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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.01.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110110017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911011001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911011001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-10
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Bez«q6.Preis « » »« »«ychm MeNeljährt. U.<4 ^k, MMMtl. Ok4 »»«schl. P,stdeftella«ü>. fl«r»er i» ivetqun, Dtnemark, den D»«a»sloat«, Jtejie». tt»r««dukß, ^tederlnndk, Kev- «eor», O«h«rr«,ch-U»g«r,, «»bland, Schweb««, Schweb n. S»«»l»n. I« elle» üditaen Slaate» «« derev durch dl« «elchtttdlwü, de« «laue« «chtlUich. De« Lewt'ger la««dlen «lcheuu Swel lä-Uch, Seen. «. getcri«-« «n» merzen«, «von»«-ent.»nnal,m«: Tu,»a»«vlntz 8^ b« uulere» Lrtgern,,Quinten, Spediwure» «d Lnnedmetzellrn,!,»«» r^lLwwr, «» Bnekrtger». Lt«»«l»«rr,,I«v«,l» »er «er,«» «ch»ede t» »« »drnd^«a-b« d Nedaklt», «nb GeschtstssteL« ,I»dani»'»g<»iie «c a*»tz»«ch«, l««L l««^ r««S Morgen-Ausgabe. WMcrTagMlt Handelszeitung. Amksvkalt des Rates und des Rolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis W» Iwerair «u» rriv^r. nno ll-nzedW«, dt» Seelo«!trn« SV MM brett» «ettr^ll- >b a, 74 WM dr«r» «elle inweile l weawtr« » «evewe» LUV I«t««w »— ««b»rbe, 'M «milich«, Le»: »e, 74 WM b«u» Petir^ll« «0 «elchatt«-n^>zrn mu v -«verILnlr«» uud « der loendau-aad« iw Lreue erhöbt. Kabul, nach Laris. Seilage^edüdr ü 0. Lautend «xN. dostzebühr. HeAerteiiw »nlnaa, ktnnen mchl iurLck- a«tage» «erden. Zür da« ürtcheinen an daMunmten tagen und Vlll>«a wird lein« Garaalt« übernommen. Intrige»- L-nabme! Lng«ftu4pl«tz 8, dm ItmUlchm» Atlmlea n. allen «anoncen» GxdebltiLnen de« In» und «tullande«. Handt-UUIalr varlv« Carl Dancke». «ertogt Savr. Hafduch- Handlung vüsowftialle Itt tzeLvho» VL «a «»«). Hauiit-Atltale Lrebbriu Leeilr rd« 4. t lLelepho« 4ü.'l.. Nr. 10. vienslug, aen 10. Januar lSl l. 105. Jahrgang. Das Wichtigste. * Für Leipzrg-Land wurde vom Verband nationalgesinnter Vereine des 13. sächsi schen Reichstagswahlkreises Redakteur Dr. G ü n t h e r als Kandidat ausgestellt. (S. Dtschs. R.) * Der Kaiser stiftete für die Afrika- Expedrtion der Herzogs Adolf Friedrich von Mecklenburg 50 000 ^t. (S. Kunst u. Wissensch.) * Heute nimmt der Reichstag seine Arbeiten wieder auf. * Der preußische Landtag tritt heute zu sammen. (E. Dtschs R.) * Gestern hat der Schwurgerichtsprozeß wegen der Moabiter Krawalle begonnen. Angeklagt sind 18 Personen wegen Aufruhrsund Landfriedensbruchs. * Das neue österreichische Ministerium ist mit Baron Bienerth als Ministerpräsident nunmehr gebildet. (S. Ausl.) ' Das Kommando der Marinestation der Ost see hat zwei Torpedoboote auf die Suche nach dem vermißten Ballon .Hildebrandt" nach dem südlichen Kattegatt gesandt. (S. Lustschiffahrt.) Ablage ans Zentrum? Der konservative „Reichsbote", der sich in anerkennenswerter Weise von der Diktatur seiner Partei freigehalten hat und oft genug der konservativen Fraktion des Reichstages recht unangenehme Dinge zu sagen den Mut besaß, hat jüngst wieder einmal den Mut zur Ehrlichkeit betätigt. Er hat einen Artikel gebracht, der sich mit der römischen Gefahr be faßt und die sehr vernünftige Meinung ent hielt , man solle die Sozialdemokratie nicht allzu tragisch nehmen. So radikal sie sich ge bärde, so wenig gefährlich sei sie; wenn sie jemals Ernst zur Erreichung ihrer Ziele machen wollte, so werde sie an der festgefügten Staats gewalt und den diese stützenden Kräften zer schellen; viel gefährlicher als die rote sei die schwarze Internationale, die in Deutsch land im Zentrum ihren politischen Ausdruck findet. Um Beweismaterial für diese Be hauptung brauchte das konservative Blatt in Tagen, die uns in nicht endender Kette Borro mäus-Enzyklika und Modernistenverfolgung, den Mathies-Skandal und die Prinz-Max-Affäre brachten, nicht verlegen zu sein. Dämmert es allmählich auch in den orthodox-lutherischen Kreisen.' Wird die beginnende Erkenntnis stark genug sein, auch die konservative Partei zu erfassen? Die Hoffnung darauf ist gering. Doch möchten wir, was an uns ist, dazu bei tragen, die Aussichten eines solchen Umschwunges zu verstärken, und wollen deshalb im folgenden den klügsten und größten Mann, der aus dem konservativen Lager hervorging, 'über das Zentrum sprechen lassen. Die Reden und schriftlichen Aeußerungen des Fürsten Bismarck über das Zentrum würden allein einen starken Band füllen, der fast ausschließlich die Verurteilung des Zentrums zum Inhalt hätte. Denn selbst in der Zeit, da Bismarck sich notgedrungen auf das Zentrum stützen mußte, wie bedingt, wie eingeschränkt, wie nichtssagend ist da sein Lob! Das „kleinere Uebel" gegenüber dem Fortschritt erschien es ihm. „Ich will sagen", führte er am 30. November 1881 im Reichstage aus, „ich wähle die Seite, durch welche meiner Ansicht nach das Staatsschiff weniger periklitiert, son dern nur in seiner Steuerung einigermaßen geniert und gehemmt wird, ohne geradezu Ge fahr zu laufen." Man wird eingestehen muffen: noch weniger kann man einer Partei, auf deren parlamentarische Mitarbeit man schlechthin an gewiesen ist, nicht gut zusprechen. Und man wird, wenn man die Bismarcksche Alternative: Zentrum oder Fortschritt, auf die heutige Zeit überträgt, nicht umhin können, den ungeheuren Vorzug sich zu vergegenwärtigen, den die Fort schrittspartei von heute gegen ihre Vorgängerin vor dreißig Jahren hat. Eine Fortschrittspartei, die nun auch in den Fragen von Heer, Flotte und Kolonien die Blockprobe abgelegt hat, würde Bismarck zu einer ganz anderen Ent scheidung der Alternative veranlaßt haben. Denn soweit der Fortschritt sich von seiner doktrinären Sünden Maienblüte entfernt hat — das Zentrum ist sich gleichgeblieben. Und wie hat Bismarck das Zentrum beur teilt, wenn ihm nicht die notwendige Höflichkeit gegen einen notgedrungen akzeptierten Mit arbeiter die Zunge band? Dann klingt es recht deutlich,das Zentrum seieinFeinddesStaates, der Papst sei sein eigentlicher Souverän, das Zen trum sei ein Passivum des parlamentarischen Ver mögens. Als Windthorst am 28. November 1885 Beschwerde darüber geführt hatte, daß französische Jesuiten von der Einrichtung einer Schule im Reiche ausgeschloffen wurden, was er als eine schwere „Kränkung der Katholiken" bezeichnete, da replizierte der eiserne Kanzler, des Abgeordneten Windthorst Rede bedeute: „Wir fühlen uns in Knechtschaft, sobald wir nicht herrschen; wenn wir nicht das Land allein regieren, so klagen wir über Ketten, in die wir geworfen sind, und die wir zerreißen müssen... Nicht herrschen über andere ist ihnen schon Knechtschaft." Und daß es das Zen trum ist, das des Kulturkampfes bedarf, hat Bismarck gleichfalls wiederholt ausgeführt. In der eben angeführten Rede rief er dem Zentrum zu: „Beklagen Sie sich doch nicht über die Fortsetzung des Kampfes, dessen Sie be dürfen, um als Partei Geltung zu haben." Am 23. März 1887 führte Bismarck vor dem preußischen Herrenhause aus, daß das Zentrum und nicht die Kurie, deren Wahlunter nehmer und nicht Se. Heiligkeit in Rom Inter esse am Weiterbestehen des Kulturkampfes hätten. Der „friedliebende, weise und mit hoher politischer Einsicht begabte Papst" von damals darf freilich nicht mit seinem Nachfolger von heute verwechselt werden. Die egoistischen Inter essen der Zentrumsfraktion, seiner Hetzkapläne und sonstigen Wahlunternehmer sind die gleichen geblieben. Und verdient das Zentrum von heute etwa nicht mehr den Vorwurf von da mals, daß es sich mit allen antistaatlichen Ele menten verbände, mit Welfen, Polen, Elsässern? Wir haben schon im vorstehenden uns fast ausschließlich auf Aeußerungen des Fürsten Bismarck bezogen, die nicht nur nach dem eigent lichen Kulturkampf, sondern auch nach seiner parlamentarischen Zusammenarbeit mit dieser konfessionellen Partei liegen. Damit sich aber kein Einwand erheben könne, Bismarck habe so im Sturm und Drang des Kampfes gesprochen, sich aber praktisch schließlich zu einer anderen Meinung bekehrt, sei noch eine Aeußerung des Fürsten wiedergeben, die er am Ende seiner Tage, ausgeschieden aus der Arena des poli tischen Kampfes, 1892 zu Jena getan hat: „Ich halte das Zentrum für gefährlicher, als irgend ein Nuntius in Berlin je werden könnte. Ich sehe diese Worte nur als Ausdruck des Urteils an, das ich über die heutige Leitung des Zentrums mit mir Herumtrage; ich halte sie für gefährlich nicht nur in konfessionellen Fragen, sondern hauptsächlich in natio nalen. Eie bröckelt uns alles ab, was wir aufgebaut haben. . . . Sie sehen im Zentrum die heterogensten Elemente vertreten: frühere reaktionäre Edelleute, absolutistische Konser vative und Freisinnige bis zum Sozialdemo kraten herunter; sie alle stimmen wie ein Mann für Dinge, von denen ihr Verstand sagt, daß das Interesse der Kirche sie fordert. Könnten wir nicht, so heißt es weiter, die wir eine nationale Kirche nicht besitzen, eine ähn liche dominierende Partei schaffen, in der wir über alle Parteirichtung hinaus an dem sesthalten, und daß wir entschlossen sind, für alles zu stimmen, was unsere nationale Entwicklung und Festigkeit fördert?" Nur den Konservativen zu nachdenklicher Beobachtung sollten diese Bismarckworte zitiert sein. Doch meinen wir, daß insbesondere die letzten Sätze auch Herr von Bethmann Hollweg mit Frucht neu lesen könnte. Und ihm seien aus der gleichen Jenaer Marktplatz rede seines Amtsvorgängers noch zwei Sätze hierhergesetzt: „Das Zentrum halte ich für einen Gegner des Reiches in seiner Tendenz, wenn auch nicht in allen seinen Mitgliedern.. . . Wenn die Regierung ihre leitgebenden Rat geber der Zentrumsrichtung entnimmt und ihre Tendenz darauf zuspitzt, dem Zentrum zu gefallen — eine Tendenz, die nicht dauern kann (und nun doch schon, mit der kurzen Unter brechung der Blockzeit, fast dreißig Jahre dauert!) — so ist dies ein Unglück für das Vaterland." Deshalb: v^cite moniti! Die Weltteile ües üeutlchen Kronprinzen. Von Dr Oscar Bongard. V. Bombay, 16. Dezember. Der offizielle Teil der Reise des deutschen Kron- Prinzen bat mit der Landung in B o m b a y am ll. Dezember begonnen. Die Engländer dielen alles aus, um den Thronerben des Deutschen Reiches zu ehren, und die eingeborenen Fürsten wetteifern in den Vorbereitungen zu den Feiern für den Enkel der großen weißen Kauerm. Es war ein wuirüerooller Morgen, als die „Gneyenau" unrer dem Donner der Lalutichüsje im Hajen von Bombay Anter warf. Die Dreloleitei-MliUonenitaül, rings umgeben vom Meer, bot mit den schlanken Minaretts der zahlreichen Moscheen, den wecgen Palästen aus den Hügeln zwilchen ragenden Palmen, Mango- und Bananen baumen, iowie den Prachtbauten der Stadt un maurychcn und gotischen Stil einen wuirdervollen Anblick. Ein Prunkzelt in den deutschen Farben war am Apollo Banoar, wo der Kronpruiz den Fuß an Land setzte, entastet. Dort erwartete der engli,che Gou verneur Mil den Spitzen der Behörden uno des Mili tärs, das diplomatische Korps, di« üeuriche Kolonie und die angesehensten Englairüer Bombays den hohen Besuch, denen schlanke Gestalt in weißer Kurafsieruniform mit Tropenhelm, Ordensband und -sternen eine schöne Erscheinung inmitten der Farben pracht der Uniformen, Fahnen und Palmen avgav. Auch die Begleiter des Kronprinzen, zu denen bei der Abfahrt in Eolombo Generalleutnani Graf o. Dohna und der Gesandte o. Treutler hinzukamen, sind alles stattliche Manner. Lor dem Zelt präsentierte eine englische Ehren kompanie, die Leibwache des Gouverneurs, bestehend aus kriegerisch dreinschauenden bärtigen Indern mtt scharlachrotem Koller, schwarzen Laastiefeln, mäch tigen Säbeln und Lanzen, auf feurigen arabischen Pferden schwenkte vor und hinter dem Galawaqen des Kronprinzen ein, und in sausender Fahrt ging es nach dem Gouoerneurhaus, das mehrere Kilometer entfernt auf der Suüwestfpitze der Insel Bombay in mitten eines großen Partes liegt. Hier nahmen der hohe Herr uiid sein Gefolge Wohnung. Die Fahrt durch die Stadt mit den wilden Reitern als Eskorte und den Tausenden von farbigen Zu schauern aller Völler an den Straßen bot einen eigenen Reiz. Eine neue Welt begann sich vor den Reisenden aufzutun. Jetzt führt uns der Weg durch eine moderne Groß stadt, in deren breiten Straßen Automobile, Wagen und elektrische Straßenbahnen sich unaufhörlich fol gen. Der Victoria Terminus ist einer der größ ten Bahnhöfe der Erde, und das Taj Mahal Palace Hotel stellt einen der schönsten und größten Gasthöfe der Welt dar. Der Regierungspalast Les Gouverneurs, die Universität, das Oberaericht, das Elphinstone College, sie alle sind Bauwerke, die durch ihre imposante Größe und ihre Architektur jeder euro päischen Großstadt zur Zierde gereichten. Aber gleich daraus kann der Wagen nur noch im Schritt fahren, so staut sich die Meng« in der Eingeborenenstadt, in die wir geraten. Fast alle Völker des östlichen Asien scheinen hier vertreten. In wunderlichem Aufputz ar beitend, feilschend, schwatzend, zankend und bettelnd, bilden sie ein buntes Gewimmel. Wie in einem Ameisenhaufen läuft alles durcheinander, und alle Schattierungen, vom dunkelsten Braun bis zum hell sten Gelb, sind da vertreten. Schlanke Hindus in den mannigfachsten Trachten, viele im Lendentuch als ein zige Bekleidung, bis zum eleganten, nach neuester europäischer Mode gekleideten Stutzer, halten sich mit den im Mannesalter meist behäbigen Moslims an Zahl die Wage. Dazwischen fahren die als Großkauf leute bedeutenden, oft millionenreichen Parsi in ihren eleganten Wagen, sie selbst in einfachem schwarzen Rock, ihre Kinder aber in bunten, goldgestickten Ge wändern. Dann sehen wir Afghanen mit schwarzen Spitzhiiten, Radschputs, Eudscheratis, Belutschen, Somali- und Suahelineger, Chinesen und englisch indisch und portugiesisch-indische Mischlinge mit kaum merklichem gelb-bräunlichen Farbenanflug im Gesicht. Rechts ertönt von hohem Minarett einer Moschee der Eebetsruf, links lädt Gongschlag zum Besuch eines Schiwatempels ein, und weiter unten tauchen an einem großen weißen Tempelbau die phantastischen Skulpturen des Affengottes Hanumanu auf. In jeder offenen Werkstätte der niederen Häuser, die die Straße bilden, in der wir uns befinden, erklinkt melodischer Hammerschlag. Wir sind im Viertel der Silber schmiede, an die sich die Kupferschmiede anschließen. um dann in den nächsten Straßen von den Holz schnitzern abgelöst zu werden. Hunderte dieser Kunst handwerker wohnen so beieinander, da die Einteilung der Hindus in Kasten dies nötig macht. Dann wird die Straße wieder breiter, hinter eisernen Staketen zäunen liegen weite Gärten, und in ihnen erheben sich wahre Paläste; es sind die Wohnsitze reicher Parsi- kauflcute, die den ganzen Großhandel Iicdiens be herrschen, als tolerant bekannt sind und häufig ihre Millioneneinkommen zu wohltätigen Zwecken auch für die Angehörigen anderer Religionen verwandt haben und verwenden. Auf dem Wege nach Malabar Hill, wo auch das Gouoerneurhaus liegt, kommt man an den „Türmen des Schweigens" vorüber, dorthin bringen die Parsi ihre Toten. Einem Gebote Zoroasters folgend, dürfen die drei „Elemente" Erde, Feuer, Wasser durch die Toten nicht verunreinigt werden, deshalb setzen die Parsi die Leichen aus und lasten ihr Fleisch durch Geier auf- fresten. Inmitten eines wohlgepflegten Parkes mit Blumenanlagen, zu dem eine Freitreppe emporführt, liegen die fünf Türme des Schweigens. Turm ist eine unrichtige Bezeichnung, denn der Durch messer ist etwa 12 Meter, die Höhe aber nur 8 Meter. Das Innere des Turmes bildet eine Plattform, die in drei konzentrische Ringe mit Mulden eingeteilt ist. In diesen Mulden werden die Leichen niedergelegt. Kaum haben sich die Träger entfernt, so stürzen sich schon die Geier, die auf Len Bäumen in der Nähe und auf Len andern Türmen sitzen, auf den Leichnam, und in einer VicrtelstunLe sind nur noch die Knochen übrig. Der Blick von dort oben auf die Stadt Bombay und das Meer gehört zu den schönsten, die ich je ge nossen, nur störte der Anblick der Geier, die in den Palmen krächzend die Aufmerksamkeit auf sich lenkten und daran erinnerten, da» sie sich von Menschenfleffch mästen. Kaum 20 Minuten entfernt befindet sich inmitten der Stadt Las Gegenstück, die Verbrennungs- stätte der Hindus. Als ich den langen, mit hoben Mauern umgebenen Hof betrat, da glimmte nur noch ein ausgebrannter Holzstoß, gleich daneben wurde ein neuer auf- geskyichtet, und dahinter brannte eine große Anzahl weiterer in lichten Flammen. Während die Leiche einer jungen, schönen Frau auf den frisch errichteten Scheiterhaufen gelegt und mit Holzscheiten bedeckt wurde, und während dann der Witwer den Holzstoß anzünüete^ da dachte ich an die Höhlen des Elends und Les Schmutzes, die ich am Tage vorher gesehen: ich dachte daran, wie vor einigen Jahren die Pest Tausende dahingerafst, und wie die unbeeidigten Leichen immer neue Seuchen gebildet hatten; ich ver gegenwärtigte mir, daß Pest und Cholera in Bomoaq nie aushören, und da verlor die Bestatlungsart das Häßliche, das ich erst empfunden, und ich mußte sie geradezu als einen Segen preisen. Dank dem weitgehenden und stets liebenswürdigen Entgegenkommen, das die indischen Behörden Len Vertretern der deutschen Presse erweisen, habe ich das dunkelste Bombay bei Nacht kennen lernen können. Das Interessanteste waren die Opiumhühlen. die sich widerwillig auf das Gebot der Polizei hin öffneten. Im dunkeln, schmutzsrarrenden Flur be leuchteten die Strahlen der Blendlaterne die leb losen Körper der Opfer der Opiumsucht, die, in ihren Rausch verfallen, wie Holzklötze in den Gang ge worfen werden, um anderen Besuchern Platz zu machen. Raum an Raum, nein, Höhle an Höhle schließt sich an, und dort hocken und liegen sie um die Pfeife geschart und saugen das verderbliche Gift ein. Für ein Anna, d. s. etwa 8r/p Pf., erhalten sie etwas dicke Opiumlösung, die sie mtt einer Nadel an die Lampe bringen, dort eintrocknen lasten und in eine kleine Oefsnung der Pfeise stopfen. Alle Stadien der Wir kung des Opiumgenustes kann man sehen. Dieser ausgemergelte Lüstling, der bei jedem Zuge aus der Pferfe schmerzhaft keucht und hustet, er will nichts anderes erreichen als wollüstige Träume, und gleich ihm verfolgen eine Anzahl anderer den gleichen Zweck. Die Mehrzahl aber in Bombay frönt dem Opiumgenuß lediglich aus ökonomischen Gründen. Zwei Stunden Schlaf nach dem Opiumrauchen ersetzen eine ganze Nachtruhe, und neu gestärkt kann die Arbeit wieder begonnen werden. Wie viele Jahre freilich, das ist ein« andere Frage; denn der wrt gesetzte Opiumgenuß zerrüttet das Nervensystem voll kommen. Nicht minder verbreitet wie das Opium rauchen ist das Kokainessen, das an Ausdeh nung immer mehr zunimmt. Opium- und Kokain genuß zu verhindern, ist ebensowenig möglich, wie man in Europa Alkohol- und Tabakgenuß unter drücken kann. Die englische Regierung jucht deshalb durch eine hohe Steuer den Genuß zu erschweren und gleichzeitig eine hohe Einnahme zu erzielen. Letztere wird sich zusammen mit dem Ausfuhrzoll für Opium auf zirka 60 bis 70 Millionen Mark belaufen. Für zirka 100 Millionen Mark Opium wird jährlich von Bombay ausgeführt. Für mich als früheren Kolonialbeamten hatrc Bombay ein besonderes Interests, da von hier aus lebhafte H a n de l s b e z i e h u n ge n zu unserer Kolonie Deutsch-Ostafrika bestehen. Dort liegt der gesamte Kleinhandel in den Händen indischer Kaufleute, und auch ein Teil des Groß Handels wird durch sie von Zanzibar aus geleitet. Die indischen kleinen Händler werden wir erst dann verdrängen können, wenn der Neger so weit sortge schritten ist, daß er den Inder ersetzen kann. Bei den intelligenten Suahelis wird dies in nicht allzu ferner Zeit der Fall sein. An die Stelle des Inders kleine europäische Kaufleute zu setzen, würde eine große Gefahr bilden, denn Europäer, die mich Afrika gehen, um für ein Einkommen von 12—1500 -<t mit den be dürsnislosen Indern im Innern in Wettbewerb zu treten, würden Elemente sein, die durch das Feilschen um den Heller mit den Eingeborenen das Ansehen der Europäer unbedingt untergraben müßten. Dies Ansehen können wir aber nicht entbehren, sonst ist es bald aus mit dem kleinen Häuflein weißer Menschen in Afrika unter Millionen von Schwarzen. Nur so lange der Neger im Europäer ein höheres LPesen sieht, kann unsere Herrlichkeit im inneren Afrika währen. Bombay ist der indische Haupteinfuhrhasen für die Erzeugnisse Ostafrikas (Nelken, Elfenbein) und-des Persischen Golfs (Weizen, Datteln, Perlen, orien talijche Riechstoffe) und hat gleichzeitig einen starken Umschlagsverkehr dorthin. Dies betrifft eine große Menge deutscher Waren, die den Umweg über Bom bay machen. Für 34 Millionen Rupien Güter wurden 1909 zollfrei nach den Ländern um den In dischen Ozean wieder ausgeführt. Meist erfolgt die Umladung sofort von Schiff zu Schiff. Nach Kalkutta ist Bombay der größte Elnluhryafen Indiens- er hat ungefähr 70 Millionen Menschen zu versorgen. Ein großer Teil der deutschen Ausfuhr nach Indien im Werte von zirka 200 Millionen (1908) wird hier gelandet. Während die anderen europäischen Staaten — abge sehen natürlich von England — mehr oder weniger nur einige Spezialartikel liefern, ist die deutsche Ein fuhr sehr vielseitig. Warnen muß man den deutschen Fabrikanten vor direktem Verkehr mit den Einge borenen, denn er muß hierbei mit kleinerem Gewinn und größerem Risiko rechnen, als wenn er durch Ver mittelung einer in Indien ansässigen europäischen Firma arbeitet. Die nötigen Adressen sind aus Meyers Handbuch der Exporteure zu ersechen, oder von den Konsulaten zu erfahren. Bedenklich ist es auch, mit mehreren Importeuren zu arbeiten, da diese sich Konkurrenz machen, wodurch der Preis der Ware gedrückt wird. Die indische Einfuhr nach Deutschland ist um 100 Ntillionen Mark größer als die Ausfuhr von dort; sie betrug 1908 .300 Millionen Mark. Der wichtigst« Ausfuhrartikel Bombays ist die Baum wolle. Für 416 Millionen Mark wurden 1909 expor- tiert. Die indisch« Baumwolle ist kurzstapelig und daher minderwertig. Die Verschlechterung ist darauf zurückzuführen, dag verschiedene Sorten gemeinsam entkernt werden, wodurch eine verderbliche Ver mischung der Saaten stattfand. Die Regierung ist eifrig bemüht, den Anbau der alten, guten Saaten wieder zu beleben. Die großen Stapelprodukte Indiens, wie Baumwolle. Oelsaaten und Weizen, werden nicht in Plantagen gewonnen, sondern durch kleine indische Bauern, ein Fmger^ig dafür, wie sehr
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