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Freiberger Anzeiger und , M» Tageblatt Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« Z Uhr! für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit S Pfennigen berechnet. 215, Freitag, den 14. September 1855. Tagesgeschichte. Leipzig, 11. Sept. Unsere Stadt ist um ein schönes Gotteshaus reicher. Die Synagoge,, über deren Grundstein legung im vorigen Jahre berichtet worden, steht so weit vol lendet da, daß sie dem Gottesdienste hat übergeben werden kön nen. Nahe der Centralhalle, an der Ecke der Centralstraße und des nach einem Abzugsgraben der Pleiße hinabführenden We ges erhebt sich das mit maurischen Fenstern und innen eben solchen Bogen versehene Gebäude, das an der Ecke in einen runden Thurm ausläuft, dem das gegen die beiden Seiten so mit schräg gestellte Schiff zugekehrt ist und der von einem Fron tispiz mit den beiden Gesetztafeln und ihren zehn Geboten (nach jüdisch-origenischer Zählung) überragt wird. Von den drei Thüren trägt die erste eige Inschrift in hebräischer Sprache, die in deutscher Uebersetzung lautet: „Mein Haus soll ein Bet haus heißen für alle Völker" (Jes. 56, 7); diezweite: „Haus Jacob's, auf, laßt uns wandeln im Lichte des Herrn" (Jes. 2, 5); die dritte, zum Haupteingange führende: „Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn; wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid; der Herr ist Gott und er wird über uns leuchten" (Ps. 118, 26.27.). Gestern Abend von 6 bis 8 Uhr sand, nachdem Tags zuvor in der alten Synagoge auf dem Brühl ein Abschiedsgottesdienst gehalten worden war, die feierliche Einweihung des neuen Gebäudes statt, zu der sich auch viele fremde Israeliten, die hiesigen Behörden und viele - andere Theilnehmer eingefunden hatten. Zöblitz, 9. September. Nachdem am Morgen des 7. M September das Thermometer auf 4 Grad Wärme herabgezan- W gen war, hatten wir in der Nacht vom 7. zum 8. einen so I starken Frost, daß alles Kartoffelkraut, sowie Gurken, Bohnen, U Georginen u. s. w. erfroren sind. Die ältesten Leute wissen ff sich eines so starken Frostes in so früher Zeit nicht zu entsinnen. Möchten nur bald günstigere Erntetage kommen, als wir bis her hatten! Noch steht hie und da Heu an; das Getreide ist zum Ausfallen reif, und selten sind zwei Tage hinter einander ohne Regen. ,(Dr. I.) Posen, 9. Sept. Die bereits früher verbreitete Nachricht, - Laß die Privilegien des Adels und des Bürgerstandes in Be ziehung auf die Militärpflicht im Königreiche Polen be- i schränkt werden sollten, wird nunmehr bestätigt. Bisher hatte W jeder Vater von zwei oder mehreren Söhnen das Recht, der Behörde Einen derselben zu bezeichnen, der dann von Ler Con- scription völlig ausgenommen war und zur Ausloosung gar nicht mit herangezogen wurde. Dieses Recht ist gegenwärtig den beiden erstgenannten Ständen genommen worden und nur dem Bauernstände verblieben, was allerdings nothwendig war, wenn der Bauer nicht möglicherweise in die Lage kommen sollte, astes doch unentbehrbaren männlichen Beistandes bei der Feld arbeit zu entsagen. Den Woits, d. h. Len Bezirkspolizeibeam ten, sind für die bevorstehende MilitärauShebung — dir fünfte seit dem Beginn des gegenwärtigen Kriegs — die diesfallfigen maßgebenden Instructionen bereits zugegangen. Prag, 11. Sept. In der Umgegend von Budweis hat, wie von dort berichtet wird, am 5. d. ein Gewitter schreckliche Verwüstungen angerichtet. Durch den Regen, der sich dabei in Strömen ergoß, angeschwollen, hat die Moldau die Tekchdämme- bei Kroffau und Gratzen durchrissen und die Fluthen trugen vieles Holzwerk, todtes Vieh und Geräthe als traurige Beute bis Budweis, wo auch die ebenerdigen Wohnungen in der Fischer gasse unter Wasser gesetzt wurden. Am 7. Abends war indes sen das Wasser bedeutend gefallen. — Die Cholera ist hier im mer noch nicht im Abnehmen und die Noth leider im Steigen. Das Gewicht des Brodes hat zwar diesen Monat um eine Klei nigkeit zugenommen, wiegt aber, mit dem entsprechenden Mo nat im vergangenen harten Jahre verglichen, nur um */, Loth mehr. Dem entsprechendsten Resultate nach war also die heu rige Ernte in unserm Kornlande, wie widersprechend die Be-^ richte auch über sie lauten mochten, nur eine mittelmäßige und aller Aussicht nach werden sich die Getreide- und Brodpreise auch in diesem Jahre auf ihrer abnormen Höhe halten. Die untern Schichten des Volks sind aber bereits erschöpft und auch den Mittelklassen geht es fast nicht besser. Das irgendwie ent behrliche ist bereits ins Leihhaus oder anders wohin gewandert, um dafür Brod zu schaffen und was jetzt thun? Kein Wun der also, wenn man auf unserm Obstmarkte, wie sehr auch die Aerzte die Schätze Pomonens verpönen mögen, ganze Schaaren zerlumpter Knaben und Mädchen züsammengerottet sieht, um allerlei Abfälle, wurmiges Obst, Kerne rc. aufzuraffen. Sie füh ren gewöhnlich ein Säckchen mit sich, worin sie die Erträgnisse dieser trostlosen Industrie sammeln, um sie dann zu Hause mit den Ihrigen zu theilen, die vielleicht für den Tag kein substan zielleres Mahl haben. I.) ,,, Wien, 9. Sept. Die Wiener „Presse" schreibt: „Wir