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Hohensiem-Ernstthaier Tageblatt Amtsblatt * Nr. 223. Donnerstag, den 25. September 1913. Zweites Blatt. Sächsisches Hohenstein-Ernstthal, 24 Sept 1913. Au's dem Bundestage deutscher Saalbesitzer-Vereine in Leipzig wurde die Gründung einer neuen Zen trale für das Gastwirtsgewerbe beschlossen. Die tiefgehenden Differenzen, welche die Behand lung der Militärboykottfrage zeitigte, haben zur Schaffung eines neuen Gremialoerbandes ge- führt. An der Vorberatung von Montag abend nahmen die Vorstände des SaaloesitzerbundeS, des Verbandes der Gast- und Schankwirte für Berlin und Brandenburg, des Norddeutschen, Sächsischen lind Bayrischen GastwioteverbandeS und des Bundes deutscher Gastwirte (Kämpf, Leipzig) teil, ferner des Cafeticrverbandes, dei der Gastwirte-Jnnungen Großberlins, des Ver bande-s der freien Gast und Schänkwirte Deulpy lands und des Seval- und GasthofbesiHer-Ver bandes. Die Neuorganisation heißt „Zentral verband der deutschen Gastwirteverbände" und umfaßt über 40 000 Mitglieder. Alle Teilney mer stimmten grundsätzlich der Gründung zu. die durchaus keinen Gegensatz zum bestehenden Reichsverband bilden, sondern versuchen will, durch Sammlung aller außenstehenden Elemente die Grundlage für eine gemeinsame Verständi gung zu suchen. Die konstituierende Versamm lung wird demnächst in Hamburg stattfinden. — Ein B e n c d i k t i n e r k l o st e r soll an der ' ä ch s i s ch e n Grenze errichtet wer den. Das von der sächsischen Grenze etwa 15 Kilometer entfernte Schloß mit Herrschaft Hartenberg bei Graslitz im Erzgebirge wurde von dem Bcncdiktinerorden gekaut, um dort eine neue Abtei zu errichten. Mit dem Umbau des Schlosses wird im Frühjahr 1914 begonnen werden. Vorerst haben P. Hoesoms, Prinz voll Liechtenstein mit zwei Patres und drei dienenden Brüdern den Einzug gehalten. Zur Herrschaft gehören vier Mcierhöfe. Die neue Abtei soll der Herd der Propaganda für den katholischen Glauben im österreichische!', lind im sächsischen Erzgebirge werden. — Es gibt zu bedenken und erfordert höchste Aufmerksam keit, in welch auffällig starker Weise da»? Zen trum in Sachsen arbeitet und die Katholiken zur Herrschaft zu bringen sucht. In M i I. t weid a treibt der dortige katholische Geistliche Hach dem Muster seiner bayrischen Kollegen Agi tation für das Zentrum und sucht Abonnenten für das sächsische Zentrumsblatt zu werben, das sich in völlig unberechtigter Weise „Säch sische Volkszeitung" nennt. Es ist noch viel zu wenig bekannt und wird leider noch zu sehr unbeachtet getanen, wie das Zentrum unter der Oberfläche und „vor oben nach unten" plan mäßig und bebauen überweise mit Erfolg ar beitet. Unser evangelisches Sachsen ist bisher außerordentlich duldsam gegenüber den katholischen Mitbürgern gewe'en und hat diese nie empfinden laßen, daß üe sich in rein evan gelischem Land befinden, es hat nicht Gleiches mit Gleichem vergolten, wenn man wieder und wieder vernahm, wie unduldsam man in katho lischen Ländern gegenüber unsern evangeli'chen Glanbensbrüdern handelte und fortgesetzt noch bandelt. Wir wollen leinen Kulturkampf und wünschen, daß cs auch den Kacholiken in Sach sen moMgehe, aber doch in darf es nie und nimmer kommen, daß schließlich die evangeli schen Sa t'sen als „Ketzer" gebrandmarkt wer den lind darum: Augen auf! Die Niederschläge im zweiten Drittel de« Monat« September sind folgende: Aicderschlag?m. Norm. Stand Abweichung Muck vom Riesaer Feldartillerie-Regimeut Nr. 68 Zwick. Muwe u. Tal 12 16 - 4 „ „ m. „ 14 17 — 3 .. o. „ 16 21 — 5 Chemnitz 9 17 - 8 Würschnitz u. Zwönitz 10 19 — 9 Lungwitz 14 17 — 3 — Bramdach, 23 Septeniber. Spurlos verschwunden ist der von hier gebürtige Kanonier Muck hatte während des Manövers in Plauen eine viertägige Arrcststrafe zu verbüßen. — Markneukirchen, 23. September. Die Besitzer der hiesigen Kinos machen bekannt, daß sie ihre Kinos schließen. Der Grund dieser Maßnahme soll in den scharfen polizeilichen Bestimmungen lie gen, die gegen den Besuch jugendlicher Personen erlassen worden sind. — Obcrfchlema, 22. Sept. Einen dreisten Ueberfall auf ein junges Mädchen verüble am Hellen Tage ein Unbekannter auf dem Wege von hier nach Aue. Als in der IO. Stunde die 21 Jahre alte Marta Schönfelder von hier den Brünnlaß- berg passiert hatte, sprang ans dem Dickicht ein un gefähr 24jähriger Mann auf sie zu und versuchte, das Mädchen in den Wald zu schleppen. Auf die Hilferufe der Ueberfallenen, die sich auch heftig wehrte, ließ der Wegelagerer, der es offenbar auf ein Sittüchleitsoerbrechen abgesehen hatte, von der S. ab. Er entriß dem Mädchen auch die Hand tasche, die er als er kein Geld darin fand, wieder wegwarf. Leider gelang es dem frechen Patron, zu entkommen — Freiberg, 2^ Sept. Auf Grund des Landtagsbeschlusses hört mit 30. September d. I. die Erzgewinnung auf den sämtlichen Kgl. Gruben des Bergreviers Freiberg auf. Die etwa noch mehrere hundert beschäftigten Berg knappen werden aber nicht alle mit einem Male entlassen, sondern zu den Ausräumungsarbeiten und zur Verwahrung und Abschließung der Schächte und Strecken gebraucht. Ein großer Teil der Bergarbeiter hat in den Königl. Hüt tenwerken in Muldenhütten bei Freiberg und in Halsbrücke lohnende Beschäftigung gesunden. Die Entdeckung der Erzgänge fällt nach dem Chroniken in die ersten Jahrzehnte nach Errich tung des Klosters Altzella bei Nossen (1162). Der regelrechte Bergbau hat sich daraus aus den kleinsten Anfängen und Versuchen allmählich ent wickelt, bis er nach 800jährigem Bestehen wie der völlig zum Erliegen kommt. Mit dem Er löschen des Bergbaues wird ein Industriezweig zu Grabe getragen, der der Freiberger Gegend und der Stadt Freiberg selbst in den früheren Jahrhunderten zu großem Segen gereicht hat, und die noch vorhandenen zahlreichen Berghal den werden der Nachwelt Kunde geben von dem einst so blühenden sagenumwobenen Silberberg bau. — Leipzig, 23. September. Mittwoch den 24 d. M., wird der dreimillionste Besucher auf der Internationalen Baufach-Ausstellung erwartet. Die Ausstellungsleitung hat beschlossen, auch den drei millionsten Besucher durch Stiftung einer goldenen Uhr besonders zu ehren, nachdem schon zwei Uhren an den ein- und an den zweimillionsten Besucher verschenkt worden sind. — Borna b. Leipzig, 23. September. Boh rungen nach Kohle, die die sächsische Staatsregierung zwecks Sicherung der unterirdischen Kohlenfelder auf Breunsdorfer Flur vornehmen ließ, sollen nach Mitteilungen von zuverlässiger Seite ein äußerst günstiges Ergebnis gehabt haben, so daß aller Wahr scheinlichkeit nach der Erwerb der Kohlenfelder in naher Aussicht steht. An die Feldbesitzer von Treppendorf und Trachenau hat der sächsische Staats fiskus bereits Anzahlungen für den Erwerb des Kohlenabbaues geleistet. — Oschatz, 2? Sept. Bei Grabungen aus dem großen Exerzierplatz wurden in geringer Tiefe vollausgebildete Maikäfer in großer Zahl angetroffen. Aus diesem Umstande ist wohl zu schließen, daß uns ein Jahr mit vielen Mai käfern bevorsteht. — Langenhessen, 23. September. Der 25 Jahre alte Fabrikarbeiter Wagener unterhielt mit einer 20jährigen Fabrikarbeiterin von hier ein Liebes verhältnis. Dem Mädchen war nun gesagt worden, daß Wagener auch mit einem anderen Mädchen Beziehurigen unterhalte und diesem gegenüber auch Beipflichtungen hätte. Das Mädchen war darüber so ergrimmt, daß es Wagener den Laufpaß gab. Gestern abend traf Wagener mit dem Mädchen noch mals zusammen, wobei es zum Streit zwischen den Liebesleuten kam. Wagener griff plötzlich nach einem Revolver und feuerte zwei Schüsse auf seine Geliebte ab, die vor Schreck, ohne getroffen worden zu sein, zu Boden fiel. Hierauf brachte sich Wagener zwei lebensgefährliche Schüsse in die Stirn bei. An dem Gerede der Leute — Wagener unterhalte noch Be ziehungen zu einem anderen Mädchen — war, wie sich jetzt herausstellte, kein wahres Wort. — Schandau, 23. September. Bei Krippen, etwa 200 Meter oberhalb der Ziegelscheune, erschoß sich ein in den vierziger Jahren stehender Bankbeamter aus Chemnitz. Mau fand bei dem Toten außer einem Betrage von rund 460 Mark Aufzeichnungen, die darauf schließen lassen, daß der Selbstmörder Unterschlagungen begangen hat. Vorher soll er an seine Frau noch ein Telegramm aufgegeben haben.