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zugleich ist es echter Ausdruck des individuellen Stils Tschaikowskis. Nach einer klang vollen Einleitung folgt der schnelle Hauptteil mit zwei Themen: das zweite mit seiner ununterbrochenen Sechzehntelbewegung weist auf die stilistische Verwurzelung in der Musik des 18. Jahrhunderts. Der zweite Satz ist einer jener zauberhaften Tschaikow- skischen Walzer von Herzlichkeit, Innigkeit und Gefühlswärme. Eine schwermütige Elegie stellt der dritte Satz dar, der nach choralhaftem Beginn ein ausdrucksvolles Thema der ersten Violinen bringt. Das Finale, ein Sonatensatz, wird - nach einer lang samen Einleitung — vor allem von der russischen Volkstanzweise „Unterm grünen Apfelbaum“ bestimmt. Mit einem festlichen und lebensfrohen Tanzbild verklingt das kostbare Werk. „Die Arbeit geht sehr langsam vorwärts und will mir nicht gelingen“, heißt cs in einem Brief Tschaikowskis an seinen Bruder Anatol während der Komposition des Klavier konzerts Nr. 1 b-Moll op. 23. „Grundsätzlich tue ich mir Gewalt an und zwinge meinen Kopf, allerlei Klavierpassagen auszutüfteln.“ Diese Zeilen zeugen von der unerbittlichen Selbstkritik, die der Meister immer von neuem an sich übte, von seiner schöpferischen Unzufriedenheit, die es ihm stets schwer machte, an seine künstlerische Leistung zu glau ben. Aber auch der berühmte russische Pianist Nikolai Rubinstein, Direktor des Mos kauer Konservatoriums, dem Tschaikowski das Werk ursprünglich widmen wollte und von dem er technische Ratschläge für die Gestaltung des Soloparts erbeten hatte, lehnte es mit vernichtenden Worten als völlig unspielbar und schlecht ab, was sich der Kom ponist sehr zu Herzen nahm. Und doch sollte gerade das 1875 beendete b-Moll-Konzert eine der allerbekanntestcn und beliebtesten Schöpfungen Tschaikowskis werden. Der Komponist widmete es nach der Ablehnung Rubinsteins dem deutschen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, einem großen Verehrer seiner Musik. „Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der Widmung dieses herrlichen Kunstwerkes erwiesen haben, das hinreißend in jeder Hinsicht ist“, schrieb Bülow, der das Konzert bei der Urauf führung am 25. Oktober 1875 in Boston spielte und es in Amerika und Europa zu größten Erfolgen führte. „Die Ideen sind so originell, so edel, so kraftvoll, die Details, welche trotz ihrer großen Menge der Klarheit und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so vollendet, so reif, so stilvoll - in dem Sinne nämlich, daß sich Absicht und Ausführung überall decken.“ Seitdem ist der große Er folg diesem an das Erbe Schumanns und Liszts anknüpfenden wie auch Elemente der russischen Volksmusik auf greif enden und doch ganz persönlich geprägten Werk stets treu geblieben. Eingängige, sinnenfreudige Melodik und originelle Rhythmik, auf rüttelndes, lebensbejahendes Pathos und musikantischer Schwung, stilistische Eleganz und virtuose Brillanz sind die Eigenschaften, die es zu einem Lieblingsstück sowohl des Publikums als auch der Pianisten aller Länder werden ließen. Mit einer außerordentlich schwungvollen selbständigen Einleitung beginnt das Werk, das von Hörnerfanfaren eröffnet wird. Eine durch Violinen und Violoncello vorge- getragene, schwelgerische Melodie wird vom Soloinstrument zunächst mit rauschenden Akkorden begleitet, dann von ihm aufgenommen und ausgeschmückt und schließlich nochmals original in den Streichern gebracht. Das Hauptthema des folgenden Allegro con spirito ist einem ukrainischen Volkslied nachgebildet, das der Komponist von blin den Bettelmusikanten auf dem Jahrmarkt in Kamenka bei Kiew gehört hatte. Ihm steht ein innig-gefühlvolles Seitenthema kontrastierend gegenüber. Ein buntes, glanz volles Wechselspiel zwischen Solopart und Orchester mit mehreren virtuosen Höhepunk ten kennzeichnet den Verlauf der hauptsächlich von Motiven des zweiten Themas getra genen Durchführung des Satzes. Lyrisch-kantabel ist der Anfangsteil des in Liedform aufgebauten zweiten Satzes: Von Violinen, Bratschen und Celli zart begleitet, bläst die Flöte eine sanfte, anmutige Me lodie. In den lebhafteren, scherzoähnlichen mittleren Teil fand ein modisches französi sches Chanson „II faut s’amuser, danser et rire“ (Man muß sich freuen, tanzen und lachen) Eingang. Der Schlußteil führt dann wieder in die verträumt-idyllische Anfangs stimmung zurück. Von sprühendem Temperament, kraftvoll-tänzerischer Rhythmik ist das stark durch ukrainische Volksmusik inspirierte Finale, ein Rondo, erfüllt. Neben dem feurigen, fröhlichen Hauptthema, dessen Melodie einem ukrainischen Frühlingslied entstammt und das zu wilder Ausgelassenheit gesteigert wird, gewinnt im Verlaufe des Satzes auch das gesangliche, ausdrucksvolle zweite Thema Bedeutung. Ein hymnisch-jubelnder, wir kungsvoller Schluß beendet das Werk. Dr. Dieter Härtwig VORANKÜNDIGUNG : 8. und 9. April 1967, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal (verlegt vom 5. und 7. April 1967) 14. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Heinz Bongartz, Dresden Freier Kartenverkauf Solistin: Annelies Burmeister, Berlin, Alt Werke von Carl Maria von Weber, Johannes Brahms, Max Reger und Peter Tschaikowski 11. April 1967, 19.30 Uhr, Steinsaal 4. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Paul Hindemith und Johannes Brahms Anrecht D und freier Kartenverkauf 15. und 16. April 1967, jeweils 19.30 Uhr, Kongreßsaal 15. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Gerhard Rolf Bauer, Karl-Marx-Stadt Solistin: Kiyoko Tanaka, Japan, Klavier Werke von Alfredo Casella, Wolfgang Amadeus Mozart und Fryderyk Chopin Freier Kartenverkauf Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1966 '67 - Künstlerischer Leiter: Prof. Horst Förster Redaktion: Dr. Dieter Härtwig Druck: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden, Zentrale Ausbildungsstätte 111 9 5 1,5 367 ItG 009/11/67 13. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1966/67