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Beruhigung in Genua Deutschland — Karthago. Won Dr. Fritz Mittelmann, Mitgl. des Reichstags. Bischofswerdaer Einzige Tageszeitung im Amtsgerichtsbezirk Bischofswerda und den angrenzenden Gebieten Dies Bläh enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt« Mannschaft, der Schulinspektion und des Hguptzollamts zu Bautzen, des Amtsgericht«, de» Finanzamtes und de» Stadtrat» zu Bischofswerda. Unabhängige Zeitung für all« Stände in Stadt und Land. DichtesteBerbrettung inallenDolkaschtchtm Beilagen: Sonntag» 'Unterhaltungsblatt und Landwirtschaftliche Bettatzy Geschäftsstelle Bischofswerda, Altmarkt IS. — Druck und Berlqs da Buchdruckerei Friedrich May in Bischofswerda. — Fernsprecher SK. IS Evsch«lmMO*w«ste: Jeden Werktag abend, für den folgend. Tag. B«t»»,vr«l* r Bet Abholung in der Geschäftsstelle monatlich Mk. 11.23, bei Zustellung in« Hau, monatlich Mk. 12.—, durch die Post bezogen vierteljährlich Mk. 3S— mit Zustellung,gebühr. 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Allen Besitzungen außerhalb Afrikas mutzten sie entsagen, selbst in Afrika jeden Krieg von der Erlaubnis der Römer abhängig machen-und ihren Erbfeind Masinissa als König von Numidien anerkennen. Die militärisch« Macht Karthagos wurde vollständig gebrochen, denn sämtliche Kriegselefanten mutzten restlos ausgeliefert werden, und von seiner stolzen Kriegsflotte durfte es nur zehn Schiffe be halten; über 500 Kriegsfahrzeuge wurden auf der Reede von Karthago den Flammen übergeben. Endlich mutzten die Karthager sich verpflichten, innerhalb fünfzig Jahren 10 0Ü0 Talent Gold an die Römer abzuführen. Hannibal sah vor aus, datz dieser „Friede" im Laufe der Zeit den Untergang Karthagos herberführen mutzte. Die Karthager aber schien pur der Teil des Friedensdiktates zu bedrücken, der die Goldzahlungen vorschrieb. Ruhig nahmen sie es hin, datz ihre Schiffe verbrannt und ihre Elefanten nach Rom «ingc- schifft wurden, und sie wehklagten erst, als im Senat die Mittel der Herbeischaffung der den Römern zu zahlenden Reparationssummen beraten wurden. Aber obwohl sie das Gold schließlich so pünktlich zahlten, datz bereits nach Ver lauf von 10 Jahren die ganze Schuldsumme abgetragen war. verfiel ihre Stadt dennoch der gänzlichen Zerstörung. Der römische Pflug ging über die Trümmer der eingeäscherten Stadt hinweg, denn dies war von Anfang an i n Rom beschlossene Sache gewesen. Das Geschick Karthagos sollte uns Warnung sein! Hätte es längst sein müssen, als immer und immer wieder neue Verpflichtungen von uns abgepreßt wurden. Leider scheint es aber das Los unseres Volkes zu sein, den wahren Zusam menhang der Dinge immer erst nachträglich zu erkennen. So erklärte der kürzlich Heimgegangene demokratische Führer Konrad Haußmann in der denkwürdigen Sitzung der Natio nalversammlung in der Aula der Berliner Universität am 12. Mai 1919: „Hätte unser Heer, hätten unsere Arbeiter am H. und 9. November gewußt, daß der Friede so aussehen würde, hätte das Heer die Waffen nicht niedergelegt, alles hätte ausgehalten." Aber obwohl er und mit ihm andere Führer feierlich Verwahrung gegen den vorgelegten Frie- ^enevertrag einlegten, obwohl Herr ' Scheidemann lieber seine Hand verdorren lassen, als diesen Vertrag jemals un terzeichnen wollte, sand sich dennoch eine Mehrheit dafür in der Weimarer Nationalversammlung. Und so zieht sich von Versailles über Spa, London und Cannes eine einzige große Kette immer neuer Demütigungen und Bedrückungen für Deutschland. Immer tiefer geraten mir in die Schuldknecht schaft, immer enger wird der Kreis der uns umgebenden Häscher; die völlige Zertrümmerung Deutschlands, auf die Frankreich, und zwar,u. E. allein dies, es abgesehen hat, ^ann bei weiterer Berfolgun» der bisher von der Reichs regierung getriebenen Politik nur mehr lediglich eine Frage >er Zeit sein. Wir nähern uns nicht mehr erst Lsterreichi- chen Verhältnissen, sondern wir befinden uns bereits mitten in ihnen, d. h. wir stehen heute da, wo Österreich etwa vor nnem Lahre gestanden hat. Wenn semals eine Politik des llachgebens verhängnisvoll für ein Land gewesen ist, dann Hiess Politik der Erfüllung gegenüber einem Hauptgegner den, an der Erfüllung selbst nicht das geringste gelegen ist da er in Wirklichkeit ganz andere Ziele verfolgt. Dieses Ziel Frankreichs ist aber kein anderes als die Auflösung und Zertrümmerung Deutschlands. Angesichts dieses in Paris beschlossenen Ausganges hat keinerlei Nachgeben oder Nachlaufen gegenüber Frankreich auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg. Im Gegenteil, je mehr mir den Franzosen nachlaufen, um so schlechter wer- den sie uns behandeln, und wir werden zu dem Haß nur noch die Verachtung wegen unserer unnationalen Haltung ernten. Wie andere war es nach 1870, als den Franzosen in einem ehrlich gewonnenen Kriege alte» deutsches Land wie der abgenommen worden war. Di« Franzosen blieben dem Sieger gegenüber kühl bi» ans Herz hinan, und alle Ver.< suche Deutschlands,, mit Frankreich zu einem guten Einver nehmen zu gelangen, scheiterten daran, daß sie den Frieden von Frankfurt nicht vergessen konnten. „Das Vergessen ist weder schön, noch edel, noch stolz. Es wäre unwürdig des Siegers: beim Besiegten ist e» sträflich." In diese Worte fassen Paul und Victor Marguerite ihre Darstellung des Krieges von 1870/71 zusammen. Lernen wsr pon unseren Feinden und bringen wir in unserem Unglück endlich das Matz von nationalem Stolz auf, da« auch einem unterlege- nen Volke jederzeit zur Verfügung stehen mutz. Nur dann wird «« möglich sein, da, in Pari« gegen uns beschlossen« Schicksal Karthago, opn uns abzuwenbfn. Auf dem Wege zur Verständigung. Auch in Genua wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Heute hat sich der Lärm über das deutsch russische Vorgehen schon gelegt. Der Schrecken, der der En tente in die Glieder gefahren ist, datz die Deutschen auf ein mal sich zu einem eigenmächtigen Handeln erkühnen, beginnt ruhigeren Erwägungen Platz zu machen. Man versucht lie ber, die Deutschen auf eine listigere Art einzuseifen und so ist man auf verschiedene Art in Fühlung getreten, sogar zu einem Essen hat man sie eingeladen. Die Absender der „Strafnote" sitzen eigentlich in einer Klemme. Sie müssen sich von den Neutralen klarmachen lassen, daß sie gar kein Mandat zu diesen, Schritt gehabt, und ziehen sich selbst auf die Ausrede zurück, daß der Brief, auch wenn an seinem Schluß ein Fragezeichen fehle, doch eigentlich mehr eine An frage als eine Absage bedeute. Wenn die deutsche Vertre tung die Lage zu nutzen weiß, so kann sie trotz des gestrigen Lärms, auf den heute schon so viele Dämpfer gesetzt sind, ganz günstig abschneiden. Was man bisher aus den amt lichen deutschen Kreisen vernehmen kann, klingt allerdings nur nach langweiliger Defensive, Silhenverteidigung. Man wartet mst den starken Stoß einer Gegenoffensive, für die sich der Gegner zahlreiche Blößen gegeben hat. Wir verzeichnen über die Lage folgende Meldungen: „Direkte Fühlungnahme auf Wunsch der Entente." Berlin, 19. April. (W. T. B.) Au» Genua wird bekannt, datz der Reichskanzler und Dr. Rathenau heute Morgen mit führenden Männern der Entente in direkte Fühlung getre ten sind, und zwar auf Wunsch der Entente. Deutsche Beratungen über die Antwort auf die Strafnote. Genua, 19. April. (Sonderbericht des Vertreters des W. T. B.) Die hier weilenden Labinettsmstglteder sind nach Überreichung der Rote der neun Mächte ,zu einer Sitzung msanimengelreten. Am Nachmittag werden die Sachver- sfändlgen zusammenkommen und es wird eine Kabi- nettssihung der gesamten Deleaationen abgehalten. Die deutsche Antwort wird voraussichtlich im Lause de, heutigen Tage» überreicht werden können. Die Stimmung ist durchaus ruhig und fest. Man hält den deut schen Standpunkt, wonach der Vertrag mit Rußland weder gegen den Iriedensvertrag von Versailles noch «egen da» Londoner Memorandum verstoße, für so völlig ein- wandsrel, daß er bei ruhiger Überlegung sich auch in den Kreisen der übrigen Mächte durchsetzen muß, wenn die Auf regung des ersten Augenblicke» erst nachgelassen hat. Man neigt daher zu der Ansicht, datz mit der gestrigen Rote das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und daß die Unterzeichner im Znterqfe de» ungestörten fruchtbaren Fortganges der Konferenz elaen Ausgleich finden wer- den. Au erwähnen wäre noch, daß die deutschen Delegier ten Rathenau, Hermes, Schmidt und havenftein gestern abend einer Einladung der italienischen Delega tion zu einem Essen gefolgt sind, an dem die führenden Delegierten aller Rationen tellgenommen haben. Die Genueser und Mailänder Presse hat heule den deutsch russischen Vertrag in bedeutend ruhigerem Tone besprochen. Man sucht die gestrigen heftigen Äußerungen über da, Vor gehen Deutschland» abzuschwächen und hebt da» Bestreben Italiens hervor, aus die Ententedelegalionen mäßigend ein zuwirken. Ans keinen Aast dürfe die Konferenz eine Stö rung oder gar eine llnlenwechung erfahren. „Lorriere della Sera" bringt Einzelheiten über die Sitzung, in der unter dem Vorsitz Schanzer» die Rote an Deutschland redigiert wurde. Danach brachte Schanzer znm Ausdruck, daß e» ihm nicht opportpn erschein?, deftige oder beleidigende Worte in die Rate auszunfimleu. Er verstehe den Unwillen der englischen und französischen Delegierten, halte es aber für nliNg. -er Rot» eine Form zu geben, die »ine Verständigung wlafse. 2m wetteren verlaus« der Diskussion, in der dl» Vertreter Velgieu», Frankreichs, Zvgoflaviens, Rumänien», der Tschechoslowakei, den eng lisch-französischen, Pestteler Vlllepg mit einigen Ein- schränkungen den italienischen Standpunkt vertraten, gelang es schließlich Schanzer, fein» Anschauung dniWt« sehen, die Rote in eine gemühigm» Farm zu bringe«. Der Weg zur Gt»rgü«g? Paris, iS. Aprjl. (Prfv -Tel.) Der Vertreter de» »tbirWß, Preß" meldet heute abend 7 Uhr au» Genua; Wi« ich si eben au, italienischen Kreise« erfahre« habe, ist En» »e». elnbarung zwischen den alliierten vnd deutschen Dele gierten auf folgender Grundlage ongebahnt worden; Da»' Londoner Memorandum über Rußland wird unter Mit, Wirkung deutscher Sachverständige» in gewis sen Punkten berichtigt, durch dl» sich Deutschland geschä digt fühlt, Deutschland wird dafür die definitiv» «u»füh- rung de, deutsch-russischen Wirtschaftsabkommen» bi» zu» Ende der Genueser Konferenz veefchlebH«. Die Gründe des Vertragsabschlusses. Berlin, 19. April. Zur Begründung des deutschen Ab« i kommens mit Rußland hat, wie die Blätter au» Ge«a i melden, der Leiter der vstabteiümg des Auswärtigen Anno» ! Ministerialdirektor Maltzan folgende Erklärung abg» geben: Als man der deutschen Delegation da» Aa nd nnnet- Memorandum vorlegte, erklärten wir sofort, daß un» 3 Punkte darin unangenehm erschienen. Der erste Punkt war Art. 6, der bleutet, daß Deutschland und Iftch» land oder einem dritten, der an Stelle Rußland» tritt» für die Kriegsentschädigungen, die Rußland auf ltzund de» Versailler Vertrages hätte fordern können, zur Verfügung stehe. Der zweite unangenehme Punkt war ein Artlk« der 2. Beilage, wonach alle industriellen Unternehmungen, hi» am 1. März 1917 in Rußland unter ausländischer Leitung standen, als ausländische Unternehmungen hätten be trachtet werden sollen. Da zu diesem Zeitpunkt« Infolge des Krieges kein Unternehmen in Rußland eine deutsche Verwal tung aufweisen konnte, kam dies praktisch einem Au»« schlutz der Deutschen aus dem Kreise derjenigen aus« ländischen Industrien in Rußland gleich, die eine deformer« Behandlung durch die Gowjetregi«rung erfahren scklten. Der dritte Punkt war Axt. 15 der 2. Beilage, der festsetzt, daß alle vor dem 1. September 1917 in Rußland vollzogenen Enteignungen in Kraft blejben sollen. Diese Enteig nungen betreffen fast ausschließlich deutsche Unterneh mungen. Deutschland war also auf Grund diese» Memoran« - dums von allen Vorteilen ausgeschlossen, die ein eventuelle» I Abkommen mit der SowjetregierOrg gebracht hätten. Lies« s Eindrücke der deutschen Delegation wurden de« andere« Delegationen ausführlich zur Kenntnis gebracht. E» würbe , einem Mitgliede der fremden Delegationen erklärt daß Deutschland sich verpflichtet fühle, die Drohungen de» Memo- . randums durch direkte Abmachungen mit den Rusten ,u parieren. Am Freitag abend kam der Pressechef d«r italie nischen Delegation Giammini zur deutschen Del«gation und > berichtete über die Besprechungen zwischen Rußland und d«r > Entente, di« hinter verschlossenen Türen stattgefunden Hot- / ten- Giammini fügte hinzu, daß er die Aufgab« hab«, di« Ansicht der deutschen Delegation über das Memorandum zu , erfahren. Es wurde ihm darauf von den Deutschen «sklärrr 1. Solange die drei erwähnten Punkte aufrechterhqlttn > bleiben, können wir zu diesem Memorandum k«in « Stel- lung nehmen. ' 2. Wenn die Verhandlungen mit den Russen ohne UN» fortgesetzt werden sollten, würden wir in unserem Anstreste ' gezwungen sein, uns anderweitig zu sichern» Am Sonnabend erklärten Rakowski und Dosts dem 1 deutschen Delegierten Maltzan, daß die Rusten aus Grund gegenseitiger Konzessionen zu einem Ueber-inkommen mit / den Ententemächten zu komme« Hostien, Auch «in eng' lischer Delegierter äußerte sich in einer Unterredung mit < Maltzan sehr optimistisch über den Verlauf der Verhand- , lunqen. Maltzan wiederholte ihm gegenüber, daß Deutsch- , land durch direkt« Verhandlung«» mn den Russen di« Situa- , Kon parieren müßt«. Am Sonnabend abend brachten ver- , sch «den« Berichterstatter der Kutschen Delegation di« Ruch- . richt, datz da» Ueberetnkommen zwischen Rußland und den Ententemächte»; virtuell bereit» erzielt worden lei. Run- - mehr beschloß die deutsch« Delegation, di« russisch« Delega» j tion um eine Zusammenkunft für den nächst«» Tag zu »r- I suchen, Diese fand am Ostersonntag in Rap«llo statt. Rsck ! sehr kurzer Dauer wurde h«r bereit» in Berlin wrberejsttr , Vertrag unterzeichnet.