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Ottendorfer Zeitung. Vie „GttenLorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Kandel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahm« von Inseraten bi, vormittag i« Uhr." Inserat» werden mit zo p für di« Spaltzeil« berechn« Lab«llarisch«;SaY nach besonderem Laris Druck und Verlag von -/ermann Rühle m Groß-GkriUa. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühl« in Groß-Vkrilla Vr. 152. Mittwoch, den 19. Dezember 1906. 5. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Mttcndorf-Dkrilla, den >8. Dezember MS Ottendorf. Bei der am Sonnabend und Sonntag stattgefundenen Gemeinderatswahl wurde in der I. Klasses der Ansässigen Herr Morty Guhr als Gemeinderalsmitglied und Herr Ernst Bergmann als Ersatzmann gewählt, in der II. Klasse der Ansässigen wurden die Herren Gustav Tamme. Ernst Angermann und Otto Schulze, als Ersatzmann Otto Schurig gewählt. In der Klasse der Unansassigen wurde al» Ersatzmann Herr Johann Mainka gewählt, hierbei erhielt auch eine Stimme der „Haupt mann von Köpenick". —* Die Vorlage, betr. die Anlegung eines Truppenübungsplatzes bei Königsbrück, ist dem Reichstag zugegangen. Als erste Rate werden für Grundbewerb, Bau- und Platzherricktung 4 Millionen Mark gefordert. Der Platz wird lediglich dem 12- Armeekorps zu Uebungs- zwecken dienen, während Zeithain dem 19. Armeekorps zugetcilt wird. Durch die Auflösung des Reichstags wird die Erledigung der Vorlage entsprechend verzögert. — * Frachtermäßigung für Fleisch von frisch- geschlachtetcm Vieh. Die Preußisch-Hessische StaatSeisenbahnverwaltung hat bekanntlich für die Beförderung von Fleisch von frischge. schlachteten, Vieh (Rindvieh, Schweinen, Schafen, Ziegen, Kälbern, Ferkeln, Lämmern und Zicklein) etn: Frachtermäßigung insofern ein- treten laßen, als bei Aufgabe derartiger Sendungen mit Eilsrachtbrief die Abfertigung auf ihren Linien nach den Bestimmungen und Frachtsätzen des fSpezialtarisS sür bestimmte Eilgüter erfolgt. Diesem Vorgehen hat sich jetzt auch di« Sächsische StaatSeisenbahnver waltung angeschlossen, sodaß vom IS. Dezember dieses Jahre» an bis einschl. 31. Dezember de» Jahre» 1909 der Artikel Fleisch von frtschgeschlachtetem Vieh auch auf den sächsischen Staatteisenbahnstreckett unter den gleichen Voraussetzungen nach den Frachtsätzen de« Spezialtariss sür bestimmte Eilgüter abge- strtigt wird. Wegen der Einführung be sonderer AuSnahmefrachtsätze sür Wagen» lüdungen auf Entfernungen von 101 Kilometer an wird die sächsische StaatSeisenbahnverwaltung noch besondere Bekanntmachung erlaßen. Klotzsche. Da« hiesige Postamt III. Klaffe wird am 1. April in ein solche« II. Klaffe umgewandelt. Eisenberg-Moritzburg. jDer Roß- Vieh- und Krammarkt am Mittwoch war recht gut besucht. Auf dem Roßmarkt befanden sich 525 Stück Pferde, auch war noch eine große Anzahl in den Ställen verblieben. Rindvieh waren nur 3 Stück auf dem Markte und Schweine (Läufer und Ferkel) befanden sich 335 Stück auf dem Platze. Beim Pferde handel wurden lebhafte Geschäftsabschlüße wahrgenommcn, auch die Schweine sind fast alle verkauft worden. Das Paar Ferkel kostete 20 bis 25 M. und ein Läufer 25 bis 30 Di. Aus dem Krammarkt fanden hauptsächlich die Wollwaren und Wintersachen guten Absatz, auch bei den Spielwaren, Luxusartikeln und Pfefferkuchenbuden waren zahlreiche Käufer zu sehen. Deuben. Eine Ausstellung eigner Art ist hier eröffnet worden. Hunderte kleiner Hände haben unermüdlich geschaffen, um aus allerhand zum Teil wertlosen Stoffen schmucke Gegenstände, zumeist Spielsachen, anzusertigen Die Besichtigung der Ausstellung, welche bis zum Sonntag im Knabenhortgebäude un entgeltlich geöffnet ist, kann jedem Volks- und Kinderfreunde empfohlen werden, Bischofswerda. Die am Sonnabend versammelten Vertrauensmänner des Bundes der Landwirte in der Amtühauptmannschaf Bautzen beschloßen, den bisherigen antisemitischen Retchatagsabgeordneten im dritten sächsischen Wahlkreise (Bautzen-Kamenz), Herrn Heinrich Gräfe in Bischofswerda, abermals al» ihren Kandidaten aufzustellen. Die Deutsche Reform- Partei im dritten Wahlkreise erteilte hierzu ihre Zustimmung, ebenso der Vorsitzende des Konservativen Vereins für Bautzen und Um gebung. Siebenlehn. Der Bürgermeister ver haftet. Die Untersuchung wegen der Brand- 'tiftung zieht immer weitere Kreise. Nachdem lereits 13 Bürger in dieser Angelegenheit ver haftet worden sind, darunter der Führer der reiwilligen Feuerwehr, ist jetzt auch noch Herr Bürgermeister Barthel in diese großes Aussehen erregende Sache gezogen worden. Oschatz. In erschreckender Weise greift die Diphtheritis in Oschatz um sich. Schon hat re mehrere Opfer gefordert und die Zahl der Erkrankungen ist noch im Zunehmen begriffen. Copitz. In der Angelegenheit einer besseren Verbindung der rechts der Elbe zwischen Pillnitz und Pirna gelegenen Ortschaften will nunmehr Copitz die Führung übernehmen. Ueber die Ren'abililät der zu schaffenden Straßenbahn- Verbindung — elektrischer Betrieb — bestehen allerdings noch Zweifel; im wirtschaftlichen Interesse der in Betracht kommenden Ortschaften oll die Sache aber doch eifrig gefördert werden. Brand. Tödlich verunglückt ist in Brand bei Freiberg der Zimmermann August Reichelt aus Großhartmannsdorf bei einer Balkenlegung IM Eiskeller der dasigen Brauerei. Er stürzte von einem hohen Gestell ab und erlitt dabei chwere innere Verletzungen. Nach wenigen Stunden starb er im Krankenhause. Hohenstein-Ernstthal. Die hiesige und sie Lichtensteiner Weberinnung haben erneut an die Fabrikanten eine Eingabe gerichtet in der darum gebeten wird, doch die Löhne sür gute Decken etwas aufzubeßern. Der hiesige Fabrikantenveretn hielt bereits eine Sitzung ab, n der er zu dieser Eingabe Stellung nahm Beschloßen wurde, sich sofort mit dem Lichten- teiner Fabrikanten in Verbindung zu setzen. Die Löhne für die leichteren Waren wurden rereits vor einiger Zeit aufgebeffert, bez. ge regelt. Auch die mechanischen Weber fast ämtlicher hiesiger Fabriken hatten durch ihre Albeiterausschüße Forderungen eingereicht und jaden damit auch einen recht guten Erfolg ge labt, denn die Weber erhielte« ein Mehr von 8—15 Prozent. Chemnitz. Am Montag begann vor dem Landgericht Chemnitz die Verhandlung gegen den „Wildschützen" Schönfeld, der lange Zeit durch seine Wilderei und Spitzbüberei eine der „gesuchtesten" Persönlichkeiten war!, big auch er einging. Mit ihm haben sich noch 21 An geklagte zu verantworten, die mit ihm ge wildert oder sonst in Verbindung gestanden, mit «ingebrochen und gestohlen oder ihm als Hehler gedient haben. 12 von den 22 An geklagten befinden sich, zum Teil seit längerer Zeit, gleich Sch. in Untersuchungshaft. Für die Verhandlung, zu der 80 Zeugen geladen sind, sind fünf Tage angesetzt worden. Leipzig. Etn beklagenswerter Unglückssall, der ein junges Menschenleben forderte, ereignete sich am Sonnabend nachmittag in einer Maschinenbauanstalt in der Merseburger Straße in L,-Lindenau. Der 9 Jahre alte Knabe Friedrich Walter Zita, Aurelienstraße 12 bei dem Pflegevater wohnhaft, war in jener Fabrik in einen Raum eingetreten, in dem eine Hobel maschine aufgestellt ist. Die Maschine war abgestellt und niemand in der Nähe. Der Knabe stellte die Maschine an und machte sich daran zu schaffen. Hierbei geriet er in das Getriebe, wobei ihm die Schädeldecke eingedrückt wurde. Der Tod trat sofort ein. — Am Montag vormittag 9 Uhr wurde hier der 35 Jahre alle Geldbriefträger Ernst Emil Rübner, wohnhaft in Altschönebeck be Leipzig, verheiratet und Vater von vier Kindern, schwerverletzt und besinnungslos au der Treppe des Grundstücks Deutrichshof, in der Nikolaistraße aufgesunden. Beide Taschen waren ihm abgeschnitten worden. Er wurde m die nahegelegene Sanitätswache gebracht, wo schwer- Verletzungen am Kopfe, die von einem scharfen Instrument herrühren, darunter eine lebensgefährliche Verletzung des Schädel nochens, festgestellt wurden. Rübner, der päter wieder vernehmungsfähig war, wurde in das städtische Krankenhaus geschafft. Die ge raubte Summe soll 7 000 M, betragen, Der Täter ist noch nicht ermittelt. Zwickau. Hier hielt sich in den letzten Tagen ein junger russischer Anarchist auf, der in den Meutereien der Schwarzmeerflotte eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat. Er ge- örte zur Besatzung der „Kurosna", die im April 1906 in den bulgarischen Gewässern reutzte. Furchtbare Durstqualen trieben die Besatzung dazu, vom Befehlshaber Wasser zu ordern. Als dies verweigert ward, erstachen re den Befehlshaber und warfen ihn ins Meer; sie übrigen Offiziere zwangen sie, ins Wasser u springen. Um sich vor „Sibirien" zu retten, versuchten sie in den Hafen Bulgariens zu kommen. Sie hatten bei diesem Versuch einen 3 Tage wählenden Seekampf zu be- 'tehen, der mit der Wegnahme der „Kurosna" endete. Der Zwickauer „Gast" hat dabei zwei schwere Wunden, einer Schuß durch den linken Oberschenkel - und die rechte Wade, davonge- ragen Die Blessierten wurden in ein nilgarischeö Spital geschafft. Nach erfolgter Heilung sctzlen sie ihre Flucht durch Europa .n Szene. Der „Gast" Zwickaus wurde zu dem Zweck von österreichischen Sozialisten unterstützt. So gelangte er auch nach Zwickau um nun als politischer Verbrecher weiter zu lüchten. Nus der Woche. Herr Clemenceau, der in seiner ganzen wlitischen Laufbahn das blendende Wort und >en überraschenden Entschluß geliebt hat, er härte vor kurzer Zeit in einer Versammlung, die er in der Vendee abhielt: „Am 12. De- ember werden die Bürger Frankreichs er wachen und die Sonne eines neuen Tages be grüßen, des Tages der Freiheit." Vom 12. Dezember an find Staat und Kirche in Frankreich getrennt, haben sie jedwede Ver linkung miteinander verloren. Was seit vielen Jahren begeisterten Republikanern als Ziel ihrer heißesten Wünsche galt, hat die dritte Republik zur Wirklichkeit werden laßen. Das Trennungsgesetz mit seinen Folgen war nach der endgültigen Erledigung des 12 Jahre währenden Dreyfußskandals daS bedeutsamste Zugeständnis an die Republik. Eine ander« Frage freilich bleibt, ob seine Durchführung ein Akt politischer Klugheit war. Darüber wird man mit Sicherheit erst nach einigen Jahren urteilen können, vielleicht aber auch schon nach kurzer Zeit, wenn sich die Mächte zu der Protestnote des Heiligen Stuhles ge äußert haben werden. — In Oesterreich-Ungarn sind die Verhandlungen in den Delegationen wieder auf jenen Punkte angelangt, auf -denen sie in den letzten 10 Jahren, ja jman kann beinahe sagen, seit dem Ausgleich von 1867 noch regelmäßig gesch itert sind: beim Heeres etat. Mit Rücksicht auf die schwere Slellung, die die österreichische Regierung gegenüber dem Herrenhaus in der Wahlreformfrage hat, sind in den Delegationen die schwierigsten Punkte noch unberührt geblieben, aber soviel ist schon ans Licht der Oeffentlichkeit getreten, daß auch Oesterreich-Ungarn Kriegsschiffe bauen muß, will und — diesmal gab Ungarn seine Ein willigung — auch kann. Die Begründung dieser Forderung durch den Marineminister Montecuccoli wird freilich besonders in Italien wieder „Befremden erregen" (wie man diplomatisch sagt) Denn Oesterreich-Ungarn will seine Kriegsschiffe angeblich nur bauen, um im geeigneten Augenblick auf dem Adriatischen Meer (dort sind die Italiener am verwundbarsten) angriffsw-ise vorgehen zu könuen. Es ist kein Wunder, daß unter dem Einfluß solcher kriegerischen Erwägungen der Gedanke an eine neue Friedenskonferenz im Haag mehr und mehr einschläft. Wußte man doch dieser Tage im englischen Unterhause auf eine Anfrage nicht einmal anzugeben, ob und wann ungefähr die nächste Friedenskonferenz (die Amerikaner nennen es „VerbrüderungSsest") m Haag zusammentreten soll. — Das Zaren reich ist endlich zur Ruhe gekommen, die an- tändig gesonnenen Elemente hohen sich an- ch-inend überzeugt, daß die Freiheit für Ruß- and nur im Laufe der Geschichte erzwungen werden kann und nicht in blutdürstigem An- 'turm gegen die Regierung, wie das Volk cs nach Pariser Muster versuchte. Es darf ruhig ausgesprochen werden, die russische Regierung hat in dem zwei Jahre währenden Ringen einen glänzenden Sieg davon get-agen, das müde Volk ist in Stumpfheit und Trägheit zurückgesunken, während die Mehrzahl der lenkenden und darum dem Selbstherrschertum gefährlichen Geister auf den Steppen Sibiriens Gelegenheit fand, ihrem FreihettStraum nachzu - hängen. Die Duma — das sehnlichst er- vartcte Volksparlament — wird natürlich zum gewährleisteten Zeitpunk! versammelt werden; aber die Abgeordneten werden keine zu Gesetz talen entschloßenen Volksvertreter, sondern auf das Regierungsprogramm festgelegte gehorsame Staatsdiener sein. — Dem Präsidenten der Ver. Staaten ist im letzten Jahre seiner Regententätigkeit noch eine Ueberraschung zuteil geworden, von der er sich, wie die übrige Welt wohl nichts hat träumen laßen. Er ist mit dem Friedenspreis der Nobelstiflung be dacht worden. Für die Friedensbewegung hat Roosevelt nichts getan, im Gegenteil, seine letzte Botschaft an den Kongreß der Ver. Staaten 'lingt recht kriegerisch. Also wird noch der Friedensschluß von Portsmouth die segen- pendenden und preisbringenden Schatten? Ahnte niemand im norwegischen Storthing, dessen Kommission die FriedenSpreiSverteilung übertragen ist, was auf dem Welttheater vor gegangen war, ehe Roosevelt die Vermittlerrolle übernahm. Wußte niemand, daß Deutschlands Kaiser und Englands König die eigentlichen Friedensstifter waren? Wenn einmal die ein wandfreie und vorurteilslose Geschichte jenes Friedensschlußes mit allen ihren hinter den Kulißen spielenden Vorgängrn geschrieben sein wird, dürfte die Preisoerteilung an den chmunzelnden Amerikaner nicht jvom Glorien- chein der Gerechtigkeit und des Verdienstes umworben sein. — Eine eigenartige Weihnachts überraschung erlebte am 13. d. M- das deutsche Volk. Der R-ichStag wurde nach einer Dauer von drei Jahren und sechs Monaten (am 16. Juni 1903 ward er erwählt) vom Reichskanzler im Auftrage des Kaiser» auf gelöst. Das Schicksal der Auflösung hat den dritten, den sechsten, den achten und den elften deutschen Reichstag betroffen. Als der dritte Reichstag am 11. Juni 1878 aufgelöst wurde, geschahs aus trauriger Veranlassung: Auf den greisen Kaiser Wilhelm I. war am 2. Juni (von Nobiling) ein kruchlose» Attentat verübt worden. Die Regierung löste das Parlament auf, um mit dem neuen Reichstag schärfere Gesetz- zur Bekämpfung der Sozialdemokratie zu schaffen. Am 14. Januar 1887 und am 6. Mai 1893 wurde der Reichstag beide Male aufgelost, weil er Heeresooriagen der Regierung ablehnte und die Regierung die Meinung des Volkes (die in den Neuwahlen zum Ausdruck kommt) anrief. Nun ists dem elften deutschen Reichstage aus gleicher Veranlaßung ebenso gegangen: Wird in der Hitze des Wahlkampfe« die milde Weihnachtsmahnung ungehört ver hallen; „Und Friede aus Erden?" In ernster Stunde stand des Reiches Steuermann vom Beifallssturm umtost und sprach von der gefährdeten Ehre der Nation In die Weih« nachtssreude hat sich dem im öffentlichen Leben Stehenden ein bitterer Tropfen gemischt.