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BergerM^ und Tageblatt -^-7 38. Jahrgang - H Sonnabend, de« 20. Februar. t. s Uhr für dm lich 2 Mark 2d emmomülich 7ü Amtsblatt für dir königliche« «ud stiidüschen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Berantwottlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Inserate «erden bt« Vormittag 11 Uhr angmom- FH FHF* mm und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H FHFHUH^ oder deren Raum Id Ps. M-W v* als Ergänzung der Volksschule, welche neben technischen Unterweisungen ihren Lehrzwcck in der Hebung des sitt lichen Bewußtseins und Anleitung zum Selbstdenken bei den aufgcgebenen Arbeiten suchen würde, könnte dem praktischen Leben ganz vortreffliche weibliche Kräfte liefern. Der Nutzen würde sich nicht nur auf den Kreis der Dienstboten be schränken, vielmehr würden die vollständiger als bisher sür Tagesschau. Freiberg, den 19. Februar. Der deutsche Reichstag beschloß gestern zunächst, erst die Denkschrift über den Belagerungszustand und dann erst das Sozialistengesetz zu berathen. Abg. Viereck bezeichnete den Belagerungszustand als eine Erfindung aus d er Zeit der fran zösischen Revolution. Unter demselben sei die deutsche Sozial demokratie mächtiger geworden als je zuvor. Die Sozialdemo kratie wolle nicht den Umsturz des Bestehenden, sondern nur die große Masse aufklären über das zu erstrebende Menschheits ideal. Das Sozialistengesetz habe die anarchistischen Tendenzen gezüchtet; es sei lediglich der Sozialdemokratie zu danken, daß diese Tendenzen nicht weiter um sich gegriffen hätten. In London, wo keine Sozialdemokratie sei, hätten sich anarchistische Ausschreitungen bemerkbar gemacht, in Deutschland nicht. Da die Verhängung des Belagerungszustandes durch nichts gerecht fertigt sei, müsse man dazu kommen, denselben abzuschaffen. In einem Jahre seien in Leipzig nur zwei Personen als des Aufruhrs verdächtig ausgewiesen worden, das beweise die Ueberflüssigkcit der ganzen Ausnahmcmaßregel. Abg. Frohme wies auf eine Aeußerung des Altonaer Staatsanwalts hin, welcher die Sozialdemokraten beschuldigte, vor keinem Meineide zurückzuschrecken. Eine daran geknüpfte Aeußerung über die Justiz veranlaßte den Vizepräsidenten Frhrn. v. Francken - stein, den Redner zur Ordnung zu rufen. Abg. Frohme fuhr fort, den Sozialdemokraten gegenüber halte die Polizei Alles für erlaubt; dafür mache er den Minister v. Puttkamer verantwortlich. Man werfe den Sozialdemokraten vor, sie schürten durch ihre Broschüren den Haß gegen die bestehende Gesellschaftsordnung; dieser Vorwurf treffe aber ganz andere Leute. Er erinnere an die Broschüren Stöcker's. Vizepräsi dent Freiherr von Francken ft ein rief den Redner aber mals zur Ordnung. Abgeordneter Frohme schloß, die Ausnahmcmaßregeln würden erfolglos bleiben. Minister von Puttkamer erklärte, er verstehe nicht, wie man Frankfurter Vorfälle als eine Folge des Systems Puttkamer und bestritt, daß die Sozialdemokraten irgendwie das Be streben hätten, die öffentliche Ruhe zu stören; das sei eine Verwechselung mit den Anarchisten. Die anarchistische Be wegungsei, wie in der Schweiz, so auch in Berlin durch Polizei agenten in Szene gesetzt, um Material zur Verlängerung des Sozialistengesetzes zu liefern. Dies sei erwiesen durch die Beobachtung des Beamten Jhring, der in der Maske eines Arbeiters Mahlow sich in das Vertrauen der Arbeiter einzu schleichen gesucht habe. Er hoffe, der Reichstag werde diese Thatsachen bei der Berathung würdigen. Staatsminister v. Puttkamer bezweifelte die Harmlosigkeit der sozial demokratischen Ausflüge. Das dabei übliche Aufpflanzen der Zeichen der Revolution deute auf das Gegentheil hin. Durch die Anführung des Falles Mahlow sei der Verdacht erweckt, als ob die Staatsrcgierung durch ihre Beamten anarchistische Umtriebe in Szene gesetzt habe. Einer solchen Schandthat halte außer den Sozialdemokraten Niemand die Re gierung für fähig. Sollte das Angeführte wahr sein, so werde der betreffende Beamte der Strafe nicht entgehen. Das allerdings könne er sagen, daß die Regierung es wohl für nöthig befinde, die Sozialdemokraten im Geheimen überwachen zu lassen. Abg. Singer meinte, die unteren Beamten griffen in ihrem Uebereifer sehr häufig zu unerlaubten Mitteln in der Meinung, dadurch ihren Vorgesetzten einen Gefallen zu erweisen. Minister v. Puttkamer erwiderte, man hätte sich beschwerdeführend an das Ministerium wenden sollen. Der damit beendeten Berathung der Denkschrift folgte die Berathung des Gesetz entwurfes über die Verlängerung des Sozialistengesetzes. Abg. Mayer Württemberg sagte, die deutsche Volkspartei sei gegen das Gesetz, weil es eine Hinderung der sozialen Reform bedeute. Man müsse auf den Boden des allgemeinen Rechtes zurückkehren. Abg. Bebel betonte das Bedenkliche eines Ausnahmegesetzes für die Arbeiterklasse. Das Sozialistengesetz habe das Anarchistenthum unterstützt und die Ermordung deS Polizeiraths Rumpff bewirkt. Man habe zahlreiche Beispiele, daß Polizeispione als Anarchisten thätig gewesen seien. Er hoffe, die meisten Parteien würden gegen die Verlängerung des Sozialistengesetzes eintreten, von den Nationalliberalen wenigstens sollte man annchmen, daß sie nicht sür die Ver längerung eintreten auf die Unterstützung der Freisinnigen hoffe er sicher, dagegen kaum auf diejenige des Zentrums. Darauf wurde die weitere Berathung der Vorlage vertagt.— Die Reich stags- Kommission zur Vorbcrathung der Anträge, für eine Reihe von Handwerken die Forderung des Befähigungsnach weises aufzustellcn, genehmigte die Paragraphen 14s und 14k. Der erstere bestimmt, daß der vorgeschriebene Befähigungs nachweis auch durch das Zeugniß einer staatlich anerkannten Unterrichtsanstalt nach den Bestimmungen der Landesregierung ersetzt werden kann. Der zweite Paragraph fordert als Vor bedingung für die Zulassung zur Meisterprüfung eine dreijährige Lehrlingszeit, eine dreijährige Gesellenzeit und das zurück gelegte 24. Lebensjahr. Die Bestimmung darüber, unter welchen Verhältnissen eine Prüfung bei kürzerer Lehrlingszeit und kürzerer Gesellenzeit, sowie bei einer anderen Aus bildung als in dem betreffenden Handwerk zulässig sein soll, bleibt dem Bundcsrath überlassen. Die gestern vom deutschen Bundesrathe ange nommene Branntwein - Monopol - Vorlage wird alsbald dem Reichstage zugehen. Die wichtigsten der genehmigten Ab- ändcrungsanträge sind zu 8 23: Für Trinkbranntwein, aus Getreide, Kern- oder Steinobst, Beeren, Früchten, Wurzeln, Weinhefe, Trestern und dergleichen bereitet, wird unter billiger Berücksichtigung der seitherigen Preise dieser Branntwein gattungen ein dem höheren Werthe derselben entsprechender Preis festgesetzt; soweit der an die Monopolverwaltung abge lieferte Branntwein die für die Brennerei festgesetzte Menge überschreitet, bleibt die übelschießende Menge bei der Preis berechnung außer Betracht. In 8 25 wurde ausgenommen: Die Errichtung von Branntwein - Magazinen erfolgt im Ein vernehmen mit der Landesregierung. Zu 8 26: Zur Her stellung von Genußmitteln, welche nicht als alkoholische Ge tränke anzusehen, wird der Branntwein zu vom Bundesrath sestzusetzenden abgeminderten Preisen abgegeben; für gewerb liche Zwecke, einschließlich der Essigbereitung, für wissenschaft liche, Heizungs- und Beleuchtungszwecke verabfolgt die Mono polverwaltung den Branntwein zu Ankaufspreisen. Für Branntwein zur Herstellung von zum Export gelangenden Fabrikaten kann nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundes- rathes eine weitergehende Preisermäßigung bewilligt werden. Zu § 27: Zum Absatz im Auslande bestimmter Branntwein wird in der Regel, und zwar im rohen Zustande, durch die Monopolverwaltung im Wege der öffentlichen Versteigerung in vom Bundesrathe bestimmten Plätzen und Zwischenräumen zum Verkauf gebracht. Neuer 8 28: Den Apothekern bleibt Die Fortbildungsschule für Mädchen. Je allgemeiner die Ueberzeugung verbreitet ist, daß die Dienstbotennoth einen Krebsschaden des häuslichen Lebens bedeutet, desto schneller muß der Entschluß reifen, diesen nicht unwesentlichen Theil der auf die Hebung des vierten Standes hinweisenden sozialen Frage emer befriedigenden Lösung näher zu führen. Die Ursache der zahllosen Klagen, die überall laut werden, wo das unerschöpfliche Thema der Dicnstbotennoth berührt wird, liegt in der mangelhaften häuslichen Erziehung. So manches kleine Mädchen, das der Schule zugesührt wird, ist schon durch schlechtes Beispiel, Verwahrlosung, Rohheit oder durch unsinnige Verzärtelung in der Anlage so verdorben, daß die Arbeit des Lehrers sich zu einer höchst undank baren gestaltet. Im Hause entweder sich ganz selbst über lassen oder in harter Arbeit über die Gebühr angestrengt oder auch durch das Beispiel trägen Leichtsinns verdorben, verbringt so manches Kind eine beklagenswcrthe Jugend, bis es en^ lich halb erwachsen in das Leben hinausgestoßen wird. Uebcr die Mängel der häuslichen weiblichen Er ziehung wird fast jeder Armenpfleger zu tief beklagens- werthen Erfahrungen gelangt sein, ohne daß sich bisher dafür wirksame Abhilfe hatte finden lassen. Von den alljährlich konfirmirten Mädchen giebt es besonders in großen und mittleren Städten stets eine nicht geringe Zahl, die theils körperlich, theils geistig noch ungenügend gerüstet sind für den schweren Kampf um's Dasein. Den Lehrern ist daraus sicher kein Vorwurf zu machen, denn sie haben Noth genug, in überfüllten Klassen in der ihnen knapp zugemessenen Zeit das Schulpensum durchzuführen. Ihr Bemühen, die Mädchen zum Selbstdenken anzuhalten, ihnen Ehr- und Pflichtgefühl, fowie eine aufrichtige Religio sität einzuflößen, kann nur dort erfolgreich sein, wo das im Hause nicht wieder gelockert oder entwurzelt wird, was in der Schule mühsam eingepflanzt wurde. Besonders beklagens- werth ist es, wenn dann ein eben aus der Schule ent lassenes Mädchen, in welchem das Pflichtgefühl nur unge nügend geweckt, worden ist, als Kindermädchen mit einem Pflege-Amt betraut wird, dessen Verantwortlichkeit es zu ermessen gar nicht im Stande ist. Weit eher noch lernt ein Halbwege anstelliges Mädchen, welches das Glück hat, eine geduldige und tüchtige Hausfrau als Herrschaft zu er halten oder mit anderen braven Dienstboten zusammen zu arbeiten, nach und nach das, was sie zu einem tüchtigen Hausmädchen oder zur Köchin befähigt. Es bleibt vielen Familien deshalb nur die Wahl, ihre Kinder der Pflege einer geprüften Kindergärtnerin anzuvertrauen oder wo die dafür zu bringenden Opfer unerschwinglich sind, sich mit einer Kinderfrau zu behelfen. Die mit den weiblichen Dienstboten (gleichviel ob sie für die Kinder, das Haus, die Küche oder die Wartung der Thiere gebraucht werden) so häufig gemachten trüben Erfahrungen sind zu bekannt und zu vielseitig, als daß sic hier ausgezählt werden könnten. Hierbei Besserung zu schaffen, ist nicht nur im Interesse des häuslichen Glückes für zahllose Familien, sondern auch für die Mädchen selbst, die zu früh mit Pflichten betraut werden, denen sie nicht gewachsen sind. Eine Abhilfe ist bis jetzt nur sehr ver einzelt versucht worden; sie ist überhaupt nur m der Weise möglich, daß für eine nachträgliche Ergänzung der vom elterlichen Hause vernachlässigten Erziehung mit besonderer Berücksichtigung des späteren Dienstberufs gesorgt wird. Wenn sich auch nicht alle Schäden gut machen lassen, welche die Geistes-, Charakter- und Gemüthsbildung in der Jugend erlitten, kann doch eine geregelte pädagogische Zucht, eine straffe ordentliche Verwaltung und eine liebevolle Unterweisung das schlummernde Ehr- und Pflichtgefühl wecken und den vielleicht schon halb erstorbenen Keim des Guten wieder beleben. Eine weibliche Fortbildungsschule der Töchter gebildeter Stände zum selbständigen Lebens erwerb segensreich wirkende „Lette-Verein" in Berlin jetzt auch die Begründung einer „Dienstboten-Bildungsanstalt" versucht. Diese Anstalt hat die Unterweisung und praktische Uebung in den hauswirthschaftlichcn Arbeiten zur Aufgabe und wird sich auch die Fortbildung der Zöglinge in den weiblichen Handarbeiten, sowie in den Elementarkenntnissen angelegen sein lassen. Sie ist verbunden mit einer Wasch- und Plättanstalt für das Publikum und einer Mittagsspeise anstalt für alleinstehende Frauen und Mädchen. Der Lehrplan umfaßt folgende Gegenstände: 1) Waschen, Plätten, Kochen, Zimmerreinigen und Bedienen. 2) Handnähen, Ausbessern, Stopfen, Flicken, Maschinennähen, Wäschezuschneiden und Schneidern. 3) Nachhilfe im Lesen, Schreiben, Rechnen, Deutsch, sowie Uebung im Gesang. Man erwartet, daß sich zahlreiche Menschenfreunde finden werden, welche diese Gründung hilfreich unterstützen und unbemittelten Mädchen den Besuch der Anstalt während eines auf 4 bis 6 Monate berechneten Kursus ermöglichen. An dem Erfolge des Unternehmens wird nirgend gezweifelt, wohl aber an der Erfüllung des vielfach gehegten Wunsches, notorisch unbe mittelten, aber würdigen Kindern bedürftiger Familien den Aufenthalt in solchen, allgemein in jeder größeren Stadt zu errichtenden Anstalten auf gewisse Zeit unentgeltlich zu ermöglichen. Hat man aber Fortbildungsschulen für Knaben errichtet, so werden sich wohl auch in günstigeren Finanzperioden die Mittel finden lassen, auch die Mädchen mehr als jetzt für den Kampf des Lebens zu befähigen. Die Anregung ist dazu in unserer Bergstadt schon früher von berufener Seite erfolgt. Die von dem Lette-Verein in Berlin, sowie die von dem Direktor Karl Weiß in Erfurt in den von ihm dort und in einigen anderen Städten ins Leben gerufenen Fortbildungs-Anstalten für Mädchen ge machten Erfahrungen werden hoffentlich die festen Grund lagen liefern, auf denen sich auch hier in ersprießlicher Weise forlbauen lassen wird. ihn für alle etwaigen Ausschreitungen von Polizeibeamtcn verantwortlich machen könne; er habe nie einen Be amten in Schutz genommen, von dem erwiesen sei, daß er un- - , s- - , , j recht habe, aber ebenso müsse er zurückweisen, daß man ohne das Praktische Leben vorbereiteten Mädchen auch als selb- - Bewege den pflichtgetreuesten Beamten Vorwürfe mache. Die ständcge Arbeiterinnen oder als Arbeiterfrauen ungleich Tuch-! Sozialdemokraten erregten durch solche Beschuldigungen den tigereS als jetzt leisten. f Fanatismus der Massen, darauf sei auch die Ermordung des ES ist wiederholt erörtert worden, wie wichtig und! Polizeirathcs Rumpff zurllckzusühren. Was den Frankfurter dringlich die befriedigende Lösung der Fraucnfcage ist; von' Friedhossfall anlange, so befinde sich der betreffende Beamte der letzteren ist aber die Dienstbotenfrage unzertrennlich, in krimineller Untersuchung. Jedenfalls war es ungehörig, Mit Berücksichtigung dieses Umstandes hat der unter dem daß die Sozialdemokraten Leichenbegängnisse zu politischen Protektorat der deutschen Kronprinzessin für die Erziehung Demonstrationen benutzten. Abg. Singer bezeichnete die