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Jahrgang Der Abschluß der Ostreife des Kanzlers Minister Lreviranus über das Ergebnis der Ostreise — Minister Frick über „Wege zur Freiheit" Loucheur über die Wirtschaftslage Frankreichs Im „Haus Oberschlesien* in Gleiwitz schilderten die Vertreter der Behörden, der Industrie, .-er Kaufmann schaft und der Gewerkschaften dem Kanzlet,»Minister Tre- oiranus, dem Reichsbankpräsidenten und Reichsbahn generaldirektor Dr. Dorpmüller die Nöte des oberschlesi schen Industriegebietes. Zum Schluß ergriff der Kanzler das Wort. Er er kannte an, daß Oberschlesien neben den arbeitswirtschaft- lichcn Nöten noch besondere Schäden aufzuweisen habe. Nicht nur national-, sondern auch wirtschaftspolitisch werde der Osten als Gegenstand ernster Sorge betrachtet. Im Falle einer vorzeitigen Inbetriebnahme des Mittel landkanals sollen größere Mittel dem Oder-Wafferftraßen- bau zur Verfügung gestellt werden. Auch die trostlosen Wohnungsverhältnisse sollen gemildert werden. Die Zeit sei da, da sich die Blicke des ganzen Reiches auf den Osten richteten. In Ratibor hatte sich am Bahnhof eine größere' Menge versammelt, die beim Erscheinen des Kanzlers in Pfui- und Nieder-Rufe ausbcach. Fm Landeshuus fand eine mehrstündige Aussprache statt, in der der Lan deshauptmann und die Landräle sowie der Oberbürger meister ihre Wünsche vortrugen. Reichskanzler Brüning erklärte, daß in Oberschlesien «eben einer Jndustriekrise auch eine Landwirtschaftskrise herrsche, die größer als in den übrigen Landesteilen sei. Da mit zollpolitischen Maßnahmen allein der Landwirtschaft, die die Grundlage jeder wirt schaftlichen Gesundung der deutschen Grenzmark bleiben müsse, nicht geholfen werden könne, müsse man andere Wege, z. B. Zinssenkung, gehen. Wenn wir gefunden haben, daß Darlehen, die von der preußischen Zentralgcnossen- schaftsbank zu 5,75 Prozent gegeben werden, an die einzelnen Landwirte zu 12, 13 und 14 Prozent weiter- gegeben werden, dann müssen Sie zugeben, daß hier etwas nicht stimmt. Wenn die Landwirtschaft jetzt Illusionen und Agi tationsfragen nachlaufen sollte, dann würde das für sie das allerschlimmste sein, was man sich denken könne. Wenn nicht alle Parteiführer dem Volk restlos die Wahrheit sagen über das, was unmöglich und was möglich sei, dann sehe er keine Rettung. Wenn das Verständnis für eine verantwortliche Politik in allen Kreisen der Grenz bevölkerung wachgerufen sei, dann werde die Regierung dem Osten weit über die bisherigen Maßnahmen hin aus Rettung bringen können. Die Reichsregierung ist sich klar, daß die Stärkung des deutschen Ostens das Boll- ' werk sein wird, das wir gebrauchen, um überhaupt eine Politik, die uns vorwärts führen kann, zu machen. Wir tun das nicht mit großen Worten. Beim Eintreffen des Sonderzuges in Neisse wiederhol ten sich die schon am Vortage im oberschlcfischcn Industrie gebiet beobachteten Kundgebungen auf der Straße. Eine größere Menge brach in Nieder-Rufe aus. Man sah Plakate mit der Inschrift „Gebt uns Arbeit und Brot". Im Landesfinanzamt fand die letzte Besprechung des Kanzlers mit Vertretern der oberschlesischen Wirtschaft und Bevölkerung statt. Oberbürgermeister Franke-Neisse ging noch einmal zusammenfassend auf die Nöte und Sorgen auch der mittleren und kleineren Städte Oberschlesiens ein. Die Stadt Neisse sei am Ende ihrer Leistungsfähig, keit angelangt. Landrat von Ellerts sprach fiir den Landkreis Neisse und zugleich als Vorsitzender des oberschlesischen Landkreistages. Die Ausführungen der Redner wurden durch weitere Vor träge von Vertretern der Landwirtschaft unterstrichen. Reichsminister Treviranus verwies nochmals auf die Notwendigkeit der Selb ft Hilfe der Landwirt schaft. Reichskanzler Brüning erklärte u. a., daß die nächste Aufgabe, die Rettung der Landwirtschaft, um so schwerer sei, als auf dem ganzen Weltmarkt der Preis für landwirtschaftliche Erzeugnisse in der letzten Zeit gewaltig gefallen sei. Es bleibe daher nichts anderes übrig, als die deutschen landwirtschaftlichen Preise vom Welt- warft abzuhängen. Daneben könne und müsse die Landwirtschaft selbst mit helfen, der Not zu steuern. Oberpräsident vr. Lukaschek dankte dem Kanzler mit kurzen Worten für den Besuch. Der Kanzler setzte sodann die Reise nach Kamenz fort. In Kamenz fand die Oberschlesicnfahrt des Kanzlers ihren Abschluß. Die Vertreter Oberschlesicns verabschiedeten sich von dem Reichskanzler und seiner Begleitung. Während der Fahrt nach Glatz hielt Oderstrombau-Direktor Fabian dem Reichskanzler einen Vortrag über den dringend notwendigen Ausbau der Oder. Im Kreishaus in Glatz begrüßte Landrat vr. Peuckert den Reichskanzler und wies auf die Sonderstellung der Grafschaft Glatz hin, die ein geschlossenes, abge sondertes, außerordentlich vielseitiges Wirtschaftsgebiet bilde. Es gebe in Niederschlesien eine doppelte Front nach Nordosten und nach Südwesten; dieser Front müsse durchgängig und gleichmäßig Hilfe zuteil werden. Der Vorsitzende des Vereins der Industriellen der Grafschaft Glatz, Fabrikbesitzer Hünefeld, schilderte darauf die Not lage aller Wirtschaftskreise. Starke Ansammlungen vor dem Rathaus mußten von der Polizei mit Hilfe des Gummiknüppels aus einandergetrieben werden. Auf der Fahrt von G.^tz nach Dittersbach sprach sich der Kanzler mit dem Regierungspräsidenten von Bres lau und einem Vertreter der niederschlcsischen Waldbesitzer aus. Der Regierungspräsident forderte dringend, die als erste Hilfe zur Verfügung gestellte 1 Million RM auf 3 Millionen RM zu erhöhen. In Dittersbach sagten der Kanzler und der Generaldirektor der Reichsbahn eine Erhöhung der zur Verfügung gestellten 1 Million RM und weitere Tariferleichterungen zu. Don Dittersbach begab sich der Kanzler nach Walden burg. Der dortige Landrat schilderte die Not des Stadt- und Landkreises. Der Vertreter der Waldenburger Industrie wies besonders darauf hin, daß sich die Absatzverhältnisse nach der Tschechoslowakei verschlechtert hätten. Der In dustrievertreter schilderte dann eingehend die schlechte Frachtenlage des niederschlesischen Reviers, das außer ordentlich durch d .n Mittellandkanal bedroht werde. Auf der Fahrt nach Breslau berichtete der Präsident der Landwirtschaftskammer Niederschlesien und der Vorsitzende des Kredit-Rotstandsausschuffes der schlesischen Landwirt schaft, Rittergutsbesitzer BUrde-Ködleve, dem Kanzler über die Lage der Landwirtschaft. Der Landwirtschafts kammerpräsident betonte, daß, nach den schweren Unwetter und Hochwasserschäden der letzten fünf Jahre die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft soweit zurück- gegangen sei, daß zur Einkommensteuer nur etwa 16 v. H. der Betriebe herangezogen werden könnten. Auch für die schlesische Forstwirtschaft sei eine besondere Steuersenkung notwendig. Der Reichskanzler und seine Begleitung wurden bei s ihrem Eintreffen in Breslau von einer großen Menge mit stürmischen Protcstrufen empfangen. Bei dem Empfang im Rathaus wies Oberbürgermeister vr. > Wagner darauf hin, daß Breslauvon einerWirt- schaftskatastrophe wie keine deutsche Stadt betroffen worden sei. Der Handel sei zum Teil schon vernichtet, besonders durch das Fehlen geordneter Handelsbeziehungen zu Polen und durch die Landwirtschaftskrise. Die Stadt müsse ungeheure Zuschüsse § für die Wohlfahrtspflege infolge der Arbeitslosigkeit auf- j bringen und habe große Ausfälle an Steuern usw. Ganz Schlesien und damit Breslau müßten in die Osthilfe einbezogen werden. Der Stadtvcrordnetenvorsteher forderte vor allem den ? Abschluß des Handelsvertrages mit Polen, j Nach Ausführungen des Handelskammerpräsidenten erwiderte s der Kanzler, daß bald etwas geschehen müsse, um Bres- i laus Notlage zu beheben. Die Osthilfe auf ganz Schlesien , auszudehnen, sei leider an der Verweigerung der notwendigen § Mittel gescheitert. Die Handelsbeziehungen müßten unbedingt : wieder ausgebaut werden. j Es sei das Ziel der Reichsregierung, »eben und mit Ost- i preußen ein starkes Schlesien für die Zukunft auszubauen. Sodann stattete der Kanzler dem Kardinalerzbischof einen Besuch ab und besprach sich anschließend im kleinen Das Wichtigste In Breslau haben sich am Sonnabend bei dem Eintreffen des Reichs kanzlers stürmische Protestkundgebungen ereignet. Die Polizei nahm 19 Verhaftungen vor. Reichskanzler Dr. Brüning und die übrigen Teilnehmer an der Reise in die ostdeutschen Grenzgebiete sind am Sonntagabend gegen 23 Uhr wieder i» Lertt i eingetroffen. Einer Berliner Korrrspondenz zufolge steht die Ernennung de» Vor tragenden Legalivn«»ates und Dirigenten der Ostabteilung, v. Moltke, zum deutschen Gesandten in Warschau bevor. Der Schiedsspruch für den Ruhrbergbau wurde am Sonntag von den Bergatbritelverbänden abgetehnt. Kreise mit Parteifreunden. Es folgte ein Empfang im Over präsidium. Oberpräsident Lüdemann erklärte u. a.: Die Ursache für die schlesische Not läge in der Grenzziehung, die Schlesien zu einer Halbinsel, umgeben von neuen Staaten, die zur wirtschaftlichen Selbständigkeit drängten, gemacht habe. LieLagederLandwirtschaftseivon entscheidender Bedeutung für die ganze Provinz, da sie ein Viertel der Bevölkerung ausmache. Im Namen der Reichsbehörden sprach Präsident des Landesfinanzamts Breslau Hamman. Auch er schilderte die Nöte der Provinz Schlesien. Darauf sprach Landeshaupt mann der Provinz Niederschlesien, vr. von Th ä r r." Er wies im einzelnen auf die Folgen der neuen Grenzziehung durch Sen Versailler Vertrag hin. , Im Anschluß an diese Vorträge nahm Reichsbankpräsi- i dent vr. Luther das Wort. Lr beschäftigte sich eingehend mit !. der deutschen Währung. Ohne eine feste Währung sei eine- ! gesunde Wirtschaftslage überhaupt nicht möglich. Es gelte, > die Brücke zu schlagen zwischen Währung und Wirtschaft, j Unsere deutsche Währung habe allerdings unter der i ungeheuer starken kurzfristigen Verschuldung zu leiden. Hätten wir diese kurzfristige Verschuldung nicht, hätten wir eine viel größere Bewegungsfreiheit. Das deutsche Volk habe außer den ü igen ungeheuren Leistungen im vergangenen Jahre allein für die Erwerbslosen an zwei bis drei Milliarden Mark aufgebracht. Das sei eine ungeheure Leistung. Wenn das deutsche Volk solche Lei- stungen vollbringe, so könne man nicht hoffnungslos sein. Der Reichsdankpräsident ging dann auf die Preissenkungs aktion der .egierung ein und hob hervor, daß die Rohstoff preise in ^r ganzen Welt in sehr starkem Maße zurück- gegangen .en und daß nun die Notwendigkeit bestehe, sich dieser rückläufigen Bewegung der Preise anzupassen. Weiter beschäftigte sich der Reichsbankpräsident mit den Bestrebungen, den hohen Zins zu senken. Mit staatlichen Maßnahmen allein sei hier nicht zu helfen, es müsse die Hilfe der beteiligten privaten Kreise hinzukommen, ja, eine Zinssenkung müsse in erster Linie gerade von ihnen ausgehen. Anschließend nahm vr. Brüning das Wort. Das deutsche Volk brauche nicht zu verzweifeln. Ein Volk, das sich nie selbst aufgegeben habe, sei niemals verloren gewesen. Durch die «eue Grenzziehung im Osten sei eine nie heilende Wunde gerissen worden. Würden die Herren aus dem Ausland, die das nicht an erkennen, ebenfalls eine Grenzlandbereisung vornehmen, so würden sie zu dem Ergebnis kommen, daß diese Wunde ge schlossen werden müsse. * Ueberall, wo sich Reichskanzler vr. Brüning während seines Breslauer Besuches öffentlich zeigte, kam es zu leb- haften Gegendemonstrationen und Unruhen auf den Straßen, so in der Nähe des Rathauses, des Oberpräsidiums und des erzbischöflichen Palais. Ziemlich die gesamte Breslauer Schutz polizei mußte aufgeboten werden. Zahlreiche Demonstranten wurden festgenommen und abgeführt. Zaleski über die deutsch-polnischen Beziehungen. Warschau. Im Sejmausschuß für auswärtige Ange legenheiten verbreitete sich Außenminister Zaleski über die polnische Außenpolitik, wobei er insbesondere auf die deutsch. ; polnischen Beziehungen zu sprechen kam. Er gab zunächst j bekannt, daß die Regierung den deutsch.polnischen Handels vertrag demnächst dem Sejm zur Ratifizierung vor- legen werde, ebenso das deutsch-polnische Grenzabkommen. Bei Behänd- lung der Minderheitenfrage wandte er sich gegen jeden Ver such,'die Rechte der Minderheiten für anderweitige Zwecke und staatsfeindliche Aktionen auszuschlachten.