Volltext Seite (XML)
Freitag —— Nr. 161. —— 8. September 1843 WS Deutsche Allgemeine Zeitung. -SM «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» . Uebe-Slick. Deutschland. z von der Elbe. Das Actenwcsen im Schulwesen. * Hannover. Rückkehr des Königs. * Hanau. Die Vermählung des Kurfürsten. Die Kinder der Gräfin Reichenbach. Ihr Bruder, s Al tenburg. Bildung der Sektionen. Hochzeitszug der Bauern. Mueußen. * Aus Preussen. Der Strafgesetzentwurf. tvesteeeetch. stvien. Die Vermählung des Erzherzogs Albrecht. Die Koburg-Koharys. * presburg- Hastige Gesetzberathung. Die Kroa ten. Federung einer Regulirung des Reichstags. * Verona. Die Fe», stungsbauten. Die Vorliebe der Ungarn für blaue Beinkleider. Spanten. * Paris. Manifest einer Wahlversammlung. Frankreich er kennt die neue Regierung an. Rundschreiben des Kriegsministers. Un sicherheit. Willkür. Barcelona. Schwäche des Cabinets. lOroOheitanttien. Courtoisie gegen die Königin. O'Connell über die Thronrede. England soll die neue Regierung in Spanien aner kennen wollen. Der Sun über den europäischen Frieden. Die Be schlagnahme des mit Kriegsbedarf beladenen Schiffes. Frankreich. Die pariser Journale über den Besuch der Königin Vic toria. Sparis. Der Friede. Niemcewicz. Schweiz. 'Sern. Die walliscr Wirren. Die aargauer Klosterfrage, stattet», s klom. Unsicherheit. Gin Exceß in Neapel. Der Vesuv. Türkei. Von -er türkischen Grense. Neuer Streit mit den Mon tenegrinern. Handel und Industrie. * Verlin. Die Gewerbsteuer. — Magde burg-Leipziger und Magdeburg-Halberstädtev Eisenbahnfrequenz. Ankündigungen. Deutsch kand. Ä Von der Elbe, 4. Sept. In der Lhat sucht das Leben, nicht in den Actep! Auch des Guten kann zu viel gethan werden! Denn gut^st es sicherlich, daß in unsern Tagen die hohen Staatsbehörden in der Fürsorge für Has Gedeihen der Schulen eine ihrer höchsten und wichtigsten Regierungsverpflichtungrn erkannt haben; aber vom Uebel ist eS eben so sicherlich, wenn sie fiieincn, daS Regieren allein könne und müsse die Schule schaffen, erhalten und fördern. Die Schule, mit allen ihren wesentlichen Einrichtungen, wurzelt im Geiste; der Geist aber entwickelt sich nur im Gebiets vernünftiger Freiheit, wo der Mensch nach dem ihm eigenthümlichen Werthe geschätzt und nach der ihm zukommendefi Würde geachtet und behandelt wird. Wo daS nicht der Fall ist, da wird daS Leben zum Exercitium, zur Parade, zum Kamaschendienst, der den Geist in dem Buchstaben, das Wesen in der Form sucht. Das ist überall ein Uebel, außer etwa bei den Soldaten «» muss«; das größte Unglück aber bringt es in der Schule, weil es die Schwingen des Geistes lähmt, auf denen allein Schüler wie Lehrer dem schönen Lande des Idealen zustreben können. Ein ideales Ziel aber muß sich jede wahre Schule, nicht etwa blos das Gymna sium und die Universität, sondern auch di« geringste Volksschule setzen, wenn sie ihre Aufgabe, den Menschen frei zu machen von dem Joche der nicdern Naturkräfte, der Sinnlichkeit und des Jrrthums, und ihm zur rechten „Freiheit der Kinder Gottes" zu verhelfen, ganz begriffen und verstanden hat. Darum will eS sich auch nicht mit dem Wesen der Schule vertragen, daß man sie allzu tief in den Kreis der gewöhn lichen Administration hineinziehe, weil sie, einer edlen Blume vergleich bar, den Staub nicht vertragen kann, wie die Erfahrung sattsam lehrt. Denn gar manche sonst treffliche Schule ist schon untergegangen oder doch in ihrer Entwickelung gehemmt worden, erdrückt durch die Last und erstickt durch den Staub des leidigen ÄrtenwesenS, welches eben nur da an seinem Platz ist, wo der Buchstabe herrscht und die todte Zahl gilt und entscheidet. Hnd auch in unserer Zeit ist die Schule noch nicht frei von solcher Bedrängniß, selbst nicht in denjenigen deut schen Staaten, welche man sonst als leuchtende Vorbilder auch in Be treff des öffentlichen Erziehungs- und Unterrichtswesens anzusehen pflegt. So hat z. B. der Rector einer gewöhnlichen Stadt - oder Districtsschule in einer großen norddeutschen Residenz eine Registrande von mehr als dreihundert Nummern jährlich, während Schreiber dieses an der Spitze von fiebert verschiedenen, aber allerdings organisch unter sich verbundenen Schulen, die von mehr als 2000 Schülern unh Schü lerinnen von 6 — 18 Jahren besucht werden, und im tägliche» amt- lr^k»-Berkehr. mit ungefähr 76 Lehrern, bei der größten Gewissenhaf tigkeit in Beachtung seines Verhältnisses zu seiner ihm vorgesetzten Behörde, es kaum auf 50 Nummern bringen kann, von denen gewiß nicht zehn über einen Bogen stark sind. Das aber dankt er der Weis heit und Liberalität der städtischen vornehmlich sowie auch der hohen Staatsbehörden, die eS erkannt haben, daß ein Schuldirektor Wichtigeres zu thun hat als Registranden zu führen, Tabellen zu linken und mo natliche Berichte zu machen, die am Ende — weil sie doch zuletzt sich immer wiederholen, wenn dem Schulorganismus nur irgend ein festes, aus klarem Erkennen hervorgegangencs Princip innewohnt —von keinem Menschen mehr gelesen und nur als Rcpositorienfutter benutzt werden, den armen, vielgeplagten Registratoren allein bekannt, obgleich auch diesen nur nach der allgemeinen Inhaltsangabe. Und darauf sollte ein Mann, der die beste Besoldung, aber auch die größte Verantwortlichkeit im Lchrercol- legium hat, seine kostbare Zeit verwenden, für die papierene Schule schreiben, statt für die lebende zu handeln? Nein, Das zu verlangen sei fern von einer jeglichen Behörde, die es mit ihren Lehrern gut meint und in ihren Direktoren und Rectoren Männer achtet, die des Vertrauens werth sind, welches man ihnen durch ihre Wahl bewiesen hat. Ein Rector sei der Spiritus rvetor seiner Schule, nicht aber der scribu rvctor, er sei der Berather und leitende Freund seiner Lehrer, nicht aber nur ihr Protokollant und Tabellarius; die Herren Schulräthe aber mögen die Schulen da suchen und einsehen, wo sie wirklich und lebendig sind, nicht in den Acten der Repositoricn, mö gen die Schulen bereisen und nicht blos beschreiben, mögen sie bera- then auf den Grund eigner Anschauung hin, nicht nach dem Schatten riß officieller und ofsicioser Actenberichte, mögen also vor allen Dingen weniger schreiben und schreiben lassen in Schulsachen, damit sie der ihnen besonders nöthigen Frische der Anschauung und des Lebens nicht verlustig gehen unter der Last und dem Staube des Actenwusteö; die Provinzialschulcollegicn und Ministerien endlich mögen von Zeit zu Zeit Rectoren und Lehrer ganz nach ihrer eignen Wahl um sich versam meln, daß sie unter einander bekannt werden und aus deren eignem Munde den Stand und die Bedürfnisse der Schule kennen lernen, uüd sie werden nach solchen mündlichen Berichten binnen acht Tagen mehr und leichter arbeiten als aus den Acten in acht Wochen. Das wä ren Schulvisitationcn und -Revuen, wie das Geistesleben der Schule sie federt, mit weit weniger Schwierigkeiten und Kosten verknüpft, als die Zusammenziehung eines Armcecorps, und doch unermeßlich weit wichtiger in ihren möglichen nützlichen Folgen für die höchsten und hei ligsten Interessen des Volkslebens; denn dann erst würde sich jeder Schulmann als Glied einer großen vaterländischen Gesammtheit füh len. Dann würde auch jenes den hohen Behörden jetzt oft so lästige Geschrei und Geschreibsel nach Emancipation, Verbesserung veräußern Lage, Klagen über Mißachtung rc. aufhören, denn der gesetzliche Weg, sich zu äußern, wäre ja gegeben; dann würde der Lehrstand in der Ach tung des Publikums die Stellung gewinnen, die ihm zu einem erfolg reichen Wirken unumgänglich nöthig ist; dann würde endlich auch na- tionelle Einheit in die Schule kommen, die ihr leider bis jetzt noch im mer gefehlt hat, weshalb auch bei uns noch immer so wenig von Na tionalerziehung zu spüren und zu sehen war und demnach grade eine der wichtigsten Aufgaben ungelöst blieb. Sehen wir aber ab von dem Allgemeinen und gedenken dcS Ein zelnen: wie viele jetzt von der geistertödtenden Last der Actenführung fast erdrückte Schulräthe und Rectoren würden durch die oben ange deutete Vereinfachung und'Vergeistigung des Geschäftsganges im Schul- regimente dem Leden und der Schule wicdergegebcn werden und aus gesöhnt mit ihrem heiligen Amte zum Besten des Heranwachsenden Ge schlechts! Wie Mancher würde andererseits in seiner wahren Gestalt erkannt werden, der wol zum Registrator und Protokollanten, zum Referendar und Calculator die nöthigen Qualitäten hqt, aber nicht die eines Spiritus rector, wie wir einen tüchtigen und berufenen Schul direktor oben nannten; wie würde so mancher Schulorganismus in den einzelnen Städten und Dörfern sich schneller, und erfreulicher entwickeln, wenn er frisch angeweht würde vom Hauche des lebendigen Wortes und deS RatheS statt des geschriebenen und papierenen! wie viele Leh rer würden erst dann ihre vorgesetzten Behörden und Direktoren ken nen lernen und Vertrauen zu ihnen gewinnen, wenn sie dieselben als