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Wochenblatt , für Bischofswerda, Stolpen nnd Umgegend. Amtol'l«rtt -rs Königlichen Gerichlsumtco und -es S>ta-trutl)re> zn Bischofswerda. Viele Zeitschrift erscheint wöchentlich zwei Mal, MittwockS »nv Tonnabeiivs, und kostet einschließlich der Sonn-. »Send« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 12'j, Ng». Inserate werten dir Dienstag« und Freitag» früh 8 Ubr angenommen. Politische Umschau. Alle konstitutionellen Länder Europas sehen gegen wärtig ihre Parlamente versammelt, um Gesetze und Einrichtungen zu schaffen, die dem Geiste der Zeit und dem Bedürfniß der Völker entsprechen. Nicht überall findet man die Einigkeit zwischen Regierung und Volksvertretung, welche nöthig ist, um das Ziel gesetzgeberischer Reform zu erreichen. Meist sind es jedoch die Ersten Kammern, welche den Hemm schuh bilden. So in Preußen, so in Sachsen. Die Krisis, hervorgerufcn durch das preußische Herren haus mit Verwerfung der Krcisordnung, ist hin länglich bekannt; dort geht die Regierung niit dem Abgeordnctenhanse Hand in Hand und deshalb ist Hoffnung vorhanden, daß junkerlicher Widerstand das Werk der Reorganisation nicht dauernd hindern werde. Leider liegen bei uns die Sachen anders. Unsere Regierung legte dem Landtage eine Reihe organischer Gesetzentwürfe vor, von denen der Minister des Innern' schon am Beginn der Session äußerte, daß sämmtlichc Gesetze mit einander stehen oder fallen. ES liegt dies in der Natur der Sache. Die Behörden-Organisation läßt sich ohne Annahme der revidirtcn Gemeindeordnungen nicht durchführen; das Schulgesetz, das Consistorialgesetz u. s. w, Alles steht in einem inneren Zusammenhänge. Und fällt eins dieser Gesetze, so sind damit auch die übrigen verworfen. Bis jetzt passirte das Schulgesetz die Berathung beider Kammern. Aber in welch' ver schiedener Gestalt ging cs daraus hervor? Du lie ber Himmel, Tag und Nacht können nicht greller abstechen, als die Beschlüsse der zweiten und ersten Kammer. Es gehört wahrhaftig wenig Verständniß der Zeit dazu, um einzusehen, daß die zweite Kam mer durchaus keine übertriebenen Forderungen, stellte, indem sie beispielsweise den Einfluß der Kirche nur auf den Religionsunterricht beschränkte und dem Staate die Leitung nnd Aufsicht über die Volksschule anvertraute. So ist's in Preußen, in Baden, in einer Mtznge anderer Länder nnd so sollte es in Sachsen werden. Die erste Kammer ist anderer Meinung! Nach ihr gehört die Schule der Kirche und muß ihr unterworfen bleiben! Es ist ein oft ausgesprochenes Wort, die Volks schule sei eine Tochter der Kirche uud wir wolle» Lieben undzwanjigster Jahrgang. demselben eine gewisse Berechtigung durchaus nicht bestreiten. Aber die Kirche hat eben die Volkser ziehung nur so lange in Anspruch nehmen können,: als der Staat seiner eigenen Pflicht sich nicht er innerte und durch mittelalterlich feudale oder Modern absolutistische Ideen verhindert war, die lebendige Staatsmitgliedschaft aller Volksgenossen im Auge zu behalten nnd durch die geeigneten pädagogischen Mittel zu ermöglichen. Große Fürsten haben aber auch in den Zeiten der Feudal- und Cabinetspolitik, wo der Kriegsmann im Felde, der Canzlcr am Schreibtisch und der Priester in seiner Klause er zogen wurde, des hohen Berufs gedacht, der Allge meinheit ein höheres Maaß von Bildung zuzuwcnden; und seit die Regierungen infolge der großen Staats umwälzungen des letzten Jahrhunderts gelernt haben, mit dem sogenannten dritten Stande zu rechnen und sich auf dem Wege des ConftitutionalismuS einem höheren und humaneren StaatSbilde zuzuwcnden, ist auch der Vater Staat nicht selten sehr energisch neben die Mutter Kirche getreten und hat Summa' Summarum für die Tochter Volksschule, wenn auch nicht Alles und genug, doch in kurzer Zeit mehr als jene und so viel gethan, daß sein Hausrecht im der Schule, ganz abgesehen von seinem obersten. Erziehungsrcchte, auch aus diesem Grunde ein der Kirche überlegenes ist. Die Kirche will ihrer Idee: nach gottesfürchtige und ihres Glaubens gewisse Christen heranbilden, der Staat treue und brauch bare Bürger. Wer für die Kirche brauchbar oder nach ihren Vorstellungen treu ist — man denke nur an die agitatorischen Römlinge — ist es darum noch nicht als Bürger, und darum muß der Staat nicht nur die Leitung der Volksschule übernehmen,' sondern auch die Bildung der Lehrer zu seiner eigenen Sache machen.. Von diesem Gesichtspunkte ging unsere zweite Kammer bei Beralhuug des Schulgesetzes aus; die erste vom entgegengesetzten. Derselbe principiellc Zwiespalt findet sich bei allen wesentlichen Punkte» des Gesetzes.: Nach der zweiten Kammer soll die' Gemeinde zur Wahl des Lehrers berechtigt sein; die erste Kammer erklärt die Gemeinde für unfähig dazu und stellt somit der Intelligenz unser« sächsischen: Volkes ein Zeugniß aus, als ob es an Bildung Häuter den Wasserpolaken Oberschlesicns zurückstehe.