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Wöchentlich erscheine,! drei Nummern. PrSnumerationj. Preis 22) Silbergr. ss THIr.) vierteli-ihrlich, Z THIr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen ^heilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Prönuluerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beil u. Camp., Iägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post-Aemtnn, angenommen. Literatur des Auslandes. 62 Berlin, Sonnabend den 24. Mai L845. Frankreich. Der dritte Band von Thiers' Geschichte des Konsulats. Hatten die ersten beiden Bände den Leser geblendet durch das bunte Schau spiel glänzender Kriege, durch die ganz Europa umschlingenden Gewebe der feinsten Politik, hatten sie ihm ein Staunen abgenöthigt vor dem Fclbherrn wie vor dem Diplomaten: so erfüllt ihn der dritte mit einer wohlthucnden Wärme, führt ihn zur höchsten Bewunderung und Achtung vor dem verstän digen Gesetzgeber, dem weisen Regenten. Das Genie und die unermüdliche Thätigkeit des ersten Konsuls hatten endlich den Frieden mit ganz Europa zu erringen gewußt: es war sein Stolz, nun auch die ganze Fülle seiner Seg nungen über Frankreich auszugießen. Hier steht er auf dem Gipfel seines wahren Ruhmes, hier stand Frankreich auf der Höhe seines Glückes. Das zehnte und elfte Buch, mit denen der Band beginnt, nehmen die Fäden der früheren wieder auf und beschließen die Geschichte der auswärtigen Verhältnisse. Das zehnte erzählt die Räumung Aegyptens. Nach Kleber s Tode war der Oberbefehl an Menou übergegangcn, der, wohl zum Kolonial- Verwalter, aber durchaus nicht zum tommandirenden General geschickt, durch seine Fahrlässigkeit den Verlust der schon herrlich aufblühcnven Kolonie herbei- führte. Seine letzte beharrliche Berthcidigung von Alexandria jedoch, und die glücklichen Gefechte einiger französischen und spanischen Schiffe an den Küsten Frankreichs und Spaniens, übten auf den endlichen Abschluß des all- gemeinen Land- und Seefriedens einen beschleunigenden und für Frankreich förderlichen Einfluß. Den Verlauf der Friedens-Unterhandlungen erzählt das elfte Buch. Aber ein weit schwierigerer Friede war noch zu schließen übrig, der Friede mit der Kirche; schwierig, weil viele Interessen Roms auch im Konkordate verletzt bleiben mußten, denn auf den alten Standpunkt konnte man unmög lich zurückkehren, und weil im Lande selbst, ja in der nächsten Umgebung des ersten Konsuls, unter den Mitgliedern der Regierung und unter den Gene- ralen, noch eine starke Opposition vorhanden war. Aber der erste Konsul kannte die menschliche Natur zu gut, um sich auch durch die glänzendsten Argumente seiner Gegner blenden zu lassen. Er wußte, daß dem Menschen die Religion eine Nothwendigkeit ist, daß der dürre Verstand, welcher den Kultus der Göttin Vernunft dekrctirt hatte, nicht ausrcicht, daß die mit Ge fühl und Phantasie begabten Völker des Abendlandes vor einem bloßen chine sischen Moral-KatechiSmuS verzweifeln. Wir haben in einem früheren Artikel seine Ansichten über diesen Punkt des breiteren dargelegt; wir können nur hinzufügen, daß, wenn Lerminier von der Darstellung des Herrn Thiers sich einen heilsamen Einfluß auf Frankreich verspricht, wir dasselbe in Beziehung auf Deutschland hoffen und um deshalb eine recht weite Verbreitung des Kapitels wünschen, was besonders abgedruckt zu werden verdiente; uns hin dert der Raum an einer so ausführlichen Mitthcilung. Mit dem größten Eifer ging der erste Konsul sogleich an die Ansführung seines Vorhabens und wußte es mit Besiegung aller Hindernisse vollständig durchzuführen. Das aber setzt dem Ganzen die Krone auf, daß er so fein und sicher die Gränze erkannte, wo er seinem unmittelbaren Eingreifen ein Ziel setzen mußte. Er stellte die freie Ausübung der Religion wieder her, und zwar für alle Konfessionen, er genehmigte die geistliche Abhängigkeit des Klerus von Rom, aber nur insofern sie sich mit den Grundgesetzen und dem Wohle des Staates vertrug, er stellte die Kirche unter die Aufsicht der Regierung, aber nicht unter die Vormundschaft derselben, er entzog den Geistlichen die Führung aller Register, welche auf die Verhältnisse der Gesellschaft Bezug haben. So waren Kirche und Staat in ein bestimmtes, verständig und scharf abgegränzteS Verhältniß zu einander gesetzt; und dies allein kann beide vor den unseligen Verwirrungen, Schiefheiten und Lügen bewahren, die ohne diese Vorsicht über kurz oder lang unvermeidlich Hereinbrechen. Der Erfolg der feierlichen Eröffnung des Gottesdienstes am Osterfeste 1802 bewies, wie wenig der erste Konsul sich in seinen Erwartungen getäuscht hatte. Dies Ereigniß ist das beste srgumenrum sä siominem gegen die unüberlegten Schwätzer, welche mit der Eitelkeit beschränkter Erkenntniß oder in afterphilo sophischem Uebcrmuthe den baldigen Untergang des ChristenthumS prophezeien und von diesem gehofften Zeitpunkte ab das wahre Heil der Menschheit da- tiren. Daß wir in unserer Dogmatik viel, sehr viel aufzuräumen haben, wir geben es nicht bloS zu, sondern find davon überzeugt; aber das mögen die geistlichen Herren unter sich abmachen; glücklicherweise wird bei dem gegen wärtigen Stande der Bildung das Wohl der Gemeinden im Ganzen und Großen dadurch eben nicht sonderlich gefährdet. Die Klage der eifernden Orthodoxen über abnehmende Kirchlichkeit, über steigende Erkaltung der christ lichen Gesinnung ist nur ein Nothschrci; sie ist kaum einigermaßen begründet in Beziehung aus große Städte, sie ist haltlos in Beziehung auf kleinere Orte und das Land. Die grüße Menge des Volkes hängt so fest am Christen, thume als irgend je, die großö Menge der Gebildeten nicht minder, obgleich sie alsbald in den Reihkn der Opposition erscheint, wenn die starre Orthodoxie ihren Schlachtruf rrhe^Mür' sie kämpft nur für das Recht der Vernunft, nicht gegen die ewige ÄaMtit des ChristenthumS, als welches mit jener zu- sammenfallen muß. Die theologische Forschung Hal denselben Anspruch auf unbeschränkte Freiheit, als jeve andere wissenschaftliche Bestrebung. Und wie der freisinnige Theologe Aufgabe zu lösen habe, seinen esoterischen Standpunkt mit dem eroterifchen der Gemeinde zu vermitteln, das muß billig seiner eigenen Einsicht überlassen bleiben, da mag er selbst zusehen; der Er- folg wird, ist er anders kn ehrlicher Mann, sicherlich zum Guten auS- schlagen. Neben den Unterhandlungen über die Herstellung der Kirche waren auch die Berathungcn über das Gesetzbuch fortgeschritten. Wie sich Bonaparte zum Verständnist-^ener durch die Lektüre theologischer und besonders kirchen- historischer Schriften und durch die Unterhaltung mit sachkundigen Männern gerüstet hatte, so hatte er sich zur Beurtheilung und Leitung dieser befähigt durch das Studium einiger juristischen Bücher und der während des Konvents zum Entwürfe eines neuen Gesetzbuches gesammelten Materialien. Der neue, von Portalis, Tronchet, Bigot de Preamencu und Malleville verfaßte Ent wurf war gn sämmtliche Gerichtshöfe gesendet und nach den von diesen hinzu gefügten Mmerkungen und Verbesserungen umgcändert worden. Im StaatS- rathe wurde das Ganze, unter dem Vorsitze des ersten Konsuls, noch einmal durchgcgangcn und das Protokoll über diese Sitzungen im Mniteur veröffent licht. Schon im Dezember 1801 wurden die ersten drei Bücher dem Tribunale und dem gesetzgebenden Körper vorgelcgt, das erste und dritte aber durch die unverständige und eigensinnige Opposition verworfen. Die Erzählung der Verhandlungen über das Konkordat und das Gesetzbuch bildet den Hauptinhalt des zwölften und dreizehnten Buches. Auf den Rath des Konsuls CambacoreS wurde der Ablauf des durch die Constitution bestimmten Termins dazu benutzt, die widerspenstigen Mitglieder des Tribunatcs und des gesetzgebenden Körpers durch den Senat ausschciden und die erledigten Stellen mit besser gesinnten neuen Mitgliedern besetzen zu lassen. Die neue zu Anfang Aprils 1802 eröffnete Sitzung entschied während der 43 Tage, binnen welchen sic versammelt war, über eine Reihe glänzender Entwürfe, wie fie wohl selten sich in einem so kurzen Zeiträume zusammen drängen möchten. Sie bestätigte den Friede» von Amiens, das Konkordat, die Amnestie für alle Emigranten mit Ausnahme weniger Katcgorieen, das Gesetzbuch, ein neues System der öffentlichen, sowohl geistlichen als bürger- lichen Erziehung, und die Einrichtung der Ehrenlegion. Zur Belohnung für so große Dienste wurde Napoleon Bonaparte von der gesammten Nation zum Konsul auf Lebenszeit erwählt, mit der Berechtigung, seinen Nachfolger zu defigniren. Er ließ dieselbe Dauer der Würde auch auf seine Kollegen übertragen. „Wenn wir", sagt Thiers am Ende des Rückblickes, in welchem er den Inhalt der drei Bände kurz zusammengefaßt hat — „wenn wir vergessen, was sich seitdem ereignet hat, und uns einen Augenblick denken, daß dieser — damals nothwendige — Diktator eben so weise als groß geblieben wäre, daß er die Gegensätze in sich vereinigt hätte, die Golt niemals in einem und demselben Manne vereinigt hat, jene Kraft des Genies, welche die großen Heerführer bildet, und jene Geduld, welche die Gründer geordneter Staaten auszeichnet, daß er durch eine lange Ruhe das aufgeregte französische Volk besänftigt und allmälig für jene Freiheit vorbereitet hätte, welche die Ehre und das Bedürfniß der Völker der Gegenwart ist; daß er ferner, nachdem er Frankreich so groß gemacht hatte, die Eifersucht der europäischen Staaten be gütigt hätte, statt sie zu reizen, daß er die Landesgränzen des Friedens von Lunevillc und AmienS aufrecht erhalten, daß er endlich seine Laufbahn durch eine der Antonine würdige Handlung beschlossen und, gleichgültig wo, den Nachfolger ausgewählt hätte, der am würdigsten gewesen wäre, das organi- sirte, zur Freiheit herangereifte und für immer zur Größe erhobene Frankreich aus seinen Händen zu empfangen: welcher Mensch wäre ihm jemals gleich gekommen! Aber dieser Mann, ein Feldherr wie Cäsar, ein Sraatsmann wie August, tugendhaft wie Marc Aurel, wäre mehr als ein Mensch gewesen, und die Vorsehung giebt der Erde nicht Götter zu Regenten."