Volltext Seite (XML)
MKdnOrNgebN Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das »Svilsdruffsr Tageblall- erlchcmt on »Ucn Werklogen nachmftiags 1 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. «rei Haus, dei Bostdesteilung I.M RM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Slplg. Alle Postanftalicn und Post- jrdcrzeil Bestellungen cnle Wochenblatt fÜk Wilsdruff U. UMsttgeNd ?egc^"^m Falle Sherer Sewall, od.ionstigcr — l Betriebsstörungen besteht «ein .AnIpruch aus Lielerung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandtcr Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto beiliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendem Taris Nr. 4. — Nachweisungs-Gebühr: 20 Rpsg. — Dorgeschriebene Erscheinungstagc und PlaWorschriften werden nach Möglichkeit bcrücksichligi. — Anzeigen -Annahme bis vormittags IO Uhr. . d>e Richtigkeit der durch Frrnrn, ubrrnnt- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr.806,-l,-n Anzeigen Lb-rneh^ mcn wtr keine Gewahr. - — Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogcn werden muh oder der Auftraggeber jn Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Stadl rats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 105 — 94. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 7. Mai 1935 WWW Ser König ist tot! Es lebe der König! Am 7. Mai 1910 starb Eduard VIl. und Georg V. bestieg den englischen Thron. Dem Betrachter englischer Geschichte drängt sich immer Wieder die bewundernswürdige Tatsache der Kontinuierlichkeit, der Stetigkeit der englischen Politik auf. Schmiegsam und anpassungsfähig in den Mitteln, logisch und unbeirrt in der Zielsetzung bietet sie seit Ge nerationen eine ständige Abwandlung des einzigen großen Themas: Englands Herrschaft in der Well. Das ist nicht in einem landläufigen, grobschlächtigen Sinne zu verstehen, dazu ist die englische Politik zu realistisch und aufgelockert. Es ist nicht nötig, daß überall die eng lische Flagge, der Union Jack, weht; mit Mandaten und Schutzherrschaften, mit Slkonzessionen und Wirtschafts verträgen, mit Flottenstützpunkten und Luststationen kann man die Welt eindrucksvoller und unauffälliger beherr schen als nur mit Bajonetten. Aus unserer kontinentalen Sicht der Welt stehen wir Deutsche leicht in der Gefahr, die englische Stellung in der Welt und ihre Möglichkeiten zu unterschätzen und die Politik des Empire nur mit unse ren eigenen Augen zu sehen. Die Zielstrebigkeit und Spannweite der englischen Politik wird in ihrer Stetigkeit besonders deutlich bei der Betrachtung zweier so wesens verschiedener Monarchen wie es Eduard VII. war und G e o r g V. ist. Im Rcvolutionsjahr 1848 geboren, ist Eduard VIl. ^cenfchenalter englischer Thronfolger, Prince of Wales, wahrend der langen Regierungszeit seiner Mutter, der alten Queen. Entscheidend wird die Erzie hung des Paters, eines deutschen Prinzen, in dem früh- zeit-.g der Keim zu einer heftigen Abneigung gegen alles Deutsche, besser gesagt alles Preußische, gelegt und die fwch gesteigert wird durch seine Ehe mit Alexandra von Dänemark, in deren Herzen noch Ressentiments von 1864 ^chschwingen, und durch seine Begegnungen mit seinem Neffen Wilhelm II-, fo daß beider persönliche Abneigung kn verhängnisvoller Weise auf das Verhältnis beider Nolker absärbt. Schon frühzeitig besitzt der Prinz ein Interesse für Politik, aber in dieser Hinsicht behandelt ihn die Mutter wie einen dummen Jungen. Jn dem Brief der Eltern zum 18. Geburtstag wird ihm als Ziel gesteckt, der erste Gentleman zu werden. Vergnügungen sind der Inhalt dieses unpolitischen Lebens. Aus einer inneren Wahlverwandtschaft liebt er Frankreich, er findet hier jene heitere Gelassenheit und Grazie, die seinem Wesen mehr ent spricht als das Nüchtern-Romantische, Preußisch-Schroffe seines Neffen, des deutschen Kaisers. Während dieser auch in Zivil militärisch erscheint, ist Eduard selbst in Uniform bürgerlich. Und diese beiden Figuren bestimmen im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts dessen Gesicht und, wenn auch nicht immer unmittelbar, dessen Politik. Die Möglichkeiten einer deutsch-englischen Verständigung sind zerschlagen. England tritt aus seiner sogenannten „Lplonäick Isolation", aus seiner großartigen Verein samung, heraus und rückt im Gefühl einer Bedrohung durch das in die Welt hinausstrebende Deutschland in eine immer eindeutigere Frontstellung gegen die euro päische Mitte. 1902 wird das Bündnis mit Japan ge schlossen. Zwei Jahre später schlägt die ostasiatische Groß macht den russischen Koloß und drängt ihn dadurch nach Europa zurück, in den Gegensatz zu Österreich und Deutsch land auf dem Balkan. Im selben Jahr, im April 1904, wird die Verständigung mit Frankreich erzielt; als Mor gengabe schenkt man sich Gebiete, die einem nicht gehören: Ägypten und Marokko — über den Kopf Deutschlands hinweg. 1907 einigt man sich mit Rußland über Persien Der Ring um Deutschland ist geschlossen, als der Herr von Windsor Castle, dieser Welt- und Lebemann, ein Künstler m der Menschenbehandlung, der bei einer Havanna nach dem Dinner möglichst seine gegen Deutschland gerichtete Politik machte, am 7. Mai 1910 die Augen schließt. „üo roi ost mort, vivo Io roi!" („Der König ist tot, es lebe der König!") Der neue König Georg V., der letzt in den Buckingham-Palast seinen Einzug hält, schien Ursprünglich gar nicht vom Schicksal zum Herrscher des Britischen Weltreiches ansersehen. Aber als sein älterer Bruder, der Herzog von Clarence, 1893 starb, erstand plötzlich die Möglichkeit, daß der 28jährige Prinz einmal über das Empire herrschen würde. — Man kennt den englischen König als einen freundlichen, zurückhaltenden, wohlerzogenen Menschen. Jeder monarchischen Geste ab geneigt, wählt er für sein diskretes Auftreten immer nur die Geste und vornehme Würde eines Gentlemans in doher Stellung. Es scheint ihm fast lästig, bei feierlichen Anlässen den ganzen Prunk Alt-Englands auf sich neh- Wen zu müssen; aber immer unterzieht er sich vornehm und klug auch dieser Pflicht. Aus dieser Verbindung von ^radition und Gcntlemanbaltung ergibt sich nicht zuletzt Beliebtheit des Königs im englischen Volke. Sicher- "ch ist keine Monarchie stärker und sicherer als die cng- wche, weil sie im besten Sinne „modern" ist, fern von Autokratischen Allüren und eigenwilligen, Machtan- WÄichen. Wenn auch Georg V. politisch wenig hervor- Ketreten ist — hierfür bietet neben der Wesenshaltuna MM WM eis IWM-MW-Heer MMiiß der Konferenz in Venedig. Die Vorbereitung eines Nichteinmischungspaktes. Die italienisch-ungarisch-österreichischen Besprechungen in Venedig sanden am Montag ihren Abschluß. Von italienischer Seite wurde ein amtlicher Bericht bekanntgegeben, der jedoch nur betont, daß diejenigen Probleme besprochen worden seien, die die drei Länder sowohl auf politischem als auf wirtschaftlichem Gebiet direkt interessieren. Besondere Aufmerksamkeit sei der Vorbereitung der bevorstehenden Donaukonferenz gewidmet worden. Bei der Klärung der wichtigsten Punkte wurde, so erklärt die Mitteilung, die vollkommene Übereinstimmung der Ansichten und der Ziele festgestellt. Zum Abschluß der Konferenz empfingen der italie nische Nnterstaatssckretür Suvich und die Außen minister Österreichs und Ungarns die in Venedig versammelte internationale Presse. Suvich stellte hierbei folgende Gesichtspunkte heraus: Es habe sich in Venedig nicht um eine Konferenz gehandelt, die zu Beschlüssen führen sollte. Die Begegnung habe zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem die Vor bereitung des Nichteinmischungspaktes besonderes Interesse habe. Es liege im italienischen Inter esse und auch im Interesse aller anderen, daß, wenn man sich in Rom oder anderswo zum Abschluß dieses Paktes zusammenfinde, die diesbezüglichen Probleme vorher ein gehend geprüft und womöglich in den allgemeinen Richt linien gelöst würden. Bei der Vorbereitung des Paktes handele es sich um einen wesentlichen Bestandteil für die Neuordnung in einem sehr heiklen Abschnitt Europas, der einer der bedeutendsten Punkte für das Gleichgewicht der gesamteuropäischen Politik sei. Die Berichte der nach Venedig entsandten Sonder berichterstatter der ungarischen Blätter heben hervor, daß die italienische und die österreichische Regie rung für den geplanten Nichteinmischungspakt eine Formulierung anstrebten, die die Anschlußfrage nach außen hin endgültig aus der Welt schaffe und nach innen hin einen Damm gegen die Anschlußwünsche der österreichischen Bevölke rung errichte. Die Blätter heben jedoch hervor, daß die endgültige Formulierung des Nichteinmischungspaktes bisher nicht gelungen sei. Erhebliche Schwierigkeiten sollen auf der Konferenz von Venedig, wie die ungarischen Blätter berichten, in der Frage der Einführung derWehr- Pflicht in Österreich, Ungarn und Bulgarien entstanden sein, da die österreichische Regierung auf die Einführung der Wehrpflicht keinen Wert lege und sich mit der Anerkennung des militärischen Charakters der Heim wehr begnügen wolle. Dieser österreichische Vorschlag werde von Ungarn und Bulgarien auf das entschiedenste ab gelehnt, da auf diesem Wege der Kleinen Entente die Verhinderung der Einführung der Wehr pflicht in Ungarn und Bulgarien ermöglicht werde. Ein 100 000-Mann-Heer für Ungarn? Wie verlautet, hat Ungarn im Laufe der Ver handlungen die Erlaubnis zur Aufstellung eines Heeres von 100 000 Mann gefordert. Italien bleibe aber bei seinem bisherigen Standpunkt, daß die Donaukonferenz in Rom nicht das geeignete Forum für die Äußerung derartiger Wünsche sei; diese Frage gehöre vielmehr nach Gens. Auch Italien wolle aber die ungarische Forderung stark unterstützen und sich unter Um ständen für die Abhaltung einer besonderen Konferenz, die ausschließlich der Erörterung des Rüstungsstandes der abgerüsteten Donanstaaten gewidmet sein soll, einsetzen. Konferenz der baltischen Außenminister. Im Zuge des Baltischen Annäherungsabkommens vom 12. August 1934 findet in Kowno z. Zt. die zweite Konferenz der baltischen Außenminister statt. Die est- ländische Abordnung besteht aus vier Personen, Lettland und Litauen haben je fünf Vertreter entsandt. Uber das Programm der Konferenz wird nichts bekanntgegeben. Aus der Eröffnungsrede des litauischen Außenministers geht aber hervor, daß den wichtigsten Gegenstand der Beratungen dieser Konferenz die Sicherheitsfrage der baltischen Staaten im Rahmen der Entwicklung der osteuropäischen Paktpläne bildet. Außerdem wird sich die Konferenz mit einer Reihe baltischer Fragen wirtschaftlicher und kultureller Art befassen. Gleichzeitig finden in Kowno Beratungen der Ge sandten und Konsuln Litauens statt. Diese Besprechungen erstrecken sich auf alle außenpolitischen Fragen Litauens, besonders auf die polnisch-litauischen Beziehungen. Be merkenswert ist, daß der persönliche Adjutant des Marschalls Pilsudski in Kowno weilt. MHungsanleLhe m Gowjeirußland. Enthüllungen Stalins über die Ver schwörung in der Partei — Was der Mensch im roten Paradies wert ist. Im Zuge des Jndustriealisierungsplans hat die Sowjctrcgierung eine Jnnenanleihe ausgeschrieben, um die Ersparnisse der Bevölkerung für den weiteren Ausbau der sowjctrussischen Industrie im Rahmen des zweiten Fünsjahresplanes zu verwenden. Die Anleihe wird in Höhe von 3,5 Milliarden Rubel ausgeschrieben. Von jedem Werktätigen wird erwartet, daß er einen Be- trag in Höhe eines Drciwochenlohnes für die neue Jn- dustrieanleihe zeichnet. Durch Gewährung von Prämien wird zur schnellen Zeichnung der Anleihe angeregt. Auch die Kollektivbauern werden zur Zeichnung aufgefordert. Ihnen will man acht Monatsraten für die Einzahlung cinräumen. — Der Chef der sowjetrussischen Luftstreit kräfte und der Präsident der Militärverbände richteten einen offenen Brief an die gesamte Bevölkerung der Sowjetunion, in dem sie sich über die Wichtigkeit der Zeichnung der Anleihe für militärische Zwecke aus- rinandersetzen. Sie betonen u. a., daß die Auflegung dieser Anleihe die Möglichkeit schaffen wird, neue Flugzeuge, neue Tanks, neue Mittel zum chemischen Krieg und zur Luftabwehr zu schaffen und bekennen, daß die Erweite rung der Rüstungsindustrie einer der wichtigsten Bestand teile der Landesverteidigung der Sowjetunion sei. Bei der Abschlußprüfung und der Entlassung eines neuen Jahrganges roter Offiziere und Militäringenieure hielt der Sowjetdiktator Stalin eine große Rede, m der er aufsehenerregende Enthüllungen über dis Vorgänge innerhalb der Partei machte. Statin schilderte die Schwierigkeiten, die sich der Durchführung seines Programms der Industrialisierung und Kollektivisierung entgegenstellten. Er griff auf die vorbolschcwistische Zeit zurück und behauptete: „Wir haben als Erbe der alten Zeiten ein zurückgebliebenes, halb verhungertes und zerstörtes Land übernommen, unsere Aufgabe bestand darin, dieses Land aus dem Zu stand mittelalterlicher Finsternis herauszuführen und es auf die Grundlage einer neuzeitlich entwickelten Industrie zu stellen." Das Schlimmste, fuhr Stalin fort, sei der Hunger nach der Technik gewesen, an dem Sowjetrutzland damals litt. Man habe nur wenige Voraussetzungen für die Schaffung einer mächtigen Industrie gesehen. Es habe des Königs die englische Verfassung manche Grenze und Bindung —, so ist er alles andere als eine Puppe, eine Schachbrettfigur im Spiel des Parlaments. Er hat gewiß nicht die eigenwillige Entschlußkraft, mit der Eduard VII. die der englischen Krone auferlegte Zurückhaltung sprengte. Aber durch seine ausgesprochene Gabe, ausgleichend zu wirken, hat Georg V. mehr für die Krone und das Weltreich geleistet, als man gemein hin annimmt. Gleich zu Beginn seiner Regierung hat er klug auf inncrpolitischem Gebiet gehandelt, als er nicht den Tories, den Konservativen, sondern den Libe ralen seine Unterstützung gab, und das zweite Mal, als er 1924 die erste Labour-Regierung unter dem Führer der Arbeiterpartei, Ramsay MacDonald, berief. Es gibt in England, von verschwindenden Minderheiten abge sehen, keine Kampfparolen wie „Parlament gegen Krone" oder „Arbeiterschaft gegen Monarchie". Dies ist nicht zuletzt der Begabung des Königs für Ausgleich zuzu- ichretben. die sich im Reichszusammenbana am deutlich ¬ sten während der großen Reichskonferenz von 1926 zeigte. Der König ist das einzige Bindeglied zwischen dem Mutterland und den Dominions, nachdem auf der Reichs konferenz die Rechte Englands über die Dominions auf die Krone übergingen. Das Empire ist heute die Zusam menfassung großer und unabhängiger, nnr durch ihren freien Willen am Reich festhaltenden Einzelnationen, verbunden durch die Einrichtung des Königtums. Die Krone in der Idee, in ihrem symbolischen Gehalt, kittet das Empire stärker, als Nichtkenner der englischen Ver hältnisse ahnen. Daß die Krone diese Stellung im Rah men des Britischen Weltreiches besitzt, ist nicht zuletzt das Verdienst Georgs V., über den die Biographen und Historiker nicht so amüsant und kurzweilig werden be richten können wie über die alte Queen Victoria oder Eduard VII., dem die Geschichte aber das Zeugnis aus- stellen wird, wie es ein bedeutender englischer Publizist bereits tat: „Die Geschichte wird ihn als einen idealen konstitutionellen Monarchen rühmen."