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Dimmer 267 — 25. Jahrgang Smal wöch. Bezugspreis für Novbr. SM einjchl. Leslellgeld Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 30J, Llellengeiuche 20 I. Die Pelilreklamezeile, S8 Milli meier breu, l Al. Osfertengebühren sür Selbstabholer 20 I. bei UebersenSung durch die Post aus,erde,n Porlozuschlag. E>nzel-Nr. 10 I. So»nlags-Nr. 15 I. Gcjchüstl. Teil: Friedrich Nieser i» Dresden. fskirpLük«' pwlZIo krsglLteile billigst sil. Slle! Oresöen - AeUiiierstrsks 43 Tonners'ag, 25. November 1926 Zm Falle höherer Gewalt erlischt je8e Verpflichtung auf Lieferung soivie Erfüllung v. Slnzeigenaufträgen u. Leistung a Scl)«oenersatz Für undeutl. u d. Fern» rus übermitl. Anzeigen iibernehmen wir Heine Ver- antmorlung. Unverlangt eingesandle u. m Rückporto nicht versehene Aianusliripie werd. nicht ausbewahrt. Sprechstunde oer Nedaktion 2 3 Uhr nachmittags Haupitchriiileit.: Dr. Fase pH Albert. Dresden vrssrknee' kisckksllvn /c.-u. >Vebe.xo«»s 17 . Ivtm. 2. I. I-'ec ,r»7LL r»i 21V14 144» VIcschiifiSslellc, TruN »uv ^ .-oe.a Buchdruckerei GindH., Dresden A. i. Poliersirefto 17, gevirui -U»I2. Posischeakonlu Dresden >4797. BuuNeui»: Dresdner Bank, Dresden. Für christliche Politik und Liullrrr !>icd»r«io» der Sächsische» VoikSzettung Dresden-SUIsiadl I, Pollersinche 17. Fernrus Mil und AVIS. Zentrum und Konservativer Ger Luke Von parlamentarischer Seite wird uns aus dem Reichstag geschrieben: Bei der Debatte zum zweiten Nachtragsetat sind am 12. November 1026 im Reichstag bemerkenswerte Aus führungen über die Stellung des Zentrums zur Revo lution und zum konservativen Gedanken erfolgt. In der Wochenzeitung „Das Deutsche Volk" hatte Professor Spahn sich polemisch gegen die Schulpolitik des Zentrums geäschert, und dabei von dem Verhältnis gesprochen, „in das sich die Zentrumspartei mit der Re volution eingelassen hat". Zentrumsredner Abgeordneter Schreiber nahm daraufhin Veranlassung zu folgenden grundsätzlichen Erörterungen: „Die Aercherung der Zeitschrift „Deutsches Voll," ver- b ut noch nach einer' anderen Seite hin ernste Kritik. E:> Hecht dort wörtlich: Das Verhältnis, in das sich die Zentrumspartei mit der Revolution eingelassen hat, geht seiner härte sten und unerbittlichsten Probe entgegen. Mit voller Absicht, meine Damen und Herren, ist offenbar an dieser Stelle das Wort „Revolution" ge braucht. offenbar, um uns herabzusetzen, um uns zu dis kreditieren und um uns kulturpolitisch zu ver- d ä ch tige n. Wir weisen diese. Auffassung, das; die Par tei sich mit der Revolution eingelassen hat. als unge schichtlich und als unwahr z u r ü ck. Wir hoben eine sehr ernste Auffassung von dieser Re - vo l u t i o n. Wir haben niemals gezögert, das Ungesetz liche, das in ihr lag, auch der Linken gegenüber deutlich zum Ausdruck zu bringen. Aber wir haben niemals ver schont, cs gleichzeitig zu sagen, das; diese Katastrophe nicht als politischer Puts ck u nd ui ch t ober- s l ä ch l i ch i m S i n n e d e r D o l ch st o s; l e g e n d e ge wertet werden darf, sondern, das; stck hier plötzlich eine ungeheure Rißlinie auftat, ein Trüm- niersturz, wie ihn die deutsche Geschichte kaum gekannt hat, das; ein Erdbeben durch unser Volk rollte, das eine r oberflächlichen Deutung' spottet, das viel mehr jedem ernsten Zeiibeobachter i n h a l t l i ch s ch w e - r e F r a g e n u n d e i n t i e f e s N a ch d e n k e n » a h e - I e g t. Als diese gewaltige Erschütterung unseres Sozial lebens sich abwickelte, sind wir nicht in der Nolle des mü- fgaen Zuschauers dabeigestanden, sondern wir haben den stärksten Aktivismus entfaltet, um diese Revolution zu überwinden um wieder gesetzgeberische Formen zu finden, um dm Weimarer Verfassung zu ermöglichen. Es ist ebenso von unserer Stelle mit aller Dcutlic! l eit aus gesprochen worden, das, wir nicht mit allem und jedem in der Weimarer Verfassung einverstanden sind, und wir haben auch der Linken gegenüber Gelegenheit genommen, sehr nachdrücklich über diese» Punkt zu reden. Eine Idealverfassung vermag niemand in einem lebendig at menden Volk zu schaffen, am wenigsten nach einer so un geheuren politischen Katastrophe. Aber wir haben eben falls keinen Zweifel darüber gelassen, das; die Weima rer Verfassung e i n e b e d e u t s a m e G r u n d l a g e des deutschen Wiederaufbaues bedeutet, auf die nicht verzich tet werden kann. Wer geflissentlich die Fortschritte der Weimarer Verfassung übersieht, wer noch verächtlich von dem Verhältnis redet, in das sich die Zentrumspartei mit der Revolution eingelassen hat. derverliertdieBe- rechtigung zu kulturpolitischen Anklagen gegen un sere Fraktion, der versündigt sich aber auch an dem Geiste eines gesunden konservativen Ge il a n k e i! s. Denn, meine Damen und Herren, es gibt konser vative Gedankenreihen — und das mutz einmal ausge sprochen werden — die nicht irgendwelches Re- servatrecht einer bestimmten Partei bedeu ten. Wir nehmen für uns in Anspruch mit unserem Ak- tivismus, den wir in Weimar, aber auch in der Autzen- politik der letzten Jahre gezeigt haben, im Grunde ge nommen nicht blotz eine Politik der Realistik zu treiben, sondern 'auch eine Politik eines echt gesunden, konservativen Sinnes, allerdings eines Konser vatismus, der sich v o n a l l e r S t a r r h e i t f r e i h ä l t. der aber den Glauben an die innere organische Entwick lung unseres Staates aufrechterhält. Wir handeln in diesem Punkt ganz im Sinne des großen Anwalts und des großen Theoretikers der Konservativen, im Sinne von Friedrich Julius v. Stahl. dessen Staatslehre auch heute noch ein äußerst zeitgemäßes Buch ist. Gewiß richten auch wir manche Uiiterscheidungslehren zu Stahl auf; aber er hat Maxime und Leitsätze entwickelt, die wir unserer seits gerade in Anwendung auf die letzten Jahre zu un terschreiben vermögen, wenn man nur den Mut hat, die Relation zum Jahre 1818 zu ziehen. Nur einen Satz aus der Staatslehre von Stahl möchte ich zitieren, der wört lich lautet: neue Tonarl Eine Ankerredling mit dem Ministerpräsidenten über die deutsch-italienischen Beziehungen — Für Verständigung in loyalen Verhandlungen — »»Die Völker sollen sich in ernster Arbeit kennen und schätzen lernen" Rom, 24. November. Der italieuiiche Minlsterpräsl-dent Mussolini, emp fing gestern den röinlfchcit Berichterstatter der dentschen Telcgraphen-llnion. Ans der sehr interessanten Unterredung geben wir die folgenden weientlichen Aciitzernngen wieder: Zur i n n e r p o li t i > ch e n Lage Italiens erklärte der Miiusierprä!ident: Ich war bei der licbcrnnhme der Regierung bereit, mit der Oppo ition zulammcnznarbeltcn. Ich mutzte aber verlangen, dntz uon der LPPcüitivn die Talfache der faschistischen Revolution als Grundlage einer Zusammenarbeit anerkannt wird. Die Opposition hat dies nicht gewollt und ist vielmrchr znm direkten 'Angriff gegen das Regime übergcg ugen. Die Attentate, die dicfs Haltung zur Folge hatte» (?) haben strenge Matzregeln nvkwendig gemacht. Diese Ausnahmegesetze sind zeitlich aus ö Jahre beschränkt. Ein einziges Sondergericht in Rom w rd die Perbrechen gegen den Staat abnrteuen. Dieles Sondergericht bedeutet nicht ein Misstrauensvotum gegen unseren über jeden Verdacht der Parteilichkeit erhabenen Richtecstand, sondern ist lediglich eine Folge der Langsamkeit unseres reguläre» Strafverfahrens, da." zu reformieren wir noch keine Zeit gefunden haben. Es ist doch widersinnig, daß über ein vor mehr als einem Jahre begangenes. 'Attentat noch kein Richter-pruch gefällt werden konnte, weil die Formali täten der Prozedur zu langwierig sind. Jeder Verdacht einer Parteilichkeit oder einer Rachsüchtigkeit ist ausgeschlossen. Da- GeEchl wird in Rom, dem Sihc aller Zentralbehörden, de- Parlaments und des Senats, al'>o in denkbar brei tester Oefsenilichkeil tage». Jeden einzelnen Richter werde ich selbst aui Herz und Nieren prüfen. Es sind dies ehren werte Offiziere, die den juristischen Doktorgrad erworben haben. Und trotz aller juristüchen und moralischen Berech tigung, die die Selbstverteidigung ergibt, trotz aller vorsich tigen Kanielen, die ich bei der Koiistitnierung des Sonder- iribnnals und bei der Auswahl der Richter angewcndet habe, ergeht sich ein grosser Teil der ausländischen Presse in den matzioiesten Verdächtigungen. Was vir deutsche Presse an langt, so verkennt sie den Einst»», den der Grans Orient tFrcimanrcetoge) iu Italien hat «nd gehabt hat. Er ist immer international und aillircUgiös, destruktiv und unmoralisch gewesen. Die italie nischen Logen haben in der raffiniertesten Weise und völlig skrupellos jede vorübergehende Unzufriedenheit einzelner ErwerbSklas'c» und einzelner Berufe und jede Schwankung in den Strömen der öfseiitt.chen Meinung anSgenntzt, um die Ordnung im Staat und dee Hierarchie im Heer und in der Bcamteipchaft zu zersetzen. Wir sind ein gesundes national rmpsindcndcs und katholisches Volk. Wir könncn keine demoralisierenden Faktoren, keine Ltaatss.inde, keine Äirchenfeiiide dulden. Kann man im 'Anslande nicht ver stehen, wte uns die MissVerkennung der Tatsachen und die Gehässigkeit, mit der unsere internen Verhältnisse kritisiert werden, empört. Tie faschistische Regierung ist eine ans dieser Revolution hervvrgegangcne Regierungsform. Sie ist nicht nur de facto, sondern auch de jure international ane» knnnt worden, und man fällte ihr gegenüber auch in der Presse diejenigen Höflichkeitsformeln wahren, die im inter nationalen Verkehr üblich find. Tie politiichcn V Ziehungen zwischen Deutschland und Italien find durchaus freundlich. Auch die wirtschaft lichen Beziehungen zwischen beiden Ländern nehmen einen immer größeren und ersrcuticheren Ansschwnng. Datz Wirt schaft-?- und Antzenpolitik in enger gegenseitiger Wechsel wirkung stehen müssen, ist selbstverständlich. Wenn man offen und lohal miteinander verhandelt, wie ich mit Ihrem hochgeschätzten Botschafter Baron von Neurath, oder wie ich mit England oerhandele, >o kann man sich fast immer verständigen. Ten beiderseitigen guten Willen beweisen die kaufenden Verhandlungen über einen Schiedsgerichtsvertrag und mein persönliches Entgegenkommen kann man daraus ersehen, datz in den letzten Tagen auch der Abschluß eines AbPsnngSabkvmmen-, für den deutschen Besitz in Südtirol perfekt geworden ist und ich die Freigabe einer Anzahl deutscher Besitzungen verfügt habe. Auch bei Einzelsrngcu, wie znm Beispiel der Frage der Handhabung oer MUitär- kontroile, könnte man zu einer Verständigung kommen, viel leicht im Anschluß au die englische Auffassung. Mit England habe ich eine ganze Reihe vfsener, sehr wichtiger Fragen zu nuferer beiderseitigen Zufriedenheit erledigt. — Manche Verhandlungen lassen sich erweitern und aus neue Gebiete erstrecken. So interessiert uns in Italien dw epochemachende Erfindung des hervorragenden denifchen Gelehrten BergiuS über die Verflüssigung der Kohle in ganz außerordentlichem Platze, da wir reiche Braunkohlenlager haben, die viel inten',iver anSgenntzt wer den könnten. Die Völker sollten sich überhaupt in ernster Arbeit kennen und gegenseitig schätzen lernen und sich nicht gegcmeltig durch die Vrille der Verhetzung betrachten. — Die Unterredung mit Mnswlini, die im Arbeitszimmer des Ministerpräsidenten staltsand, »ahm fast dreiviertel Stunde: in Anspruch und wurde in zwangloser und äußerst lebhafter Weife geführt. Der Ministerpräsident zeigte großes Interesse für alte angeschnittenen Fragen, bewies eingehende Kenntnis der deutichen Verhältnisse und überraschte durch feine Schlagfertigkeit in Rede und Gegenrede. * Wer diele versöhnlichen Worte des italienischen Ministerpräsidenten liest, wird sich manchmal verwundert fragen, ob das derselbe Mussolini ist, der vor nicht allzu langer Zeit mit Stresemann gar streitbare Worte über die Alpen hinweg wechiette. Seitdem hat die Zeit vieles heil gemacht. Tick' Unterredung zeigt, datz sich in den letzten Monaten im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien sehr vieles gebessert hat. Die inner-politischen Verhält nisse Italiens wird man in vielen Dinge» anders sehen, als Mussolini. Auch in der Südtiroler Frage enthält die Unter redung keine befriedigende Auskunft. Trotzdem wird man den Willen zur Zusammenarbeit begrüßen, der aus den Worten des Minislcrprüfidenten spricht. Das konservative Prinzip ist nichts weniger als Stabilität. Es schließt die gründlichsten Reformen da, ivo sie angezcigt sind, und die höchste Energie gegen Mißbräuche und Nebel in keiner Weise aus, und es käiinen die verschiedensten politischen Tendenzen, die nach Erweiterung politischer Freiheit wie nach Befesti gung der Autorität, gleichmäßig ihm huldigen. Es besteht nicht darin, das; die alten Prinzipien beibehal- ten werden, sondern daß der Stoff erhalten bleibt. Wenn der Staat als sittliches R e i ch anerkannt wird, so ist damit auch das konservative Prinzip ge sichert. Und geradezu mit einer Anwendung auf die letzten Jahre möchte ich sagen: auch eine zuknnftsweise Bemer kung hat Stahl gemacht, wenn er wörtlich sagte: Es ist die höhere Staatsweisheit. Institutianen. nach welchen die Strömung der Zeit geht, zum Gewinn zu kehren, sie dienstbar zu machen sür die Güter, die sie ihrer Natur nach fördern sollen. Meine Verehrtesten, die Rettungsaktion und der ehr liche Wille zum Wiederaufbau, den wir in den letzten Jahren unsererseits dargetan haben, liegt im Sinne einer großen, gesunden konservativen Politik unseres Volkes." Diese Ausführungen, die noch einmal das Thema Re volution und Weimar, ebenso das Prinzip eines gesunden Konservativismus behandeln, verdienen weiteste Be achtung. Die neue badische Regierung Finanzminister Köhler jZentr.f Staatspräsident. Karlsruhe, 24. November Die Parteien der Weimarer Koalition habe» sich gestern über sie Regierungsbildung geeinigt. Der badische Land lag wählte in seiner gestrigen Nachnnllagssitzung die neue Ne. gierung. Die Regierung hat folgende Zusammensetzung: Dr. Köhler (Zentrumf Finanzminister, Dr. R e m m e I c jSoz.f In nenminister, Dr. Trunli (Zentrum) Justizminisler, Otto Leers (Dem.) Unterrichtsminisler. Die Abg. Pieitzhaupt sZenirum). Mn- rum und Maier-Heidelberg <2oz.f gehören als Ltaatsräte der Re gierung an. Znm Staatspräsidenten wurde Finanzminister Dr. Köhler und zu seinem Stellvertreter der Inncnininistcr Tr. Rcmmelc gewählt. Bei der Abstimmung stimmten Zentrum, So> zialdemokratcn und Demakralen sür die Regierung, Bürgerliche Vereinigung jDeutschnationale und Landbniiöf, sowie Deutschs Volkspartei und Kommunisten enthielten sich der Stimme.