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Wöchentlich erschein drei Nummern. Prünumeration«- Prel» 22^ Sgr. (j Thlr.) vierxlishrlich, Z THIr. für da» gam« Jahr, ohne Sr- HSbung, in allen lheilen der Vrcuüifchen Monarchie. Magazin für die Man prLnumenr, auf dieses Beiblatt »er Allg. Pr. Etear«- fleitung in Berlin in der Eiredition (Fnedricht-Strate Nr. 72); in der Provinz s» wie im Ausland« bei de» Wahllöbl. Pofl-Atmlern. Literatur des Auslandes. 148. Berlin, Montag den 10. Dezember 1838. Frankreich. Die Gräfin von Lamotte und Cagliostro"). Was für einen sellsamen und wunderlichen Anblick bot doch Frankreich zu jener Zeit dar! Während der ganzen Dauer des Amerikanischen Krieges Hane das Schicksal dieses Freiheitskämpfer die Gcmücher in Spannung erhalten; und als ob es der Unab hängigkeit des eigenen Vaterlandes gegolten hätte, eine so freu dige Stimmung, eine so enthusiastische Thcilnahme hatte das Waffenglück jenes, überseeischen Heldenvolkes in uns erweckt. Der Frieden war abgeschlossen, und zwar nicht ohne Ruhm und Vor theil. Der Zweck, um deswillen wir ,11 jenem heiligen Kriege miigefochlen, die Demülhigung der stolzen Britania, war end lich erfüll«. Wir hallen dadurch etliche Koloniecn von nur ge ringer Wichtigkeit, es laßt sich das nicht leugnen, gewonnen; hingegen hatten wir, was gewiß keine Kleinigkeit war, deutlich bewiesen, daß wir im Bunde mit Spanien den Engländern die Spitze bieten durften. Die Schmach des Pariser Traktats war getilgt; die Gegenwart schien vollkommen gesichert und auf festen Pfeilern zu ruhen; auch die Zukunft lächelte uns heiter und freundlich zu. Wohin wir nur immer unsere Augen wenden mochten, überall fanden wir ein reges, geschäftiges Treiben, überall reiche Ausbeute unermüdlicher Thäiigkeil. In den Häfen wie auf den Märkten herrschte Ueberfluß und üppige Fülle. Paris war der Mittelpunkt, wohin aus allen Enden und Ecken Europa'» die Kapitalien strömten; und wie wenn des Himmels Segen Hand in Hand mit unseren überaus günstigen politischen Verhältnissen hätte gehen oder ihnen gar die Krone aufsetzen wollen, waren auch die Aerndicn der beiden Jahre 1784 und I78d in jeder Beziehung auf eine wahrhaft crstaunenswcrchc Weise ergiebig. Allmalig verhallte das dumpfe Klirren der Fesseln, welche finsterer Despotismus geschmiedet; mixen im Schoße Frankreichs hatte die Freiheit, ohne erst von Jemand herbeigerusen zu werden, von selber ihren Thron aufgeschla« gen. Man wußte, daß die einst so furchtbaren geheimen Kabinets-Befehle bloß noch einigen unglücklichen Familien zu Gute kämen; unbehindert, ohne Scheu, und Angst, durfte man von nun an, sowohl schriftlich als mündlich, seine Gedanken äußern. Eine kräftige und beharrliche Stütze fand die Regierung an der Geistlichkeit; nicht, daß diese Ler mächtig vorwärts schrei tenden Bildung Hemmnisse in den Weg legte, vielmehr ging sie aus eigenem Antriebe in der Uebung religiöser Duldsamkeit mit edlem Beispiel voran und gab mit dieser Gewissensfreiheit den Anstoß zu einem freieren geistigen Aufschwung. Die Parlamente blieben freilich ein bischen im Rückstände, besorgten Vätern ähn lich, die zu ihren Kindern sagen: „Machet von eurer Selbststän digkeit einen weisen Gebrauch, aber keinen Mißbrauch." Der Hof ließ sich allerdings aus einer gewissen Leichtfertigkeit hier und da eine Sünde zu Schulden kommen, indeß mit allen diesen Mängeln wurde zugleich das Andenken an seine frühere Glanz- Periode erziel«; nur um so liebenswürdiger erschien er gerade jetzt sowohl in den Augen der Hauptstadt, als in denen des ganzen Landes. Lin Anstrich von Wohlbehagen belebte mit frischem Reize unsere öffentlichen Versammlungen, unsere Schau spiele, unsere geselligen Kreise; mit einem Wyn, in dem Herr, licheu Frankreich glaubte man nunmehr die Früchte einer wohl geordneten Verfassung genießen und den Balsamduft allgemeiner Wohlfahrt einaihmen zu können. Doch bald singen wir an, dieses beneidcnswcrthen Zustandes überdrüssig zu werden; was es auch immerhin kosten mochte, wir haschten mit Begierde nach lauter Zerstreuungen und ungewöhn lichen Dingen, und ein gewaltiger Schwindel bemächtigte sich fast aller Köpft. Wie toll rannte man zu Mesmer, um die Wirkungen des Magnetismus zu erproben; da wimmelte es von Leuten, die von Gesundheit strotzten und sich dennoch für schwach und krank ausgaben, während Andere, die schon mit einem Fuße im Grabe waren, sich einbildeten, durch jenes Mannes Hcilversuche vollkommen genesen zu seyn. Maral, der sich mit ») Dieser Artikel ist au« einem BrnckKück der di« jetzt uv» nickt heran« «eaedenen Memoiren de« Grasen Veu-not entlehnt. Man verqleiche Nr. 1« de« Maqatin«, wo wir eine SrzabMn« der skandalösen Gesckickte, in Welcker die wr«ßn Lamotte die Hauvtroa, spielte, nach einer anderen Quelle mitge. theilt Haden physikalischen Untersuchungen beschäftigte, bevor es ihm gelungen war, seine ruchlosen StaaiS-Theorieen geltend zu machen, er klärte der Sonne den Prozeß; er wollte sie nicht als Urquell des Lichts anerkannt wissen, und es gab eine Menge Verrückter, die seinem Geschwätze Beifall zollte». Der Hof sammi den vor nehmsten und gebildetsten Bewohnern von Paris kehrt den Meister werken der Französischen Bühne den Rücken, um, ihrem reineren Geschmack zuin Hohn, in elenden Bretterbuden die fadesten Poffcn- spiele und erbärmlichsten Komödianten, die kaum dem niedrigen Haufen Genüge leisten dürften, mit donnernden Bravo'» zu überschütten- Marktschreier und Aufschneider von allen Farben folgen rasch auf einander und wissen durch allerliebste Mixelchen die Neugierde zu reizen und zu fesseln. . In Straßburg taucht ein Cagliostro auf, welcher der lhörichicn Menge weis macht, er scy umer den Trümmern von Memphis geboren und im Schoße der Pyramiden ausgewachsen; er, der auserlesene und seltene Mann, besitze die Gabe, Wunder zu verrichten, noch so gefähr lich Kranken die Gesundheit wieder zu schenken, Gold unter Dürf tige und Unglückliche auszustreuen und überhaupt auf jegliche Weise die Last ihrer Noch zu mindern; und ein Rächsel bleibt es, von wo ihm dieses Gold und Lieft Kraft zufließt. Er wirft mit den seltensten Diamanten um sich, ohne den geringsten Werth daraus zu legen; er ist's, der den Stein der Weisen gefunden; er ist der große Magus, der mit tiefem Forscher blick in die Geheimnisse der Natur eingedrungen; und bloß in dem einen Punkt ist er verlegen, wen er unter den Sterblichen erwählen soll, um ihn aller dieser unermeßlichen Schätze theil- haflig zu machen. Und siehe da! ein Äirchcnfürst, ein Kardinal von Rohan ist'«, der auf seinen Kniccn den Gauner um die Gnade auflcht, ihn in seine hohe Wissenschaft einzuwcihen. In Paris ireibl ein Bliton sein Hokuspokus; über hundert Fuß unter der Erde vernimmt sein feines Ohr das Rauschen der Gewässer, ja, ein moderner Moses, zwingt er sie, auf sein Geheiß, mittelst seines Zauberstabe, emporzusprudeln. Und sollte man'» wohl glaubens Männer von Rang und Stand, Männer von hohem Ernst, von Einsicht und Charakter bestätigen durch ihr Zeugniß so lächerliche Alfanzereien und behaupten steif und fest, mit eigenen Augen diese unbegreiflichen Wunder gesehen zu haben. Der General - Conirolleur der Finanzen begeht den Streich, doch nein, er bedient sich eines ganz neuen, aber einfachen Kunst, mixels, die Zinsschcine der Anleihe vom Jahre I78Z zu verhan deln; und da einmal der Anstoß gegeben, macht der Geldwucher unerhörte Fortschritte. Mit diesen Anleihe-Coupons kommen zu gleich die Aciien auf die Indische Compagnie in Umlauf, ferner die Actien auf die Pariser Wasserleitungen, auf die Diskonto, Kaffe, die Anweisungen aufs Ausland u. s. w. Der Geldwucher stößt gleich in seinem Entstehen auf so wohl eingchegie Rechen meister, daß sie den Schwindlern unserer Zeit gewiß den nütz lichsten Unterricht häxen geben können; und die Regierung muß vor diesem Ungethüm, vor diesem neuen Moloch zixern und beben. Zur selbigen Zeit tritt Montgolffer mit seiner Staunen erregenden, aber cxlen Erfindung des AorostalS hervor, und Alle schweben in den Lüften; man »st durchaus nicht darüber im Zweifel, was für eine Richtung zunächst diese kustscglcr einschla gen werden. Man ist voller Erwartung, wem die hohe Ehre und das seltene Glück bcschieden ist, sich den Hals zu brechen, und das Beispiel etlicher Tollköpfe, die ihren Uebcrmuth wirk lich mit dem Leben büßen, reicht keineswcges hin, Andere von dergleichen gefährlichen Versuchen abzuschrccken. Mittlerweile widcrl's Lie jüngeren Hofleme an, nichts weiter als Franzosen und immer nur Franzosen bleiben zu muffen; sie spüren kein Be hagen mehr an dem trägen und müßigen Hinbrülcn in der Hei- mal, sie fühlen einen unwiderstehlichen Drang nach Beschäfti gung, sie sind begierig, zu sehen, wie es auswärts beschaffen ist, und fern von dem vaterländischen Boden Kenntnisse und Erfah rungen zu sammeln. Wie besessen laufen sie in die Fremde und kehren nach Verlaus einiger Monate als gemachte Männer, vom Kopf bis zur Zehe umgewandelt, wieder nach Paris zurück. Aus allem dem ergicbt sich nnn, wie wenig wir unsere glück liche Lage zu fassen, zu schätzen und zu würdigen wußten, und zu was für abgeschmackten Ausschweifungen wir uns verleiten ließen- Bald ist Alles dergestalt au« seinen Fugen gehoben, Alle» dermaßen verwirrt und verdreht, daß die Bande der alten Ord nung viel zu schwach sind, dem einmal entfesselten Strom einen