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». Jahr,«mg. skSIV Abenö-Ausgabe Dienskag, 22. Mai 1928 »rahl»nschrist: N«ch«Icht„ »«»»»> g»rnIvrecher-Samm«Inummer: SV 241 Nur sür Rachlgelprich«: 20 V11 Gegründet 18S8 »om is. bi« LI. Mai I«üs bei läglich «wemmUger Zustellung Ire« Hau« l.rv Marl Postbejugsprei« !ür Monat Mai s.«u Marl ohne Postjustellungrgebühr. »iutelnummer t« vtrnnig. Die Anzeigen werden nach Go.d 4ln»»i<10N-^ri>iso' ^ dig.. mr au«wär>« 4U Pjg. Ui P,g„ auherlialb ÜS «sg., di LÜ0 P,g. dmarl berechnet: die einipaltige St> mm breite Zeile kZamilienanzeigen und Ltellengeiuche ohne Mab an die so mm breite Rellamczcile suo Psg., aujicrliatb Ilerlengebühr so Psg. Au«wiirtige Austräge gegen Vorausbezahlung. Lchristleitung und HaupigeichiilSstcNe! Marienstraste 38/42 Druck und Verlag von Liepich s Veichardt in Treiben Postich-ck.»onlo 1088 Dreide» Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe «„Dresdner S!achr."> zuliistig. — Unverlangte Schristftücke werden nicht aulbcwahrt. AuslandshoMungen aus dem Wahlergebnis Freude über die Schwächung rechts, Furcht dor finanzieller Unsicherheit durch die Stärkung links. Englische Presseslimmen. London, 22. Mai. Die Londoner Morgenpresse äußert große Befriedigung über das Ergebnis der deutschen Wahlen, in dem ein neuerlicher Beweis dasiir erblickt wird, das, der republikanische Gedanke im deutschen Bvlke feste Wurzeln gefaßt hat. Der Zunahme der kommunistischen Partei wird keine besondere Bedeutung beigemcsscn. „M o r n i n g p o st" sagt unter anderem: Die friedliche Verfassung, in der das deutsche Bvlk zu den Wahlen gegangen ist, war zweifellos auf die Außenpolitik Dr. S t r c s c m a n n ö zurückzuführen. Jede Stimmabgabe, die nicht den Kvmmu- nisten oder den Nationalen gemährt wurde, bedeutete ein Vertrauensvotum für den deutschen Außenminister. Es ist bedeutsam, daß Dr. Strescmanns Anhänger setzt in der Lage sein werden, ihre Politik mit der Hilfe der Sozialisten fortzu setzen. „Daily Telegraph" sagt: Die Sozialdemokraten werden sich den Schritten ihrer Berbündcten in der neuen Koalition anpassen und werden nicht in der Lage sein, den Gang der deutschen Politik um mehr als einen oder zwei Grade nach links abzulenken, was eine so kleine Aenderung bedeutet, daß es nichts Aufregendes hat. „Daily Mail" erklärt: Die Reichstags- und die preußischen Landtagswahlen sind dem Frieden entschieden günstig. Das wichtigste Merkmal der Wahlen ist bas Dahin- schwinben der Anhängerschaft der Hohen»vllern, und man hat den Eindruck, baß Deutschland sich endgültig von dem mon archistischen Gedanken lösgesagt und dem republikanischen Gedanken zugewandt hat. — Auch das Arbeiterblatt „Dail » Herold" sieht in den Wahlen ein Zeichen für die Festigkeit der Republik. Die liberale „Daily News and Westminstcr Gazette" schreibt: Deutschland hat sich mit großer Entschieden heit für den Frieden und die Demokratie »nd mit größtem Nachdruck gegen eine Rückkehr zur Aera des alten kriege rischen Nationalismus ausgesprochen. Was -le Pariser Presse schreibt. Paris. 22. Mai. Zum Ergebnis der Reichstagswahlcn schreibt der „T e m p s": Die erste sich aufzwingende Fest stellung ist, daß das deutsche Bolk deutlich links gewühlt hat, daß es sich für eine Politik der Konsolidierung des republi kanischen Regimes und der Konsolidierung des Friedens ausgesprochen hat. Aus den Wahlen läßt sich im übrigen der Ecüluß ziehen, daß, abseits von der nationalistischen Reaktion und der kommunistischen Revolution, das republi kanische Deutschland eine Tatsache und eine Macht gewor den ist, die fähig ist, sich wirksam durchzusetzen. — „Liberia" erklärt: Für Frankreich und die Alliierten handelt es sich darum, ob z» Ehren eines linksgerichteten Reichstags ein fettes Kalb geschlachtet, d. h. das Rheinland geräumt wird. Anderseits muß Frankreich aufmerksam die deutsche Finanz lage verfolgen. — Der linksstehende „Paris Soir" führt aus: Der Sieg der Arbeiter hat nicht nur eine innerpolitische, sondern auch eine internationale Bedeutung. Die. die in Frankreich sich ans den deutschen Nationalismus berufen, um die Räumung des Rheinlandes zu bekämpfen, haben ihre Stütze verloren. Für die deutschen Arbeiter ist cs dringender denn je, daß man ihnen ein befreites Rheinland zurück- erstattct. * Nus allen diesen Stimmen ergiht sich, wie sehr man sich Im Auslände freut, daß die nationale Rechte geschwächt ist, von der man den meisten Widerstand gegen eine Fortsetzung der immer gegen Deutschland getriebenen Gewaltpolitik zu erwarten hatte. Dieser Widerstand ist auch in der Bvlks- partci stark, er wird aber vermindert durch die Einbuße bei den Deiitschnationalen. Deutlich zeigt sich Im Hintergründe dieser Aenßernngcn der Gedanke, daß das neu zu bildende Kabinett schönen Gesten, wie dem Beifallsklatschen der Bölkcrbundsdclcgicrtcn bei der Niifnalimc Deutschlands in Gens, ein besseres „Verständnis" eiitgegenbringen und über solchen Acußerlichkeitcn das Wesentliche gern vergessen werde, daß nämlich Deutschland noch immer ohne Gleichberechtigung ist und zehn Jahre nach dem Waffenstillstand noch immer eine fremde Besatzung auf eigenem Boden ertragen muß. Daß die Deiitschnationalen die Außenpolitik Dr. Strescmanns als einmal bestehende Tatsache auch für sich gültig angenommen hatten, scheint man im Auslände völlig vergessen zu haben. Daß ein crsvlgreicher Wille zur Verständigung In Frankreich nicht vorhanden ist, »eigen die folgenden Kommentare, deren Tendenz lautet: Nur keine Rüumung -es Rheiulandes! „Iournse In du strichle": Die deutschen Mahlen »eigen, dgß die Sozialdemokraten ernstlich ans ihrem linke» Flügel vom Kommunismus angesressen sind. Sie werden dies vielleicht zum Anlaß nehmen, sich auf die Mitte und auf tine neue Konzentration znrückznziehen. „Btctolre^ schreibt: „Zwar bedeuten die Links parteien in einer Regierung finanzielle Unsicherheit, daqegen aber erscheint der dentsch-sranzöstsche Friede,, gewährleistet." — Der „Avenir" Millerands erwartet, daß man wegen der innerpolitischcn Schwierigkeiten »nd der finanziel len Auswirkungen in weiteste» Kreise» die Sozialisten von der Negierung fern zu halten trachte. „Petit Journal" erwartet, daß die Bildung der neue» Regierung sich äußerst schwierig gestillten werde. Tie Koch-Weser Kanzler mil Severing als Innenminister? <D r a h t m e l d » u g unserer Berliner S ch r i s t l c I t u n g.l Berlin, 22. Mai. Die schwierige Lage der geschwächten Mittclpartcicn gegenüber der sozialdemokratischen Ucbcr- macht führt zurzeit zu eindringlichen Bemühungen nm die Regierungsbildung. Die Sozialdemokraten präsentieren nach wie vor Herrn Severing als kombinierten Kanzler und Innenminister. Dem Sozialdemokraten Braun soll daneben Preußen „zur weiteren roten Behandlung" über lassen bleiben. Wie wir hören, bemüht man sich zurzeit von seiten der Demokraten, der Sozialdemokratie den demo kratischen Neichstagsabgeordnetcn Koch-Weser für den Ncichskanzlcrpostcn mundgerecht zu machen. Neben ihm würde dann Severing als Reichsinnenministcr stehen. Als Reichscrnährnngsministcr steht nach wie vor Fchr im Vordergründe. Als Rcichsjustizministcr haben die Sozial demokraten Radbruch angcmcldct. Von seiten der Deut schen Bolkspartci ist man bemüht, neben Dr. Strcscmann auch den RcichSwirtschastsminister Curtius in das neue Neichskabinett hinüber zu retten. Gegenüber diesen Kombinationen, die wir aus guter Quelle haben, glaubt die demokratische „B. Z. am Mittag" dar an festhalten zu sollen, daß für de« Neichskanzlerpostc« doch der preußische Ministerpräsident Qtio Braun in Frage kommt und baß Otto Braun aleichzcitia preußischer Mi nisterpräsident bleiben würde. Das Blatt weist daraus hin, daß eine solche Personalunion zwischen Reichskanzler und preußischem Ministerpräsidenten »ach dem früheren Muster ae robe in letzter Zeit auch von den Dcutschnaiionalen nachdrück lich gefordert worden sei. bürgerliche Linke werde Infolge der sozialen Forderungen der Sozialisten zu den Nationalen abgcdrängt werden, denn je stärker die Sozialisten erscheinen, desto mehr wollen sie befehlen. „Journal": Nichts wäre gefährlicher, als die jetzig« Orientierung als eine Bcrständiauna der Friedcnsverträge anznsebe». Der jetzt gewählte Reichstag bedeutet die Re produktion des Reichstages von Eli, des Reichstages, der die gesamte Kampagne für die Rcrnichtnng der Fricdcnsvcrträge und für die Verdrängung der Republik geführt hat. Deutsch land schwankt zwischen der Unzufriedenheit der Rechten und der Un,»kriedc»heit der Linken, unzufrieden ist es immer. „Echo de Paris": Die Grundgedanken der deutschen Politik werden durch die Wahlergebnisse kaum berührt wer den. Diese Grundgedanken seien militaristisch, bürokratisch und alldeutsch. — „Ganlois" warnt vor Illusionen. Man dürfe nicht vergessen, daß die deutschen Sozialdemokraten 1l)14 wie ein Mann in den „frisch-fröhlichen Krieg" gezogen seien. Es leuchtet wohl ein, daß auch der hoffnungsfroheste Deutsche zum mindesten gut tun wird, seine Hoff nungen nicht allzu hoch zu spannen. Und wer da meint, so wie das „Journal" denken nur wenige in Frankreich, der sei daran erinnert, das, die letzten französischen Wahlen einen Ruck nach rechts und einen Erfolg Pvincarss gebracht haben. Außerordentlich anmaßend ist die Sprache der liuksstehens den „Ere Nvuvclle", die sich frech in innerdeutsche Angelegen heiten cilimischt. Ihre Gegenüberstellung von Bismarck-Politik und Locarno-Politik zeigt, wie vorsichtig man mit solchen Schlagworten umgeben muß. Ttresemann faßt den Locarnoi. Kurs als Politik BiSmarckscher Prägung auf, während die „Ere Nouvelle" schärfste Gegensätze sieht. Das Blatt schreibt: Daö Ergebnis der deutschen Wahlen sei ein Erfolg der fran zösischen Berständigungspolitik. Ohne Rirhrräumung, ohne Locarno-Bertrag hätte man am 29. Mai nicht die Nieder lage der Dcutschnaiionalen erzielen können. Deutschland habe sich endgültig von der Aera Bismarcks abgewaudt und für die Politik von Locarno entschieden. Wenn das deutsch« Bolk wirklich republikanisch gesinnt sei, müßte es nach seine« Ersola jetzt die Verantwortung übernehmen. Hindcnbnrg könne nicht mehr Präsident der Republik bleiben. Er möge dem Beispiel MacMahons folgen «nd zurücktrete«, den» nachdem die Deutschnationalcu geschlagen sind, dürste sich fein Schatten nicht mehr über die öffentliche Gewalt a«S» I breiten. Tie Regierungsbildung in den Ländern. Die Folgen -er Wahlen in Preuhen, Berlin» 22. Mai. Ta ja bekanntlich am gleichen Tage, wo das deutsche Bolk sich den neuen Reichstag wühlte, auch in den vier deutschen Ländern Preußen, Bayern, Württemberg und Oldenburg Landtagswahlcn stattsandcn, beschäftigt man sich in parlamentarischen Kreisen ebenso eindringlich mit der Frage, welches Gesicht diese Lünderregierungcn denn nun be kommen würden. Diese Seite der parlamentarischen Wahlen vom 20. Mai ist um so wichtiger, als ja die Möglichkeit einer scharf linksgerichteten Netchsrcgieruiig erhebliche Spannungen mit den Ländern Hervorrufen kann, die diesen Linksruck nicht mitgemacht haben, und die ebensowenig die Absicht haben, sich einem solchen Berliner Linksdruck ohne weiteres zu beugen. Preuhen dürste bei der jetzigen Rcgierungökoalition bleiben. In Preußen haben wir die sogenannte Weimarer Koali tion. Die Volkspartei hat ursprünglich dieser Koalition an- gchört, ist aber dann, als ihr die roten Tendenzen dieser preußischen Negierung zu stark wurden, auögeschieden. In der demokratischen Presse bemüht man sich jetzt, der Wirt, schastspartei klarzumachen» daß sie in diese Koalition nunmehr eintreten müßte. Ob ein solcher Ncgicrungscintritt indessen der Wtrtschaftspartci verlockend erscheint, dürfte mehr als fraglich sein, zumal die Wtrtschastspartei einen großen Teil ihrer Wahlagitation mit einer radikalen Oppositions parole bestritten hat. Bei der Bolkspartci scheint bis jetzt ebenfalls keine große Neigung zu einer Regicrnngsbcteili- gung zu bestehen. Der Preußische Landtag wird etwa am 1L. Juni znsammentretcn. WgS die kommende Negierung in Bayern angeht, so ist dort die Verschiebung nach links nur sehr gering. Die nationalen Kreise Münchens betonen, daß die alte Koalition, die aus Bayrischer VolkSpartet, dem Bay. rischen Bauernbutzb und den Dentschnationalen besteht, ohne weiteres wieder hergestellt werden könne, ja es wird sogar hervorgchobcn, daß gegenüber einer zu erwartenden Links- rcgicruiig im Reiche aeradc I» Bayern eine entschiedene natio nale Regierung um so notwendiger sei. AlS stärkste Partei geht a»S dem Wahlkampf I» Bayern bekanntlich die Ban rische VolkSpartet hervor, die ihre», Besitzstand anirechterhiclt. Wen» die Dcuischnationalen sich mit der Deutschen BvlkS- partct wieder verständigen, halte» sie dem Pauernbniid die Wage, »nd wenn die Nationalsozialisten sich in entscheidenden Bayern» Württemberg un- Ol-enburg. > Fragen der nationalen Front angliedern, wäre eine ent. schieden«: nationale Linke in Bayern auch fernerhin möglich. ! Diese Aussichten sind begreiflicherweise den Demokraten höchst unsympathisch. Auch in Bayern würden sie es am liebstep sehen, wenn eine Ncchtsrcgierung vollkommen verschwände, und die „Vosstsche Zeitung" agitiert schon heute für einen schwarz-roten Block, der aus Sozialdemokraten und Bay. rischer Bolkspartci bestehen soll. Württemberg zeigt kein klares Bild. Besonders die Linke und die Mitte wenden sich schon seit Wochen mit besonderer Schärfe gegen de» dcuischnationalen Staatspräsidenten Bazille. Nun trifft cs allerdings zu, daß vou de» 129 508 Stimmen du Dentschnationalen vom Jahre 1921 nur 71 878 Ubriggeblieben sind, was einer Verminderung um fast 45 Prozent gletch- kommt. Die bisherige Regierungsmehrheit in Württemberg, bestehend aus Dentschnationalen, Bauernbund und Zentrum betrug 42 Stimmen. Sie ist jetzt aus 87 gesunken, so daß sie bei 89 Landtagsmandaten zur Minderheit geworden ist. Der stärkste Exponent dieser Regierungsmehrheit war der deutsch- nationale Staatspräsident Bazille. Es fragt sich nun, ob er selbst, wenn sich die Koalition durch Anschluß der Deutschen Bolkspartci mit vier Mandaten zur Mehrheit, ergänzte, wieder zum Führer berufen werden wird. Im ganzen gesehen, besteht also auch in Württemberg die Möglichkeit einer Rechts- koalition weiter, weil man ja von einer linksgerichteten Ncichsrcgicrung allerhand Unerfreuliches zu erwarten hat und ein entsprechendes Gegengewicht in den Ländern nm so dringender erscheint. In Oldenburg ist die bisherige Ncchtsrcgierung durch das Ergebnis der Landtagswahl illusorisch geworden. In Oldenburg waren Dcutschnationalc und Bolksparteiler mit 16 Mandaten .in einer Koalition vereint. Dazu kam das Zentrum mit 19 Man date». und so hatte ma» eine Mehrheit von 25 Stimmen gegen 15 Stimmen der Opposition. Jetzt haben die Rechtsparteien 8 Mandate »nd das Zentrum 1 Mandat eingebüßt. Beide Fraktionell verfügen, auch wen» man ihnen die drei Stimmen der Ehristiich-nalivnalcn Bauernpartei znrechnet, nur nach über 21 Mandate, denen 27 der Opposition gegenüberstehey. Eine W clmarc r Koalition, für die sich die dcmvkratische Presse cinsctzt, würde mit 28 zu 29 Stimme» über eine sichere Mehrheii verfüge».