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Wöchentlich erscheinen den Nummern. Pränumeration«- Preis 22j Sgr. Lhlr.) vierteljährlich, 3 Thaler für Las ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theile» der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumcrirt auf dieses Beihlatt der Allg.Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straß« Nr. 34); in der Provinz s» wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post - Aemtern- Literatur des Auslandes. Berlin, Mittwoch den 1. Mat i8»s. England. Shirley, der letzte Nachfolger Shakespeare «. *) Shirley nimm! endlich seinen Platz linier den Dichtern England« ein. Tum ersten Mal werden seine gesammelten Werte dem große» Publikum dargebolen. Bor einigen Zähren noch würden diese Bande ein allgemeineres Interesse erregt haben und hallen sich eine au«- gebreitcte Popularuäl versprechen dürfen. Damals war die Bewun derung für alte Englische Dramatiker aus ihrem Gipsei. Der uner wartete Genuß, den eine so reiche, säst urplötzlich sich öffnende poetische Ader darbol, versöhne das Publikum zu dem Glauben, ihre Quelle sev unerschöpflich, und in seinem noch frischen Enthusiasmus ließ es sich nicht träumen, daß auch manche Schlacken dem köstlichen Metalle beigemischt seyen. Die starken Reizmittel, die zu jener Zeit die neuere Poesie dem Geschmack des Lesers reichte, gaben ihm gleich sam die gehörige Vorbereitung, um die Kraft, die leidenschaftliche Heftigkeit, den glänzenden Biidrrreichlhum der alten Theaterdichter mit um so größerem Vergnügen zu genießen. Die meisten von den damals lebenden gescierleii Dichtern waren erklärte Bewunderer, einige sogar getreue Nachahmer der Dramatiker aus Elisabeth'« Zeiten. Wenn seitdem der Eiser des Publikums zu einer Art von Wider willen, die Neugierde zur Gleichgültigkeit herabgesunke» ist, so ist dieser schnelle Abfall von seinem Götzen wohl nicht ausschließlich seiner gewöhnlichcu Unbeständigkeit zuzuschreiben. Der Tadel fällt, wenigstens zu gleiche» Theile», auf die unverständigen Lobredner unserer alten Dichter zurück. Ihre Leidenschaft für jene vernach lässigten Schriftsteller war erkünstelt oder die eines Aiicrihümlcrs, eines Biickiernarren. Sie lieble» an ihnen nicht die Erfindung, dir Poesie, die Charaktere, sondern die Seltenheit. Ihre Bewunderung stieg und fiel, nicht mit dem Ausslammen ihres immer poetischen Feuers, mit den höheren Schlägen ihres Herzens, sondern mit dem Hammer des AuctionaterS. Ihr Geschmack schöpfte feine Nahrung aus dem Kaialog alter Bücher, und ein Drama, das man weder in Malones, noch Garriks Sammlung sand, mußte unschätzbar seyn. — Noch weit ärger aber trieb es eine andere Klaffe, die sich zur Patronin der alten Dramatiker auswars. Dies war eine Race von Schriftstellern, die das alte Drama wenig kannten und noch weniger zu deurihkileii verstanden, — entschiedene Bewunderer der Dicht kunst, doch noch größere Bewunderer von sich selbst, fiele» sie be gierig über die guten Alien her, stellte» sie in prunkvollen Abhand- lungrn zur Schau, um die Aufmerksamkeit de« Publikum« nicht für den Genin« de« lange vernachlässigte» Todte», sonder» für de» tie fen und originellen Geist de« Lebenden in Anspruch zu nehmen. Einige von ihnen »ahmen, gleichsam nach dem Rechte der erstell Entdecker, Besitz von dem ausgefundenen Gebiete, und es entstand eine Art von Wettstreit, Namen hervorzusuchcn, deren Verdienste selbst den Eingeweiblen unbekannt geblieben waren. Die Autorität verständiger und einsichtsvoller Beür,heiler de« allen Dramas, wie Gifford und Lamb, wurde überschrieen durch die lauie und übertrie bene Lobhudelei, die man dem schlechtesten, wie dem vorzüglichsten Theil jener merkwürdigen Schule ohne Unterschied spendete. Die Reaction konnte nickt ausbleibcn. Da« Publikum, der unaushörlichen Anforderungen an seinen Beifall überdrüssig, unfähig, da« in Masse zn bewundern, wie man ihm ziimulheic, was doch meistentheils nur an einigen Stellen vorzüglich ist, auch nicht immer geneigt oder fähig, die Verschiedenheit der Sillen und die ungeregelte Schreibart jener Zeil mit in Anschlag z» bringen, erschlaffte nach und nach in seiner Tbeilnabme und überließ das Feld denjenigen, deren Liebe zu den alle» Dick,lern eben so warm, aber auf bessere Einsicht gegründet war. Diese blieben die letzten Verehrer, so wie sie die ersten gewe sen waren, eben so wenig von dem allgemeinen Strom fortgeriffen, al« die veränderte Laune de« Publikums theilend. Indessen halte der Impuls, welchen mail dem öffentlichen Ge schmack gegeben Halle, seine Früchte getragen. Vortreffliche Ausga ben der besseren und selbst einiger der geringeren allen Dichter wur den veranstaltet. Männer, die, gleich Collier und Dyce, mit dem geduldigen Fleißc des Archäologen, wahre« .und geläuierle« Gefühl für die Schönheiten der Dichter vereinigten, haben ihre Arbeite» un ermüdlich fortgesetzt, wiewohl mit weniger Hoffnung, durch allgcmei- »es Interesse an ihren Forschungen sich belohnt zu sehen. Lie gegen- kJameS Stücken'« Leben und Schriften ) Mit Anmerkungen von William Gikord und Alexander Dvce. b BLe London, lM. «artige Ausgabe Shirley'«, in welcher Gifford die Schauspiele de« Dichler« gcsammcll und geordnet hat, und dir Dyce durch Hinzu fügung seiner Gedichte und seine« Leben« vervollständigte, schließt jene glänzende Reihe Englischer dramaiischer Autoren, die in keiner Bibliothek fehlen darf, welche da« Vorzüglichste au« der Englische« poetischen Literatur enthalten soll. Shirley war „ter letzie Minstrel" der früheren Englische» Bühne. Mit ihm starb, wa« man eigentlich die Shakespearesche Schule nennen kann. Gleich de« Schottischen Dichter« „letzten aller Barden" sah sich Shirley, nachdem er mehrere Jahre hindurch be rühmt und allbclicbt gewesen war, in eine Zeil versetzt sdic von Cromwell), die, aller Künsie Feindin, der scinigen nur schwache« Gehör lieh. Seine Beschäftigung ward proskribirt, ehe er seine Lauf bahn noch halb zurückgelegl, und bei der Restauration sah der Nach folger Shakespeare'« die Bühne von einer neuen Kunst in Besitz ge nommen. Er war ein Fremder unter dem Dichter-Geschlechte, da« um ihn her emporwuch«, — er gehörte einer andere» Zeit an. Einige seiner Stücke, wie manche seiner großen Meister Shakespeare und Fletcher, wurden zwar wieder hervorgcsucht, allein die gereimte heroische Tragödie und da« unzüchtige Intriguen-Lustspiel kamen immer mehr empor, und Shirley stand von fern. Al« wüßte er, daß er zu einem abgeschiedenen Geschlechte gehörte, Laß er mit den be liebten Buhnen-Dichtern der neuen Aera nicht« gemein habe, vcr- schmäbele er es, ein Schüler der neuen ausgcarlelcn Schule zu werden, und so da« Glied zu bilden, welche« bas romantische Drama mit dem heroischen, wie es sich selbst nannte, verbunden hätte. So kam es, daß der Bürgerkrieg eine völlige Scheidelinie zwischen die beiden Perioden dramatischer Kunst zog. Ware es auch nicht zu einem so gewaltsamen Ende gekommen, so Halle das Shakespearesche Drama doch dem langsamen und gehei men Einfluß Les Wechsels, der den Geschmack eben so sehr wie alle« andere Sterbliche an uns zu beherrsche» scheint, unterliegen müssen. In dieser Periode aber war sein Schicksal unvermeidlich. Entweder da« Drama mußte sich höher stellen: entweder e« mußte au« einem Zeitvertreib eine politische Macht werden, eine Maschine, durch welche die streuenden Parteien auf die Meinungen Ler Menschen einwirken konnten, oder es mußte untergeben. Shakespeare selbst hätte in fol- chen Tagen de« Tumults und wilder Reibungen keine Zuhörer ge funden. ES bedurfte nicht Prynn's donnernder Anathemata, nicht de« finstern Edikts de« puritanische» Parlament«, um dem Volkr- Geschmack eine hinsterbende Bühne zu entfremden, der in Len letzten Jahren die trägen und gleichgültigen Kavaliere nur da« Leben ge fristet hallen, weil sie für eine treue Anhängerin de« Königlbnm« galt. Der öffentliche Geist war zu ernst für solche Beiust,gungen geworden. Ein wahrhaft lragischcs Drama zog jetzl über da« Kö nigreich heran, und seine noch im Dunkel fchwcbcnde Katastrophe hielt Lie ganze Nation in athemloser Spannung. Charaktere ent wickelten sich, mit schärfer» und iebcndigern Farben, al« Shakespeare selbst ihnen hätte leihen können. Ereignisse von wunderbarerer und überraschenderer Neuheit al« die kühnsten Dichtungen, kamen mit der schrecklichen Gewalt der Wahrheit über Len Heerd, über die Brust der Menschen bereingebrochen. Was konnten in solcher Zeit die erkünstelten, Lie erträumte» Leidenschaften noch gelten k Wer hätte noch den erdichteten „Politiker" sehen mögen, wenn er die Entwicke lung des großen Komplotte« in beiden ParlamentSbäusern belauschen konnte? Wer dem gemielheten Schauspieler aus den Brettern zuhö- re» mögen, wenn er die Pym, die Hampden, die Hyde, Lie Falkland aus der wildbeweglen Rcdnerbiihnc hören konnte? Der Pövelhause selbst balle Bedeutendere« zu chun, als aus Ler Gallerie; er üble sich, in der großen Tragödie des Tage« selbst eine Rolle zu überneh men, imdem er Bischöfe oder verrufene Hosiculc mil stinem wilde» Geschrei vcrsolgle und Lie letzlen Stunden Strafford's oder Carl « schneller bcrbeiführle. Die .kanzel sogar hatte der Bühne ihre letz ten Besucher abwendig gemacht, nicht bloß durch Len Fluch, Len sie über Lie SünLe Le« Komödie-Spielen« »««sprach, sondern indem sie selbst stärkere und anziehendere Reizmittel bot. I b r tragischer Schrot- ke» war größer, ergreifender, — selbst die Fratze der Possenreißern verschmähte sie nicht. Sie verweilte nicht mehr in ihrer hoben, sei- erlichen, nngelrüblen Würde, bloß bei den ewigen Interessen der Menschen; sic sprach zu Len irdifchen Leidenschaften, sic wandte sich an die persönlichen, an Lie unmittclbarcn Hoffnungen und Befürch tungen. Dic ereignißreiche Gegenwart beschäftigte alle Gemülbn weil mebr, al« die ferne und unsichere Zukunft. Dasselbe groß-poli- lische Drama wurde bicr nur i» anderer Form enlwickcll und vcr-