einrichtungen und widerstreitender Elemente dar; es sind die Trümmer eines sozialen Systems, welches nicht mehr den Ideen und Bedürfnissen unseres Jahrhunderts entspricht. Sie wären schon längst in Staub zerfallen, wenn sic nicht von dem Geiste des Egoismus und des Mono pols mit einer Hartnäckigkeit verthcidigt würben, die jede Reform unmöglich macht. Während sich Alles um sie her verjüngte, ist die City allein wie eine Reliquie aus dem Mittelalter stehen geblieben. Versuchen wir es, eine Skizze ihrer bürgerlichen Verfassung zu entwerfen. Die City hat gegenwärtig 129,251 Einwohner, und ihre Lokal-Ausgaben für den Unterhalt der Kirchen und wohlthätigen Institute, für das Pflastern, die Erleuchtung und Reinigung der Straßen, die Polizei, die Gefängnisse, die Irrenhäuser u. s. w. belaufen sich jährlich aus etwa eine Million Pfund Sterling (über Or Mill. Thaler). Das Kirchspiel Mary-le-Bone, ein anderer Bestandtheil jenes ungeheuren Aggregats, welches die Hauptstadt Englands bildet'"), verwendet bei einer Bevölkerung von 137,955 Seelen für dieselben Gegenstände nicht mehr als 134,100 Psd. Sterl. (850 - 900,000 Thaler). Bei der Vergleichung dieser Zahlen, über die wir uns für den Augenblick jedes Kommentars enthalten, drängt sich unwillkürlich die Frage auf, woher dieser enorme Unterschied entstehen mag? Wir wissen zwar recht gut, daß die wohl feilste Negierung nicht immer die beste ist, aber da wir die Wirksamkeit der Munizipal-Einrichtungen der City untersuchen wollen, so müssen wir auch ihre Kostspieligkeit in Erwägung ziehen. Die Functionen einer Lokal-Verwaltung theilen sich in legislative, aus übende und richterliche, und in den besten Munizipal-Verfassungen hat man cS daher für zweckmäßig gefunden, eigene Beamte für jede dieser Klassen zu ernenne», in deren Wahl man sich nach ihren Fähigkeiten und den Garantiecn richtet, die sie gegen den Mißbrauch deS ihnen geschenkten Zutrauens darbietcn. In dem verwickelten Mechanismus der Londoner Corporation ist nichts Achn- lichcs zu finden; man scheint die Nothwcndigkeit einer solchen Vertheilung nicht geahnt zu haben. Die Aldermen, deren es sechsundzwanzig giebt, vereinigen in sich die Functionen von Lokal-Gesetzgebern, ausübenden Beamten und Rich tern; sie können nach Gutdünken über die öffentlichen Gelder verfügen und sind weit entfernt, dieses Vorrecht unbenutzt zu lassen. Diese mächtigen Stadthäupter werden von den Bürgern (lreemen) der sechSundzwanzig Stadt viertel oder VVarü-j erwählt, in welche die City gctheilt ist. Jedes Viertel ernennt einen Alderman, aber da die Viertel von ungleicher Ausdehnung sind und die Anzahl der kleinen die bergroßen übersteigt, so folgt daraus, daß sich die Gewalt in den Händen einer Minorität befindet, die weder in geistiger noch in materieller Hinsicht die Masse der Bürger repräscntirt. So enthält z. B. das Viertel Farringdon-Without 3030 Häuser — das Bridge-Ward nur 198. Dennoch ernennt jedes von ihnen einen Alderman, und wenn man also die Stimmen nach den Häusern berechnete, so hätte ein Wähler des letzteren Viertels eben so vielen Einfluß als fünfzehn Wähler des ersteren. Im Ganzen ernennen 0177 Häuser nicht weniger als neunzehn Aldermen, während 10,289 Häuser nur durch sieben vertreten werden. Diese Anomalie wird noch überraschender, wenn man bedenkt, daß viele der größten Kauf leute zu den Wahlen nicht mitstimmen, weil sie nicht in der City domizilirt sind und daher nicht als kreemen betrachtet werden. Außer der Verwaltung der öffentlichen Gelder sind die Aldermen noch mit anderen wichtigen Vorrechten bekleidet. Erstens haben sie bei allen Fragen, die sich aus die Angelegenheiten der Corporation (Munizipalität) beziehen, ein -> Wir c»tlch»c» diesen Artikel der rv°«t,mu-ter Kvvietv, dein Organe der extremen whig-radikalen Partei. Daß cs mir ihrer Darüellung im Ganze» seine Nichtigkeit habe, wollen wir nisn i» Abrede stelle»; doch verhält cS sich mit den Einrichtungen der Ciw w>i mit so manche» anderen englischen Vcrwaltungssormc» — sie licier» in der Praxis ein besseres Resultat, als cs sich aus der Theorie erwarten ließe. Trotz der von dem Revicwer »eil so vieler Bitterkeit gerügten, allerdings dedemendcn Mißbräuche, sind doch in den letzter, — rä Jahren in der Citv so großartige Neuerungen und Verbesserungen z» Stande gebracht worden, wie wir sic in keiner anderen europäische» Stadt — selbst in dem nach de» untadeligsten Prinzipien der politischen Ockvnomie verwalteten Paris nicht - bemerkt haben. Anmerk. d. Ucbers. "i Bekanntlich zerfällt London in mehrere (lieben) Bezirke, Lie ihre besondere Verwal tung habe-, und wovon die Cith, obgleich der Kern Les Ganzen, Loch nur einen sehr kleinen Thcsi ausmach,. doppeltes Votum, d. h. als Mitglieder deS lsnmmon kouncil (Gemeinderaths) und des Raths der Aldermen. Zweitens sungiren sie als Beisitzer verschiedener Civil-Gerichtshöfe und üben in der City das Amt der Friedensrichter und Polizei-Direktoren (poliee mugi^rtwe!«) aus. Drittens sind sie mit AuS- theilung der Privilegien (lieeueez) für die Schankwirthe und Weinhändler be auftragt, woher sich das Interesse erklären läßt, welches diese zahlreiche Klaffe an den Aldermen's-Wahlen nimmt. Viertens sind sie aller Verantwortlichkeit gegen das Publikum sowohl als gegen ihre Konstituenten entbunden, da sie auf Lebenszeit erwählt werden und ihre Verhandlungen meistentheils bei ver schlossenen Thüren stattfinden. Fünftens haben sie die Aufsicht über die Ge fängnisse. Sechstens ist jeder Alderman Aufseher der königlichen Hospitäler, Administrator irgend eines wohlthäligen Instituts, Direktor einer Compagnie oder Zunft u. dergl. m. Siebentens wählen die Aldermen den Recorder oder Präsidenten des Kriminal-Gerichts, dessen Jurisdiction sich über die ganze Hauptstadt erstreckt. Achtens verwalten sie die Polizei in der Vorstadt South- wark, die übrigens eine ganz von der City getrennte Verwaltung besitzt. Neuntens haben sie ein Veto bei den Wahlen der Mitglieder ihrer eigenen Körperschaft, was dem Rechte der persönlichen Ernennung gleichkommt. End lich wirb jeder Alderman, welches auch seine Fähigkeiten scyn mögen, der Reihe nach Lord-Mayor von London und ist vermöge dieses Amtes mit mehreren hohen Prärogativen bekleidet. Er kann, wenn cs ihm gutvünkt, die Versammlung des Ooinmou Ovunell auslösen und auf diese Weise alle Ange legenheiten der städtischen Verwaltung zum Stillstand bringen, und man hat die Lord-Mayors sogar das Recht aufhedcn sehen, öffentliche Diskussionen in der City über politische Gegenstände zu halten. Der Antheil des Löwen ist, wie aus Obigem hcrvorgeht, dem Corps der Aldermen Vorbehalten ; der Gemeinberath nimmt in der Londoner Corporation nur eine untergeordnete Stelle ein. Erst seit einem Jahrhundert hat man ihm eine Art Kontrole über die Verwendung der öffentlichen Gelder zugestanden; seit dieser Zeit hat sich zwar seine Lage etwas gebessert, aber daS Uebergcwicht der Aldermen ist nur wenig geschwächt. Die Verfassung des GcmeindcrathS leidet an ähnlichen Gebrechen wie die des Ovurr ok^Iüermen, obgleich diese von weniger ernsten Folgen begleitet scyn mögen. Die Wahlen finden all jährlich statt, aber da, wie schon erwähnt, die Stadtviertel von ungleicher Ausdehnung sind, so tritt auch hier daö Mißverhältniß in der Vertretung dieser Bezirke hervor. In Bridge-Ward werden acht Mitglieder des Vomwcm- Douneil erwählt, wogegen Farringdon-Without mit einer sunfzehnmal stärkeren Bevölkerung durch nicht mehr als sechzehn Abgeordnete vertreten wird. Von 200 Mitgliedern, die den Gemeindcrath bilden, sind 84 die Repräsentanten von 10,289 Häusern, während 122 nur 0l77 Häuser vertreten. Der Gemeinde- rath ernennt eine gewisse Anzahl der städtischen Beamten — um aber die Ver kehrtheit dieser Einrichtungen zu vollenden, werden die beiden Sheriffs, die nach dem Lord-Mayor die wichtigsten exekutiven Beamten der Corporation sind, und der Kämmerer (Olwmlwrlain) oder Schatzmeister weder von den Aldermen, noch von dein Gemeinberath, noch selbst von den domicilirten freemen ernannt, sondern von einer ganz abgesonderten Körperschaft, die aus den Iiver>men oder Zunftgcnoffen der verschiedenen Compagnicen besteht. Die Compagnieen oder Zünsrc, deren cs neunundachtzig giebt, wurden in der Absicht gestiftet, eben so viele Gcwerbszwcige zu beschützen, oder, mit an- deren Worten, um das Monopol zu begünstigen und jede freie Konkurrenz zu hintertreiben. Die meisten dieser Zünfte, wie z. B. die der Tuchhändler, der Seidenhändlcr, der Goldschmiede, sind äußerst begütert. Ihre Rcichthümcr entstehen zum Theil aus dcn Fonds, die man ihnen zu wohlthätigen Zwecken hinterlassen, zum Theil aus dem seit Jahrhunderten angchäuften Ertrage der Prämien, die für den Genuß ihrer städtischen und politischen Vorrechte ein gezahlt werden müssen. Auf die Angelegenheiten der City üben die llver>umn einen höchst fühlbaren Einfluß; sie hohen das ausschließliche ErnennungSrecht einiger der vornehmsten städtischen Beamten, und gewissermaßen ist es ihnen sogar erlaubt, nicht nur die Mitglieder ihrer Körperschaft, sondern auch das Publikum im Allgemeinen zu besteuern. Ein Kleinhändler, der sich in der City nicverläßt, ist nämlich gezwungen, in eine der Compagnieen zu treten, was ihm nach Umständen von 30 bis 100 Pfv. Sterl, kostet. Da er nun, um sich schadlos zu halten, den Betrag dieser Taxe auf den Verkaufspreis seiner Waaren schlagen muß, so ist sie in der That eine dem Publikum auferlegte indirekte Steuer. Außer den beiden Körperschaften der Bürger (Ireenmn) und Zunftgenoffen (I,ver>meu) sind auch die Verwalter der königlichen Hospitäler zu erwähnen, die einige ziemlich wichtige städtische Privilegien genießen. Dieser Anstalten