Volltext Seite (XML)
rite Nummer 55 — 26. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis für Mürz 3.00 VN,, einschl.' Sestelloeio Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile »OH. Stellengesuche SO ^ Die Petitreklamezeile. 89 Milli, neier bren. t -tt Oklertengebühren kür Selbstabkoler LN F bei Uebersenöung surch Sie Post äußerstem Portozuschlaa. Einzel-Nr. 10 Sonntags-Nr. 15 I. Dejchästl. Test: Friedrich Nieser in Dresden. Dienstag, den 8. März 1927 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v Anzeigenauftrngen u Leistung v Schadenersatz Für unoeull u. d Fern, ruf übcrmitt. Anzeigen übernehmen wir keine Rer- antivo'iung U,'verlang» eingesandte u. in Rüchportc nicht o.rschene Manuskripte we>) nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2 3 Uhr nachmittags Hauptschrislicit.: Dr. Joseph Alberl. Dresden. V>c,chi»i>sii>Nc, Trink und ivrrlag: Saroiua- BnUifrliUrrri r^ribH., Dresden Sl. I. ivoliernr, ste 17. ivciinu! luie. Pll!Uche»lonto Dresden i!7!>7 BnnkUniio. Dresdner Bank, Di.-'de». Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sach,»sitze,I Volks,»,tun« DreSden-Aitstadl I. Poiieglrnsie I?. gernru, Mil »nd r»o>!. ermcister ät: Pelz» llbeitung - Reich» n Hüte» Schüler» tzen n a. Markt :Mo,ken- sz. Re»«^ slvert srn! Vstc. r.—, v«r. s.-. enveied« tiir. ir —' i. rollkr« i)mi»u,cl> af6 t »waren r Näh- er (erste Wring» .ten. Sienung »gen chen- »rak. »tur- r 287 >tt«r« n«ns» »ilsts» iuna, I,, 17 Die moralischen Strömungen Bon Don Sturzo. wer bekannte italienische Politiker und Vertreter der christlichen Populari-Partei, Don Sturzo, l;at im Gilste- verlag Köln ein Buch herausgegeben: „Italien und der Faschismus" Dieses bedeutende und umfangreichste Werk über das gegenwärtige italienische Regierungssystem ist überaus lesenswert. In solcher Gründlichkeit und Anschau lichkeit ist bisher dieses Thema noch nicht behandelt worden. Jeder, der sich irgendwie mit politischen Problemen besaht oder sich überhaupt für die Ereignisse der Gegenivart inter essiert. wird das fesselnd geschriebene Buch mit grossem Nutzen für sei» eigenes Volk und Land lesen. Don Sturzo zieht den Kreis seiner Betrachtungen weit über Italien hinaus und kommt dabei zur Belzandluug grösster weltpolitischer Probleme, die uns alle angeheu Nachstehend geben mir ein Kapitel wieder das unsere Aufmerksamkeit i„ bestem Masze erregen dürste. Der Same des Pazifismus, der mährend und nach dem Kriege mit vollen Händen in das Bewusstsein der Völker gestreut wurde, Kanu nicht erstickt iverden von dein Best der noch immer nicht verschwundenen Haß- gefiihle und nicht zerstampft von dem Gegensatz der'In- teressen. sondern muss wachsen und sich entfalten. Er ent spricht ja einem wirklichen und gefühlten Bedürfnis und auch einer besseren A n w e » d u u g des Ehri- st e n t u m s im politischen Leben. Die Aufgabe des B älke r buudes für dieses Ziel ist van einer außer- ordentliche» Bedeutung Gebaren zwischen tatsächlichem Misstrauen und rhetorischer Schönrednerei lind mit einer verfehlten »Versassui.g. schien er dem ersten Anstoß erlie gen zu müssen, um so mehr, da er auch durch die Tatsache entwertet schien, daß ihm die Ausführung der Friedens verträge entzogen und anderen internationalen Organen anvertraut wurde. Aber zum Glück fiir Europa haben sich oie pessimistischen Vorahnungen nicht verwirklicht. Mit de» Jahren und mit der Ausübung seiner Gewalt beginnt er sich trotz allem immer mehr zu befestigen und gibt so Grund zu guter Hoffnung. Wenn alle europäischen Großmächte eine nationali stische Politik mit Tiktatursystemen, mit großen, stehen den Heeren, init kapitalistischen Schutzzöllen treiben wür den. so würden wir zu einer vergangenen Periode zu rückkehren, in der die Kriege noch die gewöhnliche Be schäftigung unserer Väter waren. Es wäre nur der Ruhm der großen Nation an die Stelle des Ruhms der große» Könige getreten. Die internationale Bewegung für eine Befriedung der Völker hat also eine außerordentliche moralische Be deutung zur Aufrechterhaltung der gegenwärtigen freien Verfassungen, die durch die Schläge des Nationalismus erschüttert sind. Der Einfluß der christlichen Kir- ch e n auf die idealistischen Strömungen der gegenwärti gen Bewegung wird nicht ausbleiben. Ist es wahr, daß die protestantische Kirche in Deutschland, die anglikani sche Kirche in England und die katholische Kirche in Frankreich, Spanien und Italien die konservative Reak tion und die nationalistischen Strömungen begünstigen? Einem oberflächlichen Blick könnte es so scheinen, solange man mit dem Wort Kirche nur den höheren Klerus be zeichnet, der in engerer Fühlung mit den kapitalistischen und aristokratischen Klassen steht und nicht den übrigen Klerus und das christliche und religiöse praktizierende Laientum, das sich zum größeren Teil unter den mitt leren und unteren Klassen befindet. Aber der Eindruck ist nur hervorgerufeu durch eine außerhalb der Kirchen selbst liegende Tatsache, daß nämlich der größere Teil der auf religiöser Grundlage stehenden Presse fast unbewußt und aus besonderen Gründen, und zwar nicht eigentlich politischen, zum Konservatismus und zur Reaktion neigt. Die katholische Kirche befindet sich in einer ziemlich schwierigen Lage. Während die laische oder laisierende Demokratie in katholischen Ländern sie immer angegrif fen hat, unterstützen sie die Rationalisten und Reaktionäre Frankreichs. Italiens und Spaniens und rühmen sich of fensichtlich ihres Schutzes, wenn auch sicher nur, um sie für sich ausnützen zu können. Im Gegensatz dazu sind alle organisierten Parteien der Katholiken entweder christlich-demokratisch wie die Populär! oder neigen höch stens etwas zu einem gewissen gemäßigten Konservativis mus. sind dann ober immer noch Gegner der Nationali sten und mehr zum Pazifismus geneigt Die katholische Kirche erklärt sich als außerhalb der Parteien stehend, unterstützt die sozialen Arbeiterbewegungen, die von der christlich-sozialen Doktrin geleitet sind (Enzyklika Rerum rwvarum) und hat unter Benedikt XV. und Pius XI. be niesen. daß sie mit ihrem geistliche» Einfluß zur Befrie- King der Völker beitragen will. Die protestantischen Kirchen haben auf ihrem jüngsten Kongreß ihre Richtung zugunsten des Völkerbundes betont. Es ist zu hoffe», daß die demokratischen Bewegungen, wie sie sich beson ders auf dem europäischen Kontinent entwickelt haben» Der Beginn -er Ralslagung Voraussichtlicher Abschluß Mittwoch — Skresemann führt den Vorsitz Der Schwerpunkt in den inoffiziellen Besprechungen Gens, 7. März. Der Völkerbundsrat ist heute vormittag unter dein Vorsitz des deutschen Außenministers Dr. Stresemann znnächst z» einer geheimen Sitzung zusammengetrelen. U. a. soll in dieser Sitzung entschieden werden, ob der Gehalt des Völkerbnndskommissars van >öamel in Danzig vom Bölkerbm.ö übernommen wird. Der Rat wird diese Uebernahme jedensalls ablehnen. Bon deutscher Seite wiro darauf hingewiesen, daß die Kom binationen. die an den Borsitz des Außenministers Dr. Stress, mann geknUpst worden sind, als völlig irrig bezeichnet werden müssen Dr. Stresemann führt den Borsitz lediglich entsprechend der alphabetischen Reihenfolge der Lander. — Der geheimen wird eine öffentliche Sitzung folgen, deren Tagesordnung nichi weniger als M Punkte um faßt. Zunächst soll oie Frage der Lagerung von Kriegs material in Danzig beraten werden. Diese Frage wird voraussichtlich vom »Völkerbundsrai zunächst an die im Juni zu- sammenlretende beratende Kommission des Völkerbundes zur Stellungnahme überwiesen werden. Borlüusig soll der Bölker- bundskoniinissar in Danzig vom Völkerbundsrai mit der Ent scheidung für den einzelnen Fall beousiragt werden Ferner wiro der Bericht der M a n ö a > s k o m m i s s i o n über di« direkte Anhörung der Vertreter der Mandatsgebiete sowie über de» neuen Fragebogen für'?»' Mandat-Mächte zur Sprache ge lange». Des weiteren steht ans der Tagesordnung der Berich! der H y g i e n e k o in in i s s i o n sowie das System der Wahl der nichtständige,i Natsmitglieoer. Für de» Nachmittag ist heute keine weitere Sitzung des Böikerbundsrates vorgesehen. Am Nachmittag tritt lediglich ein iinterkomitee des Völkerbundes zur Entscheidung über die oon Rumänien vor den Völkerbundsrai gebrachten Frage der Kompetenz des gemischten ungari s ch - r n m ä n ische n S ch i e d s g e r i ch t s h o s e s in Paris zusammen. Die gesamt« vom Völkerbundsrat veröffentlichte Tages ordnung für dis nächsten Ratssitzungen, reicht mir bis znm Mitt woch. so daß allem Anschein nach mit einer kurzen Dauer der gegenwärtige,» Völkerbundstagung gerechnet werden kann. Nach den bisherigen Dispositionen »»erden die Fragen der Neubildung der Saarregicrung sowie des Rückzugs der französischen Trup pen aus dem Soargebiet nicht vor Mittwoch zur Verhandlung gelangen. Aus der fiir Dienstaanachmillag vorgesehenen Völker- bnndralssitzung wird voraussichtlich der Protest des ober schle sischen Volksbnndes behandelt werden. Ini Laufe des gestrigen Nachmittags hat die erste Fühlungnahme zwilchen den hier anwesende» Außenmini stern stattgefunden. Uni drei Uhr luchte Chamberlain Brian d auf, der vorher längere Zeit mit dem' rnmäni- Ichen Vertreter im VölkerbundSrnt, Titulescu, verhandelt hatte. Kurz »ach fünf Uhr er.chiene» bei »Brian st Dr. Stresemann, Staatssekretär von Schubern sowie Mini sterialdirektor Dr. Gans. ES verlautet, daß i» de» gestrigen ersten tlnterrestun>- gen lediglich im großen die auf der Tagesordnung stehen den Fragen durchberaten werden. Fm Vordergrund stehen gegenwärtig die Verhandlungen üb«»- ven Rückzug der französischen Truppen ans dem Sa arge bi et. Der deutsche .Standpunkt geht bekanntlich dahin, das belgi che Mitglied Saarregicrung, Lambert, zurückzu ziehen und an denen -^»ette eiiren Neutralen zu ernennen. Ferner wird denttche» seits nach wie vor die Einführung des internationalen Bahn- ichntzkors'S im Saargebiek abgelehnt, da hierfür jede recht liche Ba-üs im »Versailler Vertrag fehlt. Da nach de» Be stimmungen des 'Versailler »Vertrages die Abstimmung hier über ini »VöikerbuitdSrar mit einfacher Stimmenmshrhettl erfolgt, besteht die Möglichkeit, daß der deut che »Vertreter, falls er bei der bisherigen Stellungnahme bie.br, in de Minderheit gerät. Gegenwärtig dürften Kvmpromißvev» handttinge» im Gange lein. Die Pariser offiziöse »Agentur HavaS berichtet über die gestrige Unterredung B r i a „ d - S t r e s e m a n n: Man hat sich über die französisch-deutsche,, Beziehungen auSge- Iproche». h'l auf den bereits zurückgelegten Weg und den zur Bc je ung der »Beziehungen der beiden Länder noch zurück.,»iegende» Weg einen Ueberblick geworfen. Briand und Stresemann sind glücklich gewesen, festzustellen, daß keiner von ihnen den Wunsch, sich der »Wiederannäherung der beiden Lander zu widmen, irgendwie und in irgend» einem »Punkte abgeändert hak. Der »Abschluß dieser gemein samen »Politik erfordert natürlich eine freimütige Zusam menarbeit der beiden »Völker, stellt also eine OpportuiiiräiS- krage hinsichtlich gewisser Maßnahmen dar, die von der öffentlichen Meinung in Dem chland beharrlich gefordert werden und die von gewissen »Bedingungen abhängen, st.e bis jetzt aber »och nicht erfüllt worden sind, da seit dev Znl-amn,eiiku»ft von Tho-fry Deutschland noch keinen bestimm ten Vonchlag als Gegenleistung für eine etwaige Räu- in nng der R h e i » l a „ d g e b i e t e gemacht hat. ES scheint auch nicht, daß bei der Zusammenkunft von gestern abend Stresemann nach dieser R chiung irgendein neues Moment beigebvachl hätte. Sollte das noch geschehen, >o müßte man immer noch bedenke», daß öS sich nicht um ein ausschließlich deMich-französisches Problem han delt, daß es vielmehr aus Grund der bestehenden »Ver träge auch die »Alliierte» Frankreichs intcre'sert. Das sind einige der tatsächlichen Wahrheiten, d e Briand wahr- !che:-nl ch gegenüber Strescman» vorgebracht hat. Ter Ein druck in französischen Kreisen war gestern avcnd übrigens der, daß demnächst aus alte Fälle, aber nicht in Genf, Verhandluttgcu über die Nhei„la»dl«jatz»»g stattsinren würden. »Briand gab übrigens einige» Journalisten die »Ver sicherung, daß keine andere Frage, als die, die amtlich bekanntgegebe,, würde, auf der »Ratstagung aufgeworien werden würde. Er fügte hinzu: „Keine Frage'ei sie'alt oder neu". — Im übrigen wurde auch über die deutsch st o l n i > ch e n »B ezie h u n g e,, gesprochen. Vriaud hat „ach den Unterredungen mit Gtrei«!'ian„ und Zalrsli bei, E n druck gewouueu, drß eine ge,«cht, Lösung der Schwie rigkeiten dieser Tage v «lleicht mit wohlwolleuder Hilfe Frankreichs und Großbritannien» und unter de,, Auspizien de» VölkerbundSratrS gesunde» »nerven kan». Rach dem »Besuche bei Briauo begab sich Stresemann zu ahambcrlain, mit dem er eine Unterredung von säst zwei Stunden Dauer hatte. ihre antireligiöse» Vorurteile aufgcbeu. daß der Geist des Christentums diese Einrichtungen durchdringen könne und die christlichen Kirchen besser an der Lösung des Problems des »Volkslebens und der Rationen Mitarbeiten können. Ei» anderer wichtiger Beitrag zugunsten der frie- denssreundlichen »Propaganda und zur Verwirklichung des demokratische» Geistes kommt von den Arbeiter- b e w egunge n und von den proletarischen Internatio nale». Es ist richtig, daß sie wesentlich wirtschaftlich sind, aber diese Internationalen dürfen nicht von der »Politik absehcn, sondern müssen sogar eine eigene Politik machen. Und wenn es antinalionalislische und pazifisti sche Strömungen gibt, dann sind es gerade diese. Wenn man geschrieben hat, daß die proletarische Internationale beim »Ausbruch des Krieges keine» »Widerstand geleistet habe, und daß der Arbeitersolidaritüt das Baterlands- gesühl eulgegengetreten seil so entspricht diese Behaup tung keineswegs völlig der »Wirklichkeit. Es war eine unvernünftige Erwartung, daß irgendeine internationale Organisation, die Kirche mit einbegriffen, eine eigene politische »Auffassung hätte auszwingen können, die nicht mit der Summe der Gemeininteressen der Staaten zu- sammengefallen wäre, die in diesem Augenblick den Krieg beschlossen Die proletarischen Internationalen konnten nicht stärker sein als der Staat selber. Aber das soll nicht besagen, daß sie damals keinen Einfluß ausgeiibt Hütten und auch heute noch ausüben, sofern der Staat sich ans eine Politik einrichtet, die zur Beseitigung des Krieges und zur möglichst weitgehenden Demokratisie rung seiner verschiedenen Einrichtungen drängt. Die kulturellen Strömungen erscheinen gegenwärtig in Frankreich und in Deutschland vorwiegend nationalistisch und infolge der Rück wirkung auch in anderen Ländern. Das ist wahrlich ein erheblicher »Nachteil. Alan versteht den Grund. Diese zwei Ländet*haben den lebhaftesten und stärksten Gegensatz zueinander gehabt und die kulturellen Strö mungen. die zum größeren Teile von den höheren Klas sen getragen werden, haben dies härter gespürt und spü ren noch die Rückwirkungen davon. Diese kulturellen Strömungen sind es, die den Geist des Christentums zu gunsten des nationalistischen Heidentums und der Ver herrlichung der ».'Nacht verf ü l s ch e n. »Aber es gibt auch »Vertreter anderer Strömungen, besonders aus dem poli tischen, sozialen und religiösen Gebiet Die Kulturkritik und die »Pressekritik ist geneigt zu beweise», daß die P a r l a m e n t s e i n r i ch I u u g und die »Volksvertretung überwunden sind, daß die unsterb lichen »Prinzipien nicht mehr gelten, daß die Demokratie versagt hat usw. Der Haupttrick dieser zerstörenden und keineswegs schöpferischen Kritik besteht in der »Vermengung der »Prinzipien der Freiheit und Demokra tie mit einer bestimmten gcschichtsphilosophischen An schauung. wie z. B der der französischen »Revolution »nd der Rousseaus. In zweiter Linie will man im selben Vorwurf sowohl das Ideal der Demokratie wie die ver schiedenen konkreten Berwirklickunaen lbrer Einrichtun»