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öiünnlM TtlaeUllll Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementsprsis beträgt vierteljähr lich 1 Mt. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. 238. "Waldenburg, 13. October 1881. Baron Haymerle. Der Tod des österreichischen Ministers des Aeuße- ren, Baron Haymerle, hat nicht allein in Oesterreich- Ungarn, sondern auch im Auslande und ganz be sonders in Deutschland das größte Aufsehen gemacht und aufrichtigste Theilnahme hervorgerufen. Wurde ihm doch ein großes Maß von Vertrauen gewidmet und war er doch auch insbesondere berufen, die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich zu pflegen. Ueber den Lebenslauf Haymerle's können wir Folgendes mitlheilen: Heinrich Karl Frhr. v. Haymerle, geb. 7. De- cember 1828 zu Wien, stammte aus einer deutsch böhmischen Adelsfamilie (böhmischer Adel vom Jahre 1737, böhmischer Ritter mit dem Jncolot vom Jahre 1748), aus welcher eine Reihe von Staatsmännern hervorging. Er absolvirte seine Studien an der orientalischen Akademie in Wien, ward im October 1848, dem Aufruf dec Wiener Studentenschaft zu den Waffen folgend, bei der Einnahme der Haupt stadt durch die Truppen gefangen genommen und entging nur durch die Fürsprache des Barons Hübner bei dem Fürsten Windischgrätz der kriegsrechtlichen Erschießung. 1850 wurde er zum Dolmetsch-Adjunc- ten bei der Jnlernuntiatur in Konstantinopel ernannt und 1854 zum dritten Dolmetsch befördert. 1857 wurde er als Legations-Sekretär nach Athen, 1861 nach Dresden und 1862 nach Frankfurt am Main versetzt, wo er den deutschen Fürsten-Congreß mit erlebte und zugleich die Aufmerksamkeit seiner Vor gesetzten auf sich lenkte, so daß er mit besonders schwierigen Aufgaben betraut wurde. So ward er December 1864 nach dem Wiener Frieden als Ge schäftsträger mit dem Titel eines Legationsrathes nach Kopenhagen geschickt, um die diplomatischen Beziehungen mit Dänemark wieder anzuknüpfen und nahm 1866, nachdem er die Krisis vor dem deutschen Krieg wieder in Frankfurt zugebracht, an den öster reichisch-preußischen Friedens-Verhandlungen in Prag theil. Hierauf ging er als interimistischer Ge schäftsträger nach Berlin, um hier ebenso wie in Kopenhagen die friedlichen Beziehungen neu einzu leiten, arbeitete 1868 einige Zeit unter Beust im auswärtigen Ministerium in Wien, dann bei der Jntcrnunliatur in Konstantinopel und erhielt im December 1869 den Gesandtschaftsposten in Athen, 1872 den in Haag, wo er 1876 auch in den Frei- herrnstand erhoben wurde. Nachdem er wiederum einige Zeit im auswärtigen Ministerium unter An drussy beschäftigt worden, ward er im Januar 1877 zum Botschafter in Rom ernannt, wo er rasch ver stand, sich Ansehen und Sympathie zu erwerben. 1878 war er dritter österreichischer Bevollmächtige! auf dem Berliner Congreß und wurde am 8. October 1879 zum Nachfolger Andrassys ernannt, dessen auswärtige Politik er im großen und ganzen weiter fortsührte. Baron Haymerle war seit 1867 Wit Freiin Therese v. Bernus, einer Tochter des bekannten Frankfurter Senators v. Bernus, ver mählt. Mit der Wittwe betrauern ihn zwei, noch in zartem Alter stehende Kinder, eine Tochter, Maria (geb. 1868) und ein Sohn, Franz (geb. 1874). Ueber den Nachfolger Baron Haymerle's ist noch nichts entschieden; unwahrscheinlich ist es nicht, daß Graf Andrassy unter den obwaltenden Umständen wieder in das Ministerium eintreten dürfte. "Waldenburg, 13. October 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Vorarbeiten, welche das Tabaksmonopol Freitag, den 14. Oktober betreffen, sind zufolge der „Köln. Ztg." soweit ge diehen, daß sich nun vorher sehen läßt, die Vorlage werde die verschiedenen Staffeln, welche sie zu machen hat — Bundesrath und Bundesregierungen — noch rechtzeitig durchlaufen, um dem Reichstage noch vor seiner Vertagung, in der bevorstehenden Herbstsession zugehen zu können; jedenfalls ist es zweifellos, daß die Frühjahrssession des Reichstages sich vorwiegend mit dem Tabaksmonopol zu beschäf tigen haben wird. Die „Nordd. Allg. Ztg." bringt sine Zuschrift aus Westfalen, worin auf die Wichtigkeit einer ver besserten Dampferverbindung zwischen Deutschland und China bezw. Japan hingewiesen wird, weil sich in diesen Ländern neue Absatzgebiete sür die Eisen industrie zu erschließen scheinen. Es sei nämlich beschlossen, in China und Japan eine Anzahl Eisen bahnen zu bauen. Der preußische Landwirthschaftsminister veröffent licht im„Reichsanz." einen vorläufigen Erntebericht. Derselbe lautet nicht sehr günstig; eine Mittelernte ist im Durchschnitt nicht erreicht. Der Regen in der Erntezeit hat viel verdorben. Der preußische Minister des Innern von Putt kam er ist an Stelle des schon früher ausgefchiede- nen Grafen zu Stollberg zum Vicepräsidenten des preußischen Staatsministeriums ernannt worden, von Puttkamer ist der Anciennetät nach das vierte Mitglied im Ministerium. Bemerkt wird, daß Finanzminister Bitter übergangen worden ist. Im preußischen Staatsministerium war bisher der Finanz minister nach dem Ministerpräsidenten die wichtigste und einflußreichste Persönlichkeit. Die Gerüchte von Differenzen zwisch.n Bismarck und Bitter wegen des Kapitalrentensteuer-Entwurfs tauchen fortge setzt auf. Nach einer zuverlässigen Zusammenstellung zählt die deutsche Kauffahrteiflotte gegenwärtig 4246 Segelschiffe von 965,769 Registertons (17,«5 Regi stertons — 50 ebm) Netto-Raumgehalt mit 31,003 Mann Besatzung und 414 Dampsschiffe von 215,758 Registertons Netto-Naumgehalt mit 8657 Mann Besatzung, zusammen 4460 registrirte See schiffe mit 1,181,525 Registertons und 39,660 Mann Besatzung. Nur diejenigen Schiffe, deren Brutto- Naumgehalt 50 edrn übersteigt, sind dabei mitge zählt. Von den 268 Heimalhhäfen gehören 61 dem Ostseegebiet und 207 dem Nordseegebiet an. Von diesen Häsen kommen 3 auf Ostpreußen mit 101 Schiffen, Westpreußen 2 mit 115, Pommern 22 mit 942, Schleswig-Holstein, Ostseegebiet 31 mit 330, Nordseegebiet 60 mit 461, Hannover, östlicher Theil 73 mit 474, westlicher Theil 48 mit 656, Mecklenburg-Schwerin 2 mit 381, Oldenburg 2 mit 345, Hamburg 2 mit 488, Bremen 2 mit 325, Lübeck 1 mit 42 Schiffen. Herr von Bennigsen, der Führer der National liberalen, hatte es in Hannover unterlassen, über das Tabaksmonopol zu sprechen. Er hat dies in Magdeburg nachgeholt, als er am vor'gen Sonn tag auf dem national-liberalen Parteitage für die Provinz Sachsen und die Herzogtümer Anhalt und Braunschweig das Wort ergriff. Nach eingehender Darlegung der vielen Bedenken gegen das Monopol faßte Bennigsen seine Meinung in folgendem Satz zusammen: „Ich sage: weder sinanciell, noch wirt schaftlich, noch politisch sind die Vortheile einer der artigen Abänderung in unseren Zuständen einzusehen, wie sie nach Einführung des Monopols einlreten würden, und die financielle Nothwendigkeit ist weder vorhanden, noch das erwartete financielle Ergebniß gesichert. Ich muß also doch hoffen, daß sich wie bisher im Reichstage auch künftig eine Mehrheit finden wird, Vie lieber auf andere Mittel greift, um 1881. neue Hülfsquellen zu schaffen, als wie gerade auf das Tabaksmonopol, wenn sich die Nothwendigkeit neuer Ausgaben zeigt." Herr o. Bennigsen sprach sich ferner sehr entschieden gegen den Staats- socialismus aus. „Wir in Deutschland," sagt er, „mögen wever eine Socialdemokratie noch eine Socialbureaukratie. Der Deutsche hängt an der freien Thäligkeit des Individuums." Den nievrigen Volksklaffen, auch den ländlichen Arbeitern, beginnt der Kopf zu schwindeln bei der Aussicht, daß sie nicht mehr für ihre alten Tage zu sorgen brauchen, sondern diese Fürsorge dem Staat anheimgegeben wissen. Die Idee, Staatspensionäre zu werden, schmeichelt ihnen nicht wenig. Wir leben in einer Aera verhängnißvollen socialpolitischen Schwindels; der Krach wird nicht ausdleiben. Der Frage der Unfallversicherung galt eine Ausführung, die we sentlich eine corporative Gestaltung des Versicherungs wesens als öffentlicher staatlicher Einrichtung empfahl. Die Unfälle, wie sie aus der Thäligkeit in den einzelnen Jndustriebranchen hervorgebracht würden, müßten auch durch diese Industrien getragen werden; der Staal solle daneben durch seine Gesetzgebung das Tragen dieser Last erleichtern helfen, indem er die Versicherung auf ein großes Gebiet ausdehne und dadurch die Prämienleistung auf ein möglichst geringes Maß einschränke. Die badische Generalsynode nahm den Antrag der Kirchenbehörde an, man möge sich dahin be mühen, daß durch die Reichsregierung ein gemein schaftlicher Buß- und Bettag für das ganze deutsche Volk ohne Unterschied der Confession ein- gesührt werde. Oesterreich. Haymerle's Leiche wurde vom Professor Hof mann und Stadtphysikus Kammerer obducirt und au der linken Herzwand ein Querriß von ungefähr 1'/2 Centimeter gefunden. Das Herz war an dieser Stelle geborsten. Die Nieren waren abnorm und die Anfänge der brightischen Nierenkrankheit erkenn bar. Die Leiche Haymerle's wurde einbalsamirt und im großen Festsaal des Ministeriums des Aeußeren aufgebahrt. Frankreich. Am 9. October fand in Niort die feierliche Ent hüllung des Denkmals der 1870/71 gefallenen Mar ter statt, wobei General Galliffet und der Depu- tirte A. Proust, beide intime Freunde von Gam betta, die Hauptreden hielten. Galliffet sagte u. A.: Wir schulden unseren während des Krieges von 1870/71 gefallenen Landsleuten in Frankreich ein Stück Erde, auf welchem sie ruhen; und eine so geheiligte Schuld abzutragen, muß man sich vor bereiten. (Eine deutliche Hinweisung auf Elsaß- Lothringen.) Daß Gambetta auf seiner Reise in Dresden seinen Neffen besucht habe, wird als irrthümlich be zeichnet, da Gambetta gar keinen Neffen habe. Wohl aber könne er einen „ihm näher stehenden" Knaben besucht haben. Roustan richtete an die Vertreter der Mächte in Tunis gleichlautende Schreiben, die Vertreter be nachrichtigend, daß die Besetzung in Gemäßheit des bestehenden Einverständnisses mit dem Bey er folgte, um die Sicherheit der Hauptstadt sicher zu stellen. Die Besetzung habe einen rein militärischen defensiven Charakter. Die bestehende Verwaltung werde weiter functioniren wie bisher. Alle Consule erkannten übereinstimmend der „Agence Havas" zufolge an, daß die Besetzung nothwendig gewesen sei. Der „Siöcle" glaubt zu wissen, daß Grevy dem nächst Gambetta zu sich berufen und ihm alle Vollmachten für das Programm der Bildung eines neuen Cabinets geben werde.